Emergenz

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Jörn Budesheim
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Sa 29. Mai 2021, 13:44

Ich habe gesagt, dass wir über großes mathematisches Wissen verfügen und dass dieses Wissen eine große kausale Kraft hat.

Du hast eingewendet, dass damit wohl nicht jeder einzelne gemeint sein kann. Außerdem, dass es mathematische Probleme gibt, die wir noch nicht gelöst haben. Ich kann bei beiden nicht erkennen, was das im Ernst mit dem zu tun haben soll, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Das ist das, was ich bei dir die Verhackstückungstechnik nenne, du nimmst einzelne Satzteile, teilweise auch nur einzelne Ausdrücke und lässt einfach den Sinnzusammenhang beiseite.

Mit Hilfe des mathematischen Wissens, was wir haben z.b. im Zusammenspiel mit dem, was wir über den physikalischen Bereich wissen, haben wir unser Alltagsleben in einer Art und Weise verändert, der bis vor kurzem kaum denkbar war, wenn man z.b. an Handys, Internet bald selbstfahrende Autos et cetera pp denkt.




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NaWennDuMeinst
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Sa 29. Mai 2021, 14:25

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 29. Mai 2021, 10:40
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 28. Mai 2021, 23:49
Ein Umdenken? Von wo nach wo?
Das Umdenken würde nach meinem Verständnis darin bestehen, dass man die Ansicht hinter sich lässt, dass letztlich alles physikalisch erklärt werden kann*.
Aber ist es nicht ein Unterschied ob ich sage, dass sich nicht alles bottom-up erklären lässt oder ob ich auch sage es lässt sich nicht alles physikalisch erklären?
Warum sollte Emergenz kein pyhsikalisches Prinzip sein?

„Leider sind dem Ausdruck Emergenz einige Bedeutungen zugewachsen, die für unterschiedliche Dinge stehen, darunter übernatürliche Erscheinungen, die den physikalischen Gesetzen nicht unterworfen sind. So etwas meine ich nicht. Ich verstehe darunter ein physikalisches Ordnungsprinzip.“
Robert B. Laughlin.

Aus dem Umstand, dass man nicht alles aus den untersten Ebenen heraus erklären kann folgt ja nicht, dass deshalb all das nicht physikalisch wäre.



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Burkart
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Sa 29. Mai 2021, 14:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 29. Mai 2021, 13:44
Ich habe gesagt, dass wir verfügen über großes mathematisches Wissen und dass dieses Wissen eine große kausale Kraft hat.

Du hast eingewendet, dass damit wohl nicht jeder einzelne gemeint sein kann. Außerdem, dass es mathematische Probleme gibt, die wir noch nicht gelöst haben. Ich kann bei beiden nicht erkennen, was das im Ernst mit dem zu tun haben soll, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Das ist das, was ich bei dir die Verhackstückungstechnik nenne, du nimmst einzelne Satzteile, teilweise auch nur einzelne Ausdrücke und lässt einfach den Sinnzusammenhang beiseite.

Mit Hilfe des mathematischen Wissens, was wir haben z.b. im Zusammenspiel mit dem, was wir über den physikalischen Bereich wissen, haben wir unser Alltagsleben in einer Art und Weise verändert, der bis vor kurzem kaum denkbar war, wenn man z.b. an Handys, Internet bald selbstfahrende Autos et cetera pp denkt.
Woher soll ich wissen, was du zum Ausdruck bringen wolltest, wenn du mir nicht einmal die Frage beantwortest, was du unter "kausale Kraft" verstehst?
Kraft ist für mich primär eine physikalische Größe; selbst wenn ich vergleichsweise an "politische Kräfte" denke, stecken da zumindest Menschen dahinter, die etwas in der realen Welt bewirken wollen.
Mir bleibt also manchmal kaum etwas anderes übrig als was du "Verhackstückungstechnik" nennst, zumindest um halbwegs kurz und präzise zu sein.
By the way: Du hattest dir mit "Erstmal dürfte das "wir" für einen großen Teil der Bevölkerung nicht unbedingt gelten." auch etwas herausgepickt, also bitte mal an die eigene Nase fassen.
Mit Hilfe des mathematischen Wissens, was wir haben z.b. im Zusammenspiel mit dem, was wir über den physikalischen Bereich wissen, haben wir unser Alltagsleben in einer Art und Weise verändert, der bis vor kurzem kaum denkbar war, wenn man z.b. an Handys, Internet bald selbstfahrende Autos et cetera pp denkt.
Ok, damit habe ich nun wenigstens eine Ahnung, was du sagen wolltest. Für dich ist Mathematik mehr als sie selbst aus meiner Sicht, weil du sie für so entscheidend hälst z.B. für den physikalischen Bereich mit dem Alltagsleben mit Handys, Internet u.ä. Dies sind aber eher technische Errungenschaften, in denen die Mathematik eher Hilfsmittel war. Und das sage ich als großer Mathematik-Fan... Nicht zuletzt selbstfahrende Autos gehen noch mehr in Richtung Technik und gar gen KI.



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Jörn Budesheim
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Sa 29. Mai 2021, 14:57

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 29. Mai 2021, 14:25
Warum sollte Emergenz kein pyhsikalisches Prinzip sein?
Damit wird den Unterschied der verschiedenen Ebenen Rechnung getragen. Warum sollte man die Begriffe, die dafür seit langem eingeführt sind nicht beibehalten z.b. Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Soziologie und möglicherweise viele andere Bereiche mehr? Wir hätten demnach unterschiedliche Bereiche mit unterschiedlichen Regeln und dann ist es sinnvoll, sie auch mit unterschiedlichen Namen zu versehen. Wenn sich herausstellen sollte, dass sich Biologie nicht auf Physik zurückführen lässt, dann wäre es höchst seltsam, Biologie Physik zu nennen.




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Jörn Budesheim
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Sa 29. Mai 2021, 14:59

Burkart hat geschrieben :
Sa 29. Mai 2021, 14:47
an die eigene Nase fassen
Genau das werde ich in Zukunft tun, ich bleibe meiner eigenen Nase treu und werde deine Beiträge weder lesen noch kommentieren. Das Gespräch ist einfach völlig fruchtlos.




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Sa 29. Mai 2021, 15:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 29. Mai 2021, 14:59
Burkart hat geschrieben :
Sa 29. Mai 2021, 14:47
an die eigene Nase fassen
Genau das werde ich in Zukunft tun, ich bleibe meiner eigenen Nase treu und werde deine Beiträge weder lesen noch kommentieren. Das Gespräch ist einfach völlig fruchtlos.
Tja, schade, dass du auf meine Beiträge und Fragen nicht hinreichend eingehen magst oder kannst, Pech gehabt.
Anscheinend sind wir zu verschieden, du als Künstler, ich als recht sachlicher Mensch.



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NaWennDuMeinst
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Sa 29. Mai 2021, 15:58

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 29. Mai 2021, 14:57
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 29. Mai 2021, 14:25
Warum sollte Emergenz kein pyhsikalisches Prinzip sein?
Damit wird den Unterschied der verschiedenen Ebenen Rechnung getragen. Warum sollte man die Begriffe, die dafür seit langem eingeführt sind nicht beibehalten z.b. Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Soziologie und möglicherweise viele andere Bereiche mehr? Wir hätten demnach unterschiedliche Bereiche mit unterschiedlichen Regeln und dann ist es sinnvoll, sie auch mit unterschiedlichen Namen zu versehen. Wenn sich herausstellen sollte, dass sich Biologie nicht auf Physik zurückführen lässt, dann wäre es höchst seltsam, Biologie Physik zu nennen.
Jetzt kann ich dir nicht mehr folgen.
Ich vermute wir haben unterschiedliche Auffassungen von Physik. Physik ist doch nicht nur Teilchenphysik.
Und wieso würde Emergenz ein physikalisches (Ordnungs-)Prinzip zu nennen bedeuten Biologie Physik zu nennen?



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Sa 29. Mai 2021, 16:35

Also unter starker Emergenz verstehe ich, dass wir es letztlich mit verschiedenen Ebenen zu tun haben. Und warum man die verschiedenen Ebenen nicht als verschieden kennzeichnen soll, indem man ihnen andere Namen gibt, kann ich nicht verstehen. Es ist schließlich nicht gerade unüblich verschiedene Gegenstände mit verschiedenen Begriffen zu bezeichnen. Ich habe das auf jeden Fall schon mal erlebt ;)

Ich hatte weiter oben ein Beispiel aus der Vortragsreihe hier in der Kunsthalle in Kassel gebracht. Die gängige Auffassung ist, dass sich Biologie letztlich völlig auf Physik zurückführen lässt. (Die Bereiche haben also bereits verschiedene Namen, auch wenn manche glauben, sie seien gewissermaßen nur provisorisch.) Im Fall der Rückführbarkeit wäre Biologie im Prinzip nichts anderes als Physik. Stellt sich aber heraus, dass sich Biologie nicht auf Physik zurückführen lässt, weil es wirklich starke Emergenz gibt, böte es sich an Biologie, weiter Biologie zu nennen, nur diesmal mit Nachdruck.




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NaWennDuMeinst
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Sa 29. Mai 2021, 18:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 29. Mai 2021, 16:35
Also unter starker Emergenz verstehe ich, dass wir es letztlich mit verschiedenen Ebenen zu tun haben. Und warum man die verschiedenen Ebenen nicht als verschieden kennzeichnen soll, indem man ihnen andere Namen gibt, kann ich nicht verstehen. Es ist schließlich nicht gerade unüblich verschiedene Gegenstände mit verschiedenen Begriffen zu bezeichnen. Ich habe das auf jeden Fall schon mal erlebt ;)
Wenn es denn so ist.
Aber warum soll diese Ebene nicht physikalisch erforschbar sein?
Wenn es um Materie und Energie geht fällt das doch in den Bereich der Physik.
Und wenn es nicht darum geht, worum dann?
Was ist denn das was da wirkt (und wie wirkt es auf Materie und Energie)? Eine ominöse Macht?
Das ist hier so ein bißchen meine Befürchtung, nämlich dass Deine Emergenz-Kutsche Richtung Esoterik losrollt. Da springe ich dann lieber nicht auf.



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Jörn Budesheim
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Sa 29. Mai 2021, 19:15

Der Faden wurde auf Wunsch des Starters beendet.




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Jörn Budesheim
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Mo 29. Aug 2022, 20:38



Das Video überschneidet sich natürlich in vielem mit dem Startbeitrag, aber da das Thema (ontologische) Emergenz an anderen Stellen besprochen wurde, ist es vielleicht passend, das Video hier zu posten.




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Jörn Budesheim
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Mi 14. Sep 2022, 21:02





sybok
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Do 15. Sep 2022, 23:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 14. Sep 2022, 21:02
Sehr spannend, selten diesen Ideenkomplex so prägnant dargestellt gesehen.
Man hört, nach meinem Empfinden zumindest, in letzter Zeit immer öfter, dass wir langsam an eine Decke stossen und es womöglich einen Paradigmenwechsel bräuchte.
Ich könnte mir sehr, sehr gut vorstellen, dass Sichtweisen die in Richtung wie die im Video präsentierte gehen, die allfällig nächste Revolution des menschlichen Erkennungsprozesses initiieren könnten. :)




Burkart
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Sa 17. Sep 2022, 11:55

Hm, was wird im Video zentral gesagt?
Mir scheint, dass es das ist, dass man mithilfe (der Idee) der Emergenz besser unser Denken/Wissen u.ä. erklären kann, also dass es nicht nur den Dualismus Göttliches/Geist zu Physik (Materie) gibt, sondern, dass die Emergenz Stufen/Denkebenen dazwischen einziehen möchte, aus meiner Sicht, damit der Dualismus als ein fiktiver erkennbarer wird. Wenn es das ist, bin ich voll dabei :)



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Körper
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Sa 17. Sep 2022, 13:11

Ist schon jemand aufgefallen, welche Gesamtausrichtung dieer "Philp Clayton" einnimmt?
Hier bei Wiki steht:
  • Philip Clayton (* 1955) ist ein US-amerikanischer Philosoph und Theologe, der der Prozesstheologie nahesteht.
Hier gibt es eine Verbindung zwischen Religion und Emergenz, Theologie und Emergenz. Das Stichwort "Prozesstheologie" ist dabei interessant.
Die Begeisterung für Emergenz kommt wohl nicht von ungefähr, sondern Emergenz eignet sich als religiöse Ansicht, die wissenschaftlichen Anspruch erheben will.

Hier ein Link mit erstaunlichen Aussagen:
  • Zum Verständnis dessen, wie eine universelle Gottesvorstellung aussehen könnte, die nicht im Widerspruch zu den modernen Naturwissenschaften steht, ist der Begriff der Emergenz von grundlegender Bedeutung.
  • In diesem Sinne lässt sich die These vertreten, dass Gott selbst ein emergentes Phänomen ist, das eine eigene Geschichte hat, wie es schon die Prozesstheologen postulierten. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, Gott mit dem positiven Pol eines emergierenden Weltbewusstseins zu identifizieren.
  • Durch diese Annahme lassen sich viele der in der traditionellen Theologie unauflösbaren Probleme (wie z. B die Allwissenheit Gottes oder die Fragen nach der Kommunikationsmöglichkeit mit Gott und die der Theodizee) lösen und einheitlich verstehen.
Dass Emergenz einen Glaubenssprung beinhaltet, habe anscheinend nicht nur ich erkannt :-)
Meine Konsequenz "das ist nichts wert" teilen wohl nicht alle, insbesondere religiös angehauchte/geeignete oder schon deutlich religiös gefärbte Menschen sind da anderer Meinung.

Man sollte schon einen Moment inne halten und darüber nachdenken, welche Richtung der Wissenschaft durch Emergenz-Behauptungen gegeben wird.




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Jörn Budesheim
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Sa 17. Sep 2022, 16:08

sybok hat geschrieben :
Do 15. Sep 2022, 23:26
Sehr spannend
Finde ich auch. Interessant ist für mich vor allem der Punkt, dass Clayton Emergenz nicht prinzipiell mit Unvorhersehbarkeit in Verbindung bringt. Das ist ein neuer Aspekt, wie ich finde.
sybok hat geschrieben :
Do 15. Sep 2022, 23:26
Ich könnte mir sehr, sehr gut vorstellen, dass Sichtweisen die in Richtung wie die im Video präsentierte gehen, die allfällig nächste Revolution des menschlichen Erkennungsprozesses initiieren könnten. :)
Genau das denke ich auch. Wobei ich glaube, dass diese Entwicklung schon im Gang ist. Dabei denke ich, dass metaphysische Positionen, wie der Reduktionismus zunehmend verabschiedet werden und Positionen Platz machen, die verschiedene ontologische Ebenen zulassen bzw die Buntheit und Vielfältigkeit der Welt akzeptieren.
Clayton hat geschrieben : ... nichts, was der Löwe macht, verstößt gegen die Gesetze der Physik ...
Das scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein. Wenn Emergentismus - gleich welcher - richtig ist, dann ist der Physikalismus falsch. Aber das heißt nicht, dass der Emergentismus darauf festgelegt ist, zu behaupten oder zu implizieren, dass die Gesetze der Physik "verletzt" werden müssen oder in Frage gestellt sind, damit es eine Pluralität der Ebenen geben kann.




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Jörn Budesheim
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Sa 17. Sep 2022, 17:00

Bei dem Symposium: nature after nature (2014!) erläuterte Cord Riechelmann, einer der Redner, im Anschluss an einen Vortrag von Markus Gabriel, dass er im Biologie-Studium zunächst einmal “lernte”, dass Biologie nicht wirklich eine harte Naturwissenschaft ist, das gilt nur für die Physik. Sowohl Riechelmann als auch Gabriel waren sich völlig einig, dass diese Form von Naturalismus - ich zitiere - eine dumme Form von Ideologie und Religion sei. Das ist auch meine Vorstellung. Und ich glaube, diese Religion geht ihrem Ende zu.




Körper
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Sa 17. Sep 2022, 19:53

Da wird wohl eher nur eine Religion mit der anderen ausgetauscht.

Auch "George Ellis", der Protagonist im Video vom ersten Beitrag des Threads und in einem der obigen Videos, hat anscheinend eine deutlich religiöse Eignung.
Auf Wiki wird er als "aktiver Quäker" bezeichnet.
In diesem Link hier wird er auch als "Quäker", als Präsident der "Internationalen Gesellschaft für Wissenschaft und Religion" und als "Platonist" (was auch immer das aussagen soll) bezeichnet.

Emergenz ist von der Grundidee her ein religiöser Zusammenhang.
Man muss den Glaubenssprung machen, um es anzunehmen und umgekehrt ist es dann für religiöse Behauptungen einsetzbar.

An der Stelle bedient Philosophie mal wieder Religion.




Nauplios
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Sa 17. Sep 2022, 20:19

Körper hat geschrieben :
Sa 17. Sep 2022, 19:53

An der Stelle bedient Philosophie mal wieder Religion.
Daß die Philosophie sich der Theologie dienstbar macht, war die Signatur einer Epoche. Doch scheint der Gedanke inzwischen vermessen, daß die Philosophie es wert sein könnte, ihrerseits "bedient" zu werden. Ihre Treuhandverwaltung durch Wissenschaft und Technologie in den Diskussionen der letzten Wochen darf hoffentlich noch zu Protokoll gegeben werden, ohne in den Verdacht der Verschwörung gegen die wissenschaftliche Vernunft zu geraten. ;)




sybok
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Sa 17. Sep 2022, 21:00

Das wird vielleicht ein bisschen bombastisch, resp. ein träumerisches Brainstorming ... :D
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Sep 2022, 16:08
Das scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein. Wenn Emergentismus - gleich welcher - richtig ist, dann ist der Physikalismus falsch. Aber das heißt nicht, dass der Emergentismus darauf festgelegt ist, zu behaupten oder zu implizieren, dass die Gesetze der Physik "verletzt" werden müssen oder in Frage gestellt sind, damit es eine Pluralität der Ebenen geben kann.
Ja das scheint auch mir ein wesentlicher Punkt. Es wäre wohl eher sowas wie eine Erweiterung, oder irgendeine Art von Meta-Theorie oder einfach ein fundamentaler Paradigmenwechsel - "Pluralität der Ebenen" find ich schön ausgedrückt. Das ist womöglich auch ein Problem, man ist gefühlt schnell bei Religion und Esoterik sowohl als unergiebiger, vorschneller Vorwurf als aber auch tatsächlich - also absolut nichts gegen Religion, aber eine konsistente Struktur / Hintergrundphilosophie oder sowas bräuchte es ja glaube ich für etwas was wir als "Erkenntnisprozess" verstehen wollen trotzdem.

Im KI thread empfinde ich persönlich die zentrale Problematik als genau mit diesem Thema zusammenhängend, beispielsweise:
1. Man spricht dort über Begriffe, die auf der einen Seite alle Gesprächsteilnehmer absolut mühelos verstehen, auf der anderen Seite höchst paradoxerweise absolut Niemand eine Ahnung hat, was sie genau bedeuten sollen (und ich hatte, wie sicher die Anderen auch, schon Dutzende Gespräche darüber, es ist im grossen Ganzen immer das Gleiche). Ich könnte mir so nebulös vorstellen, dass man an irgendeiner Stelle eben sowas wie ein Paradgmenwechsel , eine fundamental andere Methodik, bräuchte, um das überhaupt zusammenführen zu können.
2. Einerseits bin ich voll überzeugt, dass es möglich ist, eine Maschine zu bauen, die den Mensch generisch auf allen Gebieten outperformt. Andererseits ist das völlig im Dunkel, noch nicht mal der aller erste Schritt ist nicht mal im Ansatz klar. Tatsächlich womöglich eben so, dass uns nicht nur einfach die Theorie fehlt, sondern sozusagen sogar die Meta-Theorie um die Theorie überhaupt erst in Angriff nehmen zu können. Was erklären würde, warum wir gefühlt in diesem Bereich bisher nie auch nur ein Mü Fortschritt erzielt haben, es ginge vielleicht in unserem Setting auch einfach nicht.

Könnte vielleicht sein, dass wir in Paradigmen und Denkschemata verhaftet sind, die - nehmen wir mal an es käme zu sowas wie einer "Revolution" - einst vielleicht in genauso krassem Verhältnis stehen werden, wie die Welt vor den "Revolutionen" im und um das 19. Jahrhundert herum (klassische Physik vs RT/QM, "euklidsche" und logizistische Mathematik vs. Formalismus, Alchemie vs Chemie, etc.) zu Heute.
Gibt es nicht von Nikola Tesla angeblich ein berühmtes Zitat in diese Richtung, sinngemäss sowas wie: "Wenn die Menschheit beginnt, die Naturwissenschaft im Hinblick auf Immaterielles zu öffnen, dann wird sie in 10 Jahren den Fortschritt erzielen, den sie zuvor in Jahrhunderten gemacht hat." Ginge in die Richtung, oder? :)
Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Sep 2022, 20:19
Doch scheint der Gedanke inzwischen vermessen, daß die Philosophie es wert sein könnte, ihrerseits "bedient" zu werden.
Die Philosophie hält sich meinem Empfinden aber auch - mag der Disziplin innewohnenden Weisheit geschuldet sein ;) - selber zurück, stellt ihr Licht unter den Scheffel. Vielleicht ist sie auch irgendwo entrückt? Ich glaube Wissenschaft ohne Philosophie ist prinzipiell gar nicht möglich.




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