Axiome

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Jörn Budesheim
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Mi 4. Aug 2021, 06:37

Alethos hat geschrieben :
Mi 4. Aug 2021, 05:02
Ich denke, dass Axiome unabhängig von unserem Denken existieren, jedenfalls die, die nicht durch uns selbst entstehen ...
Ich denke nicht, dass die Frage, inwiefern Axiome "unabhängig von unserem Denken existieren" grundsätzlich hilfreich ist. Ich halte sie für übergeneralisiert und irreführend. Diese Frage führt eine metaphysische Zweiteilung mit sich: die Wirklichkeit unabhängig von unserem Denken, unserem Bewusstsein oder was auch immer. Und die Wirklichkeit abhängig von unserem Denken, von unserem Bewusstsein oder was auch immer. Und sie unterstellt, (natürlich unreflektiert) dass man Axiome generell einem dieser beiden Bereiche zuordnen können muss.

Das ist eine unbegründete Vorentscheidung und somit die alte Religion, ich denke, wir brauchen etwas mehr Aufklärung :)




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Jörn Budesheim
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Mi 4. Aug 2021, 06:50

Alethos hat geschrieben :
Di 3. Aug 2021, 20:16
Nichtsdestotrotz denke ich, dass wir Axiome nicht nur unter diesem Aspekt der Festlegung betrachten sollten, weil sie sich doch vielmehr durch Analyse ermitteln lassen. Es gibt einen Erkenntnisweg zu den Axiomen, der allen Erkenntnissubjekten unter Einhaltung von Regeln der Deduktion (d.h. logischen Regeln) zugänglich ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe. Wie auch immer: wenn etwas das Ergebnis einer Deduktion sein kann, kann es kein Axiom sein. "Axiom, Aussage innerhalb einer Theorie, die mit deren Mitteln nicht beweisbar ist. Ein Axiom kann daher nur als Prämisse, aber nie als Ergebnis eines deduktiven Arguments (Deduktion) auftreten." (Spektrum) Der aufregendste Punkt bei Axiomen ist schließlich, dass sie sich nicht begründen lassen. "Manches ist einfach wahr." (Derek Parfit)




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Friederike
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Mi 4. Aug 2021, 09:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 30. Jul 2021, 06:30
Christoph Koch in Bewusstsein, warum es weit verbreitet ist aber nicht digitalisiert werden kann hat geschrieben : ... Die IIT setzt bei diesen fünf phänomenologischen Eigenschaften an und übernimmt sie als Axiome. In der Geometrie oder mathematischen Logik sind Axiome grundlegende Aussagen, die als Ausgangspunkt für die Ableitung weiterer valider geometrischer oder logischer Eigenschaften und Ausdrücke dienen. So wie mathematische Axiome widersprechen auch diese fünf phänomenologischen Axiome – jedes Erlebnis existiert für sich, ist strukturiert, informativ, integriert und definit – sich nicht gegenseitig (Widerspruchsfreiheit oder Konsistenz), keines kann aus einer oder mehreren der anderen abgeleitet werden (Unabhängigkeit), und alle zeigen Vollständigkeit.
Ich finde, es würde weiterführen, wenn wir uns überlegen, was mit den 5 Eigenschaften, die jede Bewußtseinstätigkeit aufweist, gemeint sein könnte. Die Merkmale eines Axioms (grundlegende Aussage) und eines Axiomensystems (Widerspruchsfreiheit, Unabhängigeit und Vollständigkeit) nennt Koch ja selbst.

Und wenn wir herausgefunden haben, was mit den Eigenschaften gemeint sein könnte, dann kann man sich überlegen, ob man die Aussage (das Axiom) von der Eigenschaft plausibel findet. Der dann folgende Schritt bestünde darin zu prüfen, ob die Merkmale des A-Systems erfüllt sind. Ob man meint, sie seien erfüllt oder nicht.

"Erlebnis"? Eine bestimmte Bewußtseinstätigkeit (Gefühl, Erinnerung, Antizipation, Denken)?
"für sich existieren"?
"in sich strukturiert"? Auf ein Objekt gerichtet, intentional, es gibt einen Gegenstand des Erlebnisses?
"informativ"?
"integriert"?
"definit"? Es gibt einen Anfang und ein Ende?




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Alethos
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Mi 4. Aug 2021, 10:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 4. Aug 2021, 06:50
Alethos hat geschrieben :
Di 3. Aug 2021, 20:16
Nichtsdestotrotz denke ich, dass wir Axiome nicht nur unter diesem Aspekt der Festlegung betrachten sollten, weil sie sich doch vielmehr durch Analyse ermitteln lassen. Es gibt einen Erkenntnisweg zu den Axiomen, der allen Erkenntnissubjekten unter Einhaltung von Regeln der Deduktion (d.h. logischen Regeln) zugänglich ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe. Wie auch immer: wenn etwas das Ergebnis einer Deduktion sein kann, kann es kein Axiom sein. "Axiom, Aussage innerhalb einer Theorie, die mit deren Mitteln nicht beweisbar ist. Ein Axiom kann daher nur als Prämisse, aber nie als Ergebnis eines deduktiven Arguments (Deduktion) auftreten." (Spektrum) Der aufregendste Punkt bei Axiomen ist schließlich, dass sie sich nicht begründen lassen. "Manches ist einfach wahr." (Derek Parfit)
Wahrscheinlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Was ich sagen wollte, war, dass wir Aussagen beweisen können, indem wir logisch auf die Axiome zurückgehen, von denen sie sich (die Aussagen) als wahre ableiten. Die Axiome selbst sind nicht deduktiv ermittelbar, aber der Weg, der vom Axiomsystem ausgeht, schon.

Beispiel:

Aussage: „Hans ist in Berlin, Hans zugleich in Köln.“

Daraus folgt z.B., dass es wahr ist, dass es sich um zwei Personen handeln muss, oder dass Köln nicht Berlin ist, da das Identitäts-Axiom gilt (a ist mit sich selbst identisch. Es unterscheidet sich von allem anderen mindestens in einem etc.) sowie das Tertium-non-datur-Axiom, der Satz des ausgeschlossenen Dritten.

Wir finden diese Axiome in der Aussage vor, sie lassen sich analytisch isolieren.



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Friederike
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Mi 4. Aug 2021, 11:59

Jedes Erlebnis ist "informativ".
Ja, natürlich, wie denn sonst - es ist nicht leer, es ist nicht nichts. Es beinhaltet eine Aussage. Weil es so selbstverständlich ist oder scheint, deswegen bin ich erst einmal perplex, daß Koch diese Eigenschaft anführt und deswegen auch finde ich es schwierig, das Informative anders auszudrücken. Dieses Axiom würde ich unter die Definition der "Selbstevidenz" stellen. Es versteht sich von selbst, daß ein (Bewußtseins-)"Erlebnis" irgendwas be-sagt.




Burkart
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Mi 4. Aug 2021, 20:42

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 4. Aug 2021, 06:14
Burkart hat geschrieben :
Mi 4. Aug 2021, 00:00
arrogant
Ich denke dabei z.b. an deine Bemerkung zu René Descartes "Hobby".
Ok, das mögen die Leute damals gerne ernst genommen haben. Das mit dem "Hobby" habe ich auf heute bezogen, auf aufgeklärte, nicht zu gläubige Menschen, die mit Gottesbeweisen nicht wirklich was anfangen können.
Oder hälst du von Gottesbeweisen was?



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Burkart
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Mi 4. Aug 2021, 20:59

Alethos hat geschrieben :
Mi 4. Aug 2021, 10:27
Wahrscheinlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Was ich sagen wollte, war, dass wir Aussagen beweisen können, indem wir logisch auf die Axiome zurückgehen, von denen sie sich (die Aussagen) als wahre ableiten. Die Axiome selbst sind nicht deduktiv ermittelbar,
Soweit stimme ich dir zu.
aber der Weg, der vom Axiomsystem ausgeht, schon.
Was aber ist "der Weg", der deduktiv ermittelbar ist? Dass es einen Deduktions-Weg gibt heißt ja noch nicht, dass es auch logisch klar offen liegen muss.
Wenn es anders wäre, bräuchten wir kaum noch Mathematiker, weil ja alle mathematische Folgerungen offensichtlich wären.
Beispiel:

Aussage: „Hans ist in Berlin, Hans zugleich in Köln.“

Daraus folgt z.B., dass es wahr ist, dass es sich um zwei Personen handeln muss, oder dass Köln nicht Berlin ist, da das Identitäts-Axiom gilt (a ist mit sich selbst identisch. Es unterscheidet sich von allem anderen mindestens in einem etc.) sowie das Tertium-non-datur-Axiom, der Satz des ausgeschlossenen Dritten.
Diese Folgerungen klappen nur, weil du entsprechendes erhebliches (Welt-)Wissen hast und z.T. auch gewisse Dinge annimmst. Z.B. könnte Hans physisch in Berlin sein, über Skype o.ä. an einer Online-Konferenz in Köln teilnehmen, wäre insofern auch in Köln.
Wir finden diese Axiome in der Aussage vor, sie lassen sich analytisch isolieren.
Wir finden sie nur vor, wenn wir gewisse Annahmen machen; in den Aussagen selbst stecken die Axiome nicht.



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Alethos
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Mi 4. Aug 2021, 21:42

Burkart hat geschrieben :
Mi 4. Aug 2021, 20:59
Was aber ist "der Weg", der deduktiv ermittelbar ist? Dass es einen Deduktions-Weg gibt heißt ja noch nicht, dass es auch logisch klar offen liegen muss.
Nein, das ist schon klar, dass nicht alle Schlussfolgerungen offensichtlich oder selbstevident sind. Aber wir können sie erforschen, indem wir logische Regeln anwenden. Logische Regeln aber, die doch nur Wahrheit befördern können, wenn sie mit der Wirklichkeit übereinstimmen, die sie abbilden sollen.

Das führt mich als Realist zur Ansicht, dass die Logik eben kein menschengemachtes Konstrukt, sondern selbst Teil der Wirklichkeitsstruktur ist.
Diese Folgerungen klappen nur, weil du entsprechendes erhebliches (Welt-)Wissen hast.
Ohne Empirie gehts nicht, das ist wohl wahr.
Aber auch die empirische Anschauung kommt nicht aus ohne begriffliche Schemata, d.h. in Anwendung bspw. der Kategorien. „Hans ist nicht gleich Hans“ ist eine Beobachtung, die wir nur machen können, weil der Identitätssatz gilt (etwas ist mit sich selbst identisch, wenn es sich in nichts unterscheidet).
Wir finden sie nur vor, wenn wir gewisse Annahmen machen; in den Aussagen selbst stecken die Axiome nicht.
Dass die Axiome in den Aussagen nicht offensichtlich ersichtlich sind, liegt daran, dass sie ihnen zugrundeliegen und nicht etwas „in ihnen“ vorkommen. Da die Aussage zudem unpräzise ist, werden die gültigen Axiome verwischt. Sie sind immer da und gelten uneingeschränkt trotz unseres Unwissens.

Lautete die Aussage präzise „Hans ist physisch in Köln. Hans ist zugleich physisch in Berlin.“ Dann würde wohl weniger Raum bleiben für Annahmen. Wir müssen also nicht unbedingt Annahmen treffen, sondern die notwendigen Informationen für die Erkenntnis haben. Wahrheit ist möglich, weil die spezifischen Axiome gelten (d.h. keine anderen *plausibel angenommen werden können)

*plausibel meint hier: mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen sind



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Burkart
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Mi 4. Aug 2021, 22:23

Alethos hat geschrieben :
Mi 4. Aug 2021, 21:42
Das führt mich als Realist zur Ansicht, dass die Logik eben kein menschengemachtes Konstrukt, sondern selbst Teil der Wirklichkeitsstruktur ist.
Tja, Logik ist auch so ein unklarer Begriff wie schon im ersten Satz bei Wikipedia deutlich wird:
"Mit Logik (von altgriechisch λογικὴ τέχνη logikè téchnē ‚denkende Kunst‘, ‚Vorgehensweise‘) oder auch Folgerichtigkeit wird im Allgemeinen das vernünftige Schlussfolgern und im Besonderen dessen Lehre – die Schlussfolgerungslehre oder auch Denklehre – bezeichnet."

"Vernünftiges Schlussfolgern" klingt gut, aber was da genau hintersteckt und wo es herkommen soll... spätestens die Lehre ist natürlich ein menschengemachtes Konstrukt.
Es ist die Frage, ob man Logik bzw. "vernünftiges Schlussfolgern" nicht noch näher am Menschen sehen sollte, anstelle es schon einer "wirklichen Welt(struktur)" zuzuordnen.

Ich denke, dass der Mensch nämlich noch viel seiner Logik im Laufe seines vor allem jungen Lebens lernt, also z.B., dass sich Dinge meist gleich oder sehr ähnlich verhalten (Lernen von Kausalität); eine Wirklichkeit wäre dann z.B. die Schwerkraft, die zum Herunterfallen des Teddy immer wieder führt.
Und-Operationen bzw. Beziehungen lernen wir dann, also z.B. "Teddy loslassen" UND "Teddy befindet sind im leeren Raum überm Boden" FÜHRT ZU "Teddy fällt zu Boden". Die Abstraktion zur eigentlichen "Und"-Operation(-slogik) wird uns natürlich erst viel später klar, z.B. wenn wir uns wirklich mit Logik beschäftigen.



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infinitum
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So 8. Aug 2021, 12:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Jul 2021, 06:20

Was sind eigentlich Axiome, was sind Beispiele dafür, und ist das bloß Geschwätz?
bevor Hilbert oder Peano die Axiome in ihrem üblichen Sinn nutzten, beschreibt, Dedekind Axiome in seiner 71. Erklärung wie folgt:

"das ,,Wesen” eines einfach unendlichen Systems N"
Unbenannt.PNG
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Später wurden Axiome in der Mathematik als formalen Unterbau eines beliebigen, abzählbaren Zahlensystems definiert, was bedeutet, dass es "davor" nichts mehr gibt, es ist eine "erste" Theorie über die Beschaffenheit dieser Disziplin.
Im Mathestudium haben wir nur ganz grob nebenbei die Peano-Axiome an sich gelernt, aber nicht die Beweise dazu. Weiss da jemand was dazu? Es ist daher auch möglich, dass es reines Geschwätz ist.



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https://t.me/franzphilo

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