Reaktanz

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Körper
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Do 16. Jun 2022, 10:01

"Reaktanz" ist ein Begriff der Psychologie und unterliegt damit den dortigen Spielregeln.

Psychologie arbeitet mit Modellen, die für spezielle Situationen ausgewählt werden. D.h. entscheidend ist das Vorliegen der speziellen Situation. Ob dann das ausgewählte Modell einen erfolgreichen Ansatz darstellt, ist damit aber immer noch nicht gesichert - das ist keine exakte Wissenschaft.

Wenn zum Begriff "Reaktanz" die Umstände "Bedrohung, Nötigung oder eine als aggressiv empfundene Gesprächsführung" angegeben werden, dann ist dies der Versuch, die speziellen Situationen einzugrenzen. Die Identifikation der Situation ist ein zentral wichtiger Punkt.

Eine grundsätzliche Verallgemeinerung des Begriffes "Reaktanz" (und vielleicht sogar begleitet von einer Einstufung als "krankhaft") verbietet sich.

Der im Eingangsbeitrag angegebene Link enthält diese Passage:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-g ... senschaft/

Vielmehr sind (leider) gerade auch im föderal organisierten Alpenraum auch Reaktanz, Antisemitismus und Impfskepsis weit verbreitet.
Hier wird absichtlich ein ganz bestimmter "Topf" kreiert, in dem die "Zutaten" aufeinander abfärben sollen.

Mein Bauchgefühl sagt hier sofort "Vorsicht".
Wenn ich nun nachschaue, wer dieser "Dr Michael Blume" ist, denn ergibt sich Folgendes:
https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Blume

Michael Blume (* 20. Juni 1976 in Filderstadt) ist ein deutscher Religions- und Politikwissenschaftler sowie Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus.
Auf Basis der Aussage eines Religions- und Politikwissenschaftlers soll ich einer Verallgemeinerung und einer "alles in einen Topf"-Aktion zustimmen?
=> da wäre ich sehr schlecht beraten, wenn ich das machen würde.

Es riecht eher danach, dass sich hier jemand eines Fachbegriffes bedient und diesen geschickt für seine Zwecke einzusetzen versucht.

Schaut man genau hin, dann malt sich der Schreiber durch den Einsatz des Fachbegriffes gewisse Gruppen als "einheitlich verwaltbar" aus und bewertet sie gleichzeitig als "psychologisch einstufbar", was einer Abwertung gleichkommt.
Hier ist aus meiner Sicht die Frage angebracht, ob er sich da eine Verschwörungstheorie angelacht hat. Er malt sich Gruppen und einen einheitlichen "Kern/Ausgangspunkt" aus.

Das Problem bei der Beschäftigung mit Verschwörungstheorien ist, dass man sich zum "Gegner" aufschwingen und sich damit eine Verschwörungstheorie aus Verschwörungstheorien zusammenbasteln kann.

Im Link heisst es:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-g ... senschaft/

Der hier als irrational gezeigte Freund-Feind-Dualismus entsteht aus dem Widerwillen gegen die bedrohliche Erkenntnis, dass noch niemand wissen kann, was die Außerirdischen vorhaben. Statt also besonnen auf das noch unvollständige Wissen zu reagieren wird auf Schein-Wissen bestanden. Ein tödlicher Fehler. Diese Reaktionen sind auch in der Realität gegenüber jeder Bedrohung ziemlich häufig, führen häufig in Dualismus und Verschwörungsglauben – und dies keineswegs nur in den USA.
Wieso sollte "Blume" mit seinem Vorgehen nicht der Gefahr eines Verschwörungsglaubens unterliegen?
"Blume" ist (laut Wiki) wohl in der CDU, also einer politischen Richtung, aktiv und da stellt sich die Frage, inwieweit man es mit einer Stimmungsmache zu tun hat.




Nauplios
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Do 16. Jun 2022, 16:27

Timberlake hat geschrieben :
Mi 15. Jun 2022, 17:56

Es reicht eben nicht, wie von Kant angedacht, dass ein Staat seine allgemeinen Gesetze so ordnet und so verfasst, dass allein darüber der Eindruck entsteht, als hätte ein Volk keine böse Gesinnung. Als würde man eben nicht, im Gegensatz dazu, insgeheim geneigt sein, sich von diesen allgemeinen Gesetzen aus zu nehmen.
Bevor dieser Sprengsatz unentschärft zurückbleibt, gebe ich mal (m)eine Interpretation dieses Abschnitts mit der Bitte an Dich, Timberlake, um Bestätigung oder Korrektur:

Es gibt in dieser Passage fünf Instanzen:

- den Staat

- das Volk

- die (allgemeinen) Gesetze

- die böse Gesinnung

- eine insgeheime Neigung

Der Staat ist ein guter Staat. Die böse Gesinnung hingegen steckt mit dem Volk unter einer Decke. Daß der Staat eine böse Gesinnung haben könnte, bleibt in diesem Modell ausgeschlossen, weil der Staat die gute Absicht hat, die Klimakatastrophe abzuwenden; das immunisiert ihn gegen böse Gesinnungen. (Dabei geht es in Anknüpfung an Kant ja eigentlich um "allgemeine Gesetze".) Die böse Gesinnung befindet sich nicht beim Staat. Sie befindet sich beim Volk.

Die (allgemeinen) Gesetze, die der Staat verfaßt, sind nun allerdings so verfaßt, "daß darüber der Eindruck entsteht, als hätte ein Volk keine böse Gesinnung", d.h. die Tatsache, daß es allgemeine Gesetze gibt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Volk trotz dieser Gesetze eine böse Gesinnung hat. Gesetze hin oder her - die böse Gesinnung des Volks ist damit nicht aus der Welt.

Und daraus resultiert nun ein Problem ("es reicht nicht"): Es entsteht nämlich vordergründig der Eindruck, "als hätte ein Volk keine böse Gesinnung". In Wirklichkeit hat es die durchaus. Das Volk mag zwar die Gesetze einhalten, aber "im Gegensatz" zu diesem Eindruck hat es "insgeheim" die "Neigung", sich von diesen Gesetzen "auszunehmen". Daß sich das Volk an die Gesetze des Staates hält, bedeutet noch nicht, daß es "insgeheim" die Gesetze am liebsten nicht befolgen würde. Also nur Gesetze machen, die dann auch befolgt werden, "reicht nicht", weil die böse Gesinnung wie weiland die Schlange im Paradies dem Volk ins Ohr zischelt: "Laßt euch doch vom Staat keine Gesetze vorschreiben. Habt ihr denn gar keine Reaktanz im Leib? Seid widerspenstig!"

Was nun? - "Es reicht nicht". -

Ich mache mal einen Vorschlag, wie es vielleicht doch reichen könnte. Jeder Staat, der auf sich hält und nicht einfach nur Gesetze verabschiedet, hat doch Behörden, die auf "Insgeheimes" spezialisiert sind: Inlandsgeheimdienste, Verfassungsschutz, Polizei usw. Diese Behörden haben doch ein Sensorium für "böse Gesinnungen". Sie könnten sich unter das Volk mischen und "böse Gesinnungen" aufspüren. Wer noch kein "Engel" ist, wird rausgeholt und durch Spezialisten von seiner "bösen Gesinnung" befreit. - Dann müßte es doch "reichen", oder? :)

Eines scheint gewiß: In einem solchen Modell wäre die Klimakatastrophe alsbald abgewendet, so daß der Begriff frei wäre für andere Bedeutungsinhalte.




Timberlake
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Fr 17. Jun 2022, 01:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 16. Jun 2022, 07:13
Timberlake hat geschrieben :
Do 16. Jun 2022, 01:01
Das durch Naturgesetze [...] Freiheitsspielräume eingeschränkt werden, sollte doch wohl außer Frage stehen.
Ich finde nicht, dass das außer Frage steht. Ich würde das jedenfalls nicht unterschreiben, bevor nicht erklärt wurde, was damit überhaupt gemeint ist.


Um hier jegliche Befindlichkeiten , weil man ja irgendwie doch darin involviert ist , auszuschließen , mache ich das einmal ausnahmsweise nicht an den epochaltypischen Schlüsselproblemen bzw. der Klimakrise fest.

Die Lichtgeschwindigkeit ist dir doch sicherlich ein Begriff ?

Es sollte doch wohl außer Frage stehen , dass dadurch Freiheitsspielräume ,bezüglich der Raumfahrt eingeschränkt werden . Raumschiffe , die schneller fliegen wird es definitiv nicht geben. Gleichwohl , zumindest in der Theorie , sich man über Wurmlöcher von A nach B , in sehr viel kürzerer Zeit fortbewegen könnte. Nur hat dergleichen nichts aber auch rein gar nichts mit der Lichtgeschwindigkeit zu tun.
Stefanie hat geschrieben :
Mi 15. Jun 2022, 21:32
Ich hatte beim posten des Artikels eigentlich was anderes im Sinn gehabt. Reaktanz im Zusammenhang mit Wissenschaft, insbesondere mit den Naturwissenschaften, angefangen von den Reaktionen auf Galileo und Kopernikus, darüber, dass wir in ein letzten zwei Jahren lernen mussten, das Wissenschaften auch nicht immer alles wissen und dass die Gewinnung von neuen Erkenntnisse sehr schnell geht und die Folgen davon, bis hin zu dem in dem Artikel genannten Methode der Falsifikation. Letzteres im Zusammenhang mit Popper ist bei mir noch ein blinder Fleck.


Nur für den Fall , dass hier jemand der Meinung wäre , dass dadurch die Lichtgeschwindigkeit im Sinne Poppers falsifiziert werden würde. Das mal nur so nebenbei, um Stefanie bei ihren "blinden Fleck" behilflich zu sein.




Timberlake
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Fr 17. Jun 2022, 02:45

Nauplios hat geschrieben :
Do 16. Jun 2022, 16:27

Ich mache mal einen Vorschlag, wie es vielleicht doch reichen könnte. Jeder Staat, der auf sich hält und nicht einfach nur Gesetze verabschiedet, hat doch Behörden, die auf "Insgeheimes" spezialisiert sind: Inlandsgeheimdienste, Verfassungsschutz, Polizei usw. Diese Behörden haben doch ein Sensorium für "böse Gesinnungen". Sie könnten sich unter das Volk mischen und "böse Gesinnungen" aufspüren. Wer noch kein "Engel" ist, wird rausgeholt und durch Spezialisten von seiner "bösen Gesinnung" befreit. - Dann müßte es doch "reichen", oder? :)
Wenn das reichen würde, so würde es die DDR noch geben ;)
Nauplios hat geschrieben :
Do 16. Jun 2022, 16:27

Der Staat ist ein guter Staat. Die böse Gesinnung hingegen steckt mit dem Volk unter einer Decke. Daß der Staat eine böse Gesinnung haben könnte, bleibt in diesem Modell ausgeschlossen, weil ..
Davon , dass der Staat ein „guter“ Staat ist , war weder bei mir ; noch bei Kant die Rede ..
  • Das Problem der Staatserrichtung ist, so hart wie es auch klingt, selbst für ein Volk von Teufeln (wenn sie nur Verstand haben), auflösbar und lautet so: »Eine Menge von vernünftigen Wesen, die insgesamt allgemeine Gesetze für ihre Erhaltung verlangen, deren jedes aber in Geheim sich davon auszunehmen geneigt ist, so zu ordnen und ihre Verfassung einzurichten, daß, obgleich sie in ihren Privatgesinnungen einander entgegen streben, diese einander doch so aufhalten, daß in ihrem öffentlichen Verhalten der Erfolg eben derselbe ist, als ob sie keine solche böse Gesinnungen hätten«.
    Kant ..Zum ewigen Frieden
.. es war davon die Rede , so verstehe zumindest ich dieses Zitat , dass der Staat eine "Menge" so zu ordnen und ihre Verfassung so einzurichten habe , als ob diese Menge keine böse Gesinnung hätte. Das soll selbst für ein Volk von Teufeln auflösbar sein (wenn sie nur Verstand haben) . Man beachte das in Klammern gesetzte „ wenn sie nur Verstand haben“ :!:


Um auf das Thema diese Threads zurück zu kommen !!! u.U dadurch , dass der Staat Freiheitsspielräume dieser Menge einschränkt.

Beispielsweise Freiheitsspielräume bezüglich des Verbrauchs von Kohle, Erdgas und Erdöl , um die Klimakrise ab zu wenden , Das sollte selbst für ein Volk von Teufeln auflösbar sein (wenn sie nur Verstand haben) . Wenn man sich jedoch die Statistiken dazu vergegenwärtigt , so kommt man wohl nicht umhin , den (teuflischen) Völkern jenen Verstand ab zusprechen , der erforderlich ist , damit dieses Problem für den Staat auflösbar ist, so als ob diese Völker keine böse Gesinnungen hätten.




Nauplios
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"Ein Volk von Teufeln" ... "(teuflische) Völker" ... "böse Gesinnungen" ...

Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, / Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.

(Mephistopheles)

Danke für die Korrektur, Timberlake. ;)




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Jörn Budesheim
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Timberlake hat geschrieben :
Fr 17. Jun 2022, 01:27
Die Lichtgeschwindigkeit ist dir doch sicherlich ein Begriff ?

Es sollte doch wohl außer Frage stehen , dass dadurch Freiheitsspielräume ,bezüglich der Raumfahrt eingeschränkt werden .
Damit wird kein Freiheitsspielraum EINGESCHRÄNKT. Schließlich konnten wir nicht zuvor doppelte oder dreifache Lichtgeschwindigkeit fliegen und wurden dann durch irgendwelche Umstände eingeschränkt. In Bezug auf das Thema ist das sogar entscheidend. Denn es gibt hier eben keine Option, die es plötzlich nicht mehr gibt, die einem entzogen wird oder dergleichen mehr. Eine Einschränkung liegt nur vor, wenn einem etwas was (der Möglichkeit nach oder de facto) zur Verfügung stand, entzogen wird.
Kant hat geschrieben : Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte die Vorstellung fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde ...
Wenn Kant hier wahrscheinlich auf etwas anderes hinaus will, es passt für die Fragestellung wunderbar. Die Naturgesetze schränken unsere Freiheitsspielräume nicht ein, sondern sie sind eine der Bedingungen dafür, dass wir überhaupt frei sein können.




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Nauplios hat geschrieben :
Mi 15. Jun 2022, 16:27
Die Grünen [...] haben mit Baerbock, Habeck und Özdemir Leute mit Kompetenz und hohen Zustimmungswerten in ihren Reihen, die sich mit Ricarda Lang und Omid Nouripour fortsetzt. Ihr Erfolg gründet sich auf Kompetenz, auf Realismus, auf eine rhetorisch gute Vermittlung politischer Inhalte und auf Überzeugungskraft. Was Scholz "Zeitenwende" nennt, setzten Baerbock und Habeck in politische Tat um. - Der Absturz der Linken in die politische Bedeutungslosigkeit zeigt, wie man es nicht macht.
Im Prinzip sehe ich es ähnlich. Wobei ich eine starke Linke allerdings sehr wünschenswert fände.




Timberlake
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Sa 18. Jun 2022, 00:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 17. Jun 2022, 07:04
Timberlake hat geschrieben :
Fr 17. Jun 2022, 01:27
Die Lichtgeschwindigkeit ist dir doch sicherlich ein Begriff ?

Es sollte doch wohl außer Frage stehen , dass dadurch Freiheitsspielräume ,bezüglich der Raumfahrt eingeschränkt werden .
Damit wird kein Freiheitsspielraum EINGESCHRÄNKT. Schließlich konnten wir nicht zuvor doppelte oder dreifache Lichtgeschwindigkeit fliegen und wurden dann durch irgendwelche Umstände eingeschränkt. In Bezug auf das Thema ist das sogar entscheidend. Denn es gibt hier eben keine Option, die es plötzlich nicht mehr gibt, die einem entzogen wird oder dergleichen mehr. Eine Einschränkung liegt nur vor, wenn einem etwas was (der Möglichkeit nach oder de facto) zur Verfügung stand, entzogen wird.


ich ergänze , wegen der s.g. relativistischen Massenzunahme wird uns selbst das Erreichen der Lichtgeschwindigkeit auf ewig verwehrt bleiben.
Wie dem auch sei, du wirst mir doch sicherlich darin zustimmen , dass die Geschwindigkeit, bevor uns die Naturwissenschaft diese Hiobsbotschaft überbracht hat , durch nichts eingeschränkt wurde. Wir hätten also zuvor .. in unserer Vorstellung! .. weit mehr , als mit nur doppelter oder dreifacher Lichtgeschwindigkeit fliegen können. Konjunktiv … Möglichkeitsform! . Wenngleich nicht "de facto" , der „Möglichkeit nach“ stand uns dergleichen also zuvor zweifelsohne zur Verfügung. Die Naturwissenschaft hat uns diese Möglichkeit "de facto" entzogen. Womit eine Einschränkung vorliegen dürfte.

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 17. Jun 2022, 07:04
Kant hat geschrieben : Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte .. die Vorstellung ...fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde ...
Wenn Kant hier wahrscheinlich auf etwas anderes hinaus will, es passt für die Fragestellung wunderbar. Die Naturgesetze schränken unsere Freiheitsspielräume nicht ein, sondern sie sind eine der Bedingungen dafür, dass wir überhaupt frei sein können.

Naturgesetzte und übrigens auch Naturkonstanten schränken unsere Freiheitsspielräume also sehr wohl ein .. auch wenn sie nur in Form ... einer Vorstellung ...vorliegen.

Kant hat geschrieben : Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte die Vorstellung .fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde ..Eben so verließ Plato die Sinnenwelt, weil sie dem Verstande so enge Schranken setzt, und wagte sich jenseit derselben, auf den Flügeln der Ideen, in den leeren Raum des reinen Verstandes. Er bemerkte nicht, daß er durch seine Bemühungen keinen Weg gewönne, denn er hatte keinen Widerhalt, gleichsam zur Unterlage, worauf er sich steifen, und woran er seine Kräfte anwenden konnte, um den Verstand von der Stelle zu bringen..
. Vortstellungen die dadurch jenen Widerhalt erlangen , von dem Kant sagt , dass sie den Verstand von der Stelle bringen. In diesem Sinne sind Naturgesetze tatsächlich eine Bedingung dafür , dass wir überhaupt frei sein können.




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Jörn Budesheim
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Timberlake hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 00:49
Naturgesetzte und übrigens auch Naturkonstanten schränken unsere Freiheitsspielräume also sehr wohl ein
Darauf werden wir uns wohl nicht einigen können :)




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Sa 18. Jun 2022, 07:21

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 06:49
Timberlake hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 00:49
Naturgesetzte und übrigens auch Naturkonstanten schränken unsere Freiheitsspielräume also sehr wohl ein
Darauf werden wir uns wohl nicht einigen können :)
Wieder mal ein schönes Beispiel, wie man Begriffe (Ideen, Gegebenheiten...) unterschiedlich sehen bzw. interpretieren kann :)



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Sa 18. Jun 2022, 07:28

Hast du auch eine Begründung dafür?




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Sa 18. Jun 2022, 07:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 07:28
Hast du auch eine Begründung dafür?
Ihr seht doch z.B. Lichtgeschwindigkeit einerseits als Freiheitseinschränkung (Timberlake), andererseits als Naturgesetz (du), das uns eine Basis gibt.Oder habe ich es missinterpretiert?

Du hast ja jedenfalls nicht ohne Grund zu Timberlake gemeint:
Darauf werden wir uns wohl nicht einigen können :)



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Sa 18. Jun 2022, 07:56

Timberlake und ich sind verschiedener Meinung, das stimmt. Aber warum sollte das ein Beispiel dafür sein, wie man Begriffe (Ideen, Gegebenheiten...) unterschiedlich sehen bzw. interpretieren kann? Dafür fehlt eine Begründung. Statt anzunehmen, dass wir die Dinge bloß unterschiedlich interpretieren, ist es doch ebenso möglich, dass einer von uns beiden (oder wir beide) falsch liegen.




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Sa 18. Jun 2022, 08:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 17. Jun 2022, 07:04
Kant hat geschrieben : Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte die Vorstellung fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde ...
Wenn Kant hier wahrscheinlich auf etwas anderes hinaus will, es passt für die Fragestellung wunderbar. Die Naturgesetze schränken unsere Freiheitsspielräume nicht ein, sondern sie sind eine der Bedingungen dafür, dass wir überhaupt frei sein können.
Von "selbstbestimmter" Seite (defgem. "souverän") benutzte angeblich-vermeintliche "NaturGESETZE" (oder spezifische Determinationen etc.) sind in der Tat erst die Voraussetzung von so etwas wie Freiheit. "Im luftleeren Raum" nützt einem so etwas wie "absolute" Freiheit nämlich überhaupt nichts. Deswegen bedeutet sozusagen "Freiheitsausübung" in Wirklichkeit ja auch (komtraintuitiv) ein Mehr an "Bestimmungen" (oder Determinationen!) und kein - gar "Indeterminismus" voraussetzendes - Weniger. Also bezeichnenderweise sogar einen ABBAU an Freiheitsgraden! Sog. "Determinationen ('des Determinismus'... - s.u.)" haben also zumindest auch eine sozusagen "optionalistische" Seite (und eben nicht nur die berühmt-berüchtigte, anscheinend "alles - vom Anbeginn aller Zeiten festgelegt - beherrschende" "des Determinismus"!). So kann also "letzterer" sehr wohl ("nachträglich & zusätzlich"...!) richtiggehend "instrumentalisiert" für ("eigenständig"...!) eigene Zwecke regelrecht eingespannt werden, "er" also in diesem Sinne "feindlich" übernommen werden usf. - und ihn dazu nicht nur nicht negieren müssen (und eben ja auch nicht zu dürfen - s. o.). Ein Hammer "determiniert" (im herkömmlichen Sinne) seinen Benutzer schließlich auch nicht. Und dessen eigener Körper bedingt ihn lediglich sozusagen "existenziell", d.h. nur in mancherlei (schon "lebens"- usw. wichtigen) Hinsichten, bezeichnenderweise nicht aber "total". (Umgekehrt kann man den Körper aber sehr wohl, natürlich vereinfachend..., als "Werkzeug" des - von eben diesem diesem hervorgebrachten und getragenen...! - Bewusstseins betrachten.) Alles in allem handelt es sich jedenfalls ggf. stets um "bedingte Freiheit". Um Wahlfreiheit eben unter der Bedingung/Voraussetzung des jeweils aktuell real Möglichen. Für solche Vorstellungen wie "absolute Freiheit" bräuchte man schon so etwas wie "Götter" u.ä. Phantastereien als Voraussetzung für deren (defgem. Real-)Möglichkeit. "Luftleeren Raum", "himmlischen Himmel" etc.

("..." soll hier zumeist heißen, "dazu gäbe es noch mehr zu sagen".)




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Sa 18. Jun 2022, 09:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 07:56
Timberlake und ich sind verschiedener Meinung, das stimmt. Aber warum sollte das ein Beispiel dafür sein, wie man Begriffe (Ideen, Gegebenheiten...) unterschiedlich sehen bzw. interpretieren kann? Dafür fehlt eine Begründung. Statt anzunehmen, dass wir die Dinge bloß unterschiedlich interpretieren, ist es doch ebenso möglich, dass einer von uns beiden (oder wir beide) falsch liegen.
Ach so, darauf wolltest du hinaus.
Richtig und falsch sind für mich rein logische Termini, die aus meiner Sicht sonst vor allem zur Vereinfachung (a la "schwarz/weiß" statt auch "grau") benutzt werden, ob nun einfach so, ob aus Unwissen oder zur groben Annäherung, aus einer Perspektive heraus, aus rhethorischen Gründen, bewusster Verdrehung o.ä., andere Gründe lassen sich sicher auch noch finden.
Daraus könnte man problemlos einen neuen Thread machen, also z.B. was bzw. inwieweit etwas richtig/falsch ist. (Z.B. ist Abtreibung falsch? Oder die Möglichkeit der Entwicklung starker KI?)

Es ging doch bei euch (u.a.) um Freiheit. Dieser Begriff ist doch schon alles andere als eindeutig, z.B. wenn man an Diskussionen über Willensfreiheit denkt (Gibt es sie oder nicht? Inwieweit/Inwiefern?). So kann man bestimmte Grenzen für Freiheit als diese begrenzend ansehen (bei Timberlake die Lichtgeschwindigkeit), während sie für jemand Anderen einfach nur naturwissenschaftlichen Voraussetzungen und damit fest und nicht duskussionswürdig/relevant sind (oder halt erscheinen).

Richtig/Falsch kann es aus meiner Sicht perfekt gesehen nur geben, wenn alle Voraussetzungen und Folgerungen absolut eindeutig sind - und das ist bei Menschen eher selten der Fall, habe ich oft genug das Gefühl.



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Sa 18. Jun 2022, 09:54

Du erhebst aber doch für deine eigenen Ausführungen einen Wahrheitsanspruch, was heißt, dass du glaubst, dass sie richtig sind.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 09:54
Du erhebst aber doch für deine eigenen Ausführungen einen Wahrheitsanspruch, was heißt, dass du glaubst, dass sie richtig sind.
Na ja, ich vertrete eine Ansicht mit der Idee (Wunsch, Hoffnung; "Anspruch" klingt vielleicht ein wenig hart) möglichst gut Richtung Wahrheit zu gehen.
Wobei "Wahrheit" halt oft nicht klar bzw. absolut ist, z.B. wenn es um die unklare Zukunft geht; ich kann mir gut unterschiedliche, "alternative" Wahrheiten vorstellen, halt z.B. perspektivbedingt.
Wie gesagt, das könnte man mal als einen eigenen Thread behandeln, aber ob das interessant genug ist...

PS: Mir beanspruchen viel zu viele (relevante) Leute die Wahrheit, ganz oben Putin (und vormals Trump) und andere (vor allem Macht-) Politiker, aber auch Lobbys, gewisse Parteien/Strömungen usw.



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Burkart hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 09:17

Richtig/Falsch kann es aus meiner Sicht perfekt gesehen nur geben, wenn alle Voraussetzungen und Folgerungen absolut eindeutig sind - und das ist bei Menschen eher selten der Fall, habe ich oft genug das Gefühl.
"absolut eindeutig" - In der Nikomachischen Ethik von Aristoteles heißt es: "Manche meinen, ... ein Naturgesetz sei unveränderlich und überall gleich gültig in der Art, wie das Feuer hier nicht anders brennt als in Persien ... Bei den Göttern mag das zutreffen, doch in unserer Welt ... sind alle Gerechtigeitsregeln dem Wandel unterworfen." (Aristoteles; Nikomachische Ethik; V, 1134b27ff)

Ähnlich schreibt noch Hannah Arendt: "Denn es ist durchaus denkbar und liegt sogar im Bereich praktisch politischer Möglichkeiten, daß eines Tages ein bis ins letzte durchorganisiertes ... Menschengeschlecht auf höchst demokratische Weise ... entscheidet, daß es für die Menschheit im ganzen besser ist, gewisse Teile desselben zu liquidieren. Wir begegnen hier auf höchst reale Weise einer der ältesten Aporien der politischen Philosophie, die uns nur so lange verborgen bleiben konnte, als eine unerschütterte christliche Theologie den Rahmen für alle politischen und philosophischen Probleme abgab, die aber bereits Plato dazu veranlaßte, zu sagen: 'Nicht der Mensch, sondern ein Gott muß das Maß aller Dinge sein.'" (Hannah Arendt; Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft; S. 618 f.)

Wenn der Mensch nun fragmentarisch ist in seinem Dasein - auch in seinen moralischen Urteilen - und nur Götter (oder ein Gott) vollkommen sind, stellt sich die Frage nach dem Status von Engeln, zu denen die Menschen nach Timberlake doch werden sollen: Halbgötter, die wissen, was "absolut eindeutig" ist, was wahr und was falsch ist? - Vielleicht kann man aus dieser Perspektive das "Unbehagen" nachvollziehen, das mir ein "Volk von Engeln" bereitet - nicht weniger ein "Volk von Teufeln".




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Jörn Budesheim
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Wenn wir nicht unterscheidet zwischen dem, was der Fall ist und zwischen dem, was wir für wahr halten, dann kommt man nicht sehr weit.




Timberlake
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So 19. Jun 2022, 03:08

1+1=3 hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 08:30
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 17. Jun 2022, 07:04
Kant hat geschrieben : Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte die Vorstellung fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde ...
Wenn Kant hier wahrscheinlich auf etwas anderes hinaus will, es passt für die Fragestellung wunderbar. Die Naturgesetze schränken unsere Freiheitsspielräume nicht ein, sondern sie sind eine der Bedingungen dafür, dass wir überhaupt frei sein können.
Von "selbstbestimmter" Seite (defgem. "souverän") benutzte angeblich-vermeintliche "NaturGESETZE" (oder spezifische Determinationen etc.) sind in der Tat erst die Voraussetzung von so etwas wie Freiheit.
Dann kannst du uns doch sicherlich auch das an Hand dessen erklären , wo nach Meinung von Jörn Budesheim , er und ich uns nicht einigen können und zwar Hand der Lichtgeschwindigkeit. Von welcher Art "Vorraussetzung von so etwas wie Freiheit" reden wir denn dabei?
Burkart hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 07:21
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 06:49
Timberlake hat geschrieben :
Sa 18. Jun 2022, 00:49
Naturgesetzte und übrigens auch Naturkonstanten schränken unsere Freiheitsspielräume also sehr wohl ein
Darauf werden wir uns wohl nicht einigen können :)
Wieder mal ein schönes Beispiel, wie man Begriffe (Ideen, Gegebenheiten...) unterschiedlich sehen bzw. interpretieren kann :)
Wenn das wiedermal ein schönes Beispiel ist , wie man Begriffe (Ideen, Gegebenheiten...) unterschiedlich sehen bzw. interpretieren kann . was kann man denn, um auf das Thema Reaktanz zurück zu kommen , in Hinblick auf eingeschränkte Freiheitsspielräume unterschiedlich sehen bzw. interpretieren? Wenn man der Interpretation von Jörn Budesheim glauben schenken darf , wird da womöglich durch die Lichtgeschwindigkeit gar kein Freiheitsspielraum eingeschränkt , sondern ganz im Gegenteil Freiheitsspielräume eröffnet . Wenn ja , dann wüsste ich doch schon sehr gern welche. Möglicherweise können wir uns ja auf Grundlage dessen , auf eine einzige Interpretation einigen. Eine Interpretation , auf die wir uns u.U. alle verständigen können. An mir soll dergleichen jeden falls nicht scheitern. Wenn die Antworten auf meine , hier gestellten Fragen überzeugen , bin ich gerne bereit , von meiner Sichtweise bzw. meiner Interpretation Abstand zu nehmen und ggf. sogar , die von Jörn Budesheim zu übernehmen.




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