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Jörn Budesheim
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So 19. Jun 2022, 17:11

Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 16:36
... an keine Einigung interessiert bist.
Wir können uns nicht auf etwas einigen, was ich für völlig abwegig halte. Hier ein Bild oder eine Analogie, damit du verstehst was ich meine: die Regeln des Schachspiels schränken mich nicht beim Spielen ein, sondern sie sind das, was das Spielen überhaupt erst möglich macht.




Timberlake
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So 19. Jun 2022, 17:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 17:11
Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 16:36
... an keine Einigung interessiert bist.
Wir können uns nicht auf etwas einigen, was ich für völlig abwegig halte. Hier ein Bild oder eine Analogie, damit du verstehst was ich meine: die Regeln des Schachspiels schränken mich nicht beim Spielen ein, sondern sie sind das, was das Spielen überhaupt erst möglich macht.
.. keine Frage . Regeln des Schachspiels machen das Spielen überhaupt erst möglich und was machen dort die Regeln .. richtig .. sie schränken die Freiheitspielräume ein. So macht erst das Einschränken der Freiheitspielräume , der jeweiligen Figuren auf den Schachbrett , das Schachspiel überhaupt erst möglich . Somit wir bei deiner Analogie wohl von einem klassischem Eigentor ausgehen können , um dazu ein weiteres Bild oder eine weitere Analogie zu bemühen. ;)
Zuletzt geändert von Timberlake am So 19. Jun 2022, 18:01, insgesamt 2-mal geändert.




Nauplios
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So 19. Jun 2022, 17:38

Burkart hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 15:11

Und woher wissen wir "was der Fall" wirklich ist?
Wenn man diese Frage umstellt zu ...

Woher wissen wir, was wirklich der Fall ist und was nicht?

... dann führt uns das früher oder später zu einer Auffassung von Wirklichkeit im Sinne einer Modalität: Wirklichkeit läßt sich dann beispielsweise unterscheiden von Möglichkeit. Für Kant ist Wirklichkeit ein solcher modaler Begriff.

Über all das ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden im Forum. Man kann die inzwischen ausgetrockneten Flußbetten und zugewachsenen Pfade dieser Diskussion besichtigen und gegebenenfalls auch renaturieren oder besser vielleicht sich an Schauplätzen wie diesen inspirieren lassen:

- Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe aus der Kritik der reinen Vernunft

- Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans (Hans Blumenberg)

- Erkenntnis als Konstruktion (Niklas Luhmann)




Timberlake
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So 19. Jun 2022, 17:49

Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 17:04
Burkart hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 15:11
Eben schnell...
Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 13:55
Für wahrscheinlich können wir etwas gerade deshalb halten, weil wir wissen können, was der Fall ist. Der Erfahrungsraum des Irrtums, der Täuschung, der Falsifikation ... wird erst möglich, weil wir die Wirklichkeit erkennen können als das, was der Fall ist.
Und woher wissen wir "was der Fall" wirklich ist?
Das, was der Fall ist braucht keine Beglaubigung. Indem es der Fall ist, ist es der Fall. Es ist Tatsache.
Was nützt uns diese Tautogie "ist der Fall => ist der Fall"?
Nach meiner Interpretation dieser Auffassung von Wirklichkeit, versteht sie Wirklichkeit als etwas, das sich von selbst her präsentiert, das also zu seiner Erfassung als Wirklichkeit nicht auf subjektive Erfassungsinstrumente aus der Rüstkammer der Transzendentalphilosophie angewiesen ist.
.. und nach meiner Interpretation , von deiner Interpretation , trifft ein solches , von sich selbst her Präsentiertes , sowohl auf die Lichtgeschwindigkeit, als "physikalische Disposition" , wie auch auf die menschliche Spezies , als "anthropologische Disposition" zu ..

Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 13:55

Man könnte es auch so sagen: Der Mensch "kommt nicht sehr weit" augrund seiner anthropologischen Disposition. Er ist ein "auf Einsparung von Konfrontationen mit der Wirklichkeit ... angelegtes Wesen." (Hans Blumenberg; Beschreibung des Menschen; S. 614)

. und mit beiden kommen wir als solches nicht sehr weit ;)




Nauplios
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So 19. Jun 2022, 18:06

Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 15:22

Führt denn auch Blumenberg dazu Fallbeispiele auf?
Blumenberg ist beispiellos. ;)
Die "phänomenologische Anthropologie" ist ja keineswegs ein Katalog ein Merkmalen, die den Menschen anthropologisch fixieren. Geboten wird vielmehr die Erzählung von der "Kryptogenese des Menschen", eines Wesens, für das es wesentlich ist, kein Wesen zu haben ...




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Jörn Budesheim
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So 19. Jun 2022, 18:18

Der Mensch ist das Wesen, "für das es wesentlich ist, kein Wesen zu haben ..."

Das scheint mir eine Sicht, die in der Philosophie (sagen wir: in verschiedenen Ausprägungen) sehr, sehr weit verbreitet ist. Meines Erachtens gehört das zum Kern unseres Freiheitsbegriffs.




Nauplios
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So 19. Jun 2022, 18:21

Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 17:49
Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 13:55

Man könnte es auch so sagen: Der Mensch "kommt nicht sehr weit" augrund seiner anthropologischen Disposition. Er ist ein "auf Einsparung von Konfrontationen mit der Wirklichkeit ... angelegtes Wesen." (Hans Blumenberg; Beschreibung des Menschen; S. 614)
. und mit beiden kommen wir als solches nicht sehr weit ;)
Weiter kommen will man, wenn es eine Agenda gibt, wenn man ein Ziel vor Augen hat. Will man bei Blumenberg von einem Ziel sprechen, dann ist es "sagen zu können, was ich sehe". Erzählend beschreiben, was man sieht. Wer noch weiter kommen will, muß woanders lesen. :-)




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Jörn Budesheim
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So 19. Jun 2022, 18:23

Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 17:33
was machen dort die Regeln .. richtig .. sie schränken die Freiheitspielräume ein
Die Möglichkeiten des Turms z.b werden durch die Regeln nicht eingeschränkt, sondern überhaupt erschaffen und mit ihnen zugleich der Turm. Mit den Regeln entsteht der Turm, der nicht etwa bevor es die Regeln gab, mehr Möglichkeiten hatte, sondern gar nicht existierte und damit auch keine Möglichkeiten hatte.

Die Möglichkeiten des Turms kann man z.b einschränken, indem man ihnen an die Bewachung eines gefährlichen Freibauers fesselt.




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Jörn Budesheim
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So 19. Jun 2022, 20:08

Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 13:55
Im Umgang mit der Wirklichkeit - so verstehe ich Jörn - ist der Mensch weder auf Distanz noch auf Umwege angewiesen. Sie ist ihm gegeben in ihrem Ansichsein, ohne daß dafür transzendentale, historische, kulturrelative ... Bedingungen eine Rolle spielen.
Wirklichkeit kann, muss aber nicht einen Bezug auf den Menschen haben. Wirkliches gab es lange vor den Menschen und wird es auch noch lange nach dem Menschen geben. Es gehört meines Erachtens überhaupt nicht zu dem Begriff Wirklichkeit, dass sie sich uns zeigt, wie sie sich uns zeigt oder entzieht. Vielleicht gibt es neben dem unseren viele andere Universen, Universen, in denen es keine Lebewesen gibt und in diesen Universen gibt es ebenso Wirklichkeiten und Möglichkeiten.




Nauplios
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So 19. Jun 2022, 22:07

Wie gesagt: Nach meiner Interpretation ("so verstehe ich Jörn").




Timberlake
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So 19. Jun 2022, 22:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 18:23
Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 17:33
was machen dort die Regeln .. richtig .. sie schränken die Freiheitspielräume ein
Die Möglichkeiten des Turms z.b werden durch die Regeln nicht eingeschränkt, sondern überhaupt erschaffen und mit ihnen zugleich der Turm. Mit den Regeln entsteht der Turm, der nicht etwa bevor es die Regeln gab, mehr Möglichkeiten hatte, sondern gar nicht existierte und damit auch keine Möglichkeiten hatte.

Die Möglichkeiten des Turms kann man z.b einschränken, indem man ihnen an die Bewachung eines gefährlichen Freibauers fesselt.
Obgleich ziemlich Kopflastig , das ist doch mal Beitrag , von dem zumindest ich einmal davon ausgehe, dass wir uns einigen können . Wenn man sich denn darauf verständigt , dass .. wie von dir als Analogie angedacht .. , mit dessen Regeln auch erst die Lichtgeschwindigkeit und die menschliche Spezies erschaffen wird. Regeln , die als solches zugleich bestimmte Freiheitsspielräume eröffnen .. und jetzt kommt das Aber .. ABER! .. auch beschränken. Das sind die zwei Seiten ein und der selben Medaille.

Nur mal zur Erinnerung , an welchen " Ass im Ärmel" ich dieses ABER ! festgemacht habe ..

Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 16:36
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 16:09
Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 14:20
.. können wir uns also darauf einigen , dass zumindest daraufhin, auf Grund dieser Naturkonstante , Freiheitsspielräume sehr wohl eingeschränkt werden?
Nein, darauf können wir uns ganz sicher nicht einigen, ich halte das für völlig abwegig.
Noch ein letzter Versuch . Wenn auch er scheitert , dann muss ich wohl davon .. mit Verlaub .. ausgehen , dass du willentlich , also jenseits dessen , was ich dir mittlerweile in unzähligen Beiträgen plausibel machen wollte, an keine Einigung interessiert bist. Die nun folgenden beiden Fragen sind . wenn man so will .. ein Ass im Ärmel, den ich mir hier , eben für diese Situation , bis zuletzt aufgespart habe ..

Ist es es für dich tatsächlich so völlig abwegig , dass die Möglichkeiten bzw. die Freiheitsspielräume (um auf dass Thema dieses Threads zurück zu kommen) zur Kommunikation , durch die Lichtgeschwindigkeit jetzt schon beschränkt sind ?

Na was meinst du denn , um an dieser Stelle auch Burkart , mit seinem Faible für künstliche Intelligenz , mit ins Boot zu holen , warum man insbesondere in der Raumfahrt auf eine solche KI angewiesen ist?




Burkart
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So 19. Jun 2022, 22:37

Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 17:04
Burkart hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 15:11
Eben schnell...
Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 13:55
Für wahrscheinlich können wir etwas gerade deshalb halten, weil wir wissen können, was der Fall ist. Der Erfahrungsraum des Irrtums, der Täuschung, der Falsifikation ... wird erst möglich, weil wir die Wirklichkeit erkennen können als das, was der Fall ist.
Und woher wissen wir "was der Fall" wirklich ist?
Das, was der Fall ist braucht keine Beglaubigung. Indem es der Fall ist, ist es der Fall. Es ist Tatsache.
Was nützt uns diese Tautogie "ist der Fall => ist der Fall"?
Nach meiner Interpretation dieser Auffassung von Wirklichkeit, versteht sie Wirklichkeit als etwas, das sich von selbst her präsentiert, das also zu seiner Erfassung als Wirklichkeit nicht auf subjektive Erfassungsinstrumente aus der Rüstkammer der Transzendentalphilosophie angewiesen ist. Der Mensch benötigt zur Erfassung des Wirklichen natürlich Sinne, Verstandesleistungen usw., aber diese Leistungen sind an der Verfassung des Wirklichen nicht beteiligt. Es wird erfaßt, aber nicht verfaßt. Im Moment seiner Präsenz für Sinne und Verstand (nicht durch Sinne und Verstand), ist das Wirkliche in seiner Überzeugungskraft, in seiner Evidenz nicht negierbar. Was der Fall ist wissen wir dank der Zeige- und Präsentationsfreudigkeit des Wirklichen selbst. Um wirklich zu sein (ontologische Kategorie), benötigt das Wirkliche keine Zuschreibung durch ein Subjekt, das es als Wirkliches erkennt. Aus konstituierender Erkenntnis wird einwilligende Anerkenntnis, daß das Wirkliche uns zu seinem Wirklichsein nicht braucht. - Das Wirkliche erscheint als das Wirkliche und es erscheint nicht deshalb, weil es eine zum Wirklichen passende und ihm korrespondierende Subjektivität gibt, die ihm allererst den Status des Wirklichen verleihen würde, sondern weil das, was der Fall ist auch dann der Fall wäre, gäbe es gar keine Subjektivität. Noch die christliche Theologie hat sich diese Auffassung von Wirklichkeit zunutze machen können. Gott ist Erscheinung in unmittelbarer Präsenz (s. Thomas, der die Fingerprobe auf Jesu Wunden macht).
Ich kann mit sich selbst präsentierender Wirklichkeit nichts anfangen, weil etwas sich Präsentierendes für mich nach einem aktiven Subjekt "schreit", also Präsentieren als etwas Aktives. Für mich gibt es Wirklichkeit einfach wie die Welt "nur" als etwas Passives (Wirklichkeit ist/existiert einfach), das wir erst durch unsere Sinne teilweise wahrnehmen können. (Und z.B. Licht für unsere Augen bzw. das Angestrahlte wird kaum ein aktives Subjekt sein.)



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Timberlake
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So 19. Jun 2022, 22:38

Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 18:21
Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 17:49
Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 13:55

Man könnte es auch so sagen: Der Mensch "kommt nicht sehr weit" augrund seiner anthropologischen Disposition. Er ist ein "auf Einsparung von Konfrontationen mit der Wirklichkeit ... angelegtes Wesen." (Hans Blumenberg; Beschreibung des Menschen; S. 614)
. und mit beiden kommen wir als solches nicht sehr weit ;)
Weiter kommen will man, wenn es eine Agenda gibt, wenn man ein Ziel vor Augen hat. Will man bei Blumenberg von einem Ziel sprechen, dann ist es "sagen zu können, was ich sehe". Erzählend beschreiben, was man sieht. Wer noch weiter kommen will, muß woanders lesen. :-)
Mittlerweile drängt sich bei mir immer mehr der (unheimliche) Verdacht auf , dass Blumenberg insgeheim Nietzscheaner ist. So heißt es beispielsweise bei Paul Stephan , von dem hier andernorts schon mal die Rede war ..

  • «Sagen was ist » , diese Grundlosung aller authentischen kritischen materialistischen Theorie – natürlich nicht im Sinne des «Neuen Realismus» irgendwelcher Modephilosophen des gegenwärtigen deutschen juste milieu , deren Namen dieses Buch nicht besudeln sollen, sondern im Sinne eines Materialismus , der weiß , dass es da draußen etwas gibt , dass in unseren stets ideologisch gefärbten Begriffen nicht aufgeht , diesem Imperativ wurde wohl kein Philosoph so konsequent gerecht wie dieser eigenartige Herr Nietzsche . Insofern ist man vielleicht der beste Nietzscheaner , wenn man einfach das macht : «Sagen was ist »
    Paul Stephan .. Links Nietzscheanismus Band 1 Seite 115

«Sagen was ist » bzw. "sagen zu können, was ich sehe ( Blumenberg )". halte ich übrigens insbesondere für die Reaktanz für relevant ,um auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen.
Zuletzt geändert von Timberlake am So 19. Jun 2022, 22:55, insgesamt 5-mal geändert.




Burkart
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So 19. Jun 2022, 22:41

Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 17:38
Burkart hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 15:11

Und woher wissen wir "was der Fall" wirklich ist?
Wenn man diese Frage umstellt zu ...

Woher wissen wir, was wirklich der Fall ist und was nicht?

... dann führt uns das früher oder später zu einer Auffassung von Wirklichkeit im Sinne einer Modalität: Wirklichkeit läßt sich dann beispielsweise unterscheiden von Möglichkeit. Für Kant ist Wirklichkeit ein solcher modaler Begriff.

Über all das ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden im Forum. Man kann die inzwischen ausgetrockneten Flußbetten und zugewachsenen Pfade dieser Diskussion besichtigen und gegebenenfalls auch renaturieren oder besser vielleicht sich an Schauplätzen wie diesen inspirieren lassen:

- Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe aus der Kritik der reinen Vernunft

- Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans (Hans Blumenberg)

- Erkenntnis als Konstruktion (Niklas Luhmann)
Ich würde eher sagen, dass wir nur relativ, aber nicht absolut sicher sein können, was (der Fal) ist und was nicht - mal mehr, mal weniger, abhängig von unseren Erkenntnissen, Erfahrungen, Wissen u.ä.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Timberlake
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So 19. Jun 2022, 23:12

Burkart hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 22:41

Ich würde eher sagen, dass wir nur relativ, aber nicht absolut sicher sein können, was (der Fal) ist und was nicht - mal mehr, mal weniger, abhängig von unseren Erkenntnissen, Erfahrungen, Wissen u.ä.
dies- oder viellecht besser jenseits dessen, was du eher sagen würdest, du darfst .. aus naheliegenden Gründen .. Jörn bei der Beantwortung der folgenden Fragen gern behilflich sein ..
Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 16:36
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 16:09


Nein, darauf können wir uns ganz sicher nicht einigen, ich halte das für völlig abwegig.
Noch ein letzter Versuch . Wenn auch er scheitert , dann muss ich wohl davon .. mit Verlaub .. ausgehen , dass du willentlich , also jenseits dessen , was ich dir mittlerweile in unzähligen Beiträgen plausibel machen wollte, an keine Einigung interessiert bist. Die nun folgenden beiden Fragen sind . wenn man so will .. ein Ass im Ärmel, den ich mir hier , eben für diese Situation , bis zuletzt aufgespart habe ..

Ist es es für dich tatsächlich so völlig abwegig , dass die Möglichkeiten bzw. die Freiheitsspielräume (um auf dass Thema dieses Threads zurück zu kommen) zur Kommunikation , durch die Lichtgeschwindigkeit jetzt schon beschränkt sind ?

Na was meinst du denn , um an dieser Stelle auch Burkart , mit seinem Faible für künstliche Intelligenz , mit ins Boot zu holen , warum man insbesondere in der Raumfahrt auf eine solche KI angewiesen ist?




Nauplios
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Burkart hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 22:37

Ich kann mit sich selbst präsentierender Wirklichkeit nichts anfangen, weil etwas sich Präsentierendes für mich nach einem aktiven Subjekt "schreit", also Präsentieren als etwas Aktives. Für mich gibt es Wirklichkeit einfach wie die Welt "nur" als etwas Passives (Wirklichkeit ist/existiert einfach), das wir erst durch unsere Sinne teilweise wahrnehmen können. (Und z.B. Licht für unsere Augen bzw. das Angestrahlte wird kaum ein aktives Subjekt sein.)
Nun müßte ich vorab eigentlich erst die Korrekturen, die Jörn vorhin gegen meine Interpretation vorgebracht hat, in meine Antwort einarbeiten; deshalb will ich hier nur einen Aspekt anbringen.

Hätte man einen Zeitgenossen Platons gefragt, ob er an Zeus glaube, hätte er die Frage nicht verstanden. Er hätte vermutlich erwidert: "Hörst du denn nicht, daß es donnert?"

Wenn man die Wirklichkeit nicht als Sammelbegriff für alles, was es gibt oder für alles, was der Fall ist oder für die Gesamtheit alles Seienden o.ä. nimmt, sondern als Wirklichkeit einer Epoche in Form einer "präformierten Implikation", d.h. als eingeschlossene Zuschreibung ohne Ausdrücklichkeit, dann bietet sich ein Rück- und Durchgang in die Genesis dieses Begriffs an. φαίνεσθαι bedeutete für die Griechen so viel wie "ans Licht kommen, sich zeigen". Im Griechischen gibt es neben Aktiv und Passiv ein drittes Genus verbi, das Medium, das sprachgeschichtlich sogar noch älter ist als das Passiv. Das Medium entspricht u.a. dem, was wir reflexive Verben nennen. Das Erscheinende, das Sich-Zeigende, das Phänomen, ist der Inbegriff des in diesem Sich-Zeigen Evidente. Das antike Verständnis der Wirklichkeit ist eines, das sich an diesem Sich-Zeigen orientiert. Das ist also durchaus kein passives Dasein, kein "einfach Existieren", sondern ein zwischen Aktiv und Passiv angesiedeltes Kommen, ein Ans-Licht-Kommen.

Was es nicht alles schon gibt:

viewtopic.php?f=70&t=871




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Timberlake hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 22:38

Mittlerweile drängt sich bei mir immer mehr der (unheimliche) Verdacht auf, dass Blumenberg insgeheim Nietzscheaner ist.
Bei "insgeheim" denke ich eher daran, daß Blumenberg ja seine frühen Feuilletons unter dem Pseudonym Axel Colly veröffentlicht hat, um die Integrität seines akademischen Rufs als "ernsthafter" Philosoph nicht zu gefährden. Nietzscheaner mußte man dagegen nicht unbedingt "insgeheim" sein; wobei der für Blumenberg wichtigere Autor Paul Valéry war. Das lebenslange Interesse an Valéry verband ihn vor allem mit Hans Robert Jauß.

Bei der Gelegenheit: morgen erscheint der Briefwechsel zwischen Blumenberg und Hans Jonas.




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Burkart hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 22:41
Nauplios hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 17:38
Burkart hat geschrieben :
So 19. Jun 2022, 15:11

Und woher wissen wir "was der Fall" wirklich ist?
Wenn man diese Frage umstellt zu ...

Woher wissen wir, was wirklich der Fall ist und was nicht?

... dann führt uns das früher oder später zu einer Auffassung von Wirklichkeit im Sinne einer Modalität: Wirklichkeit läßt sich dann beispielsweise unterscheiden von Möglichkeit. Für Kant ist Wirklichkeit ein solcher modaler Begriff.

Über all das ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden im Forum. Man kann die inzwischen ausgetrockneten Flußbetten und zugewachsenen Pfade dieser Diskussion besichtigen und gegebenenfalls auch renaturieren oder besser vielleicht sich an Schauplätzen wie diesen inspirieren lassen:

- Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe aus der Kritik der reinen Vernunft

- Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans (Hans Blumenberg)

- Erkenntnis als Konstruktion (Niklas Luhmann)
Ich würde eher sagen, dass wir nur relativ, aber nicht absolut sicher sein können, was (der Fall) ist und was nicht - mal mehr, mal weniger, abhängig von unseren Erkenntnissen, Erfahrungen, Wissen u.ä.
Da ich vorhin schon mal Luhmann erwähnt hatte: ebenso aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind zwei Kapitel aus Die Realität der Massenmedien:

Kapitel 11: "Die Konstruktion der Realität"

Kapitel 12: "Die Realität der Konstruktion"

Hier zeigt sich auch, daß zwischen Konstruktivismus und Realismus nicht zwangsläufig eine Unvereinbarkeit bestehen muß.

Aber wir kommen mächtig ab vom Kurs. Vielleicht eröffnet sich ja die Möglichkeit, diese Thematik in einem anderen Zusammenhang später noch mal anzugehen.




Groot
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Mo 20. Jun 2022, 03:08

soweit ich weiß, heißt das Mediopassiv; also diese dritte Form neben aktiv und passiv.




Timberlake
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Nauplios hat geschrieben :
Mo 20. Jun 2022, 01:57

Da ich vorhin schon mal Luhmann erwähnt hatte: ebenso aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind zwei Kapitel aus Die Realität der Massenmedien:

Kapitel 11: "Die Konstruktion der Realität"

Kapitel 12: "Die Realität der Konstruktion"

Hier zeigt sich auch, daß zwischen Konstruktivismus und Realismus nicht zwangsläufig eine Unvereinbarkeit bestehen muß.

Aber wir kommen mächtig ab vom Kurs. Vielleicht eröffnet sich ja die Möglichkeit, diese Thematik in einem anderen Zusammenhang später noch mal anzugehen.
.. und um wieder mächtig auf Kurs und damit auf die Thematik zu kommen , möchte ich in diesem Zusammenhang , weil du ihn hier schon erwähnt hast , auf die Luhmannsche Systemtheorie und dabei insbesondere auf die Autopoiesis aufmerksam machen ..

  • Autopoiesis
    Eine weitere wesentliche Voraussetzung für das Vorhandensein eines Systems ist die Fähigkeit, sich selbst (wieder-)herzustellen, also die Autopoiesis. Der Merksatz im Luhmannschen Sinne lautet: Wenn es sich nicht selbst macht, ist es kein System. .

So dürfte es doch wohl naheliegend sein , dass sich ein System auch durch das Wiederherstellen von eingeschränkten Freiheitspielräumen und damit der Reaktanz wiederherstellt. Wenn es dazu nicht mehr in der Lage ist , ist diese wesentliche Voraussetzung ,für das Vorhandensein eines Systems, nicht mehr gegeben und es verliert den Status ein System zu sein. So zumindest meine , im Zusammenhang mit der Reaktanz , weitergehende Interpretation der Luhmannschen Autopoiesis.




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