Reaktanz

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Nauplios
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Sa 11. Jun 2022, 04:11

Timberlake hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 04:02
Nauplios hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 03:42


Die Behandlung der Reaktanz im Rahmen einer solchen geschichtsphilosophischen, "weltgeschichtlichen Betrachtung" - etwa im Zusammenhang mit einer "zweiten Überwindung der Gnosis" (Blumenberg) oder im Hinblick auf die Neuzeit als ein "gnostisches Zeitalter" (Voegelin) - würde an ihre Konzeptualisierung als geschichtstheoretische Kategorie komplexere Ansprüche stellen als das Konzept in Form einer psychologischen Disposition jetzt hat. - Wenn von der "Reaktanz gegen die Vernunft" die Rede ist, dann spielt das hinein in das, was Odo Marquardt das "gnostische Rezidiv als Gegenneuzeit" nennt und das paradigmatisch Impulsgeber mit der "Hypostase der Archonten" (Nag Hammadi-Codex II, 4) kürzlich angesprochen hat.

Ich hätte zu dieser Aufzählung noch eine Ergänzung ..
Ja, daran hab' ich auch vorhin gedacht, hab' ihn aber ebenso rücksichtsvoll verschwiegen wie Leo Strauss. ;)




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Jörn Budesheim
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Sa 11. Jun 2022, 06:45

@timberlake, @nauplios: was wäre ein Beispiel für ein reaktantes Verhalten in Bezug auf das "Schlüsselproblem Wirklichkeit"? Also ein Beispiel dafür, wie die Wirklichkeit vorhandene Freiheitsspielräume tatsächlich oder vermeintlich einschränkt und das entsprechende "Trotzverhalten" motiviert.

Wie unterscheidet man hier zwischen Wirklichkeit und etwas, was wirklich ist?




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Jörn Budesheim
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Sa 11. Jun 2022, 07:17

Zurück zu den 1960ern

Wann auch immer der genaue Zeitpunkt sein wird – sobald der Rückgang der Weltbevölkerung beginnt, wird er nie enden, sagen der Sozialwissenschafter Darrell Bricker und der Journalist John Ibbitson in ihrem aktuellen Sachbuch "Empty Planet". Doch was bedeutet das? "Wenn am Ende des Jahrhunderts weltweit rund 1,5 Kinder pro Frau zur Welt kommen und dies dann konstant bleibt, zusammen mit einer Zunahme der Lebenserwartung auf 100 Jahre, dann gäbe es im Jahr 2200 etwa drei Milliarden Menschen – genauso viel wie 1960", sagt Lutz. "Das ist eine Größe, von der Ökologen träumen. Wenn diese Menschen besser gebildet und produktiver sind, dann werden sie auch den Klimawandel, die Alterung und andere Her ausforderungen besser meistern."

https://www.derstandard.de/story/200011 ... n-planet-k
@timberlake mir ist nach wie vor nicht klar, welches reaktante Verhalten dir angesichts der tatsächlichen oder angeblichen Bevölkerungsexplosion vorschwebt? Am liebsten wäre mir ein nachvollziehbares Beispiel.

Themenwechsel: Wenn ich richtig sehe, gehst du davon aus, dass auch ganze Gesellschaften Reaktanz zeigen können. Das scheint mir jedoch eher eine empirische als eine philosophische Frage zu sein. Hast du dazu einen Link?




Timberlake
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Sa 11. Jun 2022, 14:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 07:17


@timberlake mir ist nach wie vor nicht klar, welches reaktante Verhalten dir angesichts der tatsächlichen oder angeblichen Bevölkerungsexplosion vorschwebt? Am liebsten wäre mir ein nachvollziehbares Beispiel.

.. ganz einfach, mir schwebt da als reaktante Verhalten .. Krieg! .. vor und ein nachvollziehbatres Beispiel dafür wurde von Gunnar Heinsohn in dem Video gennant , dass von dir gelöscht wurde . Weil dir die Quelle des Videos suspekt war, so versuche ich es mal mit folgendes Zitat ..
..
  • Söhne und Weltmacht – Buch

    Der Kriegsindex als Relation der 15-19jährigen Söhne zu den 55-59-jährigen Männern ist die zentrale Kennzahl des weltpolitischen Problems Nr. 1- man könnte den Kriegsindex auch etwas weniger ‚militärisch‘ als Söhneindex bezeichnen. In Deutschland kommen 65 junge Jugendliche auf 100 Männer, die dem Ende ihres Erwerbslebens zusteuern. Es gibt also rein statistisch 35 unbesetzte Positionen. Entsprechend groß ist der Mangel an Facharbeitern, Landwirten, Handwerkern … (nicht an prekären Jobs Ungelernter). In Afghanistan hingegen konkurrieren 599 um 100 frei werdende Arbeitsplätze.

    Die nach Deutschland einströmenden Migranten sind zu 80% jung, alleinstehende, ungebildete Männer, warum wohl?.


Mittlerweile ist indes mir nicht klar , wie du zu diesen Frage kommst. So oft wie ich in meinen letzten Beiträgen erklärt habe , was dir nach wie vor nicht klar ist.
  • Voraussetzungen für das Entstehen von Reaktanz sind

    die Vorstellung zu besitzen, über einen Freiheitsspielraum zu verfügen
    diesen Freiheitsspielraum für einigermaßen wichtig zu halten
    eine Bedrohung oder Eliminierung dieses Freiheitsspielraumes wahrzunehmen


Ich meine es ist doch wohl noch "klar wie Kloßbrühe" , dass wenn in einem Land wo 599 junge Männer um 100 frei werdende Arbeitsplätze konkurrieren , diesbezüglich die Freiheitsspielräume doch schon sehr eingeschränkt sind ..

  • Reaktanz (Psychologie)

    Psychologische Reaktanz ist die Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume.
... und ich meine es ist doch wohl noch klar wie Kloßbrühe , dass man infolge dessen u.U. durch Krieg oder auch durch Migration eine Wiederherstellung dieser eingeengten oder eliminierten Freiheitsspielräume anstrebt. Was .. bitteschön .. ist dir an diesem reaktanten Verhalten nicht ganz klar .. und was heißt hier "angeblich" ? Konkurrieren womöglich 599 Afghanistan nur "angeblich" , um 100 frei werdende Arbeitsplätze und strömen Folge dessen nur "angeblich" junge Afghanen zu uns nach Deutschland, um sich hier diesbezüglich jene Freiheitsspielräume zu eröffnen , die ihnen in Afghanistan "angeblich" verschlossen sind.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 07:17

Wenn ich richtig sehe, gehst du davon aus, dass auch ganze Gesellschaften Reaktanz zeigen können. Das scheint mir jedoch eher eine empirische als eine philosophische Frage zu sein.
Wo wir schon mal dabei sind , mir scheint das nur "angeblich" eher eine empirische als eine philosophische Frage zu sein. Gegenfrage .. warum sollte das nicht auch eher philosophische Frage zu sein ? Um auf das Thema zurück zu kommen, in dem Sinne , dass auch ganze Gesellschaften auf die Bedrohung und Eliminierung von Freiheitsspielräume mit reaktanten Verhalten reagieren , so siehst du das durch aus richtig.




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Jörn Budesheim
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Für mich ist das nicht "klar wie Kloßbrühe". Nicht jedes Verhalten, das aus dem Gefühl, die eigenen Freiheitsräume seien eingeschränkt, resultiert ist, muss ein reaktantes Verhalten sein.

Reaktanz ist zwar die Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume. Aber nicht jeder Versuch, eingeschänkte oder eliminierte Freiheitsspielräume wiederherzustellen, muss damit eine Form der Reaktanz sein.




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Nauplios
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Sa 11. Jun 2022, 16:37

Reaktanz ist eine Unterform von Reaktion, allerdings eine, deren Legitimität sich allenfalls auf tradierte und eingespielte soziale Muster begründet, an die man festhält - unter Umständen auch gegen die Vernunft. (So verstehe ich die Ausführungen zur Reaktanz. Insofern ist das Afghanistan-Beispiel gar kein Fall von Reaktanz. Reaktanz ist gleichsam reflektionsfrei.)




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Jörn Budesheim
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Sa 11. Jun 2022, 19:24



Hier noch mal ein Video von ca 15 Minuten mit einem Experiment, ein paar Studien und vor allem einen schönen deutschen Wort für Reaktanz: Widerspendstigkeit.




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Sa 11. Jun 2022, 19:27

Nauplios hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 16:37
Reaktanz ist gleichsam reflektionsfrei.
Davon gehe ich (mehr oder weniger) auch aus.




Timberlake
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Sa 11. Jun 2022, 23:09

Nauplios hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 16:37
Reaktanz ist eine Unterform von Reaktion, allerdings eine, deren Legitimität sich allenfalls auf tradierte und eingespielte soziale Muster begründet, an die man festhält - unter Umständen auch gegen die Vernunft. (So verstehe ich die Ausführungen zur Reaktanz. Insofern ist das Afghanistan-Beispiel gar kein Fall von Reaktanz. Reaktanz ist gleichsam reflektionsfrei.)

Eine gleichsam reflektionsfreie Reaktanz ?
  • Reaktanz (Psychologisch)
    Psychologische Reaktanz ist die Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume. Reaktanz wird in der Regel durch Druck (z. B. Nötigung, Drohungen, emotionale Argumentation) oder die Einschränkung von Freiheits­spielräumen (z. B. Verbote, Zensur) ausgelöst. Als Reaktanz im eigentlichen Sinne bezeichnet man dabei nicht das ausgelöste Verhalten, sondern die zugrunde liegende Motivation oder Einstellung.

Kannst du mir das mal an Hand dieser Definition aus Wikipedia mal erklären?

Wenn Reaktanz in der Regel durch Druck (z. B. Nötigung, Drohungen, emotionale Argumentation) oder die Einschränkung von Freiheits­spielräumen (z. B. Verbote, Zensur) .. wenn man so will .. auf Grund von „tradierten und eingespielten sozialen Mustern“ ausgelöst wird , wie soll das bei einer gleichsam reflektionsfreien Reaktanz gehen?

Um einmal von Youth Bulge weg zu kommen, die „tradierten und eingespielten soziale Muster“ der Taliban in Afghanistan wurde doch wohl noch von den „tradierten und eingespielten sozialen Muster“ der westlichen Wertegemeinschaft eingeschränkt? Wenn darauf hin bei den Taliban Reaktanz ausgelöst wurde , nochmals die Frage : Wie soll das bei einer gleichsam reflektionsfreien Reaktanz gehen?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 19:27
Nauplios hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 16:37
Reaktanz ist gleichsam reflektionsfrei.
Davon gehe ich (mehr oder weniger) auch aus.
@Jörn Budesheim

.. in dem du (mehr oder weniger) auch davon ausgehst und ich somit (mehr oder weniger) davon ausgehe , dass du das verstanden hast , so sei diese Frage auch an dich gerichtet.
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 11. Jun 2022, 23:57, insgesamt 1-mal geändert.




Timberlake
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So 12. Jun 2022, 01:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 15:24
Für mich ist das nicht "klar wie Kloßbrühe". Nicht jedes Verhalten, das aus dem Gefühl, die eigenen Freiheitsräume seien eingeschränkt, resultiert ist, muss ein reaktantes Verhalten sein.

Reaktanz ist zwar die Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume. Aber nicht jeder Versuch, eingeschänkte oder eliminierte Freiheitsspielräume wiederherzustellen, muss damit eine Form der Reaktanz sein.
Nicht jedes Verhalten ... nicht jeder Versuch ? ..
  • Reaktanz (Psychologisch)
    Psychologische Reaktanz ist die Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume. Reaktanz wird in der Regel durch Druck (z. B. Nötigung, Drohungen, emotionale Argumentation) oder die Einschränkung von Freiheits­spielräumen (z. B. Verbote, Zensur) ausgelöst. Als Reaktanz im eigentlichen Sinne bezeichnet man dabei nicht das ausgelöste Verhalten, sondern die zugrunde liegende Motivation oder Einstellung.

.. nicht jede Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume muss Reaktanz sein ?


  • "Die objektive Logik, welche das Sein und Wesen betrachtet, macht daher eigentlich die genetische Exposition des Begriffes aus"
    Hegel Wissenschaft der Logik

Um auf Hegel zurück zu kommen , dir ist doch wohl schon klar , dass du damit die "genetische Exposition" des Begriffes : Reaktanz aufweichst. So gebe es demnach eine Motivation , zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume , eine "objektive Logik" , welche .. so Hegel .. das Sein und Wesen von Reaktanz ausmacht , dennoch würde diese Motivation keine Reaktanz sein .

Das wäre in etwa so , als würde man sagen.. Es sieht aus wie ein Apfel , es riecht Apfel , es schmeckt wie Apfel .. .. ABER ! dennoch ist es kein Apfel .

Was wäre es aber dann , wennes kein Apfel bzw. keine Reaktanz ist ?




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Jörn Budesheim
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So 12. Jun 2022, 06:09

Ich habe eine Reihe von Videos dazu gepostet, bei youtube gibt es noch weitere. Wenn du dich auf die Beispiele in diesem Filmen fokussierst, dann erhältst einen angemessenen Begriff von Reaktanz, schätze ich.

Eine der Gemeinsamkeiten dieser Beispiele, und ich recht sehe, ist: Reaktanz ist reflektionsfrei.




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Jörn Budesheim
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So 12. Jun 2022, 06:17

... nicht jeder Versuch, eingeschänkte oder eliminierte Freiheitsspielräume wiederherzustellen, muss damit eine Form der Reaktanz sein.
... nicht jede Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume muss Reaktanz sein?




Timberlake
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So 12. Jun 2022, 13:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Jun 2022, 06:09
Ich habe eine Reihe von Videos dazu gepostet, bei youtube gibt es noch weitere. Wenn du dich auf die Beispiele in diesem Filmen fokussierst, dann erhältst einen angemessenen Begriff von Reaktanz, schätze ich.

Eine der Gemeinsamkeiten dieser Beispiele, und ich recht sehe, ist: Reaktanz ist reflektionsfrei.
.. völlig richtig "geschätzt" .. wenn ich mich auf diese Beispiele fokussiere , dann erhalte ich einen angemessenen Begriff von Reaktanz ...

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Jun 2022, 06:17
... nicht jeder Versuch, eingeschänkte oder eliminierte Freiheitsspielräume wiederherzustellen, muss damit eine Form der Reaktanz sein.
... nicht jede Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume muss Reaktanz sein?
Wo sind aber die Beispiele dafür, wo ich keinen angemessenen Begriff von Reaktanz erhalte. Wo eben . nicht jeder Versuch, der eingeschränkte oder eliminierte Freiheitsspielräume wieder herstellt bzw. wo nicht jede Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume , den Begriff Reaktanz angemessen enthält . Das würde mich einmal interessieren?

Beispiel
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 19:24


Hier noch mal ein Video von ca 15 Minuten mit einem Experiment, ein paar Studien und vor allem einen schönen deutschen Wort für Reaktanz: Widerspendstigkeit.
. in dem Video wird an hand von fünf aufgereiten Spielkarten, quasi im Selbstexperiment erläutert , was man sich unter Reaktanz vor zu stellen hat ..

  • Voraussetzungen für das Entstehen von Reaktanz sind

    die Vorstellung zu besitzen, über einen Freiheitsspielraum zu verfügen
    diesen Freiheitsspielraum für einigermaßen wichtig zu halten
    eine Bedrohung oder Eliminierung dieses Freiheitsspielraumes wahrzunehmen
. wenn man denn diese Voraussetzungen für das Entstehen von Reaktanz hernimmt , wo es heißt , dass man diesen Freiheitsspielraum für einigermaßen wichtig zu halten habe, könnte man ja argumentieren , dass deswegen das Beispiel der Reaktanz nicht angemessen ist. Wichtig sind solche "Kartenspielertricks" sicherlich nicht . Zumindest im Gegensatz zu dem , was ich hier als Beispiel gewählt habe und zwar die epochaltypischen Schlüsselprobleme.
  • "Die objektive Logik, welche das Sein und Wesen betrachtet, macht daher eigentlich die genetische Exposition des Begriffes aus"
    Hegel Wissenschaft der Logik

... gleich wohl .. und jetzt komme ich nochmal auf Hegel zurück .. beide Beispiele von jener "objektiven Logik" aus gehen , die die "genetische Exposition" des Begriffes Reaktanz ausmacht und darauf kommt es doch wohl letztendlich an und eben nicht was man diesbezüglich für einigermaßen wichtig hält .. oder? Ich meine , dass kann es ja wohl nicht sein , dass man dergleichen zu einem Ausschlußkriterium für einen Begriff macht. Ich meine wo kämen wir denn hin , nur weil man "Fallobst" für nicht besonders wichtig hält , das man das Fallen des Obstes , nicht zu dem rechnet ,was die "genetische Exposition" des Begriffs "Fallgesetz" ausmacht. Das wäre geradezu abenteuerlich, um nicht sogar zu sagen .. . hier überlasse ich es einmal dir , eine dazu passende Steigerungsform zu finden . ;)




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Jörn Budesheim
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So 12. Jun 2022, 14:26

Timberlake hat geschrieben :
So 12. Jun 2022, 13:55
Wichtig sind solche "Kartenspielertricks" sicherlich nicht
Wichtig bei diesem Kartenspieltrick ist einem wohl eher, dass man nicht jemand sein möchte, der leicht zu durchschauen und berechenbar ist. Deswegen wählt man aus Trotz oder Widerspenstigkeit die unauffällige Karte und tappt die "Falle".

Wenn die Beispiele in den diversen Videos wirklich Beispiele für Reaktanz sind, dann ist man direkt beim Thema, wenn man sich die Muster anschaut. Wir sind sehr viel besser darin, solche Muster zu erkennen, als sie in eine Definition zu packen.




Timberlake
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So 12. Jun 2022, 15:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Jun 2022, 14:26
Timberlake hat geschrieben :
So 12. Jun 2022, 13:55
Wichtig sind solche "Kartenspielertricks" sicherlich nicht
Wichtig bei diesem Kartenspieltrick ist einem wohl eher, dass man nicht jemand sein möchte, der leicht zu durchschauen und berechenbar ist. Deswegen wählt man aus Trotz oder Widerspenstigkeit die unauffällige Karte und tappt die "Falle".

Wenn die Beispiele in den diversen Videos wirklich Beispiele für Reaktanz sind, dann ist man direkt beim Thema, wenn man sich die Muster anschaut. Wir sind sehr viel besser darin, solche Muster zu erkennen, als sie in eine Definition zu packen.
Mit Verlaub du hast meine Frage nicht beantwortet , also nochmal .. Wo sind aber die Beispiele dafür,
Timberlake hat geschrieben :
So 12. Jun 2022, 13:55
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Jun 2022, 06:09
Ich habe eine Reihe von Videos dazu gepostet, bei youtube gibt es noch weitere. Wenn du dich auf die Beispiele in diesem Filmen fokussierst, dann erhältst einen angemessenen Begriff von Reaktanz, schätze ich.

Eine der Gemeinsamkeiten dieser Beispiele, und ich recht sehe, ist: Reaktanz ist reflektionsfrei.
.. völlig richtig "geschätzt" .. wenn ich mich auf diese Beispiele fokussiere , dann erhalte ich einen angemessenen Begriff von Reaktanz ...

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Jun 2022, 06:17
... nicht jeder Versuch, eingeschänkte oder eliminierte Freiheitsspielräume wiederherzustellen, muss damit eine Form der Reaktanz sein.
... nicht jede Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume muss Reaktanz sein?
Wo sind aber die Beispiele dafür, wo ich keinen angemessenen Begriff von Reaktanz erhalte. Wo eben . nicht jeder Versuch, der eingeschränkte oder eliminierte Freiheitsspielräume wieder herstellt bzw. wo nicht jede Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume , den Begriff Reaktanz angemessen enthält? . Das würde mich einmal interessieren?




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So 12. Jun 2022, 15:14

Das Beispiel dafür findet sich weiter oben bei Nauplios, der auch eine angemessene Begründung gegeben hat.




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So 12. Jun 2022, 15:19

Und noch ein Hinweis: was der Ausdruck "wichtig" bedeutet, muss man den Beispielen entnehmen. Der umgekehrte Weg, sich eine Vorstellung von Wichtigkeit zu machen und die Beispiele daran zu messen, so dass sie gleichsam durchfallen können, geht meines Erachtens in die falsche Richtung. Wir müssen unsere Begriffe an den Gegenständen schulen und nicht umgekehrt.

Dementsprechend ist es - nach meiner Vorstellung - unangemessen, die Beispiele mit Hilfe der Definition zu beleuchten und zu kritisieren, statt umgekehrt.




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Nauplios
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So 12. Jun 2022, 18:14

Timberlake hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 23:09
Nauplios hat geschrieben :
Sa 11. Jun 2022, 16:37
Reaktanz ist eine Unterform von Reaktion, allerdings eine, deren Legitimität sich allenfalls auf tradierte und eingespielte soziale Muster begründet, an die man festhält - unter Umständen auch gegen die Vernunft. (So verstehe ich die Ausführungen zur Reaktanz. Insofern ist das Afghanistan-Beispiel gar kein Fall von Reaktanz. Reaktanz ist gleichsam reflektionsfrei.)

Eine gleichsam reflektionsfreie Reaktanz ?
  • Reaktanz (Psychologisch)
    Psychologische Reaktanz ist die Motivation zur Wiederherstellung eingeengter oder eliminierter Freiheitsspielräume. Reaktanz wird in der Regel durch Druck (z. B. Nötigung, Drohungen, emotionale Argumentation) oder die Einschränkung von Freiheits­spielräumen (z. B. Verbote, Zensur) ausgelöst. Als Reaktanz im eigentlichen Sinne bezeichnet man dabei nicht das ausgelöste Verhalten, sondern die zugrunde liegende Motivation oder Einstellung.

Kannst du mir das mal an Hand dieser Definition aus Wikipedia mal erklären?

Wenn Reaktanz in der Regel durch Druck (z. B. Nötigung, Drohungen, emotionale Argumentation) oder die Einschränkung von Freiheits­spielräumen (z. B. Verbote, Zensur) .. wenn man so will .. auf Grund von „tradierten und eingespielten sozialen Mustern“ ausgelöst wird , wie soll das bei einer gleichsam reflektionsfreien Reaktanz gehen?

Vielleicht kommt man etwas weiter, wenn man den Eintrag zur Reaktanz bei Wikipedia von hinten liest: es geht um eine "Motivation oder Einstellung", es geht nicht um das dadurch "ausgelöste Verhalten". An dem konkreten Verhalten beziehungsweise Handeln ist die "zugrundeliegende" Reaktanz nicht beobachtbar. Sie ist erschließbar. Und im Vollzug dieses Erschließens erscheint das Verhalten dann als ein reaktantes Verhalten. Dazu ist ein psychologisch geschulter Blick nötig, eine Erfassung der Reaktanz durch das Methodenarsenal der Psychologie. Ich kenne die Hintergründe des Reaktanzkonzepts zu wenig, die zur Etablierung dieses Begriffs in der Psychologie geführt haben. Im Eingangsbeitrag des Threads ist die Rede von "emotionalen Widerständen gegen den Verlust früherer Ansprüche"- ausgelöst "durch wissenschaftliche Erkenntnisse".

Es sind also "Emotionen", Gefühle, mithin also psychische Befindlichkeiten, die in der auf Vernunft ausgerichteten rationalistischen Tradition der Philosophie als etwas Unvernünftiges beargwöhnt wurden und als "Leidenschaften" u.ä. keinen Kredit hatten. Wer sich seinen spontanen Leidenschaften, seinen Emotionen überläßt, handelt und verhält sich nicht durchdacht, reflektiert. Reflektion bedeutet prüfendes, abwägendes, vergleichendes Nachdenken. Eben dieses kommt bei der Reaktanz zu kurz, beziehungsweise kommt gar nicht erst zum Zuge, weil die Reaktanz das Verhalten in eine Plötzlichkeit zwingt. Der abwehrende Gestus ist sogleich da, ist unreflektiert. Er kommt aus dem Bauch heraus, also daher, wo alles Mögliche sitzt, aber kein Verstand.

Aus Afghanistan nach Europa zu fliehen, kann dagegen ein höchst vernünftiges Verhalten sein, dem ein prüfendes, abwägendes, vergleichendes Nachdenken vorausging.

Begriffsimporten aus der Psychologie in die Philosophie darf man etwas reserviert gegenüberstehen. Daß wissenschaftliche Erkenntnisse Unbehagen auslösen können, daß "frühere Ansprüche" dadurch (etwa Ansprüche auf Sinn) abgeschrieben werden müssen, das ist Gegenstand breiter philosophischer Forschung auf dem Feld der Wissenschafts- und Ideengeschichte. Unter dem Titel "Selbstbehauptung" (nicht als psychologische Kategorie, sondern als eine Denkfigur der Philosophischen Anthropologie und Phänomenologie der Geschichte) ist diesbezüglich einiges verhandelt worden. Inwieweit eine geschichtsphilosophische Konzeptualisierung der Reaktanz hier noch einen Beitrag zum Verständnis historischer Verläufe leisten kann, mag dahingestellt sein.




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So 12. Jun 2022, 18:26

Nauplios hat geschrieben :
So 12. Jun 2022, 18:14
Es sind also "Emotionen", Gefühle, mithin also psychische Befindlichkeiten, die in der auf Vernunft ausgerichteten rationalistischen Tradition der Philosophie als etwas Unvernünftiges beargwöhnt wurden und als "Leidenschaften" u.ä. keinen Kredit hatten. Wer sich seinen spontanen Leidenschaften, seinen Emotionen überläßt, handelt und verhält sich nicht durchdacht, reflektiert.
Das wirft spannende Frage auf, wie man das Phänomen in die zeitgenössische Philosophie der Gefühle einsortiert. Denn in dieser Philosophie sind Emotionen schließlich ihrerseits etwas vernünftiges.




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Nauplios
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So 12. Jun 2022, 18:47

Ja, die philosophische Behandlung der Gefühle, ihre Beteiligung an Kognitionen u.ä. ist in den letzten Jahren intensiviert worden. Die Emotionen sind philosophisch salonfähig geworden.




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