"Landschaft"

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Tosa Inu
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Mo 26. Mär 2018, 13:07

Ja, ich glaube auch, dass es eigene Seelenlandschaften gibt, Innenwelten, die nicht durch Hinrzustände erklärt werden können sondern ganz anderer Natur sind.
(Für sachdienliche Hinweise, wie diese aussehen könnten, vielleicht in einem anderen Thread, bin ich immer offen.)
Dennoch ergibt die andere Deutung, der Seele in der Landschaft (statt im Gelände), auch Sinn.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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Mo 26. Mär 2018, 13:13

Alethos hat geschrieben :
So 25. Mär 2018, 13:35
Gut, dass dieser Thread noch lebt, ich habe ihn von Anfang an gemocht. Ich habe mich mit Schreiben unter anderem deshalb zurückgehalten, weil ich mich erstens nicht berufen fühle, mich über Literatur und Kunst zu äussern, und ich auch viel zu wenig kenne und beitragen könnte, aber ich habe mich auch zurückgehalten im Wissen um meinen Überschwang bei solchen Themen. Ich werde bei Begriffen wie 'Landschaft', 'Gelände' und 'Ort' geneigt, meine Beiträge vor lauter Begeisterung mit Sinn zu überfrachten und sie so wenig geniessbar zu machen. Ich habe mich also aus Respekt vor dem ganz Grossen und Tiefen, das diese Begriffe befördern können, zurückgehalten. Und doch kann ich nicht anders, als mich hier dennoch zu melden, weil ich seit Tagen an diesen Begriffen herumdoktere und es mir keine Ruhe lässt.
@Alethos, Bruder im Geiste. :lol: Du siehst, alleine Dein Prolog bringt mich schon ganz aus dem Häuschen ... und um cool und sachlich zu werden: Ich finde überhaupt und ganz und gar nicht, daß Deine Überschwangsbeiträge ungenießbar sind (jedenfalls die, die ich gelesen habe).
Alethos hat geschrieben : Man könnte es vielleicht so ausdrücken, dass Landschaft und der Mensch keine Subjekt-Objekt-Beziehung bilden.
O Mann, das erinnert mich an einen Aufsatz von Beatrice Nunold, die anhand von 2 Landschaftsbildern (eines von C.D. Friedrich und eines von einem fernöstlichen Künstler) die Subjekt-Objekt-Beziehung der abendländischen Kultur und der asiatischen Kultur untersucht hat. Ich muß auf die Suche gehen, Alethos. Alles Weitere verschiebe ich. Also, nicht daß Du denkst, das wäre alles, was mir zu Deinen Überlegungen einfällt.




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Friederike
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Mo 26. Mär 2018, 13:38

B. Nunold, "Landschaft als Topologie des S(ch)eins", in "Image 11", Ausgabe Januar 2010. Ich habe den Aufsatz eben nur überflogen. Es ist so unglaublich viel Anregendes zum "Bild", speziell zur Landschaftsmalerei, wie die europäische und die ostasiatische Kultur den Ort des Menschen in der Welt bildlich darstellen, darin. Die vergleichende Betrachtung hinsichtlich der Subjekt-Objekt-Beziehung, die ich erwähnte, kommt erst unter Punkt 5 (ich muß die Arbeit nochmal richtig lesen, im Augenblick scheint mir ein Absatz so wichtig wie der andere).




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Jörn Budesheim
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Mo 26. Mär 2018, 13:48

Mir ist beim Mittags-Spaziergang eingefallen, dass es zwar Landschaftsplaner gibt, aber keine Geländeplaner :-)




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Friederike
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Mo 26. Mär 2018, 14:34

Alethos hat geschrieben :
So 25. Mär 2018, 13:35
Man könnte es vielleicht so ausdrücken, dass Landschaft und der Mensch keine Subjekt-Objekt-Beziehung bilden. Die Landschaft zeigt sich dem Menschen nicht als zweidimensionale Betrachtungsfläche, sie ist nicht etwas, auf das er von aussen drauf blickt und das ausserhalb von ihm stattfindet, sondern die Grenzen zwischen Innen und Aussen verwischen. Die Landschaft ordnet das volle Langsame und Stete zum Menschen hin, und er, der Mensch, ist nicht einfach nur ihr Betrachter, sondern eine Art Fernpunkt, in welchem sich die Melancholie des Getrenntseins vom Ganzen und das Glücksgefühl des Vereintseins mit dem Ganzen sammelt. Der Mensch zeigt sich dabei aber nicht verortet in einem Hier, er ist kein verankerter Fixpunkt, sondern er findet sich zugleich aufgelöst im Überall des Sphärischen. [...] In der Landschaft sein heisst im Schwebezustand bleiben.
Der Mensch ist i n der Landschaft und zugleich ist es eine ferne Betrachtungsperspektive ("Fernpunkt"), weil "Landschaft" ein Begriff ist, der Einzelteile zu einem Ganzen zusammenfügt. Es ist immer eine Zusammen-Schau gemeint. "Schwebezustand" (soweit es den Unterschied zum betretbaren Gelände betrifft, ja; ansonsten bin ich unschlüssig ...) sowie "Auflösen der Grenzen" - das muß noch ausgefeilt werden, aber Deinen Ansatz finde ich toll! Es ist ungefähr der Weg, der mir diffus vorschwebt. :lol:




Tosa Inu
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Mo 26. Mär 2018, 14:52

(Ganz wie bei den Begegnungen, gell?)



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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Mo 26. Mär 2018, 15:08

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 26. Mär 2018, 14:52
(Ganz wie bei den Begegnungen, gell?)

Du hast keinen Sinn fürs Pathetische. 8-) :P Ist doch klar, wenn Nicht-PoetInnen über dergleichen reden, dann wirkt es natürlich irgendwie überspannt ... naja, möglicherweise sogar komisch. :lol: Ich möchte mich Alethos in dieser Hinsicht vorsorglich anschließen. Immerhin wissen wir um den Eiertanz.




Tosa Inu
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Mo 26. Mär 2018, 15:11

Ich liebe Pathos (und Landschaften).
Anders formulierend hätte ich auch sagen können, dass am Ende doch alle klugen Menschen Esoteriker werden, aber ich wollte niemandem auf die Füße treten.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Mo 26. Mär 2018, 18:23

Landwirtschaft und Landschaft, kulturelle Identität?

Wie viele junge Menschen haben in ihrem Leben schon mal über einen gewissen Zeitraum mit einer Kuh zu tun gehabt? Einem Huhn oder einem Schwein? Vor gut einem Jahrhundert arbeiteten noch rund 40% der Menschen in Land- und Forstwirtschaft. Heute sind es 2%. Wir wohnen lange nicht mehr mit Nutz-Tieren zusammen. Diese Tiere leben ja selbst in der Regel nicht mehr in irgendeiner (kultivierten) Natur. Natur ist für uns im wesentlich ein Freizeitvergnügen oder Ort der Erbauung. Doch schon lange nicht mehr der Ort, der uns ernährt. Der kontemplative Blick aus der Distanz hängt sicher auch mit diesem Umstand zusammen. Denn wenige von uns treiben noch Landbau und sind mit der Pflege und Veredlung von Ackerboden beschäftigt. Von solchen Beschäftigungen stammt bekanntlich das Wort Kultur.

Mit dieser Zeit verbindet uns nicht viel ... und doch soll und ist das Teil unserer Kultur. Ich weiß noch nicht, wie ich es anpacken soll, wie kriegt man die Kurve zu diesen drei Stichworten "Landwirtschaft und Landschaft, kulturelle Identität" in diesen Thread. Wir stehen auf dem "selben" Boden wie diese Vorfahren, aber wir haben so wenig mit ihnen zu tun.

Zu freundlichen Weiterverarbeitung! :-)




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Jörn Budesheim
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Mo 26. Mär 2018, 18:37

Wie oft ist Landschaft noch naturbelassen?




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Di 27. Mär 2018, 13:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 26. Mär 2018, 18:23
Mit dieser Zeit verbindet uns nicht viel ... und doch soll und ist das Teil unserer Kultur. Ich weiß noch nicht, wie ich es anpacken soll, wie kriegt man die Kurve zu diesen drei Stichworten "Landwirtschaft und Landschaft, kulturelle Identität" in diesen Thread. Wir stehen auf dem "selben" Boden wie diese Vorfahren, aber wir haben so wenig mit ihnen zu tun. Zur freundlichen Weiterverarbeitung! :-)
Solche Gespräche und Gesprächsbeiträge gehören zu denen, die ich am liebsten mag. Einfälle, eine Skizze dazu, eine thematische Umrahmung und dann kann man gemeinsam überlegen, wie man ein Netz geknüpft kriegt. Das fällt unter offtopic, weil ich noch nicht die Spur einer Ahnung habe, wie man die Fäden spinnen könnte.




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Di 27. Mär 2018, 18:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 26. Mär 2018, 18:37
Wie oft ist Landschaft noch naturbelassen?
Na selten. Du erwähntest gestern die Landschafts-"Planer" ... Landschaftsarchitekten, Landschaftsgärtnerinnen, Landschaftspfleger, Landschaftsmalerinnen ( :lol: ). Abgesehen von Letzterer ist das, was diesen Professionen zugeordnet wird, ja nicht die Kulturlandschaft, sondern die Naturlandschaft. Ist das Wort "Kulturlandschaft" eigentlich sehr gebräuchlich? Mir kommt es spontan nicht so vor.




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Mi 28. Mär 2018, 10:40

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 26. Mär 2018, 18:23
Der kontemplative Blick aus der Distanz hängt sicher auch mit diesem Umstand zusammen.
Einen Ausschnitt aus der Natur als "Landschaft" zu sehen, ist eine bestimmte Art der Betrachtung dieses Teils der Natur. Anstelle von "kontemplativ" könnte man vielleicht auch "ästhetisch" (mit allen Sinnen, Leib und Seele wahrnehmen und empfinden) sagen. So verstanden paßt auch E. Kinskys Äußerung, "Landschaft" trage im Unterschied zum "Gelände" ein spektakuläres Moment in sich.




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So 1. Apr 2018, 12:11

"Verwurzelt" - in welchem Boden, in welcher Landschaft ein Mensch sich verwurzelt fühlt, das ist wohl einer der elementaren Bausteine s/einer kulturellen Identität.




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Mo 21. Jan 2019, 11:50

Rückkehr zu einem meiner Lieblingswörter. Wenn ich "Landschaft" denke, dann sehe ich eine Landschaft mit oder vor meinem inneren Auge. Die visuelle Komponente scheint mit der Landschaft am stärksten verbunden. Eine Landschaft hat aber auch "Atmosphäre". Atmosphäre gehört wesentlich zum Erleben von Landschaften. Die Atmosphäre allerdings, ist sie Geruch, Geschmack, Hören, Tasten? Eigentlich, so meine ich, gehört alles dazu. Aber es ist noch mehr als die Wahrnehmung aller Sinne zusammengenommen. "Atmosphäre" spürt man, sie ist leibliche Wahrnehmung.




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Jörn Budesheim
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Mo 21. Jan 2019, 19:07

Wie nimmt man die "Erhabenheit" eines "Seestückes" wahr? Dazu gehört viel. Aber ist nicht zumindest ein Aspekt, dass man sich ins Verhältnis zur schieren Größe der See setzt? Gerät dabei nicht auch der Verstand mir in Bewegung?




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Di 22. Jan 2019, 09:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Jan 2019, 19:07
Wie nimmt man die "Erhabenheit" eines "Seestückes" wahr? Dazu gehört viel. Aber ist nicht zumindest ein Aspekt, dass man sich ins Verhältnis zur schieren Größe der See setzt? Gerät dabei nicht auch der Verstand mir in Bewegung?
Dir hier zuzustimmen, zögere ich noch. Worin ich mir jetzt schon sicher bin, das ist, daß Eindrücke, Wahrnehmungen von Landschaften immer von Sprachfetzen begleitet sind.




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Mi 23. Jan 2019, 13:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 21. Jan 2019, 19:07
Wie nimmt man die "Erhabenheit" eines "Seestückes" wahr? Dazu gehört viel. Aber ist nicht zumindest ein Aspekt, dass man sich ins Verhältnis zur schieren Größe der See setzt? Gerät dabei nicht auch der Verstand mir in Bewegung?
Ich würde noch einen Schritt zurückgehen, weil ich denke, daß man doch auch einen Begriff von "Landschaft" haben muß, um "etwas" als Landschaft wahrzunehmen. Weite, Tiefe, Abstände, geometrische Anordnung von Elementen, ja, auch Größenverhältnisse - das muß einem nicht bewußt sein, ist es vermutlich auch nicht in dem Augenblick, in dem man die Landschaft "spürt". Sofern Du mit dem Verstand also das Hintergrund-Wissen meinst, das man zur Verfügung haben muß, um eine Landschaft als solche zu erkennen, dann stimme ich Dir zu.




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Mi 23. Jan 2019, 15:04

Simmel hat den Begriff der ästhetischen Landschaft (er thematisiert weniger die Landschaft in der Kunst und mehr die Landschaft als ästhetische Wahrnehmung) maßgeblich geprägt,
" Philosophie der Landschaft". "Landschaft" ist etwas Zusammengesetztes, die Komposition einer Einheit durch die menschliche Gestaltungskraft, eines einheitlichen Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Genau so umschreibt Simmel auch den Begriff der menschlichen Stimmung. Es ist ein einheitliches Befinden, das aus diversen einzelnen Elementen zusammengesetzt ist.




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Jörn Budesheim
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Do 31. Jan 2019, 06:17

Klaus Harth - ein Künstler, den ich von einer gemeinsamen Ausstellung her kenne und mit dem ich bei Facebook befreundet bin, zeichnet und aquarelliert seit geraumer Zeit Arbeiten mit dem Titel "Gegend". Das hat mich heute dazu gebracht, heute mal bei Wikipedia den Begriff Gegend nachzuschlagen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Wurzel des Begriffs "gegen" in dem italienischen Wort für Landschaft weiter besteht, bei anderen Sprachen ist es vergleichbar.
Der Ausdruck Gegend (von mittelhochdeutsch: gegende, gegenote) bezeichnet das, was dem Betrachter als Fläche oder auch Raum „zugegen“ ist.

Herkunft
Der Begriff leitet sich von „gegen“ ab und ist als Lehnbildung aus lateinisch contra (contrata regio „das gegenüberliegende Gebiet“) in die deutsche Sprache gewandert.

Die lateinische Wurzel besteht weiter in Sprachen wie italienisch: (contrada „Gegend“) oder im französisch: (contrée „Landschaft“), daraus abgeleitet englisch: Country.




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