Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus

Im Zettelkasten können Zitate und Begriffe hinterlegt werden, auf die du andere Mitglieder des Forums aufmerksam machen möchtest.
Antworten
Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23424
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 2. Jan 2023, 19:05

Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus hat geschrieben : - eine Ethik. […] Die erste Idee ist natürlich die Vorstellung von mir selbs als einem absolut freien Wesen. Mit dem freien, selbstbewußten Wesen tritt zugleich eine ganze Welt – aus dem Nichts hervor – die einzig wahre und gedenkbare Schöpfung aus Nichts. – Hier werde ich auf die Felder der Physik herabsteigen; die Frage ist diese: Wie muß eine Welt für ein moralisches Wesen beschaffen sein? Ich möchte unserer langsamen, an Experimenten mühsam schreitenden Physik ein mal wieder Flügel geben. So, wenn die Philosophie die Ideen, die Erfahrung die Data angibt, können wir endlich die Physik im Großen bekommen, die ich von späteren Zeitaltern erwarte. Es scheint nicht, daß die jetzige Physik einen schöpferischen Geist, wie der unsrige ist oder sein soll, befriedigen könne. Von der Natur komme ich aufs Menschenwerk. Die Idee der Menschheit voran, will ich zeigen, daß es keine Idee vom Staat gibt, weil der Staat etwas Mechanisches ist, so wenig als es eine Idee von einer Maschine gibt. Nur was Gegenstand der Freiheit ist, heißt Idee. Wir müssen also über den Staat hinaus! – Denn jeder Staat muß freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; und das soll er nicht; also soll er aufhören. […] Endlich kommen die Ideen von einer moralischen Welt, Gottheit, Unsterblichkeit, – Umsturz alles Afterglaubens, Verfolgung des Priestertums, das neuerdings Vernunft heuchelt, durch die Vernunft selbst. – Absolute Freiheit aller Geister, die die intellektuelle Welt in sich tragen und weder Gott noch Unsterblichkeit außer sich suchen dürfen. Zuletzt die Idee, die alle vereinigt, die Idee der Schönheit, das Wort in höherem platonischen Sinne genommen. Ich bin nun überzeugt, daß der höchste Akt der Vernunft, der, in dem sie alle Ideen umfaßt, ein ästhetischer Akt ist und daß Wahrheit und Güte nur in der Schönheit verschwistert sind. Der Philosoph muß ebensoviel ästhetische Kraft besitzen als der Dichter. […] Die Poesie bekommt dadurch eine höhere Würde, sie wird am Ende wieder, was sie am Anfang war – Lehrerin der Menschheit; denn es gibt keine Philosophie, keine Geschichte mehr, die Dichtkunst allein wird alle übrigen Wissenschaften und Künste überleben. Zu gleicher Zeit hören wir so oft, der große Haufen müsse eine sinnliche Religion haben. Nicht nur der große Haufen, auch der Philosoph bedarf ihrer. Monotheismus der Vernunft und des Herzens, Polytheismus der Einbildungskraft und der Kunst, dies ist’s, was wir bedürfen. Zuerst werde ich hier von einer Idee sprechen, die, soviel ich weiß, noch in keines Menschen Sinn gekommen ist – wir müssen eine neue Mythologie haben, diese Mythologie aber muß im Dienste der Ideen stehen, sie muß eine Mythologie der Vernunft werden. Ehe wir die Ideen ästhetisch, d.h. mythologisch machen, haben sie für das Volk kein Interesse; und umgekehrt, ehe die Mythologie vernünftig ist, muß sich der Philosoph ihrer schämen. So müssen endlich Aufgeklärte und Unaufgeklärte sich die Hand reichen, die Mythologie muß philosophisch werden und das Volk vernünftig, und die Philosophie muß mythologisch werden, um die Philosophen sinnlich zu machen. Dann herrscht ewige Einheit unter uns. […]




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 2. Jan 2023, 21:20

Das ist der Text, dessen Verfasser immer noch nicht geklärt ist?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
AufDerSonne
Beiträge: 1281
Registriert: Do 1. Sep 2022, 19:44

Di 3. Jan 2023, 21:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 2. Jan 2023, 19:05
- eine Ethik. […] Die erste Idee ist natürlich die Vorstellung von mir selbst als einem absolut freien Wesen.
"An Freiheit des Menschen im philosophischen Sinne glaube ich keineswegs. Jeder handelt nicht nur unter äusserem Zwang, sondern auch gemäss innerer Notwendigkeit."
A. Einstein.
"Ein Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht nicht wollen, was er will." Schopenhauer.



Ohne Gehirn kein Geist!

Timberlake
Beiträge: 1663
Registriert: Mo 16. Mai 2022, 01:29
Wohnort: Shangrila 2.0

Mi 4. Jan 2023, 23:49

Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus hat geschrieben :
Mo 2. Jan 2023, 19:05
; die Frage ist diese: Wie muß eine Welt für ein moralisches Wesen beschaffen sein?
Falsche Frage, ...




Timberlake
Beiträge: 1663
Registriert: Mo 16. Mai 2022, 01:29
Wohnort: Shangrila 2.0

Do 5. Jan 2023, 13:24

Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus hat geschrieben :
Mo 2. Jan 2023, 19:05
Zuerst werde ich hier von einer Idee sprechen, die, soviel ich weiß, noch in keines Menschen Sinn gekommen ist – wir müssen eine neue Mythologie haben, diese Mythologie aber muß im Dienste der Ideen stehen, sie muß eine Mythologie der Vernunft werden. Ehe wir die Ideen ästhetisch, d.h. mythologisch machen, haben sie für das Volk kein Interesse; und umgekehrt, ehe die Mythologie vernünftig ist, muß sich der Philosoph ihrer schämen. So müssen endlich Aufgeklärte und Unaufgeklärte sich die Hand reichen, die Mythologie muß philosophisch werden und das Volk vernünftig, und die Philosophie muß mythologisch werden, um die Philosophen sinnlich zu machen. Dann herrscht ewige Einheit unter uns. […]
Ich denke mal , um einmal einen Vertreter des deutschen Idealismus zu Wort kommen zu lassen , dass man vorallem zuerst von der "Moralischen Möglichkeit" dieser Idee sprechen sollte ..
  • Das Gebäude des Naturstaates wankt, seine mürben Fundamente weichen, und eine physische Möglichkeit scheint gegeben, das Gesetz auf den Thron zu stellen, den Menschen endlich als Selbstzweck zu ehren und wahre Freiheit zur Grundlage der politischen Verbindung zu machen. Vergebliche Hoffnung! Die moralische Möglichkeit fehlt, und der freigebige Augenblick findet ein unempfängliches Geschlecht.
    In seinen Taten malt sich der Mensch, und welche Gestalt ist es, die sich in dem Drama der jetzigen Zeit abbildet! Hier Verwilderung, dort Erschlaffung: die zwei Äußersten des menschlichen Verfalls, und beide in einem Zeitraum vereinigt!
    Friedrich Schiller ..Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen


.. bzw. ob dieser freigebige Augenblick einer "Mythologie der Vernunft" ein dafür empfängliches Geschlecht findet. Letzendlich malt sich der Mensch in seinen Taten und nicht in seinen Ideen , wie mythologisch und vernünftig sie auch immer sein mögen.




Antworten