das Bewusstsein nicht unterhalb der Kalotte

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Jörn Budesheim
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So 26. Mär 2023, 18:40

Ein gewisser Riccardo Manzotti (den ich leider nicht kenne) vertritt eine Version der radikal externalistischen Position, der gemäß das Bewusstsein nicht unterhalb der Kalotte ist. In einem Artikel für die Zeitschrift The New York Review of Books erklärt Tim Parks Manzottis Behauptung, dass sich Erfahrungen 'außerhalb meines Kopfes' befinden, wie folgt:

"Damit das Regenbogenerlebnis stattfinden kann, brauchen wir Sonnenschein, Regentropfen und einen Zuschauer. Es ist nicht so, dass die Sonne und die Regentropfen aufhören zu existieren, wenn niemand da ist, der sie sieht. Manzotti ist kein Bischof Berkeley. Aber solange niemand an einer ganz bestimmten Stelle anwesend ist, kann kein farbiger Bogen erscheinen. Der Regenbogen ist also ein Prozess, der verschiedene Elemente erfordert, von denen eines zufällig ein Instrument der Sinneswahrnehmung ist. Er existiert weder ganz und eigenständig in der Welt noch als erworbenes Bild im Kopf, getrennt von dem, was wahrgenommen wird (dies ist die Ansicht der »Internalisten«, die unter den Neurowissenschaftlern die Mehrheit bilden); das Bewusstsein ist vielmehr zwischen Sonnenlicht, Regentropfen und visuellem Kortex ausgebreitet und erzeugt ein einzigartiges, vergängliches neues Ganzes, das Regenbogenerlebnis. Oder noch einmal: Der Betrachter sieht nicht die Welt; er ist Teil eines Weltprozesses."

(Zitiert nach Slavoj Žižek, in "Hegel im verdrahteten Gehirn")




Timberlake
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Mo 27. Mär 2023, 01:42

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 26. Mär 2023, 18:40
Ein gewisser Riccardo Manzotti (den ich leider nicht kenne) vertritt eine Version der radikal externalistischen Position, der gemäß das Bewusstsein nicht unterhalb der Kalotte ist. In einem Artikel für die Zeitschrift The New York Review of Books erklärt Tim Parks Manzottis Behauptung, dass sich Erfahrungen 'außerhalb meines Kopfes' befinden, wie folgt:

"Damit das Regenbogenerlebnis stattfinden kann, brauchen wir Sonnenschein, Regentropfen und einen Zuschauer. Es ist nicht so, dass die Sonne und die Regentropfen aufhören zu existieren, wenn niemand da ist, der sie sieht. Manzotti ist kein Bischof Berkeley. Aber solange niemand an einer ganz bestimmten Stelle anwesend ist, kann kein farbiger Bogen erscheinen. Der Regenbogen ist also ein Prozess, der verschiedene Elemente erfordert, von denen eines zufällig ein Instrument der Sinneswahrnehmung ist. Er existiert weder ganz und eigenständig in der Welt noch als erworbenes Bild im Kopf, getrennt von dem, was wahrgenommen wird (dies ist die Ansicht der »Internalisten«, die unter den Neurowissenschaftlern die Mehrheit bilden); das Bewusstsein ist vielmehr zwischen Sonnenlicht, Regentropfen und visuellem Kortex ausgebreitet und erzeugt ein einzigartiges, vergängliches neues Ganzes, das Regenbogenerlebnis. Oder noch einmal: Der Betrachter sieht nicht die Welt; er ist Teil eines Weltprozesses."

(Zitiert nach Slavoj Žižek, in "Hegel im verdrahteten Gehirn")
Brauchen wir wirklich einen Sonnenschein, Regentropfen ...
  • Gehirn im Tank
    (brain in a vat), Putnams moderne und säkulare Version der skeptischen Betrügergott-Hypothese von Descartes (Genius malignus). Danach ist es physikalisch möglich, dass unsere Gehirne in einem Behälter mit Nährflüssigkeit schwimmen und an einen Computer angeschlossen sind, der durch elektrische Reize die Realität für uns simuliert, ohne dass wir es bemerken können. Prinzip der Hypothese ist, wie bei Descartes, die Möglichkeit eines globalen Irrtums über die Kausalursachen der eigenen Bewusstseinszustände. Im Unterschied zu Descartes beruht die G.i.T.-Hypothese jedoch auf einem semantischen Externalismus, wonach die Referenz eines Gedankens durch seine Kausalursache bestimmt wird. Deshalb zeigt sie nicht (wie bei Descartes), dass wir nicht wissen, ob unsere Meinungen über die Außenwelt wahr sind, sondern nur, dass wir nicht wissen, ob sich unsere wahren Meinungen auf die Außenwelt oder auf Computerimpulse beziehen. Putnam führt die G.i.T.-Hypothese zum Zwecke ihrer reductio ad absurdum ein.
.. oder reichen dazu in "wirklichkeit" nur elektrische Reize aus , die uns diese Realtät simulieren? So und zwar als ein "Gehirn im Tank" könnte ich mir übrigens sehr gut eine Besiedelung des Weltraums und ansonsten lebensfeindlichen Planeten und Monden vorstellen. Da braucht man kein Lebenserhaltungssystem, wie bei einem Gehirn im menschlichen Körper. Bei einem solchen "verdrahteten Gehirn" müsste sich allerdings das Bewusstsein tatsächlich unterhalb der Kalotte befinden .




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Jörn Budesheim
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Mo 27. Mär 2023, 08:22

Timberlake hat geschrieben :
Mo 27. Mär 2023, 01:42
Bei einem solchen "verdrahteten Gehirn" müsste sich allerdings das Bewusstsein tatsächlich unterhalb der Kalotte befinden .
Dafür gibt es aber kein Argument, denn schließlich gibt es ja auch in diesem Szenario eine Umgebung, nämlich den Tank und seine Infrastruktur. Und außerdem: Woher weiß man, dass ein solches Gehirn im Tank bewusst wäre?




Timberlake
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Mo 27. Mär 2023, 23:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 27. Mär 2023, 08:22
Timberlake hat geschrieben :
Mo 27. Mär 2023, 01:42
Bei einem solchen "verdrahteten Gehirn" müsste sich allerdings das Bewusstsein tatsächlich unterhalb der Kalotte befinden .
Dafür gibt es aber kein Argument, denn schließlich gibt es ja auch in diesem Szenario eine Umgebung, nämlich den Tank und seine Infrastruktur.
Mein Argument war , damit ein im Tank "verdrahteten Gehirn" ein Bewusstsein haben kann , so müsste sich das Bewusstein tatsächlich unterhalb der Kalotte befinden und zwar nur dort und nicht möglicherweise .. so Riccardo Manzotti .. als "Teil eines Weltprozesses" . außgebreitet zwischen der Außenwelt und dem visuellem Kortex ...
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 26. Mär 2023, 18:40
Ein gewisser Riccardo Manzotti (den ich leider nicht kenne) vertritt eine Version der radikal externalistischen Position, der gemäß das Bewusstsein nicht unterhalb der Kalotte ist. In einem Artikel für die Zeitschrift The New York Review of Books erklärt Tim Parks Manzottis Behauptung, dass sich Erfahrungen 'außerhalb meines Kopfes' befinden, wie folgt:

" .... das Bewusstsein ist vielmehr zwischen Sonnenlicht, Regentropfen und visuellem Kortex ausgebreitet und erzeugt ein einzigartiges, vergängliches neues Ganzes, das Regenbogenerlebnis. Oder noch einmal: Der Betrachter sieht nicht die Welt; er ist Teil eines Weltprozesses."

(Zitiert nach Slavoj Žižek, in "Hegel im verdrahteten Gehirn")
Gleichwohl spräche wohl auch nichts dagegen , dass in Anlehnung daran sich ein Bewusstsein zwischen Sonnenlicht, Regentropfen und damit der Außenwelt und dem visuellem Kortex eines Gehirn im Tank ausbreitet und in gleicherweise ein einzigartiges, vergängliches neues Ganzes, das Regenbogenerlebnis erzeugt. Insofern ich mich dahingehend tatsächlich korrigieren muss.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 27. Mär 2023, 08:22
Und außerdem: Woher weiß man, dass ein solches Gehirn im Tank bewusst wäre?
In diesem Fall, weil .. wohlgemerkt vom Prinzip her! .. keinerlei Unterschied zu einem Gehirn im menschlichen Körper , wüßte man wohl tatsächlich , dass auch ein Gehirn im Tank bewusst wäre. Es sei denn , dass der Unterschied eines Gehirn in einer künstlichen Umgebung , nämlich dem Tank und seiner künstlichen Infrastruktur und eines Gehirn in seiner natürlichen Umgebung , nämlich unter der Kalotte und seiner natürlichen Infrastruktur so groß ist , dass von daher die Existenz eines Bewusstseins ausgeschlossen werden kann. Dafür gibt es aber zumindest für mich kein Argument , weil .. ich wiederhole .. wohlgemerkt vom Prinzip her! . keinerlei Unterschied . Welche Argumente könnte man denn deiner Meinung nach dafür anführen ?




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Jörn Budesheim
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Di 28. Mär 2023, 08:46

Du schreibst sinngemäß: Damit ein im Tank "verkabeltes Gehirn" ein Bewusstsein haben kann, müsste sich das Bewusstsein tatsächlich unter der Kalotte befinden. Als Begründung für diese Behauptung würde man hier einen Satz erwarten, der mit "weil" beginnt, etwa so: Damit ein im Tank "verdrahtetes Gehirn" ein Bewusstsein haben kann, müsste sich das Bewusstsein tatsächlich unter der Kalotte befinden, weil [hier die Begründung einsetzen].

Im Übrigen habe ich auf diesen Aspekt bereits geantwortet: Auch in diesem Szenario gibt es eine Umgebung, nämlich den Tank und seine Infrastruktur. Sozusagen für den Fall, dass die Argumentation darauf hinausläuft, dass das Gehirn im Tank keine Umgebung hat.




Timberlake
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 28. Mär 2023, 08:46
Du schreibst sinngemäß: Damit ein im Tank "verkabeltes Gehirn" ein Bewusstsein haben kann, müsste sich das Bewusstsein tatsächlich unter der Kalotte befinden. Als Begründung für diese Behauptung würde man hier einen Satz erwarten, der mit "weil" beginnt, etwa so: Damit ein im Tank "verdrahtetes Gehirn" ein Bewusstsein haben kann, müsste sich das Bewusstsein tatsächlich unter der Kalotte befinden, weil [hier die Begründung einsetzen].

.. weil nur so ein Gehirn im Tank mit einem Bewustsein funktionieren kann.

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 26. Mär 2023, 18:40
Ein gewisser Riccardo Manzotti (den ich leider nicht kenne) vertritt eine Version der radikal externalistischen Position, der gemäß das Bewusstsein nicht unterhalb der Kalotte ist. In einem Artikel für die Zeitschrift The New York Review of Books erklärt Tim Parks Manzottis Behauptung, dass sich Erfahrungen 'außerhalb meines Kopfes' befinden, wie folgt:

"; das Bewusstsein ist vielmehr zwischen Sonnenlicht, Regentropfen und visuellem Kortex ausgebreitet und erzeugt ein einzigartiges, vergängliches neues Ganzes, das Regenbogenerlebnis. Oder noch einmal: Der Betrachter sieht nicht die Welt; er ist Teil eines Weltprozesses."

(Zitiert nach Slavoj Žižek, in "Hegel im verdrahteten Gehirn")

.. aber auch für den Fall , wie hier unterstellt , dass sich Bewusstsein vielmehr zwischen Sonnenlicht, Regentropfen (. gleichsam außerhalb der Kalotte!) .. und dem visuellem Kortex ( gleichsam unterhalb der Kalotte!) .. ausbreitet, sollte ein Gehirn im Tank mit einem Bewustsein funktionieren , weil .. ich wiederhole ... prinzipiel kein Unterschied! ..

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 28. Mär 2023, 08:46


Im Übrigen habe ich auf diesen Aspekt bereits geantwortet: Auch in diesem Szenario gibt es eine Umgebung, nämlich den Tank und seine Infrastruktur. Sozusagen für den Fall, dass die Argumentation darauf hinausläuft, dass das Gehirn im Tank keine Umgebung hat.
. und um dazu , bezüglich dieser Infrastruktur , mögliche Mißverständnisse aus zu räumen. So wie es in dem natürlichen Szenario für das Gehirn eine natürliche Umgebung gibt , nämlich die Kalotte und seine natürliche Infrastruktur , so gibt es in dem künstlichen Szenario für das Gehirn eine künstliche Umgebung , nämlich den Tank und seine künstliche Infrastruktur. Davon , dass das Gehirn im Tank keine Umgebung hat, kann also keine Rede sein .. WEIL ! .. ein Gehirn ohne Umgebung , also weder in einer künstlichen , noch in einer natürlichen Umgebung , nicht überlebensfähig ist. Somit eine Argumentation, die sozusagen darauf hinausläuft, dass das Gehirn im Tank keine Umgebung hat, unnsinnig ist.




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