Welche Aspekte des Menschseins sind angeboren, und welche erwerben wir erst im Kontakt mit unserer Kultur?

Im Zettelkasten können Zitate und Begriffe hinterlegt werden, auf die du andere Mitglieder des Forums aufmerksam machen möchtest.
Marcus Breitmeyer
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Mo 16. Okt 2023, 03:31

Quk hat geschrieben :
Mi 23. Aug 2023, 16:10
... dass die Begriffe "richtig und falsch" ("wahr und unwahr") nur auf Aussagen bezogen werden können, nicht auf Handlungen. Aber man kann eine Aussage erstellen, die eine Handlung beschreibt. Und diese Aussage kann dann, nach empirischer oder rationaler Untersuchung, falsch oder richtig sein.
Moin allerseits,

hab mich gerade eben hier angemeldet und guck mal, wie ich mit den Funktionen zurecht komme. Das hier ist mein erster Beitrag. Von daher bitte ich um Nachsicht, falls es zu Beginn noch unrund läuft. Den Thread habe ich auch noch nicht gelesen. Das werde ich aber noch nachholen.

Zum obigen Zitat habe ich eine Anmerkung: Die Beurteilung einer Handlung als richtig oder falsch richtet sich nach dem intendierten Zweck. Der Zweck muss bekannt sein, um die Feststellung treffen zu können. Das betrifft auch die Rede in Form von Aussagen.

Wenn der Zweck darin besteht, einen Anderen (zum Beispiel einen Feind) zu täuschen, dann ist es richtig, die Unwahrheit zu sagen, und es ist falsch, die Wahrheit zu sagen. Dass die Wahrheit richtig ist und die Unwahrheit falsch, gilt nur unter bestimmten Bedingungen (Kooperation). Die Gleichsetzung von wahr und richtig bzw. unwahr und falsch ist daher nicht bzw nur bedingt zulässig.

Viele Grüße, Marcus




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 07:11

Hallo Marcus, willkommen im Forum!




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 07:13

Moin,

völlige Zustimmung.

Um es auf die Logik zu übertragen -- Beispiel:

• Es bestand die Absicht, einen Gegner abzuwehren; dazu gab es zwei Optionen: Ihn anzulügen oder nicht.

Beispiel 1
• Die Lüge wurde umgesetzt.
• Der Gegner wurde abgewehrt.
Fazit: Es war richtig, ihn anzulügen.

Beispiel 2
• Die Lüge wurde umgesetzt.
• Der Gegner wurde nicht abgewehrt.
Fazit: Es war falsch, ihn anzulügen.

Beispiel 3
• Die Lüge wurde nicht umgesetzt.
• Der Gegner wurde abgewehrt.
Fazit: Es war richtig, ihn nicht anzulügen.

Beispiel 4
• Die Lüge wurde nicht umgesetzt.
• Der Gegner wurde nicht abgewehrt.
Fazit: Es war falsch, ihn nicht anzulügen.

Das waren Beispiele ähnlich des logischen Wahrheitsprinzips:
Wenn Handlungsziel und Handlungsergebnis übereinstimmen, ist die Handlung richtig.

Ähnlich wie in der Aussagenlogik:
Wenn Aussage und Tatsache übereinstimmen, ist die Aussage wahr.

Unterschied:
In der Aussagenlogik sagt man eher "wahr" statt "richtig", in der Handlungsbeurteilung jedoch "richtig" statt "wahr". Glaube ich.
In beiden benutzt man aber das Wort "falsch".




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 07:43

Quk hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 07:13
Wenn Handlungsziel und Handlungsergebnis übereinstimmen, ist die Handlung richtig.
Marcus Breitmeyer hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 03:31
Die Beurteilung einer Handlung als richtig oder falsch richtet sich nach dem intendierten Zweck.
Nehmen wir ein deutliches Beispiel: Mord. Mord ist eine Handlung. Mord ist falsch.




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 10:00

Was ist daran deutlich?

Ich meine, je nach Prämisse ist Mord richtig oder falsch.




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 10:19

Mord ist doch nicht je nach Prämisse mal richtig, mal falsch, sondern Mord ist mit das Schlimmste, was wir überhaupt tun können.




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Stefanie
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Mo 16. Okt 2023, 10:39

Notwehr, rein von der Handlung die Tötung eines Menschen, aber aufgrund der Situation gerechtfertigt, wenn es Notwehr ist



Der, die, das.
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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 10:44

Aber Notwehr ist kein Mord. Und selbst wenn wir uns Fälle ausdenken würden, in denen Mord gerechtfertigt wäre (was aber vermutlich schon begrifflich nicht möglich ist), bliebe es doch dabei, dass Mord in der Regel an sich verwerflich ist und nicht nur in Bezug auf eine Prämisse, oder?




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 10:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 10:19
Mord ist doch nicht je nach Prämisse mal richtig, mal falsch, sondern Mord ist mit das Schlimmste, was wir überhaupt tun können.
Das Zitat enthält eine Prämisse; es lautet: Mord ist das schlimmste. Es impliziert wohl auch, dass Mord zu vermeiden ist, weil er so schlimm ist.

Vorweg: In den beiden Begriffen "falsch" und "schlimm" sehe ich keine logische Tautologie, es kommt also zu keinem Zirkelschluss. Daher kann ich die "Vermeidung des Schlimmen" -- losgelöst von dem Wort "falsch" -- zunächst als Prämisse ansetzen:

Prämisse: Jörn hält Mord für das schlimmste und möchte das schlimmste vermeiden.
Handlung: Jörn begeht einen Mord.
Fazit: Jörn hat falsch gehandelt.

Prämisse: Jack the Ripper freut sich auf jeden Mord; Jack genießt hinterher seine Morde und möchte, dass das so bleibt.
Handlung: Jack begeht einen weiteren Mord.
Fazit: Jack hat richtig gehandelt.

Prämisse: Moralphilosophische These XY hält Mord für das schlimmste und verlangt von allen, das schlimmste zu vermeiden.
Handlung: Jack begeht einen weiteren Mord.
Fazit: Jack hat falsch gehandelt.




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 10:57

Es gibt hier keine Prämisse. Mord ist einfach falsch.

"Mord ist das schlimmste" Auch hier ist "schlimmste" keine Prämisse, sondern einfach das Prädikat.




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 11:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 10:57
Es gibt hier keine Prämisse. Mord ist einfach falsch.
Basta? Wo bleibt Deine philosophische Blickschärfe?

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 10:57
"Mord ist das schlimmste" Auch hier ist "schlimmste" keine Prämisse, sondern einfach das Prädikat.
Ein Prädikat ist noch keine Handlung. In meiner Logik geht es um die Bewertung einer Handlung, nicht eines Prädikats.

Bewertungen richten sich nach Prämissen, etwa der Prämisse, dass Mord zu vermeiden ist, weil er so schlimm ist. Die Prämisse kann auch anders lauten.

Jörn, Dein Begriff von "falsch" fokusiert hier direkt das für Dich Schlimme oder das Moralische.
Mein Begriff von "falsch" fokusiert gerade nur das System der Aussagen-Logik; da spielt das Schlimme oder das Moralische keine Rolle.




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 11:32

Die Handlung Mord ist an sich schlecht. Dies ist ein Gegenbeispiel zu den beiden folgenden Zitaten. Denn Mord ist nicht schlecht im Hinblick auf einen Zweck oder ein Handlungsziel, das verfehlt wird. Ich hoffe, das ist jetzt so formuliert, dass es verständlich ist. (Kant markiert den Unterschied, um den es hier wohl geht, mit den beiden Begriffen "hypothetischer Imperativ/kategorischer Imperativ").
Quk hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 07:13
Wenn Handlungsziel und Handlungsergebnis übereinstimmen, ist die Handlung richtig.
Marcus Breitmeyer hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 03:31
Die Beurteilung einer Handlung als richtig oder falsch richtet sich nach dem intendierten Zweck.




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 13:03

Auch in Kants Imperativ geht es nicht um die Erörterung der Aussagen-Logik. Ich rede hier nur über Aussagen-Logik.

Meines Erachtens werden die Begriffe "falsch, wahr, richtig" zwar in verschiedenen Fachgebieten verwendet wie etwa in der Ethik oder Logik; das sollte aber nicht dazu einladen, die Ethik und Logik derart zu vermischen, dass da eine logische Kritik der Ethik entsteht oder eine ethische Kritik der Logik.

Ich sags nochmal: Ich rede hier nur über Aussagen-Logik. Du redest von Ethik. Der Begriff "falsch" kommt zwar in beiden Fächern vor, hat aber jeweils eine andere Bedeutung.

"1 OR 0 = 0" ist logisch falsch. Die Logik stellt sich nicht die Frage, ob das Ergebnis ethisch falsch ist.




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 13:16

Das verstehe ich komplett nicht. Muss ich passen.




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 13:33

Auch in Religionen gibt es "falsch und richtig".
Ich meine, letztendlich implizieren die Begriffe "falsch und richtig" stets eine Übereinstimmungslogik.
Darin liegt vermutlich auch ihre Wortherkunft, auch wenn Ethiker reden.

Gott sagt: Du sollst nicht töten.
Wenn Du tötest, handelst du nach Gottes Gesetz falsch.

Gott sagt: Du sollst dein Haupt bedecken.
Wenn Du es unbedeckt lässt, handelst du nach Gottes Gesetz falsch.

Die StVO sagt: Du sollst bei rot stehenbleiben.
Wenn du weitergehst, handelst du nach der StVO falsch.

Der Kategorische Imperativ sagt: Handle stets nach Maxime XY.
Wenn du das nicht tust, handelst du nach der Maxime XY falsch.

Immer, immer, immer, immer bezieht sich das Wort "falsch" auf eine Prämisse. Man muss nur genau hinsehen.

Ein Satz wie: "Das ist einfach falsch", klingt in meinen Ohren wie ein YouTube-Kommentar. Ich vermisse da die philosophische Tauchfahrt in die Tiefe.




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Stefanie
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Mo 16. Okt 2023, 15:36

Quk hat geschrieben : ↑Mo 16. Okt 2023, 07:13
Wenn Handlungsziel und Handlungsergebnis übereinstimmen, ist die Handlung richtig.
Handlungsziel: A soll tot sein.
B erschießt A.
Handlungsergebnis: A ist tot.

Also war die Handlung richtig, denn A ist tot. So rein logisch, ohne irgendeine Bewertung. Richtig ist nicht moralisch gemeint, sondern wie das Ergebnis einer Rechenaufgabe. Oder?

Marcus Breitmeyer hat geschrieben : ↑Mo 16. Okt 2023, 03:31
Die Beurteilung einer Handlung als richtig oder falsch richtet sich nach dem intendierten Zweck.
Jetzt hat aber Marcus Breitmeyer in seiner Beschreibung das Wörtchen "Beurteilung" stehen und lässt dies nicht darauf schließen, dass er sowohl die Handlung wie das Handlungsziel bewertet, also ethisch unterwegs und nicht logisch?



Der, die, das.
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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 16:06

Zur ersten Frage: Ja, korrekt, nach meiner Auffassung.

Zum Wörtchen "Beurteilung": Ich lese das in diesem Fall im Sinne einer logischen "Schlussfolgerung". Die ist ja auch ein Urteil.




Marcus Breitmeyer
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Di 17. Okt 2023, 00:14

Quk hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 07:13
Unterschied: In der Aussagenlogik sagt man eher "wahr" statt "richtig", in der Handlungsbeurteilung jedoch "richtig" statt "wahr". Glaube ich.
In beiden benutzt man aber das Wort "falsch".
Ja. Wobei der Fehler sich auf falsches Handeln bezieht, also auch auf falsches Wahrnehmen, Annehmen und Aussagen. Möglicherweise ist das der Ursprung der synonymen Verwendung von falsch im Sinne von unwahr und unrichtig. Das ist jedenfalls meine Annahme. Die kann aber auch falsch sein... 😅




Marcus Breitmeyer
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Di 17. Okt 2023, 01:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 11:32
Die Handlung Mord ist an sich schlecht. Dies ist ein Gegenbeispiel zu den beiden folgenden Zitaten. Denn Mord ist nicht schlecht im Hinblick auf einen Zweck oder ein Handlungsziel, das verfehlt wird. Ich hoffe, das ist jetzt so formuliert, dass es verständlich ist. (Kant markiert den Unterschied, um den es hier wohl geht, mit den beiden Begriffen "hypothetischer Imperativ/kategorischer Imperativ").
Der Zweck KANN ein moralischer sein, muss aber nicht. Insofern sind moralische Zwecke eine Teilmenge der Gesamtmenge möglicher Zwecke. Wenn es allgemein um die Zwecke menschlichen Handelns geht, überwiegen nach meiner Beobachtung die ökonomischen Zwecke. Jedenfalls, was unsere westliche Gesellschaft betrifft.

In punkto moralische Beurteilung: Erst der moralische Zweck verleiht der askriptiven Beurteilung einen präskriptiven Charakter. Alle anderen Zwecke gegenüber den moralischen als nachrangig zu behandeln und im Zweifel zugunsten der moralischen aufzugeben, ist die allgemeine Forderung. Der im Allgemeinen niemand folgt. Was allgemein für ein hohes Maß an Amoral und die Dominanz ökonomischer Zwecke in der westlichen Gesellschaft spricht.

Ich bin mir sicher: Das muss nicht so sein. Aber ich bin ebenso sicher: Hier ist es so. Kant war meines Erachtens Idealist.




Marcus Breitmeyer
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Di 17. Okt 2023, 02:23

Stefanie hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 15:36
Jetzt hat aber Marcus Breitmeyer in seiner Beschreibung das Wörtchen "Beurteilung" stehen und lässt dies nicht darauf schließen, dass er sowohl die Handlung wie das Handlungsziel bewertet, also ethisch unterwegs und nicht logisch?
Beurteilung: richtig & falsch
zweckmäßig vs unzweckmäßig
rational

Bewertung: gut & schlecht
Gewinn vs Gefahr
emotional

Also, ich bin schon logisch unterwegs. 😉

Ethik ist eine komplexe Angelegenheit, weil sie die emotionale Bewertung in die rationale Beurteilung einbezieht.




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