Welche Aspekte des Menschseins sind angeboren, und welche erwerben wir erst im Kontakt mit unserer Kultur?

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Jörn Budesheim
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Fr 18. Aug 2023, 19:21

Lisa Feldman Barrett Siebeneinhalb, Lektionen über das Gehirn hat geschrieben : Welche Aspekte des Menschseins sind angeboren, und welche erwerben wir erst im Kontakt mit unserer Kultur? Diese Unterscheidung ist jedoch illusorisch. Wir können nicht die Gene als einzige Ursache für ein Merkmal betrachten, genauso wenig wie die Umwelt. Die beiden sind wie zwei Liebende beim Tangotanzen – so eng miteinander verwoben, dass es nicht mal Sinn ergibt, ihnen unterschiedliche Namen wie «Anlage» und «Umwelt» zu geben.
Wir haben das vor ein paar Wochen im Kaffee-Stübchen sehr vage berührt - und als ich das heute gelesen habe, dachte ich, das sollte ich doch mal zur Kenntnis geben :)




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Fr 18. Aug 2023, 22:07

Die "Ergebnisse" von "angeboren" und "erworben" sind, wie im Grunde oben bereits beschrieben, "unauflösbar miteinander verschränkt", sodass sie eben nicht länger nur oder entweder das eine, oder das andere sind. Biologische Triebe z.B. sind kulturell überformt, sodass eben beiden "Ansinnen" sozusagen zugleich entsprochen werden kann. Derart kulturell überformte und genutzte biologische "Potentiale" sind überall beim Menschen und dessen Gemeinschaften ("Gesellschaft"!) zu finden. (Sprache...!)




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Quk
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Fr 18. Aug 2023, 23:24

Ich nehme an, sie meint unter anderem dies: Eine bestimmte angeborene Eigenschaft A veranlasst andere Wechselwirkungen mit der Umwelt als es die angeborene Eigenschaft B tut.

Eine Sekte kann Menschentyp A überzeugen und formen. Sekte und Typ A vereinen sich. A wird zukünftig die Sekte mitformen.
Eine Sekte kann Menschentyp B aufregen. Sekte wird von Typ B zerstückelt. Sekte reformiert sich mit kleiner Abänderung.

Fließende Prozesse. Gravitationen unterschiedlicher Typen. Der Schneeball wird größer, wenn er auf Schnee rollt. Das ist etwas für Schneetypen. Wassertropfen interessiert das nicht. Der Tropfen in der Wolke brauchte am Anfang einen Kondensationskern, an dem er wuchs. Jeder spezielle Prozess braucht eine spezielle Voraussetzung (Anlage) und bereits gewachsene, ehemalige Anlagen (Umwelt). Ich denke, es ist also völlig klar, dass das Angeborene und das Gewachsene eine untrennbare Harmonie bilden. Kreisläufe, die nach jedem Kreis ein wenig anders aussehen, und zugleich auch längerfristige Grundstrukturen haben, die bei allen Kreisläufen anders sind. Es ist aber meiner Auffassung nach kein Widerspruch, den beiden Sachen "Angeborenes" und "Gewachsenes" zweierlei Begriffe zu geben.

Meine Eltern haben sich auch vereint. Dennoch kann ich die beiden unterscheiden in entweder Vater oder Mutter.

Ich habe den Verdacht, das Buch will durch markante, neu klingende Aussagen sein Publikum anlocken, und wird am Ende doch eher nur Altbekanntes wiederholen. Es gibt Leute, die können den Inhalt vom Struwwelpeter derartig spannend und sprachakrobatisch neu formulieren, dass es eine Weile braucht, ehe man erkennt: Das kenne ich doch eigentlich schon.




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Fr 18. Aug 2023, 23:36

"Anlage" und "Umwelt" sind doch Evergreens in der Biologie. Auch dass beides i.d.R. nur "verschränkt", wie ich es nenne, anzutreffen ist (auch bei Tieren übrigens), ist so neu nicht. Ich glaube nicht, dass die Autorin durch besonders originelle Aussagen auffallen wollte. (Ich kenne das Buch nicht.) Aber wohl herausstellen, dass dies eben selten ein "entweder - oder" darstellt. Vermutlich.




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Quk
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Fr 18. Aug 2023, 23:50

Zitat: "Diese Unterscheidung ist jedoch illusorisch."

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die beiden Sachen nicht wechselwirken würden. (Ich meine kausal, nicht im verschränkten Sinne.)

Die beiden unterschiedlichen Begriffe braucht man ja schon allein deshalb, um über ihre Wechselwirkung sprechen zu können.

Wenn sie allerdings wirklich sagen wöllte, beides wäre Eins, so wie Vater und Mutter beides dasselbe wäre, dann würde das mir zu esoterisch-poetisch. Aber das glaube ich nicht. Also, wie kann sie diese Unterscheidung eliminieren und zugleich über zwei unterschiedliche, miteinander harmonierende Sachen sprechen? Mir kommt das paradox vor. Es klingt für mich ein wenig nach Clickbait durch steile Sprüche bei gleichzeitiger Auslassung von Definitionen. Diese Auslassung macht neugierig. Das ist so ähnlich wie damals, als ich zum ersten Mal Markus Gabriel hörte bei "Planet Wissen", wie er sagte, es gäbe keine Welt. Eine Stunde lang hat er seinen Weltbegriff nicht definiert. Ich habe da überhaupt nichts neues gelernt. Ich finde, ebenso sollte diese Autorin sagen, wie sie den Begriff "Unterscheidung" definiert, bevor sie sagt, die Unterscheidung sei illusorisch.


Zitat: "Welche Aspekte des Menschseins sind angeboren, und welche erwerben wir erst im Kontakt mit unserer Kultur?"

Was ist das überhaupt für eine Sprachlogik? Wir haben, wenn ich mich nicht irre, 4 Bezüge:

1. Epigenetische Quelle
2. Epigenetische Quelle ist gespeichert und wirkt in der Zukunft auf die Umwelt.
3. Kulturelle Quelle
4. Kulturelle Quelle wird ständig aufgesogen und wirkt auf die zukünftige Genetik der eigenen Nachkommen.

Dann ist da die eine Unterscheidung. Die eine. Auf welche der vier Sachen bezieht sich diese eine Unterscheidung?

1 vs 2
1 vs 3
1 vs 4
2 vs 3
2 vs 4
3 vs 4

Ein paar können wir schon ausschließen. Trotzdem bleiben noch bizarr:

1 vs 3
1 vs 4
2 vs 3
2 vs 4

Das sind immerhin 4 mögliche Unterscheidungsbezüge im zitierten Satz. Aber die Rede ist von einer Unterscheidung.




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Sa 19. Aug 2023, 00:29

Einfach die Unterscheidung zwischen angeboren und erworben. Dass diese aber zumeist eine Art Amalgam bilden...




Burkart
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Sa 19. Aug 2023, 08:34

Ja, die Diskussion zwischen "angeboren" und "erworben" ist alt. Man sagte mal, dass 80% für dies, 20% für jenes gelte, nur dass man sich nicht einig würde, welche Zahl für welches gelte. (Dass die Zahlen nicht wirklich Sinn machen, sei dahingestellt.)

Klar ist alles irgendwie miteinander verwoben, aber es gibt schon einen Unterschied:
"Angeboren" ist unsere (biologische u.ä.) Ausgangsbasis, die für jeden Menschen (und ggf. Tier) zeitlich zuerst kommt, "erworben" kommt danach, womit das nicht einfach austauschbar ist.
Erstere ist recht konstant, letztere dagegen ändert sich durch unsere Änderungen in der Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft usw., also allem, dem wir im Laufe unseres Lebens "ausgesetzt" sind.
Damit ist einerseits der persönliche Lernprozess gemeint, durch der Mensch sich im Laufe des Lebens immer mehr erwirbt, andererseits aber auch die gesellschaftlichen u.ä. Änderungen, die Erworbenes wieder in Frage stellt - während sich angeborene Grundlagen nicht mehr ändern können.
Insofern scheint es mir, dass "angeboren" oder "erworben" sich im Laufe des Lebens immer mehr vom ersteren zum letzteren verschiebt, wenn natürlich auch nie völlig, nur der Gewichtung/Stärke nach.

Um der Ausgangsfrage genauer auf die Spur zu kommen, müsste man eigentlich reale Aspekte oder Aspektklassen betrachten...



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Jörn Budesheim
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Sa 19. Aug 2023, 08:44

Huch, ich habe gar nicht mitgekriegt, dass es hier schon so viele Antworten gibt, ich hoffe dass ich selbst heute Abend etwas dazu schreiben kann :)




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Quk
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Sa 19. Aug 2023, 08:53

Einfach die Unterscheidung zwischen angeboren und erworben. Dass diese aber zumeist eine Art Amalgam bilden...
Gut, aber das ergibt in meinen Augen keinen Sinn. Ich meine, das sind zweierlei Ereignisse entlang der Zeitachse. Das Angeborene ereignet sich zuerst, später ereignen sich kulturelle Sachen. Dass das Erstere das Nächste beeinflussen wird, ist unstrittig. Auch, dass das Nächste auf das seit der Geburt Mitgetragene einwirkt, ist unstrittig. Aber wie kann ich auf die Aussage kommen, die beiden Sachen seien das Gleiche? Sie sagt, die beiden würden miteinander Tango tanzen. Sie spricht also von zweierlei, die miteinander tanzen. Zugleich sagt sie, es gebe kein Zweierlei. Wenn sie also dieses Zweierlei bejaht, dennoch aber deren Unterschied verneint, so kann dies nach meiner Logik nur bedeuten: Es sind zwei identische Exemplare derselben Art. Also ihre Anzahl ist höher als eins. Aber ihre jeweiligen Eigenschaften sind gleich. -- Da diese identischen "Exemplare" Ereignisse sind, heißt das für mich: Die beiden Ereignisse geschehen zur gleichen Zeit, denn der Zeitpunkt ist einer deren Eigenschaften, und all ihre Eigenschaften seien gleich.

Montag und Dienstag sind zwei Exemplare der Art "Wochenereignis"; Montag und Dienstag tanzten miteinander. Aber der Unterschied zwischen ihnen sei illusorisch. In Wahrheit seien das Mondienstag und Mondienstag. Oder Diensmontag und Diensmontag.

Falls dies tatsächlich eine Interdisziplin wird aus Genetik und Quantenphysik, mit Akausalitäten und Teilchenverschränkungen, werde ich dranbleiben. Falls nicht, also falls die Sprache absichtlich möglichst lange unklar gehalten wird, werde ich aus Langeweile aussteigen :-)



Edit:

Je mehr ich in das Zitat eintauche, desto kauderwelschiger wirds, in meinen Ohren. Vielleicht liegts auch an der deutschen Übersetzung?

"Wir können nicht die Gene als einzige Ursache für ein Merkmal betrachten, genauso wenig wie die Umwelt."

Beim Lesen dieses Satzes folgere ich: Es gibt noch eine dritte Ursache, außerhalb der Gene und der Umwelt. Spannend. Und die wäre?

"Die beiden sind wie zwei Liebende beim Tangotanzen ..."

Doch keine dritte. Schade.

"– so eng miteinander verwoben, dass es nicht mal Sinn ergibt, ihnen unterschiedliche Namen wie «Anlage» und «Umwelt» zu geben."

Sie sind also miteinander "verwoben". Ist das Wort "verwoben" eine neue Metapher für etwas Altbekanntes?




Burkart
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Sa 19. Aug 2023, 09:35

Quk hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2023, 08:53
"Wir können nicht die Gene als einzige Ursache für ein Merkmal betrachten, genauso wenig wie die Umwelt."
Beim Lesen dieses Satzes folgere ich: Es gibt noch eine dritte Ursache, außerhalb der Gene und der Umwelt. Spannend. Und die wäre?
Nicht unbedingt, es reicht doch schon die Vermengung der beiden Ursachen, dass beide mehr oder weniger Einfluss haben, auch wenn unbekannt ist, wie viel jeweils.

Aber ich sehe die Aussage "Wir können nicht die Gene als einzige Ursache für ein Merkmal betrachten" so allgemein als falsch an. Unsere Gene haben uns ermöglicht zu gehen und zu laufen, aber nicht ohne Hilfsmittel zu fliegen; letzteres wird die Umwelt auch nicht ändern. Immerhin können wir noch (vernünftig) schwimmen lernen, immerhin etwas.



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Sa 19. Aug 2023, 10:02

@Quk
Der Clou ist doch gerade das unentwirrbare Ergebnis aus beiden Faktoren, aus Umwelt und Anlage. Die uralte Frage aus der Biologie, ob entweder die Gene oder die Umwelt (z.B. Kultur) wird zu einem, eben "unentwirrbarem" (gar real irreduziblen, "emergenten") "Sowohl-als-auch" (resp. dessen "Produkt").




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Quk
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Sa 19. Aug 2023, 10:25

Burkart hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2023, 09:35
Nicht unbedingt, es reicht doch schon die Vermengung der beiden Ursachen ...
Ja, diese "Vermengung" setzte ich am Anfang dieses Fadens auch voraus. Da diese These aber ganz offensichtlich ist und gar nicht neu ist, suchte ich nach weiteren möglichen Deutungen dieses unklaren Textes.




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Quk
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Sa 19. Aug 2023, 10:44

1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2023, 10:02
@Quk
Der Clou ist doch gerade das unentwirrbare Ergebnis aus beiden Faktoren, aus Umwelt und Anlage. Die uralte Frage aus der Biologie, ob entweder die Gene oder die Umwelt (z.B. Kultur) wird zu einem, eben "unentwirrbarem" (gar real irreduziblen, "emergenten") "Sowohl-als-auch" (resp. dessen "Produkt").
Dass das kein Entweder-Oder ist, ist uns allen schon lange klar, nehme ich an. Ist das alles, was das Buch uns sagen will? Dann rennt das Buch offene Türen ein.

Deshalb mutmaßen wir ja über die prozentualen Verhältnisse, wieviel kommt von welcher Eigenschaft von hier und wieviel von dort. Diese abwägende Mutmaßung impliziert, dass wir ein hartes Entweder-Oder ausschließen. Oder?

(Vielleicht ist der Text auch nur unpassend übersetzt worden. Was ist das englische Wort, das hier mit "Unterscheidung" übersetzt wurde?)

Von Thesen, dass die Kultur überhaupt keinen Einfluss auf unsere Psyche habe, hörte ich noch nie, soweit ich mich erinnere; außer vielleicht in religiösen oder esoterischen Texten, wo die Sachen irgendwie extern determiniert seien, oder so.

Von Thesen, dass allein die Kultur einen Einfluss auf unsere Psyche habe, also dass jedes Neugeborene ein "Weißes Blatt" sei, habe ich allerdings schon gehört, und zwar in marxistisch-kommunistischen Kreisen; in dieser Ideologie ist es eine Notwendigkeit, dass jeder Mensch vollständig durch die Ideologie formbar ist, sodass automatisch kein Trump und kein Musk auf die Welt kommen und die Selbststabilisierung des Kommunismus beenden kann. Meines Erachtens ist diese These empirisch ganz klar widerlegt. Ich glaube sie kommt aus dem 19. Jahrhundert, von Marx selbst.




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Sa 19. Aug 2023, 10:58

Quk hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2023, 10:44
Dass das kein Entweder-Oder ist, ist uns allen schon lange klar, nehme ich an.
Wenn das so klar gewesen wäre, hätte ich's nicht nochmal schreiben brauchen. Wäre eh das letzte Mal gewesen, weil ich bislang noch niemals bei diesem Thema bei irgendjemanden auf Verständnisschwierigkeiten gestoßen war (exakt seit den frühen 70ern). Hier aber wiederholt doch...




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Quk
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Sa 19. Aug 2023, 11:18

"Welche Aspekte des Menschseins sind angeboren, und welche erwerben wir erst im Kontakt mit unserer Kultur?"

In meinen Augen thematisiert dieser Satz nicht das Entweder-Oder, sondern das prozentuale Abwägen. Im weiteren Text wird bei diesem altbekannten prozentualen Abwägen lediglich dessen Dynamik betont ("Tangotanzen"). Vielleicht meint sie nur diese Dynamik, und will nur dies als neue Erkenntnis verkaufen.

Wöllte der Satz tatsächlich das Entweder-Oder abschaffen, müsste er meines Erachtens etwa so lauten:

"Welche Aspekte des Menschseins sind nur angeboren, und welche erwerben wir nur im Kontakt mit unserer Kultur?"

Wenn wir im Deutschen keine Zusatzwörter wie "entweder", "ausschließlich", "nur" einstreuen, erlaubt uns ein reiner Oder-Satz die Annahme eines "sowohl-als-auch". Im Englischen ist das nicht so strikt. "Either-or" kommt da selten vor, weil das "or" allein schon meist "mutual exclusive" gemeint ist.

Das Deutsche, so scheint mir, orientiert sich strenger an den "offiziellen" Operatoren der Logik. Wenn da kein "entweder" steht, ist das deutsche "oder" tatsächlich ein logisches OR, kein XOR.




Burkart
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Sa 19. Aug 2023, 11:28

Für mich am wichtigsten ist, dass "angeboren" und "erwerben" nicht gleichwertig sind. Seht ihr das auch so oder nicht?



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Quk
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Sa 19. Aug 2023, 11:38

Auf der Suche nach dem Originaltext bin ich auf US-Amazon gelandet und lese gerade ein paar Reviews. Da sind viele 5-Sterne-Lobhudeleien und ein paar 1-Stern-Einzeiler. Interessant sind in der Mitte die ausführlicheren 2-Sterne-Reviews. Da erkenne ich teilweise meine eigene Einschätzung wieder, obowhl ich das Buch noch nicht einmal gelesen habe :-) Ich weiß, ich sollte besser die Klappe halten. -- Ich mag Jeff Bezos nicht, und ich weiß nicht, ob man hier überhaupt Amazon-Links zeigen darf, aber hier ist ausnahmsweise jener Link zur Review-Seite. Bei Verstoß gerne löschen.

2-Sterne-Reviews




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Quk
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Sa 19. Aug 2023, 11:40

Burkart hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2023, 11:28
Für mich am wichtigsten ist, dass "angeboren" und "erwerben" nicht gleichwertig sind. Seht ihr das auch so oder nicht?
Was meinst Du mit "gleichwertig"? "Wert" bezieht sich, meinem Verständnis nach, auf Mathematik oder Ethik.




Burkart
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Sa 19. Aug 2023, 11:55

Quk hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2023, 11:40
Burkart hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2023, 11:28
Für mich am wichtigsten ist, dass "angeboren" und "erwerben" nicht gleichwertig sind. Seht ihr das auch so oder nicht?
Was meinst Du mit "gleichwertig"? "Wert" bezieht sich, meinem Verständnis nach, auf Mathematik oder Ethik.
Wie ich etwas früher schon schrieb, sind Eigenschaften angeboren oder eben nicht("gehen" ja, "fliegen" nein). Dagegen können erworbene Eigenschaften sind ändern und auch wieder verloren werden.
Auch beruhen erworbene Eigenschaften z.T. auf angeborenen, umgekehrt nicht (wenn man mal das Lernen im Mutterleib weglässt; sonst ändern wir "angeboren" in "angezeugt" (interessant, dass es so ein Wort noch nicht gibt) o.ä.).



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Sa 19. Aug 2023, 13:08

Quk hat geschrieben :
Sa 19. Aug 2023, 11:18
"Welche Aspekte des Menschseins sind angeboren, und welche erwerben wir erst im Kontakt mit unserer Kultur?"

In meinen Augen thematisiert dieser Satz nicht das Entweder-Oder, sondern das prozentuale Abwägen. Im weiteren Text wird bei diesem altbekannten prozentualen Abwägen lediglich dessen Dynamik betont ("Tangotanzen"). Vielleicht meint sie nur diese Dynamik, und will nur dies als neue Erkenntnis verkaufen.

Wöllte der Satz tatsächlich das Entweder-Oder abschaffen, müsste er meines Erachtens etwa so lauten:

"Welche Aspekte des Menschseins sind nur angeboren, und welche erwerben wir nur im Kontakt mit unserer Kultur?"

Wenn wir im Deutschen keine Zusatzwörter wie "entweder", "ausschließlich", "nur" einstreuen, erlaubt uns ein reiner Oder-Satz die Annahme eines "sowohl-als-auch". Im Englischen ist das nicht so strikt. "Either-or" kommt da selten vor, weil das "or" allein schon meist "mutual exclusive" gemeint ist.

Das Deutsche, so scheint mir, orientiert sich strenger an den "offiziellen" Operatoren der Logik. Wenn da kein "entweder" steht, ist das deutsche "oder" tatsächlich ein logisches OR, kein XOR.
NaWennDuMeinst.
Ich hab's mir eh nicht angeguckt.




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