Hufeisentheorie

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Stefanie
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Do 29. Aug 2024, 23:11

was-bedeutet-die-hufeisentheorie.jpg
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https://missy-magazine.de/blog/2020/07/ ... entheorie/
Diese wurde in der Nachkriegszeit im Geist des Antikommunismus und in völkisch-nationalistischer Tradition von Herrschaften aus dem Dunstkreis des Verfassungsschutzes entwickelt. Sie ist weniger Wissenschaft als Wunschvorstellung: Das politische Spektrum soll wie ein Hufeisen geformt sein – deshalb liest man auch häufig „Hufeisentheorie“ –, im Zentrum liegt die angeblich gemäßigte Mitte, die alle Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verkörpert. An den extremen Enden des Hufeisens, die sich fast berühren, lauern die Feind*innen der Demokratie: Rechtsextremist*innen und Linksextremist*innen (und seit 9/11 Islamist*innen). So nah, so strukturgleich –möchte das Modell nahelegen.

Durch die Gleichsetzung von Rechts und Links im Hufeisen ist nichts gewonnen: Sie macht Spezifika und Motivlagen politischer Strömungen unsichtbar und verharmlost das enorme Problem mit rechter Gewalt in Deutschland – wir zählen mehr als zweihundert Tote durch rechte Gewalt seit der deutschen Einigung. Rassistische Angriffe auf Menschen werden mit Verweis auf brennende Mülltonnen oder demolierte Autos bei den G20-Protesten kleingeredet. Zudem kommt die Mitte im Modell wesentlich besser weg, als sie ist, da menschenverachtende Ideologien an den Rändern des Hufeisens verortet werden. Rassistisch, antisemitisch oder FLINT-feindlich können so gesehen nur Extremist*innen sein. Dieser Fantasie widersprechen Studien zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit seit Jahren. Zur Mitte zählt sich ja auch, wer den Islam nicht in Deutschland sehen will, Hasstiraden gegen den Staat Israel gutheißt oder immer schön sozialchauvinistisch nach unten tritt.

Die in weiten Teilen menschenfeindliche und anti- demokratische AfD etwa, die dem bürgerlichen Milieu entstammt und auch in der guten alten Mitte ihre Wähler*innen findet, wurde von Hufeisenvetreter*innen lange als Partei am legitimen Rand des demokratischen Spektrums eingeordnet. Gleichzeitig werden Antifaschist*innen unter Linksextremismus- Verdacht gestellt und kriminalisiert – wie etwa die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, VVN-BdA, die im bayrischen Verfassungsschutzbericht genannt wird, oder das Konzert #WirSindMehr, bei dem 65.000 Menschen gegen die rassistischen Mobilisierungen von Chemnitz protestierten und das im sächsischen VS-Bericht auftaucht. Diese Verdachtslogik nutzt auch die AfD, um Demokratieprojekten gegen Rechts öffentlichkeitswirksam eine Nähe zum „Linksextremismus“ anzudichten
Ich habe mehrere Artikel zur Hufeisentheorie gelesen. Allen war gemeinsam, dass diese Theorie kritisiert wird. Als auch theoretisches Konstrukt. Als nicht die Wirklichkeit abbildend.
Ich wollte dies Theorie einfach erstmal nur vorstellen.



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Wolfgang Endemann
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Fr 30. Aug 2024, 10:28

Richtig. Die Hufeisentheorie ist falsch, ideologisch und dumm. Sie ist die Lebenslüge der bürgerlichen Mittelschicht, eine Selbstbeweihräucherung, in der sie ihr überhebliches Selbstbild, je unsicherer, desto fanatischer, zelebriert und die intuitive Ahnung von dessen Unwahrheit verdrängt, mit allen Konsequenzen dieser Verdrängung, die bis zur psychopathologischen Verleugnung führen kann (ich rede hier nicht von individualpsychologischen, sondern von sozialpsychologischen Sachverhalten).

Richtig ist, daß es ein bipolares, genauer differenziert auch ein multipolares Spektrum gibt, hier ist vor allem die Polarität von einem individuellen und einem sozialen Menschenbild prägend, die sich in der Zuordnung von rechts bis links niederschlägt. Auf einer dazu orthogonalen Dimension wäre zu beurteilen, wie tolerant oder strikt man die eigenen Positionen vertritt, ob man sie konsensuell oder gewaltsam durchsetzen will. Hier wird das Ideologische der Hufeisentheorie offenbar, denn es unterschlägt die Möglichkeit eines Extremismus, einer Intoleranz der Mitte.

Es gibt das bon mot "In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den 'Tod", ein Aphorismus, der auf den gleichnamigen Film von Kluge und Reitz zurückgeht, und so suggestiv wie unpräzise ist, wie alle bon mots. Richtig ist, daß in einer dramatischen, auf eine Katastrophe zusteuernden Entwicklung der Mittelweg nicht ausreicht, auch zum Tode führt. In solch einer Situation sind radikale Lösungen gefragt, muß es zu einer strukturellen Revolution kommen. Da ist dann die Mitte nicht die Lösung, sondern Teil des Problems.




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Jörn Budesheim
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Fr 30. Aug 2024, 11:10

Die Metapher von links und rechts, die auf die Sitzordnung im französischen Parlament zurückgeht, suggeriert eine Symmetrie, die es gar nicht gibt, und führt dann zu Reflexen, wie sie im Artikel erwähnt werden - jede kennt das. Ich kann das auch nicht ab.




Wolfgang Endemann
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Fr 30. Aug 2024, 11:36

Die Sitzordnung war allerdings die einer Klassengesellschaft, diese ursprüngliche und keineswegs eindeutige Substanz hat sich metaphorisch auf die reinen Relativbegriffe (was von vorne rechts ist, ist von hinten links) übertragen. Immerhin, über den sinnvollen Gehalt von "politisch rechts" kann man streiten, diese Hufeisentheorie biegt vorher ins Ideologische ab.




RoloTomasi
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Fr 30. Aug 2024, 12:04

Ich denke, dass die Hufeisentheorie auf die heutigen Verhältnisse einfach nicht mehr passt. Dafür ist unsere Demokratie zu bunt und enthält einfach zu wenig profilierte Extreme. Die Mitte hat sich sozusagen verselbständigt, und man findet in ihr keine Reinformen mehr. Beispiel: BSW, die sich als Linkskonservative verstehen. Aber gerade dieses Hybride, Kompromisshafte und Gemischte ist ja ein Zeichen von starker Demokratie...keiner kann mehr einfach durchmarschieren. Deswegen verstehe ich auch nicht, wenn heute so oft von der Krise der Demokratie die Rede ist. Das Gegenteil ist der Fall, es herrscht eine absolute Fülle an politischen Angeboten, alles multipolar und trotzdem weitgehend mittig - und nirgendwo droht etwas Extremes oder Radikales, auf das insgeheim alles drängt. Die Hufeisentheorie passt eher zur Welt des Kalten Krieges, aber die gibt es heute nicht mehr. Politik ist heute gottlob eher pragmatisch und stückwerkhaft, und weniger ideologisch und an großen, gefährlichen Gesten orientiert. Ich persönlich bin froh, dass es so ist.



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Jörn Budesheim
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Fr 30. Aug 2024, 13:22

Diese beiden Grafiken sind aus einem Vortrag von Harry Lehmann und sollen die Veränderung des politischen Raumes darstellen.

Bild

Bild





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Jörn Budesheim
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Fr 30. Aug 2024, 16:17

Ich finde diese Zahlen teilweise erschütternd! Acht Prozent der Menschen in Deutschland teilen demnach ein rechtsextremes Weltbild, in den Vorjahren waren es zwei bis drei Prozent.
tagesschau hat geschrieben : In Deutschland hat die Zahl der Befürworter rechtsextremer Einstellungen zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt die "Mitte-Studie", mit der im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung alle zwei Jahre die Einstellungen der gesellschaftlichen Mitte abgefragt werden. Acht Prozent der Menschen in Deutschland teilen demnach ein rechtsextremes Weltbild, das ist jeder zwölfte Erwachsene. In den Vorjahren seien dies zwei bis drei Prozent gewesen. Hinzu kämen 20 Prozent der Bevölkerung, die "einem Graubereich" zuzuordnen seien, "die also kein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben, die aber auch nicht klar demokratisch orientiert sind", sagte die Sozialpsychologin und Mitverfasserin der Studie, Beate Küpper, im Interview mit tagesschau24.

Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/gesell ... e-100.html




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Stefanie
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Fr 30. Aug 2024, 20:23

Es ist schon interessant, dass die Hufeisentheorie offensichtlich mehrheitlich kritisiert wird, aber noch verwendet wird oder gar noch verteidigt wird.
Wie z.B. Herr Buschmann in diesem Beitrag.
https://www.fdpbt.de/buschmann-gastbeit ... en-theorie

Im Sprachgebrauch, so im Hinterkopf, scheint sie immer noch präsent zu sein. Es wird sowohl von der Politik, Medien etc. immer von Der Mitte gesprochen.
Andere Theorien sortieren die Parteien auch, siehe das Beispiel von Jörn, und alle haben eine Mitte.
Mir stellt sich dann die Frage, wie wird die Mitte definiert, wer gehört dazu und wer nicht? Es muss ja irgendeinen Bezugspunkt geben?

Wo liegt denn nun der Unterschied zwischen linken und rechten Extremismus?
https://taz.de/Kinder-fragen-die-taz-an ... /!6028076/

Was ist denn nun der Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus? Menschen, die als Links­ex­tre­mis­t*in­nen gelten, geht es um die totale Gleichheit aller Menschen in der Gesellschaft. Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen hingegen lehnen gleiche Rechte für alle Menschen ab, weil sie manche für wertvoller halten als andere. Ihre Feinde sind zum Beispiel Menschen, die keine weiße Hautfarbe haben, Menschen mit Behinderungen, Schwule, Lesben oder Transmenschen. Oft versuchen Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen diese mit Gewalt zu bekämpfen. Auch im Linksextremismus spielt Gewalt eine Rolle, vor etwa 50 Jahren haben linksextreme Terrorgruppen viele Menschen in Deutschland umgebracht. Heute richtet sich linksextreme Gewalt in den meisten Fällen gegen Objekte wie Gebäude oder Autos
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Consul
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Fr 30. Aug 2024, 20:28

Stefanie hat geschrieben :
Do 29. Aug 2024, 23:11
was-bedeutet-die-hufeisentheorie.jpg
https://missy-magazine.de/blog/2020/07/ ... entheorie/

Durch die Gleichsetzung von Rechts und Links im Hufeisen ist nichts gewonnen:…
Das Hufeisenmodell setzt den Rechtsextremismus und den Linksextremismus nicht gleich. Von einer ideologischen Gleichheit kann keine Rede sein; aber es gibt Ähnlichkeiten, die durch dieses Modell verdeutlicht werden sollen, vor allem die intolerante, antiliberale, antidemokratische und autoritäre bis totalitäre Politik.
"Für die Extremismusforschung ist der Gegensatz zwischen extremistisch und demokratisch entscheidend, nicht der zwischen "rechts" und "links". Extremismus stellt für sie die Antithese des demokratischen Verfassungsstaates dar, der auf Pluralismus, der Gewaltenteilung und der Akzeptanz der Menschenrechte basiert. Der Extremismusbegriff, der eine lange, bis auf Platon und Aristoteles zurückreichende Tradition hat Zur Auflösung der Fußnote ist damit nicht dem Selbstverständnis der höchst heterogenen – mehr oder weniger – antidemokratischen Kräften entnommen. Kein Extremist bezeichnet sich als Extremist. Die Extremismusforschung hebt einerseits die massiven Unterschiede zwischen den antidemokratischen Richtungen hervor und zielt andererseits auf strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen den vielfältigen Formen etwa des Rechts- und des Linksextremismus. Das Hufeisenbild veranschaulicht dies. Kennzeichnend für Extremismen ist u.a. die Einschränkung oder Ablehnung tragender Elemente des demokratischen Verfassungsstaates wie Pluralismus, die Bejahung eines Freund-Feind-Denkens, die Akzeptanz eines hohen Maßes an ideologischem Dogmatismus und an gesellschaftlicher Homogenität, die Ausrichtung an Verschwörungstheorien und der Glaube an geschichtliche Gesetze. Auch der Fundamentalismus, dem eine Einheit von Religion und Staat eigen ist (wie etwa beim Islamismus), stellt eine Form des Extremismus dar, entzieht sich aber der Einordnung in Rechts-Links-Kategorien und damit dem Hufeisenschema."

Quelle. Der Begriff "Extremismus" – Worin besteht der Erkenntnisgewinn?
"Die Ebene der politischen Doktrinen bietet die entscheidenden Ansatzpunkte für eine Positivbestimmung des Begriffs, da den Phänomenen der "Lebenswelt" erst mit ihrer inspirierenden Kraft extremistische "Qualität" zuwächst. Trotz großer inhaltlicher Heterogenität und teilweise Gegensätzlichkeit wohnt den Extremismen eine Reihe struktureller Gemeinsamkeiten inne: Sie alle beanspruchen den Besitz eines "Wahrheits"-Codes, mit dem sie die Welträtsel (vermeintlich) dechiffrieren können. Diese "Wahrheiten" gelten als mit den Gesetzen des Seins in Einklang stehend, erfordern jedoch eine "höhere Einsicht", die sich nicht jedermann in gleicher Weise offenbart. Die auf Absolutheitsansprüchen gegründeten extremistischen Doktrinen entziehen sich auf diese Weise einer Verifikation. Gleichzeitig programmiert die Fixierung auf bestimmte Dogmen eine Emanzipation des Weltbildes von der Wirklichkeit. Das Versagen der Prophetien wird typischerweise mit den verschwörerischen Aktivitäten feindlich gesinnter Mächte erklärt und gerechtfertigt. Wer an absoluten, evidenten, unantastbaren "Wahrheiten" festhält, kann Toleranz gegenüber Andersdenkenden nicht aufbringen. Absolutheitsanspruche führen damit zur Ausprägung einer perspektivisch verengten Weitsicht, die nur mehr zwischen Freund und Feind, absolut Gutem und absolut Bösem zu unterscheiden weiß."

"Als allen Extremismen gemeinsame geistige Charakteristika wurden herausgearbeitet: (1) Absolutheitsansprüche, (2) Dogmatismus, (3) Utopismus versus kategorischer Utopie-Verzicht, (4) Freund-Feind-Stereotype, (5) Verschwörungstheorien, (6) Fanatismus und Aktivismus. Sie stehen in ihrer spezifischen Ausprägung mit den geistigen Grundlagen demokratischer Verfassungsstaaten im Widerspruch."

(Backes, Uwe. Politischer Extremismus in demokratischen Verfassungsstaaten. Wiesbaden: Springer, 1989. S. 328+331)
"Der Ausgangspunkt für das Extremismusverständnis besteht in der Grundauffassung, dass Abwahlmöglichkeit und Gewaltenkontrolle, Menschenrechte und Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und Volksouveränität anerkennens- und verteidigenswert sind. Demnach wird mit dem Begriff "Extremismus" die Negierung dieser Werte verbunden. Deren Ausgangspunkt ist entgegen weit verbreiteter Fehlschlüsse die individuelle Freiheit und nicht der vorhandene Staat. Dieser ist aus demokratietheoretischer Blickrichtung als institutioneller Garant für die gemeinten Grundrechte anzusehen."

(Pfahl-Traughber, Armin. Der Extremismus der Neuen Rechten. Wiesbaden: Springer, 2019. S. 3)



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Consul
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Fr 30. Aug 2024, 20:50

"Ein zweiter Einwand unterstellt eine unangemessene Gleichsetzung unterschiedlicher Phänomene. Helga Grebing spricht etwa von einer „falschen Gleichung“ (Grebing 1971), wollten doch „Linke“ eine Erweiterung der Autonomie des Individuums und „Rechte“ die Bindung an eine hierarchisch gestufte Ordnung umsetzen. Hans-Gerd Jaschke meint, dass die Auffassung von der „streitbaren Demokratie“ im Kontext des Extremismusverständnisses „keinen substanziellen Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus“ (Jaschke 1994, S. 143) macht. Auch Gero Neugebauer betont, dass die „nationalsozialistischen Rechten … antidemokratisch“ wären und die „sozialistische Linke … antikapitalistisch“ (Neugebauer 2000, S. 22) sei. Und nach Christoph Butterwegge befinden sich in der Perspektive des Extremismusverständnisses „Todfeinde wie Faschisten und Kommunisten … per definitionem ‚im selben Boot‘“ und dies würde auf eine „Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus“ (Butterwegge 2010, S. 35, 38) hinauslaufen."
(S. 19)

"Der zweite Einwand unterstellt eine unangemessene Gleichsetzung unterschiedlicher Phänomene: Hierbei handelt es sich um eine Fehlwahrnehmung, geht es dem Extremismusverständnis doch nur um die Hervorhebung einer Frontstellung gegen die Normen und Regeln eines demokratischen Verfassungsstaates. Eine Auffassung nach dem Motto „Links gleich Rechts“ oder „Rot gleich Braun“ geht damit nicht einher, zumal es sich um ideologisch divergierende Auffassungen handelt. Das Extremismusverständnis nimmt auch keine Gleichsetzung des Gefahrenpotentials von Links- und Rechtsextremismus vor. Dies kann je nach Handlungsebene oder Rahmensituation ganz unterschiedlich ausgerichtet sein. Das Extremismusverständnis konzentriert sich in der vergleichenden Betrachtung auf die strukturellen Gemeinsamkeiten der politischen Auffassungen und Handlungsweisen, die sich gegen Demokratie und Menschenrechte richten. Die Gegner des Ansatzes müssten erklären, warum ihnen diese Perspektive nicht wichtig ist."
(S. 20-1)

(Pfahl-Traughber, Armin. Linksextremismus in Deutschland. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer, 2020.)



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Jörn Budesheim
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Fr 30. Aug 2024, 20:59

Wofür möchtest du argumentieren, Consul? Dafür, dass die Hufeisentheorie adäquat ist?




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Quk
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Fr 30. Aug 2024, 21:58

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 30. Aug 2024, 20:59
Wofür möchtest du argumentieren, Consul?
Er macht Recherchen und stellt sie zur Verfügung, nehme ich an. Damit kommen weitere Aspekte in die Diskussion. Muss jeder Beitrag ein Argument sein?




RoloTomasi
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Zur Frage nach der Mitte: Ich würde sagen, dass es in der heutigen Politik kaum noch Extreme gibt, und dass stattdessen die Mitte ubiquitär geworden ist. Aber es ist dementsprechend eine sehr bunte Mitte, wie man ja auch an den vielen Parteifarben sieht. Diese Pluralität verhindert ja gerade das Aufkommen von Extremen, die ja auch heute sofort von irgendwoher Gegenwind bekommen. Das ist meines Erachtens gerade kein Zeichen von "Spaltung", wie es oft heißt, sondern von Differenzierung. Früher war Ost-West, USA-UdSSR, links-rechts: Das waren noch klare schwarzweiß-Fronten mit wechselseitiger Verteufelung. Ich denke, das ist endgültig vorbei. Wir haben die aus meiner Sicht erfreuliche und fast posthistorische Situation einer vielfarbigen Normalität oder eben Mitte, also insgesamt eine lebendige Demokratie.



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Consul
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Fr 30. Aug 2024, 22:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 30. Aug 2024, 20:59
Wofür möchtest du argumentieren, Consul? Dafür, dass die Hufeisentheorie adäquat ist?
Ich argumentiere mit den obigen Zitaten gegen die Sichtweise der Autorin des Missy-Magazine-Artikels.
Das Hufeisenmodell ist zwar nur ein Modell der politischen Kartographie neben anderen; aber es stellt eine hilfreiche Veranschaulichung des Umstandes dar, dass es trotz aller ideologischen Unterschiede auch gewisse typische Ähnlichkeiten zwischen linken und rechten Extremismen gibt.



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Consul
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Fr 30. Aug 2024, 22:28

RoloTomasi hat geschrieben :
Fr 30. Aug 2024, 22:06
Zur Frage nach der Mitte: Ich würde sagen, dass es in der heutigen Politik kaum noch Extreme gibt, und dass stattdessen die Mitte ubiquitär geworden ist.
Das trifft gegenwärtig nicht (mehr) zu. Ich empfehle dazu den Verfassungsschutzbericht 2023 als Lektüre!



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Stefanie
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Fr 30. Aug 2024, 22:49

Na ja, wenn die von mir zitierte Quelle der Kritik nicht "salonfähig" ist, es gibt noch mehr Quellen,

https://www.bs-anne-frank.de/mediathek/ ... essauftakt

Aus 2019, liest sich aber ziemlich aktuell
https://www.zeit.de/kultur/2019-10/link ... do-ramelow

Das Problem dieser Theorie ist schon bildlich gut zu erkennen, die fast Berührung der linke und der rechten Seite unten am Hufeisen. Also die Gleichsetzung von linken Extremismus und rechten Extremismus.

Es gibt zudem die starke Neigung, alles was linker ist als die SPD als gefährlicher einzustufen als die Gefahr von Rechts. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Und nicht erst nach RAF.
RoloTomasi
Ich würde sagen, dass es in der heutigen Politik kaum noch Extreme gibt, und dass stattdessen die Mitte ubiquitär geworden ist.
Nun ja. Richtig ist, dass es nicht schlimm ist, wenn neue Parteien auftauchen. Als Beispiel volt und deren Wahlerfolg bei den Europwahlen. Oder vor ein paar Jahrzehnten die Grünen.
Aber wir haben derzeit ein Extrem, welches so richtig gefährlich ist. Die AfD in Deutschland und die anderen entsprechenden Parteien europaweit. Daran ist nichts Gutes.
Bei der BSW weiß man noch nicht wo der Weg hingeht. Ist diese Partei noch Mitte?



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RoloTomasi
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Fr 30. Aug 2024, 23:02

Hallo Consul, der Hinweis auf den Verfassungsschutz-Bericht ist verständlich, denn wenn irgendwo Extremismus verzeichnet wird, dann natürlich dort. Ich kann jetzt leider nicht mit einem "Normalitätsbericht" kontern, denn das Unextreme im Politischen ist ja nirgendwo verzeichnet. Und so kann ich nur meine höchst subjektive Überzeugung bekräftigen, dass wir politisch in einer insgesamt sehr ausgewogenen und facettenreichen Zeit leben. Aber ich verstehe natürlich, dass man das auch anders sehen kann, je nach dem, wie man auf die Welt blickt.



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Fr 30. Aug 2024, 23:13

Ich glaube, ich wurde vielleicht missverstanden. Ich meine tatsächlich, dass alle heutigen politisch relevanten Akteure Mitte sind. Dass eben alles Politische heute weitgehend mainstreamförmig ist. Das klingt scheinbar komisch, aber ich denke das tatsächlich. Wir leben m.E. in einem politischen Posthistoire, oder mit den Worten von Max Scheler im "Zeitalter des Ausgleichs". Deswegen halte ich auch das Hufeisenbild für schlicht veraltet, ebenso wie das Links-Rechts-Denken. Und das Hufeisenmodell war ja das Thema.



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Fr 30. Aug 2024, 23:17

Stefanie hat geschrieben :
Fr 30. Aug 2024, 22:49
Aber wir haben derzeit ein Extrem, welches so richtig gefährlich ist. Die AfD in Deutschland und die anderen entsprechenden Parteien europaweit.
Der islamische Extremismus (Islamismus) ist brandgefährlich.
Sind für dich Linksextremisten wie die "Hammerbande" ungefährlich, weil sie es nur auf Faschos und Nazis (bzw. Leute, die sie dafür halten) abgesehen haben?

Fußnote:
Die linksextremen Antifaler gebrauchen das Wort "Faschismus"/"Faschist" völlig inflationär, sodass der Faschismus in ihren Augen praktisch schon bei der CDU/CSU beginnt.



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Sa 31. Aug 2024, 01:36

Consul hat geschrieben :
Fr 30. Aug 2024, 20:28
Stefanie hat geschrieben :
Do 29. Aug 2024, 23:11
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https://missy-magazine.de/blog/2020/07/ ... entheorie/

Durch die Gleichsetzung von Rechts und Links im Hufeisen ist nichts gewonnen:…
Das Hufeisenmodell setzt den Rechtsextremismus und den Linksextremismus nicht gleich. Von einer ideologischen Gleichheit kann keine Rede sein; aber es gibt Ähnlichkeiten, die durch dieses Modell verdeutlicht werden sollen, vor allem die intolerante, antiliberale, antidemokratische und autoritäre bis totalitäre Politik.

.. intolerante, antiliberale, antidemokratische und autoritäre bis totalitäre Politik wäre dann dem zu folge die Vereinigungsmenge vom Rechtsextremismus und den Linksextremismus , Quasi gleichsam den reellen Zahlen , die die Vereinigungsmenge von den rationalen und irrationalen Zahlen sind. Wobei ich mich allerdings schon frage , was denn tolerante, liberale, demokratische , antiautoritäre bis antitotalitäre Politik wäre . Wohlgemerkt im Vergleich zu den Zahlen. Würde es doch demnach noch etwas jenseits der reellen Zahlen bzw. der rationalen und irrationalen Zahlen gäben. Was ganz sicher nicht der Fall ist . Zumindest gehe ich einmal davon aus. Vielleicht ist ja auch tolerante, liberale, demokratische , antiautoritäre bis antitotalitäre Politik in Wirklichkeit nicht der Fall.

Beispiel
bundesregierung.de hat geschrieben : Fakten zur Migrationspolitik der Bundesregierung
Die Migration nach Deutschland wird gesteuert, um einerseits Fachkräftezuwanderung zu fördern und andererseits Menschen zu helfen, die vor politischer Verfolgung fliehen oder um ihr Leben fürchten. Zentrale Fakten für eine sachliche Diskussion zur Migrationspolitik
... wie wird denn eine Politik von denjenigen wahrgenommen , die "gesteuert" abgeschoben bzw. "gesteuert" an einer legalen Einreise gehindert werden ? Zumindest tolerant bzw. "gemäßigt , zu Kompromissen bereit" gemäß der Hufeisentheorie sicherlich nicht. In sofern diesbezüglich , stets ein Perspektivwechsel an zu raten ist. Insbesondere dann , wenn man sich gemäß einer toleranten, liberalen, demokratischen , antiautoritären bis antitotalitären Politik in der Mitte der Hufeisentheorie verortet.




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