Die "Mitte-Studie" ist meines Erachtens (nicht nur, aber auch) ein solcher Normalitätsbericht, der zusammen mit den Extremen natürlich auch das Unextreme verzeichnet.RoloTomasi hat geschrieben : ↑Fr 30. Aug 2024, 23:02Ich kann jetzt leider nicht mit einem "Normalitätsbericht" kontern, denn das Unextreme im Politischen ist ja nirgendwo verzeichnet.
Zum Glück neigt die große Mehrheit der Menschen in Deutschland nicht zu extremen Positionen. Das kann man durchaus mal festhalten und für sich stehen lassen.
Dennoch haben sich auch in der politischen Mitte (der Normalität?) besorgniserregende Veränderungen vollzogen. Das Selbstverständnis vieler Menschen hat sich insgesamt gewandelt: Während sich früher die meisten in der Mitte verorteten, sehen sich heute viele selbst als rechts. „Rechtsextrem zu sein, passiert nicht mehr hinter vorgehaltener Hand“ (Beate Küpper) diese Ideologien werden heute selbstbewusster nach außen getragen.
Solche Verschiebungen haben auch die "Normalität" verändert: Vieles, was vor einigen Jahrzehnten noch als unsagbar galt, wird heute als „normale Rede“ betrachtet. Das Übertreten von solchen sogenannten roten Linien ist schließlich ein zentrales Aktionsfeld der Rechten.
Vor diesem Hintergrund bin ich mir nicht sicher, ob ich der Behauptung, wir lebten in einer ausgewogenen und facettenreichen politischen Landschaft, zustimmen möchte. Vor allem mit Hinblick auf die letzten Wahlen, und die, die demnächst anstehen.
(Hier noch mal der Link zu dem Interview mit Beate Küpper, Co-Autorin der Mitte-Studie: https://www.tagesschau.de/inland/gesell ... e-100.html)
In eine etwas andere Richtung weisen die folgenden Studien zu einem angrenzenden Thema: Immer wieder liest man, dass die Gesellschaft extrem polarisiert ist. Das scheint aber nicht ohne weiteres den Tatsachen zu entsprechen. Die Polarisierung ist wohl insgesamt nicht so stark, wie man oft denkt, viel mehr ist es (wohl nicht nur nach meinem Eindruck) so, dass man diejenigen, die an den Rändern denken und handeln, nur deutlicher wahrnimmt, weil sie sich z. B. in den sozialen Medien oder den Kommentarspalten lauter artikulieren.
„Der aktuelle Forschungsstand zeigt jedoch, dass diese Phänomene [der Polarisierung] oft überschätzt werden“ (Anna Sophie Kümpel, Juniorprofessorin für digitale und soziale Medien an der TU Dresden).
Ein Beispiel: "Bei den Themen Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung sind sich Menschen sogar recht einig. Selbst beim Thema Migration sind die Meinungen weniger gespalten als zum Beispiel beim Organspendeausweis." (Gemäß Forschungen der Soziologen Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser)
(Beide Zitate sind aus der taz: https://taz.de/Polarisierung-der-Gesellschaft/!6029362/)