Gründe und Argumente

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Jörn Budesheim
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Di 27. Aug 2019, 12:03

Ein Beispiel für ein Argument ist, wie ich weiter oben schon schrieb:

X meint: "Eine Schlange. Nur weg!!"

Er glaubt, die Tatsache S spricht für Flucht, aber sie spricht für Stehenbleiben. Argumentieren gehört in den Bereich des Risikos, denn man kann falsch liegen. Deswegen kann es auch Regeln des richtigen Argumentierens geben :-)




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Alethos
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Di 27. Aug 2019, 12:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 12:03
Ein Beispiel für ein Argument ist, wie ich weiter oben schon schrieb:

X meint: "Eine Schlange. Nur weg!!"
So wie du es schreibst, ist ein Argument der Bezug auf Gründe. Mein Argument fürs Wegrennen vor der Schlange ist der Grund, den ihre Gefährlichkeit mir scheinbar gibt. Argumentieren ist das Geben von Gründen, die, wenn sie da sind, gute Argumente liefern, wenn nicht, schlechte Argumente. Ich sehe nur so keine Korrelation zwischen 'einen Grund haben' und 'keinen Grund haben' mit Bezug auf ein Argument: Wenn man keinen Grund hat, dann hat man ja auch kein Argument, denn, wenn ich ein Argument aus einem nicht vorhandenen Grund ziehen wollte, worauf würde es sich denn beziehen? Ich kann doch nichts geltend machen (für etwas argumentieren), das da nicht ist? Grund und Argument ergeben sich gleichsam objektiv auseinander.



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Jörn Budesheim
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Di 27. Aug 2019, 13:20

Verstehe leider kein Wort :-)

Vielleicht kannst du es am Beispiel der Schlange in einfachen Worten deutlich machen?




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Alethos
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Di 27. Aug 2019, 15:22

Der Unterschied zwischen Grund und Argument ist bei deiner Erläuterung der, dass ein Grund einen objektiv vorhandenen Sachverhalt anzeigt (und in ihm beinhaltet sich eine Präskription - eine normative Tatsache), und ein Argument einen Bezug auf diesen Grund darstellt. Kurz: Wer aus Gründen so und so argumentiert, bezieht sich eben auf diese Gründe.

Wenn sich aber jemand auf einen Grund bezieht, wo gar kein Grund ist, da hat er doch kein Argument? Wenn jemand, am Beispiel der Schlange, sagt: "Ich fliehe, weil die Schlange gefährlich ist.", dann hat er eben gar kein Argument, denn eigentlich gibt die Schlange den Grund, stillzustehen.



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Di 27. Aug 2019, 15:39

Alethos hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 15:22
ein Argument ein Bezug auf diesen Grund ist.
Ich verstehe leider nicht, was du damit meinst.




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Jörn Budesheim
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Di 27. Aug 2019, 15:42

Alethos hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 15:22
"Ich fliehe, weil die Schlange gefährlich ist.", dann hat er eben gar kein Argument, denn eigentlich gibt die Schlange den Grund, stillzustehen.
Natürlich hat er dann ein Argument, sogar ein recht plausibles. Nur ist es leider falsch, was er jedoch nicht weiß, da er nicht weiß, dass diese Schlange nur bewegte Objekte angreift.




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Alethos
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Di 27. Aug 2019, 16:07

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 15:39
Alethos hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 15:22
ein Argument ein Bezug auf diesen Grund ist.
Ich verstehe leider nicht, was du damit meinst.
Du sagst nicht, wie Argumente und Gründe zusammenspielen. "Die Schlange ist giftig. Nichts wie weg", das ist kein argumentatives Konstrukt, auch wenn du das insinuierst :) Ich habe dann nur versucht diesen Konnex zwischen Grund und Argument nachzuzeichnen - Argument als dasjenige, was auf einen Grund sich bezieht. Leider keine erfolgreiche Strategie.



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Jörn Budesheim
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Di 27. Aug 2019, 16:11

Natürlich ist das ein Argument, wie kommst darauf, es wäre keins?




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Jörn Budesheim
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Di 27. Aug 2019, 16:17

Du sagst nicht, wie Argumente und Gründe zusammenspielen.
Da ist nicht richtig. Ich habe dazu einiges gesagt und Beispiele gegeben. Argumente verhalten sich zu Gründen wie Führwahrhalten und Wahrsein, Argumente so mein bisheriger Vorschlag, versuchen, die Gründe die man hat, herauszufinden.




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Di 27. Aug 2019, 16:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 16:11
Natürlich ist das ein Argument, wie kommst darauf, es wäre keins?
Argumente geben einen Beweis für etwas oder sollen etwas beweisen, bestärken, untermauern können. Da wird ja gar nichts behauptet, wenn jemand, gegeben ein Grund, so und so handelt. Er hat vielleicht eine Meinung, dass es richtig sei, wegzurennen, er hat einen Glauben, dass es richtig sei, so zu handeln, vielleicht hat er auch einfach einen Impuls, einen Instinkt oder Wahnvorstellung etc., aber er hat doch keinen Handlungsanlass in der Form eines Arguments. Ein Argument ist schon mehr als nur eine Meinung, es ist vielmehr etwas, das man explizierend "mit guten Gründen" angeben kann: das auch zum Beweis hinreichen kann (durch die Schlüssigkeit der Beweiskette des Arguments).



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Di 27. Aug 2019, 16:53

Der "gute Grund" - wie du sagst - ist: "das da ist eine Giftschlange". Und er versucht sozusagen, den Grund, der vorliegt, zu lesen. Er sieht die Tatsache: eine gefährliche Schlange nähert sich und glaubt, sie spräche dafür zu fliehen. Das ist ein Argument, nach meinem Verständnis.

Ein weiteres Beispiel für eine Argumentation.

a: Müller kommt morgen doch nicht zur Besprechung.
b:?
a: er hat gerade angerufen.

Vielleicht trifft das Argument ("er hat gerade angerufen") weil Müller kommen wird da er sehr zuverlässig ist, vielleicht trifft es nicht, weil a nicht weiß, dass Müller ein gewohheitsmäßiger Lügner ist.




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Di 27. Aug 2019, 21:39

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 16:53
Der "gute Grund" - wie du sagst - ist: "das da ist eine Giftschlange". Und er versucht sozusagen, den Grund, der vorliegt, zu lesen. Er sieht die Tatsache: eine gefährliche Schlange nähert sich und glaubt, sie spräche dafür zu fliehen. Das ist ein Argument, nach meinem Verständnis.
Vielleicht sehe ich es einfach nicht, dass das ein Argument ist, obwohl es eines ist.

Aber beim nächsten Beispiel sehe ich nur einen Grund: 'Müller hat angerufen. Hat gesagt, er komme nicht'. Das ist der Grund für die Annahme, dass er nicht kommt. Der Grund ist objektiv, denn Müller hat angerufen. Die Annahme bezieht sich auf diesen Grund. Aber der Grund für die Annahme ist ja nicht zugleich das Argument für die Annahme, sonst wäre ja Grund und Argument dasselbe. Aber aus dem blossen Anruf erwächst ja nur der Grund für die Annahme, und nicht die Widerlegungskraft meiner Annahme. Denn jemand könnte ganz einfach dagegenhalten, dass er Grund habe zu glauben, dass er dennoch komme, schliesslich sei es Tatsache, dass er immer gekommen sei, nie gefehlt habe, das Projekt zu wichtig sei etc. Er könnte einen einzigen Grund gegen meine Annahme ins Feld führen, und nichts könnte meiner Annahme Beweiskraft geben, um sich gegen eine andere Annahme zu behaupten. Und das, meine ich, ist der Unterschied zwischen einem Grund und einem Argument: Ein Grund allein reicht nicht hin, um Beweiskraft zu entwickeln, sondern nur ein Argument vermag das, und zwar durch Zusammenspiel der vielen Gründe, aus denen ein Argument besteht.

Das Argument muss ja ein belastbarer 'Zeuge' sein für die behauptete Wahrheit und ein Grund reicht da nicht hin. Man muss einen Grund unter anderen Gründen anführen können, um im Zusammenspiel die Plausibilität einer reinen Annahme darlegen zu können, damit sie eben mehr sei als eine Annahme oder Behauptung, und als Argument gelten könne.

Nach deinem Vorschlag wäre sonst nämlich das Folgende auch ein Argument:

Papst Franziskus: 'Gott existiert wirklich.'
Atheist: 'Warum?'
Papst: 'Weil es so geschrieben steht.'

Würdest du das als Argument durchgehen lassen? Ich denke, du würdest mehr einfordern als das, du würdest nachfragen, was denn sonst noch für seine Ansicht spricht und erst dann, wenn er gegen deine Einwände argumentieren kann, sagen: 'Ok, sie haben eine schlüssige Argumentation (gute Gründe) für Ihre Annahme. Obwohl ich nicht zum selben Schluss komme wie Sie, weil ich denke, dass es Gott nicht gibt, so ist ihr Argument doch wenigstens nachvollziehbar.'
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 16:17
Argumente verhalten sich zu Gründen wie Führwahrhalten und Wahrsein, Argumente so mein bisheriger Vorschlag, versuchen, die Gründe die man hat, herauszufinden.
Wenn wir etwas sehen, dann halten wir es in der Regel fürwahr (wir können uns täuschen). Aber das, was dort steht, gibt uns wenigstens Anlass zu glauben, dass es wahr ist, dass es dies ist, was dort steht. Das Dortsein eines unbestimmten Etwas gibt die Möglichkeit der Wahrnehmung dieses Etwas und das wiederum ist die Möglichkeit des Fürwahrhaltens des Dortseins eines bestimmten Etwas. Hier sehe ich den Zusammenhang zwischen Fürwahrhalten und Wahrheit. Das Dortsein ist die Wahrheit, die Wahrnehmung des Dortseins das Fürwahrhalten des Dortseins.

Aber wo für ein Fürwahrhalten des Dortseins dieses Dings bloss die Wahrnehmung irgendeines Dinges (mithin nicht die Wahrheit notwendig ist, dass dort das bestimmte Ding auch sei) ausreicht, damit es sich (das Fürwahrhalten) einstellen kann, braucht es beim Argument als Argument mehr als einen Grund, sondern mehrere sich stützende Gründe. Denn wenn ich fürwahrhalte, dass dies dort ein Baum sein müsse, dafür genügt schon die blosse Annahme, dass dieses Objekt dort ein Baum sein könnte. Je mehr Kriterien ich habe, desto klarer erscheint die Wahrheit und desto gefestigter ist meine Annahme, bis hin zur Gewissheit und zum Wissen.

Ein Argument beginnt aber nicht schon dort eines zu sein, wo ich einen Grund habe zur Annahme, dass etwas sich so und so verhält, sondern wo ich mehrere Gründe anführen kann, so dass ich die Wahrheit dessen, was ich annehme, explizieren kann, sie verteidigen kann gegen Angriffe, erst dort handelt es sich um ein Argument.

Ein Argument will ja mehr leisten können, als blosse Annahme zu sein. Wo nämlich das Fürwahrhalten eine bloss persönliche Einstellung sein kann, schickt sich das Argument in den Kampf, um dem bestritten Werden seiner in einem Geben und Nehmen von Gründen zu trotzen, also sich in einer Sphäre zu behaupten, die die persönlichen Einstellungen übersteigt. Dort, wo der Grund mir gereicht zu meiner Annahme, muss ein Argument zur Überzeugung anderer gereichen können. Als solches sich in der Gründevielfalt Behauptendes ist es erst Argument und nicht blosse Annahme.

Die Analogie von Fürwahrhalten/Wahrheit und Argument/Grund ist deshalb problematisch. Weil, nochmal, das Fürwahrhalten nicht von der Wahrheit abhängt. Man kann sich irren in seinem Fürwahrhalten, wenn die Wahrheit desjenigen, was man behauptete, nicht ist. Das Fürwahrhalten kann falsch sein mit Bezug auf Wahrheit. Aber Argumente können nicht falsch sein mit Bezug auf ihre Gründe, sofern sie überhaupt erst aus Gründen bestehen. Sie müssen aus Gründen bestehen, weil sie sonst nicht gegen einen Grund bestehen könnten, der ja sonst in Form eines Anzeichen oder Indiz volle Beweiskraft entwickeln würde. Argumente müssen sich aus einem dialektischen Spiel in einem Für und Wider von zusammenwirkenden Gründen ergeben und dies tun sie als argumentative Ketten durch einen Begründungsvorgang.

Eine Wahrnehmung besteht nicht zwingend aus Wahrheit, ein Argument aber zwingend aus Gründen. Und sofern die Gründe objektiv sind, dann muss auch das Argument objektiv aus ihnen hervorgehen. Geht aus den Gründen kein Argument hervor, dann haben wir es nicht mit einem falschen Argument zu tun, sondern mit gar keinem. Nun gibt es plausiblere und weniger plausible Argumentationen, das heisst solche, die belastbar oder weniger belastbar aus den Gründen hervorgehen, aber sofern Argumente aus den Gründen überhaupt hervorgehen, sind sie objektiv und niemals falsch. Wie wollte denn eine Argumentation falsch sein, die Grund genug hat eine zu sein?

Das Fürwahrhalten ist fallibel mit Bezug auf Wahrheit, ein Argument ist es nicht mit Bezug auf die Gründe, durch die es Argument ist. Die Gründe können falsch verknüpft worden oder inexistent sein, ja, aber dann geht das Argument mitsamt der Gründe unter. Ein Fürwahrhalten geht nicht zwingend unter mit der Wahrheit, denn das Fürwahrhalten geht nicht zwingend aus der Wahrheit des Fürwahrgehaltenen hervor. Ein Argument aber zwingend aus den Gründen, weil es sonst keines wäre.
Zuletzt geändert von Alethos am Di 27. Aug 2019, 22:03, insgesamt 1-mal geändert.



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Di 27. Aug 2019, 22:00

Man kann z.b sagen, dass dies kein Argument sei, aber damit meint man ja nicht, das es ein falsches Argument sei, sondern dass er sich auf einen nicht vorhandenen Grundzusammenhang beziehe. Das Argument geht immer aus einen Grundzusammenhang hervor, so dass das Argument nur existiert, wenn es diesen Grundzusammenhang (das Argument selbst) gibt.



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Mi 28. Aug 2019, 05:19

Papst Franziskus: 'Gott existiert wirklich.'
Atheist: 'Warum?'
Papst: 'Weil es so geschrieben steht.'
Natürlich ist das ein Argument, wenn auch ein schlechtes.

Das ist eine typische Argumentationssituation. Die eine Partei glaubt, dass es Gott gibt und die andere glaubt es nicht. Und nun versucht man sich gegenseitig davon zu überzeugen, dass man im Recht ist. Dazu trägt man in der Regel (tatsächliche oder vermeintliche) Fakten (q) vor, von denen man meint, sie würden die eigene Position (p) stützen: p weil q. Gott existiert (p), denn es steht geschrieben (q). Das wird der Gegner vermutlich nicht akzeptieren, und er wird nach den Brückenregeln fragen/sie in Frage stellen ("Dass es geschrieben steht, sagt gar nichts!") etc. p.p.

Wenn die Fakten, die man anbringt, tatsächlich für die eigene Position sprechen, dann hat man ein gutes Argument. Es besteht dann darin, dass man die vorliegenden Gründe erkannt und benannt hat. (Das wäre wohl der Idealfall.) Gründe sind Tatsachen, die für etwas sprechen. Beim Argumentieren kann man sich daher in mehrfacher Hinsicht täuschen. Man hält etwas für wahr, was gar nicht wahr ist. Es liegen also gar keine Tatsachen vor. Oder man (er)kennt nicht die relevanten Tatsachen. Oder die Tatsachen sprichen nicht für das, was man glaubt.




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Mi 28. Aug 2019, 06:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 28. Aug 2019, 05:19
Papst Franziskus: 'Gott existiert wirklich.'
Atheist: 'Warum?'
Papst: 'Weil es so geschrieben steht.'
Natürlich ist das ein Argument, wenn auch ein schlechtes.

Das ist eine typische Argumentationssituation. Die eine Partei glaubt, dass es Gott gibt und die andere glaubt es nicht. Und nun versucht man sich gegenseitig davon zu überzeugen, dass man im Recht ist. Dazu trägt man in der Regel (tatsächliche oder vermeintliche) Fakten (q) vor, von denen man meint, sie würden die eigene Position (p) stützen: p weil q. Gott existiert (p), denn es steht geschrieben (q).
Ja, es handelt sich um eine typische Argumentationssituation, aber eine einzige eine Aussage stützende Begründung kann kein Argument sein.

Vielleicht befinden wir uns beide in einer , antinomischen Argumentationssituation und wir sollten den dialektischen Schein nicht unnötig in die Länge ziehen :)



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Mi 28. Aug 2019, 19:57

Jana Gedeon hat geschrieben : Kopperschmidt gibt in seiner „Argumentationstheorie“ eine prägnante Definition von Argumentation, indem er schreibt: „So gesehen begründen Argumentationen den Geltungsanspruch einer Aussage durch die Behauptung einer Geltungsbeziehung zwischen ihr und einer anderen Aussage, von deren Anerkennung ihre eigene Anerkennung abhängig gemacht wird“
Jana Gedeon hat geschrieben : In Kienpointers wird das Argumentieren als „komplexer „Alltagslogik-Sprechakt“ bezeichnet, „bei dem ein oder mehrere Sätze geäußert werden, um die Wahrheit bzw. Richtigkeit ein oder mehrerer Propositionen zu behaupten, die die Wahrheit bzw. Richtigkeit ein oder mehrerer strittiger Propositionen stützen oder widerlegen soll.“




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Mi 28. Aug 2019, 21:04

A: 'ich bin der grösste Dealmaker der Welt'
B: 'Und wie kommen Sie drauf?'
A: '.. weil ich es sage, das reicht.'
B: 'Oh, danke für das Argument! Ein Grund hätte gereicht.'



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Mi 28. Aug 2019, 22:07

Danke für die Zitate. Es gibt zahlreiche Hinweise, die dafür sprechen, einzelne Aussagen nicht als Argumente zu begreifen (denn sonst wären Behauptungen bereits Argumente, was sie nicht sind). Sofern Aussagen aufeinander rekurierrenden Aussagen sind, können sie Argumente sein, die einen Grund erforschen können. Denn nur insofern diese Aussagen untereinander es vermögen, das Ding zu beschreiben, das ihnen zum Grund gereicht, haben sie in diesem Grund ihren berechtigten Gegenstand. Eine einzelne Aussage, ein Motiv oder eine innere Einstellung, das kann deshalb nur unzureichend einem Grund auf den Grund gehen, weil sie den Grund nicht in seiner vielfältigen Eingelassenheit aufzunehmen vermag. Es muss der Hintergrund des Grundes, der Vordergrund des Grundes, sein ontologischer Kontext usw. berücksichtigt werden, und das geht nur in einer Vielheit von Aussagen, die den Grund zu beschreiben vermögen.



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Do 29. Aug 2019, 05:46

Alethos hat geschrieben :
Mi 28. Aug 2019, 22:07
Danke für die Zitate. Es gibt zahlreiche Hinweise, die dafür sprechen, einzelne Aussagen nicht als Argumente zu begreifen (denn sonst wären Behauptungen bereits Argumente, was sie nicht sind).
In keinem der beiden Zitate steht etwas von einzelnen Aussagen.

In der Regel geht es um etwas (p), was in irgendeiner Hinsicht strittig, fragwürdig, unklar oder was auch immer ist und was argumentativ gestützt werden soll/muss. Und gestützt werden soll es durch eine oder mehrere andere Aussagen (q).

Die Grundform ist [p weil q]. Und nicht etwa [p] [q] oder gar [q].

Es geht keineswegs um irgendwelche einzelne im Grunde zufällige oder beziehungslose Aussagen. Der Aussage wird eine bestimmte Rolle zugewiesen, sie soll nämlich p je nach Zusammenhang entweder veranschaulichen* oder begründen, stützen, beweisen, plausibel oder wahrscheinlich machen etc. pp. Derjenige, der diese stützende Aussage vorbringt, behauptet nämlich eine Geltungsbeziehung: "weil". Damit kann er natürlich scheitern, (z.b.) weil das Argument ungültig ist, da keine Geltungsbeziehung besteht.

* Argument, lat. argumentum ›Veranschaulichung‹




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Do 29. Aug 2019, 06:30

Stimme dem Obigen zu. Dein Beispiel vor Augen habend - mit der Schlange und dem Wegrennen: p, weil q bedeutet hier 'Ich muss wegrennen, weil die Schlange gefährlich ist.' q wird angeführt, um p zu stützen. Du sagst, das sei ein Argument. Für deine Ansicht spricht die Form des Bezogenseins von p auf q, insofern ja p aus q schliesst, dass es richtig sei, so und so zu handeln. Aber was ist mit der materialen Dimension? Wenn wir von substanziellen Schlüssen reden, dann können wir nicht sagen, jedes 'weil' gebe einen hinreichenden Grund für einen solchen.

Darauf wirst du vermutlich antworten, dass das Argument dann eben falsch sei, wie ein Fürwahrhalten falsch sei, wenn das Fürwahrgehaltene keine Wahrheit hat. Aber ein Argument, wenn es nicht schlüssig aus einer Wahrheit (einem Grund) hervorgeht, kann doch gar nicht ein Argument sein, wenn man unter ihm versteht, dass er eine Wahrheit explizieren soll. Ein Argument muss, um ein solches zu sein, auf eine Tatsache rekurrieren: 1. dass das Behauptete stimmt und 2, dass es aus dieser Wahrheit schlüssig hervorgeht. Aber die Wahrheit des Grundes kann nur in Relation zum Argument selbst wahr sein, denn nur, wenn man das Bezogensein des Arguments auf den Grund in Form eines Schlusses aus diesem Grund ins Auge fasst, kann seine Wahrheit im Lichte des Arguments erscheinen. 'Ich renne weg' ist eine reine Aussage, deren Richtigkeit oder Falschheit ja nur dann gegeben sein, wenn die Schlange wirklich gefährlich für mich ist, und zwar in dieser Situation. Und die Gefährlichkeit der Schlange ist ja nur möglich in Bezug auf ein Individuum, für das sie gefährlich ist. Wenn ich, wie gesagt, sehr gut geschützt bin oder die Schlange schläfrig ist, dann ist die Aussage 'ich renne weg' im neuen Licht der Situation zu betrachten. Dann ist die Wahrheit, dass die Schlange gefährlich für mich ist, nicht mehr gegeben. Der Grund spricht nicht mehr für ein Stehenbleiben, also ist das Argument, das den Beweis für die Richtigkeit eines Tuns (als aus diesem Grund abgeleitetes Handeln) anführen soll, nur ermittelbar unter der Voraussetzung, dass man alle relevanten Faktoren berücksichtigt.

Wenn ich immun bin gegen Schlangengift, was denkbar ist, dann ist die Schlange nicht mehr giftig. Und dieses relationale Zueinander verschiedener Tatsachen erst kann, in Aussagen ausgedrückt, ein Argument entstehen lassen und dies nur, wenn sie, die Aussagen, schlüssig aus den Tatsachen hervorgehen. Vorher entsteht kein Argument, sondern eine im schlimmsten Fall zusammenhanglose Aneinanderreihung von Aussagen. Die Form allein genügt nicht.
Zuletzt geändert von Alethos am Do 29. Aug 2019, 07:00, insgesamt 1-mal geändert.



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