Gründe und Argumente

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Jörn Budesheim
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So 1. Sep 2019, 18:27

Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 18:11
Wasser spricht für vieles, z.B. es zu trinken, wenn man Durst hat, es nicht zu trinken, wenn man schon zuviel getrunken hat, sich mit ihm zu waschen, wenn man sauber sein möchte, sich nicht damit zu waschen, wenn man schmutzig bleiben will, es zum Kochen zu verwenden, wenn man bspw. Reis kochen will, es nicht zu verwenden, wenn man Fleisch braten will. Es spricht auch dafür, es nicht im Übermass zu verbrauchen, weil es ein knappes Gut ist, es in grossen Mengen zu verwenden, wenn ein Haus brennt und man es löschen soll.
Was willst du damit sagen, zeigen?




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Jörn Budesheim
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So 1. Sep 2019, 18:32

Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 17:54
Ich stütze meine Ansichten, die ja auch einen Grad originären Denkens beinhalten, auf Schriften Kants über die praktische Vernunft, aber insbesondere auf Schriften Thomas Nagels oder Samuel Schefflers oder G.E. Moores. ...
Ich hatte eigentlich nach etwas ganz anderem gefragt. Und zwar nach deiner (sehr eigenen) Verwendung des Begriffs Argument.




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Jörn Budesheim
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So 1. Sep 2019, 18:38

hat geschrieben : Es gibt keine Zitate, die meine Position in nuce wiedergäben, aber alle Positionen des moralischen Realismus (in der naturalistischen oder der epistemologischen Variante), gehen von einer von Ansichten und Meinungen unabhängigen Moralität aus.
Ich verstehe mich selbst als moralischen Realisten. Aber das ist gewissermaßen nur die Hälfte des Themas. Denn Argumentationen, Gründe etc gibt es natürlich auch im "theoretischen Bereich" und nicht nur der praktischen Philosophie. Und Metaethik ist gar nicht der Gegenstand des Threads.




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Alethos
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So 1. Sep 2019, 18:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 18:32
Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 17:54
Ich stütze meine Ansichten, die ja auch einen Grad originären Denkens beinhalten, auf Schriften Kants über die praktische Vernunft, aber insbesondere auf Schriften Thomas Nagels oder Samuel Schefflers oder G.E. Moores. ...
Ich hatte eigentlich nach etwas ganz anderem gefragt. Und zwar nach deiner (sehr eigenen) Verwendung des Begriffs Argument.
Das ist gar nicht so eigen: Nimm Frege resp. mathematische Argumente. Nicht wir argumentieren eine Logik herbei, sondern wir finden die logischen Regeln, sofern sie existieren. Und wo wir irren, da haben wir nicht einfach falsche Argumente, sondern wir haben gar keine. Argumente bestehen im Raum der Mathematik für sich selbst, unabhängig von uns.



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So 1. Sep 2019, 19:12

Stimmt, für realistische Theorien ist es kennzeichnet, dass sie nach ihrer eigenen Einschätzung ihre Gegenstände nicht hervorbringen, sondern entdecken. Aber ich sehe nicht, warum das für deine besondere Verwendung des Begriffes Argumentation sprechen sollte? Und es zeigt auch nicht, dass deine Verwendung eine gängige ist.

Meines Erachtens ist das Gegenteil der Fall. Realismus heißt, dass man sich irren kann. Wir können uns irren in unseren Behauptungen und in der Art und Weise, wie wir sie festigen, bzw zu festigen glauben. Es geht um den zwanglosen Zwang des besseren Arguments.




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Mo 2. Sep 2019, 19:23

Argumentation/Habermas: Argumentation nennen wir den Typus von Rede, in dem die Teilnehmer strittige Geltungsansprüche thematisieren und versuchen, diese mit Argumenten einzulösen oder zu kritisieren Ein Argument enthält Gründe, die in systematischer Weise mit dem Geltungsanspruch einer problematischen Äußerung verknüpft sind. Die „Stärke“ eines Arguments bemisst sich, in einem gegebenen Kontext, an der Triftigkeit der Gründe; diese zeigt sich unter anderem daran, ob ein Argument die Teilnehmer eines Diskurses überzeugen, d.h. zur Annahme des jeweiligen Geltungsanspruchs motivieren kann.

Rationalität: kann vor diesem Hintergrund danach beurteilt werden, wie ein Subjekt sich als Argumentationsteilnehmer verhält. Rationale Äußerungen sind aufgrund ihrer Kritisierbarkeit auch verbesserungsfähig.

[...]

Die Logik der Argumentation bezieht sich nicht, wie die formale, auf Folgerungszusammenhänge zwischen semantische Einheiten (Sätzen) sondern auf interne, auch nicht-deduktive Beziehungen zwischen pragmatischen Einheiten (Sprechhandlungen), aus denen sich Argumente zusammensetzen.

https://www.philosophie-wissenschaft-ko ... umentation




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Jörn Budesheim
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Di 3. Sep 2019, 16:10

[Nach Julian Nida-Rümelin] "ist es sinnvoll, ob­jektive und subjektive Gründe zu unterscheiden. Auf die Frage "Warum bist Du davon überzeugt?" bzw. "Warum handelst Du so?" antwortet man, indem man die Gründe angibt, von denen man glaubt, dass sie die eigene Überzeugung bzw. Handlung recht­fertigen. Diese Formulierung legt eine objektivistische Interpretation von Gründen nahe: So glaube ich, dass E eine Rechtfertigung für meine Überzeugung ist; wenn ich mich aber in diesem Glauben irre, dann entsprach mein Glaube nicht den Tatsachen. Demnach gibt es tatsächlich gute, das heißt objektive Gründe, die aber nicht immer mit dem übereinstimmen, was subjektiv für gute Gründe gehalten wird. Denn ein Grund ist nicht schon dann ein objektiver Grund, wenn er ausschlaggebend dafür war, dass eine Person eine bestimmte Überzeugung annahm bzw. eine bestimmte Handlung vollzog.

Wir müssen also subjektive von objektiven Gründen unterschei­den ..."
Ob ich die Terminologie mag, will ich offen lassen, aber der Sache nach bin ich da natürlich dabei.




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Jörn Budesheim
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So 22. Sep 2019, 06:59

Noch ein kleiner Nachtrag, da mich die Sache noch beschäftigt.

Stellen wir uns zwei junge Damen im Gespräch vor. Petra ist etwas aufgebracht, weil ihr Ex-Freund sie enttäuscht hat: "Alle Männer sind Schweine!" Darauf entgegnet ihr Karin, die eine Philosophin ist, folgendes: "Alle Männer sind Schweine! Dein neuer Lover Peter ist ein Mann! Also ist er ein Schwein!" Petra, etwas empört, antwortet heftig: "So war das doch nicht gemeint, das weißt du ganz genau!"

Hat Karin dennoch alles richtig gemacht? Der Formalismus des Syllogismus war schließlich auf ihrer Seite, oder?


Bild

Ein weiteres ziemlich krasses Beispiel, diesmal aus der Literatur zur Argumentationstheorie (Toulmin „Der Gebrauch von Argumenten“)

Napoleon war ein Fuchs
Alle Füchse haben vier Beine und spitze Zähne
Also hatte Napoleon vier Beine und spitze Zähne

Auch hier ist offensichtlich etwas schief gelaufen! Die beiden Beispiele zeigen, meines Erachtens, dass man Sätze nicht einfach "mechanisch" in einen Syllogismus transformieren kann. Man muss auch hinschauen, wie sie gemeint sind (bzw wie sie bestenfalls gemeint sein können!) und welche Rolle sie spielen, bzw. welche Rolle sie überhaupt spielen können!

Meines Erachtens verhält es sich in dem folgenden Beispiel, über dass wir weiter oben schon diskutiert haben, daher keinen Deut anders.

Ich will reich werden.
Wer reich werden will, sollte X tun.
_____________________
Also sollte ich X tun.

(Darüber was mit "Wer reich werden will, sollte X tun" gemeint ist/gemeint sein kann, habe ich mich weiter oben ausführlich geäußert!)

Auf der einen Seite kratzt es den Syllogismus sozusagen nicht an, wenn man sich in dem Obersatz (der Teil, der Allgemeinheit beansprucht) irrt. Die notwendige Wahrheit der Konklusion gilt für den Fall, dass er wahr ist. Auf der anderen Seite macht es natürlich ein riesigen Unterschied, wenn man weiß dass der Obersatz wortwörtlich genommen falsch ist und/oder etwas ganz anderes damit gemeint war. In diesem Fall kann der Satz nicht mir nichts dir nichts die Rolle eines Obersatzes als eine der Prämissen spielen. Und wir können auch nicht so tun, als könnten wir dieselben einfachen Transformationen durchführen oder einfach annehmen, die Konklusion sei mit Notwendigkeit wahr, da mit dem Obersatz gar keine wortwörtliche Wahrheit gemeint war.

Wir können also nicht einfach das logische Schema "eins zu eins" auf jeden Fall des alltäglichen Argumentierens anwenden! Wir müssen schon etwas genauer hinschauen, was eigentlich gesagt und gemeint wurde. Mit anderen Worten: wir müssen auch unser tatsächliches Leben in den Blick nehmen!


Anders gelagert, aber auch nicht uninteressant ist Descartes berühmtes "ich denke also bin ich". Das "also" suggeriert, dass wir es hier mit einem Schluss zu tun haben. Aber kann das stimmen?




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Alethos
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So 22. Sep 2019, 12:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Sep 2019, 06:59
Anders gelagert, aber auch nicht uninteressant ist Descartes berühmtes "ich denke also bin ich". Das "also" suggeriert, dass wir es hier mit einem Schluss zu tun haben. Aber kann das stimmen?
Es kann sich dabei schon um einen Schluss handeln, wenn das "Ich" das unbedingt Gesetzte ist, um mit Fichte zu sprechen:
J.G Fichte hat geschrieben : Der Satz: Ich bin Ich, aber gilt unbedingt und schlechthin, denn er ist gleich dem Satze X; er gilt nicht nur der Form, er gilt auch seinem Gehalte nach. In ihm ist das Ich, nicht unter Bedingung, sondern schlechthin, mit dem Prädicate der Gleichheit mit sich selbst gesetzt; es ist also gesetzt; und der Satz lässt sich auch ausdrücken: Ich bin.
Das Denken des Ich liesse sich dann wiederum als Bestimmung des Ich beschreiben, wenn man so will, wäre es in gewisser Hinsicht ein vom Gesetztsein des Ich Bedingtes (wobei man heute wohl nicht sagen würde, dass das Denken eine Art von Prädikat des Ich sei, also ein dem Ich angehängtes Vermögen, sondern vielmehr ein Konstituens).

Wenn aber nach Obigem das Denken ist, dann muss das Ich auch sein. Die Existenz des Denkens (das eine Tätigkeit des Ich ist) lässt denn Schluss zu, dass ein Ich notwendigerweise sei.

Aber nicht das Ich ist das Abgeleitete, sondern das Denken, weshalb sich vom Denken auf das Ich rückschliessen lässt.



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Alethos
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So 22. Sep 2019, 12:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 22. Sep 2019, 06:59
"So war das doch nicht gemeint, das weißt du ganz genau!"
Petra ist in diesem Beispiel etwas empört, dass man sie nicht richtig verstanden hat. Sie suggeriert, man hätte doch wohl wissen können, dass sie etwas anderes meinte.
Dass sie etwas anderes meinte, wäre (in diesem Beispiel wenigsten) offensichtlich für denjenigen, der Petra wirklich verstehen will. Offensichtlich wäre es aber nur deshalb, was kein geringes ist, dass wir Menschen sind und "aus demselben Stoff" gemacht.

In unseren alltäglichen Situationen haben wir es ja mit Menschen zu tun, deren Menschsein nicht grundsätzlich ganz etwas anderes sein kann, als das eigene Menschsein. Vieles am Gegenüber erschliesst sich uns mittels einer gewissen Ähnlichkeit unseres Soseins als Menschen.
Im Geben und Nehmen von Gründen ist diese 'emphatische Grundsituation' die wichtigste Voraussetzung: dass man sich verstehen will und grundsätzlich auch kann.
Es braucht eine wohlwollende Atmosphäre für das Gelingen des Arguments. Das bestechendste, beste Argument nützt nichts, wenn das Gegenüber alles das ausblendet, was ihn zum mitfühlenden, einstimmenden Mitmenschen macht. Einstimmung ist die Voraussetzung für Übereinstimmung.

Deshalb ist der reine Formalismus in beweisenden Verfahren eine sicherlich notwendige Voraussetzung fürs Gelingen des Arguments, aber es ist keine hinreichende, wenn nicht die substanzielle Wirklichkeit des Menschseins einfliesst, und letztere drückt sich in vielem aus: dem Wunsch, dass eine Kommunikation gelinge; der Fähigkeit, hinter das Gesagte zu blicken; das Gesagte ohne ausdrückliches Zutun des Anderen in ein günstigeres Licht zu rücken etc.

Man muss dem anderen auch zugestehen, sein Recht aufs Rechthaben verwirklichen zu können, wenn man eine Kommunikation zum Erfolg führen will. Das sind substanzielle, nicht formale, Voraussetzungen einer gelingenden argumentativen Praxis.



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So 22. Sep 2019, 16:04

Vielleicht kann man noch unterscheiden. Die reine formale Logik würden vielleicht auch Engel verstehen oder andere körperlose Wesen. Aber um zu verstehen, dass wir immer einen Grund haben, Schmerzen zu vermeiden, dazu muss man wohl ein biologisches Wesen sein.




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Alethos
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So 22. Sep 2019, 20:32

Man muss kein supranaturales Wesen annehmen, um der formalen Logik Geltung zu verleihen. Wir verstehen, dass die Mechanik des Schliessens einfach nur ein Aspekt des Denkens und Argumentierens ist. Es ist fehleranfällig mit Bezug auf die volle Lebendigkeit, in der wir stecken.

So gesehen können formale Schlüsse mindestens fraglich sein im Zusammenhang mit dem Gemeinten. Nicht überall, wo Syllogismus drauf steht, findet dich ein 'Wissen, dass p' ohne weiteres.

Aber, was ist der Grund für die "Unfraglichkeit" (Husserl) von gewissen Schlüssen? Eine Erkenntnis wenigstens, die cartesianische, ist wenigstens unfraglich:
E. Husserl hat geschrieben : Das Sein der cogitatio, des Erlebnisses während des Erlebens und in schlichter Reflexion darauf, ist unzweifelhaft; das schauende direkte Erfassen und Haben der cogitatio ist schon ein Erkennen, die cogitationes sind die ersten absoluten Gegebenheiten.
Wie Fichte hält auch Husserl diese Erkenntnis für unfraglich. Er führt dies auf die Immanenz der Erkenntnis des Selbst zurück. Das 'reel Immanente stellt nichts anderes dar, meint nichts über sich hinaus'.
Ist diese Evidenz der Selbstgegebenheit das, was wir oben beschrieben mit Selbstevidenz? Mit Husserl müsste aber alles andere als transzendent gelten und mithin der "Fraglichkeit" ausgesetzt sein. "Ich muss eine phänomenologische Reduktion vollziehen", um es dem grundsätzlichen Zweifel zu entziehen.



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Mo 23. Sep 2019, 05:22

Jörn Budesheim hat geschrieben : Die reine formale Logik würden vielleicht auch Engel verstehen oder andere körperlose Wesen.
Alethos hat geschrieben :
So 22. Sep 2019, 20:32
Man muss kein supranaturales Wesen annehmen, um der formalen Logik Geltung zu verleihen.
Tue ich auch nicht :) ich schreibe nur, dass man nicht unbedingt einen Körper haben muss, um die "Gesetze des Wahrseins" (wie Frege die Logik nennt) zu verstehen.




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Jörn Budesheim
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So 29. Dez 2019, 15:20

Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 15:45
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:49
Ich dachte zunächst, du würdest Gründe als Motive verstehen, aber nach wiederholten lesen scheint sich das nicht zu bestätigen.
Gründe sind beides: Sie sind Motive meiner Handlungen und sie sind Tatsachen, die für etwas sprechen. In beiden Fällen sind sie objektiv.
Nehmen wir mal ein aktuelles Beispiel. Um des Argumentes Willen nehmen wir folgendes an, es entbehrt ohnehin nicht einer gewissen Plausibilität:

Niemand hat einen guten Grund Donald Trump zu wählen. Hier ist mit Grund ein Rechtfertigungsgrund gemeint, etwas was die Wahl Donald Trumps tatsächlich rechtfertigt, sagen wir: rationalen macht.

Nichtsdestotrotz haben die Leute ja "Gründe", ihn zu wählen. Das würde ich eher Motive nennen, denn Rechtfertigungsgründe. Das Motiv mag sein, dass sie nicht in die Zukunft wollen und sich z.b. die alten Rollenbilder zurückwünschen.

Man kann vielleicht auch nach den Ursachen fragen, dann wäre vielleicht eine naturwissenschaftliche Erklärung für den Vorgang gefragt, vielleicht von Biologen oder Neurologen.




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So 29. Dez 2019, 15:57

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 29. Dez 2019, 15:20
Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 15:45
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:49
Ich dachte zunächst, du würdest Gründe als Motive verstehen, aber nach wiederholten lesen scheint sich das nicht zu bestätigen.
Gründe sind beides: Sie sind Motive meiner Handlungen und sie sind Tatsachen, die für etwas sprechen. In beiden Fällen sind sie objektiv.
Nehmen wir mal ein aktuelles Beispiel. Um des Argumentes Willen nehmen wir folgendes an, es entbehrt ohnehin nicht einer gewissen Plausibilität:

Niemand hat einen guten Grund Donald Trump zu wählen. Hier ist mit Grund ein Rechtfertigungsgrund gemeint, etwas was die Wahl Donald Trumps tatsächlich rechtfertigt, sagen wir: rationalen macht.

Nichtsdestotrotz haben die Leute ja "Gründe", ihn zu wählen.
Ich weiss nicht recht, Jörn. Ich finde nicht, dass man mit Anführungszeichen allein es fertigbringt, die Gründe für eine Wahl Trumps in Zweifel zu ziehen. Die Sachlage ist doch verzwickter.

Wenn man sich tiefere Steuern wünscht, eine expansive militärische Aufrüstung, wenn man eine restriktive Abtreibungspolitik will usw., dann hat man mit Trump einen guten Kandidaten, weil er ihnen das alles verspricht. Man wählt ihn dann mit gutem Grund, auch wenn andere diese Politiken selbst für falsch halten, etwa, weil man eine liberale Abtreibungsgesetzgebung gutheisst. Dann hat man einen Grund, ihn nicht zu wählen, aber doch nicht alle anderen keinen, es zu tun.

Ich finde, man müsste zeigen können, dass Trump eine ganz schlechte Wahl ist, weil das, wofür er steht, an sich falsch ist. Und ich habe solche Gründe zuhauf, die gegen Trump sprechen, nur heben diese meine Gründe die eine Handlung legitimierende Funktion anderer Gründe nicht einfach auf.



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So 29. Dez 2019, 16:29

Es geht hier nicht um Trump, deshalb steht da auch wohlweislich "um des Argumentes Willen" als Einleitung. Das ist alles gesetzt, um den Unterschied, und den es mir hier geht, zu erläutern. Das muss man hinnehmen, um zu verstehen, was ich meine. Es ist egal, ob es stimmt es geht nur darum, den Unterschied zu erklären.

Es ist meines Erachtens eine Alltagserfahrung, dass wir für manches Motive haben, für dass wir keine Gründe haben. Ein Beispiel aus der Literatur: Peter ist wütend, weil Hans bei der Abschlussklausur besser abgeschnitten hat. Wir können uns seine Wut erklären, indem wir sein Motiv für die Wut in Betracht ziehen. Aber dieses Motiv/dieser Beweggrund macht seine Wut nicht rational. Es liegt zwar ein "Grund" vor, aber nicht ein guter Grund, eine Tatsache, die tatsächlich dafür spricht, auf seinem Freund wütend zu sein. Es ist allerdings auch nicht nur einfach eine Ursache, weil Peter auch innehalten könnte, sein Motiv erkennen und stattdessen rational handeln könnte, es ist ja nicht dasselbe, als wenn Hans die Treppe runterfallen würde :)




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So 29. Dez 2019, 16:57

"um des Argumentes Willen" ist eine Abkürzung für "um des Argumentes Willen, wollen wir folgendes als gegeben setzen, voraussetzen."




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So 29. Dez 2019, 17:14

Die Unterscheidung zwischen Grund und Motiv, so wie oben angedeutet, ist meines Erachtens essenziell. Das zeigt sich auch an einem sehr bekannten Fehl-Argument. Es ist das Grund Argument von Donald Trump übrigens. Wenn Trump mit irgendwelchen Tatsachen konfrontiert wird, die gegen seine moralischer Integrität sprechen, antwortet er immer, indem er auf angeblich unlautere Motive des "Anklägers" verweist!




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So 29. Dez 2019, 18:09

Ich verstehe deine Unterscheidung zwischen Motiv und Grund. Ein Grund ist etwas, das für etwas spricht. Ein Motiv ist ein Anlass, keine Ursache, aber wohl doch etwas mit dem Vorkommen einer inneren Einstellung Verknüpftes.
Peter hat keinen Grund, wütend auf Hans zu sein, weil sein gutes Abschneiden ihm eben gar keinen Grund bietet. Dennoch nimmt Peter das zum Anlass für seine Wut.

Nun finde ich es nicht nachvollziehbar, dass es sich bei Trump-Wählern so verhält (ich wähle das Trump-Beispiel, weil es sich anbietet). Der Trump-Wähler verfolgt ein politisches Ziel, Trump ermöglicht ihm die Erreichung dieses Ziels. Es herrscht also eine sachlogische Verknüpfung vor zwischen dem Wollen, dass Trump Präsident bleibt, und dem Erreichenwollen eines Ziels. Diese sachlogische Verknüpfung ist doch mehr als ein Motiv, denn in Trump verkörpert sich tatsächlich die Möglichkeit des Erreichens von Zielen.

Man kann wohl sagen, dass das Gewollte in diesem Fall falsch ist, das wiederum kann man begründen. Das macht aber den Grund des Trumpwählers nicht zu einem Ungrund, bloss deshalb, weil uns das Gewollte für nicht wollenswert erscheint.

Vielleicht können wir über die notwendigen Bedingungen des Gründeseins sprechen.



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So 29. Dez 2019, 18:50

Alethos hat geschrieben :
So 29. Dez 2019, 18:09
Der Trump-Wähler verfolgt ein politisches Ziel, Trump ermöglicht ihm die Erreichung dieses Ziels.
Gegeben das Ziel handeln die Trump Wähler rational. Leider ist es jedoch nicht rational, dieses Ziel zu haben! Daher vermute ich, dass andere "Gründe" im Spiel sind. Genau aus diesem Grund gibt es auch immer wieder soziologische Analysen, wieso Leute Trump wählen - gegen jede Vernunft.

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Ein Problem bei der Diskussion der Gründe ist, dass die diversen Gründe im Alltag alle Gründe heißen :) sowohl Ursachen als auch Motive und natürlich auch gute Gründe nennen wir Gründe.




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