Gründe und Argumente

Im Zettelkasten können Zitate und Begriffe hinterlegt werden, auf die du andere Mitglieder des Forums aufmerksam machen möchtest.
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Jörn Budesheim
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So 8. Nov 2020, 07:34

Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Nov 2020, 12:46
Und darum haben wir es hier nicht mit einer reinen begrifflichen Logik zu tun, also einer mengentheoretischen Logik, sondern mit einer, in der das Existenzielle thematisch wird: die lebendige Wirklichkeit. Die Kraft der Poesie liegt deshalb nicht allein darin, dass sie z.B. mit Metaphern eine Übertragung von Begriffen auf andere leistet und dadurch Sinnpotenziale schafft, sondern dass sie fühlen macht und uns dadurch an unser Wesentlichstes heranführt: dass wir empfindsame, mitfühlende Wesen sind.
Immerhin sind wir uns darin einig, dass Gefühle für uns die allergrößte Rolle spielen :) Allerdings habe ich eine andere Vorstellung davon, was Gefühle sind. Nach meiner Idee sind sie begrifflich verfasst, weil sie uns erlauben, etwas als etwas zu erfassen. Etwas als liebenswert, begehrenswert, beängstigend, abstoßend, anziehend, erfüllend ... (Gefühle sind oftmals Wert-Wahrnehmungen) Die Begriffe, um die es hier geht, sind verkörperte, gespürte, feinauflösende - sie zeigen uns an, dass es für uns immer um etwas geht.

Manchmal (nicht immer!) sind Gedichte der Versuch, diese begrifflichen Wahrheiten zur Sprache zu bringen und zwar auch da, wo wir noch keine Worte dafür haben. Und diese Versuche können wir überhaupt mit deshalb "verstehen", weil wir einen Sinn für Sinn, Wahrheit und Logik haben.




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Jörn Budesheim
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So 8. Nov 2020, 08:32

Alethos hat geschrieben :
So 24. Mai 2020, 14:33
Die Begriffe <Schiff> und <Ufer> in "Das Schiff geht unter" oder "Hinauf zu neuen Ufern" stehen - metaphorologisch verwendet - für etwas anderes als Schiffe und Ufer im eigentlichen Wortsinn. Sie stehen für etwas anderes, d.h. das, was diese Begriffe bedeuten, zeigt sich in der Übertragung von einer Begriffsbedeutung auf die andere. Aber diese Übertragung liesse sich nicht leisten, wenn die Begriffe nicht in einen Zusammenhang gebracht würden, in welchem sie einander diese Bedeutung gäben. Ein "Schiff" kann stehen für eine Unternehmung oder die Volkswirtschaft im Allgemeinen, das "Ufer" für das Neue, aber sie können eine metaphorologische Erweiterung nur erfahren, wenn sie poetisch (oder eidetisch) verknüpft sind, nicht nur (begriffs)logisch.
Das mit der "Übertragung" ist so eine Sache ... Dieses Bild läuft nämlich eher auf eine Entmachtung, Kastration der Metapher hinaus. Das heißt doch, dass der eingesetzte Begriff die Struktur, die er in seinem ursprünglichen Feld erfasst hat, nun in einem neuen Feld ebenso erfassen kann. Aber wenn das passiert, ist alles hin. Und das passiert natürlich auch, nämlich genau dann, wenn die Metapher, wie man so schön sagt, auf den Boden der Wortwörtlichkeit hinabgesunken ist.

Lebendig bleibt das Bild nur, wenn die Übertragung nicht gelingen will (oder kann). Die Bilder schlagen nur dann Funken, wenn die Übertragung nicht vollständig sein kann, wenn es sich nicht fügt. Ein Begriff ist metaphorisch lebendig dann, wenn er das bedeutet, was er in der wortwörtlichen Bedeutung meint, also nur, wenn er nicht übertragen wird (und somit seine ursprüngliche Bedeutung einfach verliert). Die Differenz, die Spannung muss erhalten bleiben. Nur dann spürt man, dass hier etwas zur Sprache/ins Bild/... drängt, was nicht (oder noch nicht) erfasst ist. Ansonsten könnten wir uns gar nicht irritieren lassen davon.

Und solche Irritationen haben eine logische, argumentative Kraft. Man begreift hier, dass es noch viel unbegriffenes gibt :) Ohne Logik und Wahrheit wären wir unsere eigenen Gefangenen und wüssten nicht mal was davon.




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Jörn Budesheim
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So 8. Nov 2020, 10:40

Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Nov 2020, 12:46
[reine begriffliche Logik] [mengentheoretische Logik]
Was ist das?




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Alethos
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So 8. Nov 2020, 11:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Nov 2020, 08:32
Das mit der "Übertragung" ist so eine Sache ... Dieses Bild läuft nämlich eher auf eine Entmachtung, Kastration der Metapher hinaus. Das heißt doch, dass der eingesetzte Begriff die Struktur, die er in seinem ursprünglichen Feld erfasst hat, nun in einem neuen Feld ebenso erfassen kann. Aber wenn das passiert, ist alles hin. Und das passiert natürlich auch, nämlich genau dann, wenn die Metapher, wie man so schön sagt, auf den Boden der Wortwörtlichkeit hinabgesunken ist.
Vielleicht kannst du anhand eines Beispiels deutlich machen, warum du zur Ansicht gelangst, dass der Begriff durch Übertragung die Metapher entmachtet und kastriert. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Nov 2020, 08:32
Lebendig bleibt das Bild nur, wenn die Übertragung nicht gelingen will (oder kann). Die Bilder schlagen nur dann Funken, wenn die Übertragung nicht vollständig sein kann, wenn es sich nicht fügt. Ein Begriff ist metaphorisch lebendig dann, wenn er das bedeutet, was er in der wortwörtlichen Bedeutung meint, also nur, wenn er nicht übertragen wird (und somit seine ursprüngliche Bedeutung einfach verliert). Die Differenz, die Spannung muss erhalten bleiben. Nur dann spürt man, dass hier etwas zur Sprache/ins Bild/... drängt, was nicht (oder noch nicht) erfasst ist. Ansonsten könnten wir uns gar nicht irritieren lassen davon.
Die Spannung und die Differenz ist jedoch zwangläufig da, weil der metaphorisch verwendete Begriff nur andeutet, nur anspielt, nur stellvertretend diesen Begriff für den anderen setzt. Aber gerade dadurch, dass die Metapher den eigentlichen Begriff sinnbildlich thematisiert, hebt sie ihn von der wortwörtlichen Ebene auf die eidetische Ebene. Auf der Ebene der Begriffsideen verschwimmen die klaren Begriffsgrenzen, da es auf dieser Stufe nur noch um bildliche Potenziale geht, die sich gegenseitig verstärken oder abschwächen, bevor sie sich in einen Begriff konkretisieren. Die Übertragung gestaltet sich demnach nicht durch das Ersetzen von einem Begriff durch einen anderen. Es geht bei der Übertragung um die Verschmelzung der Bildcharaktere zweier Begriffe zu einem sinnbildlichen Begriff. Der sinnbildliche Begriff ist somit ein dritter Begriff neben den zwei wortwörtlichen, weil er aus diesen beiden hervorgeht durch Synthese ihrer beiden Sinnpotenziale.

Das ist vielleicht alles ein wenig sehr einfach gedacht, aber ich möchte nur zeigen, dass nach meinem Dafürhalten die Metapher und der Begriff nicht in Konkurrenz zu einander stehen, weil sie sich kooperativ zeigen.



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Alethos
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So 8. Nov 2020, 11:39

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Nov 2020, 10:40
Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Nov 2020, 12:46
[reine begriffliche Logik] [mengentheoretische Logik]
Was ist das?
Der berühmteste aller Syllogismen steht beispielhaft für mengentheoretische Logik:

(P1) Alle Menschen sind sterblich
(P2) Alle Griechen sind Menschen
(K) Alle Griechen sind sterblich

Solche Prämissen lassen sich alle Mengen darstellen: Die Menge aller Menschen ist Teilmenge des Sterblichen. Die Menge aller Griechen ist Teilmenge der Menge aller Menschen. Daraus folgt, dass die Menge aller Griechen Teilmenge des Sterblichen ist.

Begriffslogik ist Mengentheorie, weshalb wir z.B. auch sagen, dass ein Begriff unter den anderen fällt. (= Teilmenge von x sein). So über die Sterblichkeit zu sprechen lässt aber aussen vor, was wir als existenziell ansehen: Die Todesangst, die Empfindsamkeit, die Trauer, die Melancholie usw., weshalb wir poetische Logik brauchen, um die emotionalen Dimensionen der Begriffe (Mensch, Sterblichkeit, Griechen, Sein etc.) zu heben.



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So 8. Nov 2020, 11:48

Alethos hat geschrieben :
So 8. Nov 2020, 11:28
Das ist vielleicht alles ein wenig sehr einfach gedacht, aber ich möchte nur zeigen, dass nach meinem Dafürhalten die Metapher und der Begriff nicht in Konkurrenz zu einander stehen...
Natürlich nicht!




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So 8. Nov 2020, 13:35

Das Gedicht von den großen Verfehlungen

Das eine: Die Entgegengesetztung von Gefühl et.al. und Vernunft et.al. halte ich für verfehlt. Das ist ein Überbleibsel einer leibfeindlichen Tradition, dies es zu überwinden gilt.

Das andere: Die Idee, dass unsere Begriffe gleichsam einem Geburtsfehler haben und der Wirklichkeit irgendwie Gewalt antun, ist das andere Standbein dieser Ansicht. Auch darüber müssen wir hinweg.

Wir gehören in diese Wirklichkeit, aber wir verschwinden nicht in ihr!

:)




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So 8. Nov 2020, 13:46

Nebenbei: Man sollte Logik nicht mit Logik verwechseln. Bei der Logik handelt es sich um die Gesetze des wahren Seins, wie Frege sagt. Aber der Begriff Gesetz ist doppeldeutig. Einerseits meinte er die Formulierung, die Rekonstruktion der Gesetze und andererseits die Gesetze selbst.




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So 8. Nov 2020, 18:24

Alethos hat geschrieben :
So 8. Nov 2020, 11:28
Die Spannung und die Differenz ist jedoch zwangläufig da, weil der metaphorisch verwendete Begriff nur andeutet, nur anspielt, nur stellvertretend diesen Begriff für den anderen setzt.
Der Begriff "macht" im Grunde gar nichts. Wenn ich sage, das Unternehmen geht unter wie ein Schiff, dann sind offensichtlich dieselben Begriffe wie immer im Spiel. Entscheidend ist hier meines Erachtens das principle of charity. Derjenige, der mit der Metapher konfrontiert ist, interpretiert so, dass die Aussage des anderen möglichst rational und wahr ist. Dazu müssen Sprecher und Interpret ein vergleichbares Weltwissen haben, eine vergleichbare Rationalität und einen Begriff der Wahrheit und damit auch der Logik. Ohne principle of charity, das heißt Vernunft, Wahrheit und Logik ist hier nichts zu machen.




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So 8. Nov 2020, 18:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 8. Nov 2020, 18:24
Ohne principle of charity, das heißt Vernunft, Wahrheit und Logik ist hier nichts zu machen.
Die Poesie im besonderen und Kunst im allgemeinen, kommen ohne all das auch nicht in die Gänge, meine ich. In der ästhischen Wahrnehmung rasten die Begriffe dann jedoch in der Regel nicht in irgendeiner Stelle einfach rein und beenden das Spiel. Sie bleiben meist offen für andere und neue Möglichkeiten. Zudem spielt natürlich die Materialität der Spielsteine in der Kunst eine eigene und viel größere Rolle als in der Alltagskommunikation. Dann kommt es zu dem was Paul Valéry so wunderbar auf den Punkt gebracht hat: "Das Gedicht, dieses anhaltende Zögern zwischen Klang und Sinn." Im Original ist es noch viel schöner: "Le poème, cette hésitation prolongée entre le son et le sens." (Paul Valéry)




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Mo 9. Nov 2020, 06:07

Alethos hat geschrieben :
So 8. Nov 2020, 11:39
So über die Sterblichkeit zu sprechen lässt aber aussen vor, was wir als existenziell ansehen: Die Todesangst, die Empfindsamkeit, die Trauer, die Melancholie usw., weshalb wir poetische Logik brauchen, um die emotionalen Dimensionen der Begriffe (Mensch, Sterblichkeit, Griechen, Sein etc.) zu heben.
Geburt, Tod, Liebe, Hass, Gesundheit, Sinn ... diese Begriffe verlieren doch ihre existentielle Dimension nicht, wenn wir von ihnen sagen, dass sie existentiell sind (=in die Klasse/Menge der existenziellen Begriffe gehören).

Wir können sie natürlich (mehr oder weniger) unabhängig davon betrachten, indem wir sie in irgendwelche formalen Systemen einspannen. Das ist dann aber ein Effekt der Betrachtung und nicht ein Effekt der ihnen innewohnenden Logik. Die Wahrheit - und damit natürlich die Gesetze der Wahrheit, sprich die Logik - sind selbst existenziell.


-------------

Das meinte ich weiter oben mit: wir sollten nicht Logik mit Logik verwechseln. Dass wir die Gesetze der Wahrheit untersuchen und und formalen System festhalten können, ändert ja nichts an ihnen.

Bild

Ebenso wenig werden die Gesetze der Schwerkraft ausgesetzt, indem wir sie in eine Formel packen.




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Mo 9. Nov 2020, 06:44

Enlivenment Eine Kultur des Lebens Versuch einer Poetik für das Anthropozän


Andreas Weber hat geschrieben :

...

1. Menschen sind sterblich.
2. Sokrates ist ein Mensch.
3. Sokrates ist sterblich.

Der von Bateson ins Feld geführte »poetische Syllogismus« im »Modus Gras« macht dagegen eine Erfahrung möglich, die in den Prämissen nicht enthalten ist. Sie beruht auf der geteilten empirischen Subjektivität und befähigt zu einer mitteilbaren Einsicht, für die sich gleichwohl schwer argumentieren lässt. Sie enthält das, was Bateson das »Muster, das verbindet« genannt hat, nämlich eine »poetische Objektivität«:

1. Menschen sind sterblich.
2. Gras ist sterblich.
3. Menschen sind Gras.

Diese Folgerung ist nicht im Wortsinne wahr. Genau darauf beruht ihre welterschließende Kraft. Sie ist wahr als eine auf Erfahrung beruhende oder poetische Einsicht, die nur teilen kann, wer als ein Körper begehrt.

Die poetische Dimension ist die Dimension unserer organischen Existenz, die wir verleugnen. Es ist die Welt unserer Gefühle, unserer sozialen Bindungen und von allem, was wir als bedeutsam und sinnvoll erleben. Das Poetische ist deshalb untrennbar mit der alltäglichen sozialen Kommunikation, mit Austausch und Interaktionen verbunden, mit Lachen und Betroffenheit, mit unserem Fleisch.
Mich interessiert immer noch das, was Weber in diesem Zitat versucht. Aber das, so bin ich überzeugt, können wir auch "haben", ohne Frontstellung gegen Vernunft, Logik und Wahrheit.




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Di 10. Nov 2020, 05:45

Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Nov 2020, 12:46
Ein Gedicht hat ebenso argumentative Form.
Das ist der Punkt, der mich interessiert; wenn man so will: meine Grundintuition. Aber wie kann man das stark machen, wie kann man das ausbuchstabieren und begründen? Du schreibst an der Stelle: "Auch ein Gedicht will begünstigen, dass wir die Wirklichkeit erfahren und sei es auch die Wirklichkeit der Gefühlswelt, die es anzusprechen vermag." Aber das verstehe ich leider nicht.




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Di 10. Nov 2020, 06:13

Alethos hat geschrieben :
So 8. Nov 2020, 11:28
Vielleicht kannst du anhand eines Beispiels deutlich machen, warum du zur Ansicht gelangst, dass der Begriff durch Übertragung die Metapher entmachtet und kastriert. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Wir sagen, dass Stimmen hoch oder tief sind. Dass wir es hier mit einer Metapher zu tun haben, fällt kaum noch auf, ein irritierendes Moment gibt es hier sicherlich nicht mehr.




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Di 10. Nov 2020, 06:36

Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Nov 2020, 12:46
Das ist logisch, das eine aus dem anderen zu schliessen, weil beides strukturähnlich ist.
Ich habe zwar keinen Schimmer, was du an dieser Stelle mit "logisch" meinen könntest (und was soll hier Schluss heißen?), aber lassen wir das außen vor.

Dass die Strukturähnlichkeit (so wie du es für Leben und Bühne durchgespielt hast) eine Rolle spielt, dürfte schwer zu bezweifeln sein. Das Problem dabei ist: die Kraft des Bildes wird damit nicht erklärt. Wir könnten schließlich auch sagen - achselzuckend - na gut, da haben wir jetzt einen anderen Namen für dieselbe Struktur.

Du erklärst dir das, indem du sagst, dass uns das Bild fühlen macht. Aber das erklärt nicht, warum das so ist. Das Ganze in einen Kontrast zu Begriffslogik oder "klaren Begriffen" zu stellen, erklärt auch nichts, weil das nur eine rein negative Bestimmung ist. Zu sagen, was etwas nicht ist, kann in manchen Fällen hilfreich sein, aber für sich allein genommen, kann es niemals ausreichend sein, um zu erklären was etwas in sich selbst ist.




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Di 10. Nov 2020, 10:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 9. Nov 2020, 06:07
Alethos hat geschrieben :
So 8. Nov 2020, 11:39
So über die Sterblichkeit zu sprechen lässt aber aussen vor, was wir als existenziell ansehen: Die Todesangst, die Empfindsamkeit, die Trauer, die Melancholie usw., weshalb wir poetische Logik brauchen, um die emotionalen Dimensionen der Begriffe (Mensch, Sterblichkeit, Griechen, Sein etc.) zu heben.
Geburt, Tod, Liebe, Hass, Gesundheit, Sinn ... diese Begriffe verlieren doch ihre existentielle Dimension nicht, wenn wir von ihnen sagen, dass sie existentiell sind (=in die Klasse/Menge der existenziellen Begriffe gehören).

Wir können sie natürlich (mehr oder weniger) unabhängig davon betrachten, indem wir sie in irgendwelche formalen Systemen einspannen. Das ist dann aber ein Effekt der Betrachtung und nicht ein Effekt der ihnen innewohnenden Logik. Die Wahrheit - und damit natürlich die Gesetze der Wahrheit, sprich die Logik - sind selbst existenziell.
Ich denke, dass ich deinen Einwand verstehe. An der existenziellen Dimension dieser Begriffe ändert sich nichts, wenn wir rein formal mit ihnen umgehen und sie z.B. in einen syllogistischen Schluss packen.
Aber es ist doch etwas anderes, meine ich, von A nach B zu schliessen nach logischen Schlussregeln, als nachzuvollziehen, was diese in den Schluss gepackten Begriffe bedeuten. Es ist ein Unterschied gerade auch mit Blick auf die Frage, was es heisst, eine Metapher zu verstehen oder ein Gedicht.

Es gibt Logik und Logik, das sehe ich auch. Nur meine ich das vielleicht etwas anders als du. Das eine meint Logik im Sinne eines logischen Schlusses (wenn A und B, dann C). Hier ergibt sich aus den Konditionalen und den Begriffen selbst eine Schlussform. Es spielt so zusagen keine Rolle, welche Substanzialität hinter den Formeln steckt. Das andere aber hat eher die Form eines nachvollziehbaren Schlusses, den man nachempfinden kann, weil man versteht, worum es bei diesen Begriffen eigentlich geht. Wenn wir bspw. sagen, dass man jemandem, der leidet, helfen soll, dann können wir das mit den Mitteln des logischen Schlusses nicht leisten, ohne dabei einen naturalistischen Fehlschluss zu begehen. Und doch ist der Schluss richtig, dass man helfen soll, weil es sich in das moralische Empfinden und Rationalisieren richtig fügt, zu diesem Schluss zu kommen. Das kann es jedoch nur, wenn wir wissen, was es heisst, was Leiden ist, was Würde ist, was Menschlichkeit ist etc. etc. Hier reicht die rein formale Verquickung von Wenn-Dann-Konditionalitäten nicht, um zu einem wahren Schluss zu kommen.
Auch ein Gedicht hat nicht die Form eines streng-logischen Schlusses, sondern eines Schlusses, das sich in der Dynamik der Erzählung einstellt als logischer - vielleicht als poetisch-logischer.



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Di 10. Nov 2020, 10:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 10. Nov 2020, 05:45
Alethos hat geschrieben :
Sa 7. Nov 2020, 12:46
Ein Gedicht hat ebenso argumentative Form.
Das ist der Punkt, der mich interessiert; wenn man so will: meine Grundintuition. Aber wie kann man das stark machen, wie kann man das ausbuchstabieren und begründen? Du schreibst an der Stelle: "Auch ein Gedicht will begünstigen, dass wir die Wirklichkeit erfahren und sei es auch die Wirklichkeit der Gefühlswelt, die es anzusprechen vermag." Aber das verstehe ich leider nicht.
Wir werden das wahrscheinlich nur anhand von Beispielen erfahren und, von diesen Beispielen ausgehend, Strukturen des poetischen Arguments herauskristallisieren können.



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Di 10. Nov 2020, 10:38

Das dürfte genau so sein.




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Alethos hat geschrieben :
Di 10. Nov 2020, 10:23
(wenn A und B, dann C)
Auch logischen Schlüsse sind doch nicht nur Formsache. Die Form mag korrekt oder gültig sein, aber die Konklusion kann dennoch falsch sein.




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Di 10. Nov 2020, 19:36

Alethos hat geschrieben :
Di 10. Nov 2020, 10:34
Wir werden das wahrscheinlich nur anhand von Beispielen erfahren und, von diesen Beispielen ausgehend, Strukturen des poetischen Arguments herauskristallisieren können.
Das dürfte ein hartes Brot werden :)

Ich habe mir allerdings entsprechenden Lektüre bereits vor einiger Zeit gekauft. Z.b. das Jahrbuch der Lyrik 2020. Eine ganz erstaunliche Erfahrungen! Manches ist mir fremd, aber es gibt natürlich auch sehr viel, was mich total begeistert. Zudem ein Buch über das Staunen und noch ein Band über Gedichtanalyse. Dann hatte ich noch einen sehr guten Link gefunden über Aristoteles und die arabische Poetik (o.ä) aber gottverdammter Weise, finde ich es nicht wieder :(

Mal sehen, wo das hinführt :)




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