Gründe und Argumente

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Jörn Budesheim
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So 1. Sep 2019, 14:26

Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:23
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:14
Ich sagte, wir haben immer einen Grund Leid zu vermeiden.
Ist das nun eine normative Aussage oder ist es das nicht?
Ja, natürlich! Gründe gehören zum Normativen. Sinn des Beispiels war es, meinen Gebrauch des Begriffes zu erläutern.




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Alethos
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So 1. Sep 2019, 14:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:26
Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:23
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:14
Ich sagte, wir haben immer einen Grund Leid zu vermeiden.
Ist das nun eine normative Aussage oder ist es das nicht?
Ja, natürlich! Gründe gehören zum Normativen.
Dann aber sind Gründe normativ aufgeladen und das können sie nur sein im Lichte weiterer Gründe, die sie stützen.

Beim Fall des Fingerabdrucks müssen ja kohärente Zusammenhänge gedacht werden (oftmals implizit): Der Fingerabdruck liefert ein eindeutiges Identifizierungsmerkmal einer Person. Er befindet sich auf der Waffe. Die Waffe ist eine Tatwaffe. Ergo: Ist die Person mit dem
identischen Fingerabdruck womöglich der Täter.



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So 1. Sep 2019, 14:33

Nichts an diesem Argument ist fallibel, denn es ergibt sich aus den Tatsachen selbst, was freilich nicht heisst, dass man den Täter gefunden hat.



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Jörn Budesheim
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So 1. Sep 2019, 14:42

Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:32
Dann aber sind Gründe normativ aufgeladen und das können sie nur sein im Lichte weiterer Gründe, die sie stützen.
Wofür oder wogegen möchtest du damit argumentieren?

Meine Auffassung ist das jedenfalls nicht.




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Jörn Budesheim
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So 1. Sep 2019, 14:49

Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 13:38
Ein Grund ist im Zusammenhang mit Handlungen die Motivation dieser Handlung. Motivation ist dabei der innere Antrieb im Subjekt, diese Handlung zu vollführen.

Dabei ist der Grund immer etwas Gegebenes, Objektives. Denn ob ich einen Gedanken habe, der mir Anlass zur Handlung gibt oder etwas ausser mir Liegendes dasjenige ist, so ist er doch sowohl als Gedanke (noeta) oder als etwas ausser mir Gegebenes etwas anderes als ich selbst. Der Grund kann also auch in Form einer dort liegenden Person vorkommen, die mir als Gegenstand gegeben ist.

Aber nun ist nicht alles, was mir gegeben ist, notwendig ein Grund, denn ja nicht alles, was ich irgendwie wahrnehme, ist Anlass einer Handlung. Zu einer reinen Tatsache, damit sie Grund sein könne, muss es hinreichende, diese Tatsache als Grund stützende Gründe geben. Das ist nun die argumentative Konfiguration der Tatsache als Grund. Denn damit eine Tatsache Anlass gebe für etwas, müssen mit der Tatsache verknüpft werden andere Tatsachen, so dass aus deren Gesamt ein Argument entstehen kann.

Ein Argument, in meinem Dafürhalten, ist nicht einfach eine besondere Art der Rede oder des Fürwahrhaltens, sondern steckt in der situativen Komik, Dramatik, Dringlichkeit, Traurigkeit etc. der Situation selbst drin. Das, was wir Argumentieren nennen, ist dann der Versuch, diese Gründekorrelation in Tatsachen hervorzuheben oder zu beweisen, sofern sie überhaupt mit diesen Tatsachen verknüpft sind. Sind sie es nicht, haben wir eben kein Argument und können so sehr wir es wollen, auch kein Argument herbeireden.

Argumentieren heisst dann also soviel wie der Sache auf den Grund zu gehen, also den Gründezusammenhang zu erforschen.
Ich habe das jetzt zwei oder dreimal gelesen und verstehe es (doch) nicht. Ich dachte zunächst, du würdest Gründe als Motive verstehen, aber nach wiederholten lesen scheint sich das nicht zu bestätigen. Wir können allerdings schwerlich einen Faden über Gründe und Argumente machen, wenn wir noch nicht mal ungefähr verstehen, was der andere damit meint :)

Kannst du nicht mal ein ganz simples Beispiel bringen? Ein Beispiel für einen Grund und ein Beispiel für ein Argument?




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Alethos
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So 1. Sep 2019, 14:58

Argumente sind Grundzusammenhänge real existierender Gründe. Die Rekonstruktion dieses Zusammenhangs heisst Argumentieren, und hierbei können wir uns irren.

Tatsachen sind also zunächst neutrale Kompositionen von Relationen. Sie sprechen für gar nichts ausser für sich selbst. Tatsachen werden erst zu Gründen, wenn sie sich in ihren Zusammenhang miteinander wechselseitig einen Wert geben. Dann emergiert aus diesem Zusammenhang von Tatsachen eine Sinnordnung, die jeder Tatsache eine Ausrichtung gibt auf den gesamten Zusammenhangang. Dann erst spricht eine einzelne Tatsache für etwas, nämlich für die logische (besser: vernünftige) Ordnung des Zusammenhangs. Und erst Gründe ergeben Argumente.



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So 1. Sep 2019, 15:04

Ein paar Beispiele sind nicht möglich?




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Alethos
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So 1. Sep 2019, 15:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:49
Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 13:38
Ein Grund ist im Zusammenhang mit Handlungen die Motivation dieser Handlung. Motivation ist dabei der innere Antrieb im Subjekt, diese Handlung zu vollführen.
Ich habe das jetzt zwei oder dreimal gelesen und verstehe es (doch) nicht. Ich dachte zunächst, du würdest Gründe als Motive verstehen, aber nach wiederholten lesen scheint sich das nicht zu bestätigen. Wir können allerdings schwerlich einen Faden über Gründe und Argumente machen, wenn wir noch nicht mal ungefähr verstehen, was der andere damit meint :)

Kannst du nicht mal ein ganz simples Beispiel bringen? Ein Beispiel für einen Grund und ein Beispiel für ein Argument?
Ein Grund ist eine Tatsache, die durch andere Tatsachen ihr Grundsein erfährt.

Beispiel: 'Dort liegt eine verletzte Person' Das ist eine Tatsache und zugleich Grund. Ich handle aufgrund dieser Tatsache, also gereicht mir die Tatsache zum Handlungsgrund. 'Ich helfe der verletzten Person' ist die Handlung, die durch den Grund motiviert wird

Grund ist die Tatsache wegen des folgenden Zusammenhangs mit anderen Tatsachen: 'Sie ist ein schmerzempfindliches Wesen.' 'Hat Dignität.' 'Hat Gefühle.' 'Kann sich selbst nicht helfen' 'Ihre Kinder hängen vielleicht von ihr ab.' 'Es ist aus verschiedenen Gründen richtig zu helfen.' 'Sie würde vielleicht sterben' etc. Das sind alles Tatsachen, die aus dem Umstand, dass da jemand liegt, die Tatsache macht, die dafür spricht, ihr zu helfen, mithin die aus einer Tatsache einen Grund macht.

Er ist zugleich das, was mich veranlasst zu handeln. Er muss in mich aufgenommen worden sein (durch Wahrnehmung), damit ich überhaupt durch ihn zum Handeln veranlasst werden. Ich handle, weil die Person den Grund darstellt zu handeln und sie stellt den Grund dar wegen all dieser Zusammenhänge


Ein Argument ist nun der relevante Zusammenhang aller Gründe, also der logische Konnex der entsprechenden Tatsachen, durch den sie Tatsachen sind, die für etwas sprechen.

Beispiel: 'Helfen muss man einer verletzten Person immer, weil die Tatsache ein Mensch zu sein, impliziert, solidarisch mit Schwächeren zu sein. Sie aus ihrer misslichen Lage zu befreien, das liegt in der Verantwortung des tugendhaften Menschen.' etc. Das Argument liefert die Erklärung für die Tatsache als Grund.
Zuletzt geändert von Alethos am So 1. Sep 2019, 15:26, insgesamt 2-mal geändert.



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So 1. Sep 2019, 15:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 15:04
Ein paar Beispiele sind nicht möglich?
Ich hatte den Beitrag geschrieben, noch bevor ich deine Bitte las.



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So 1. Sep 2019, 15:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:49
Ich dachte zunächst, du würdest Gründe als Motive verstehen, aber nach wiederholten lesen scheint sich das nicht zu bestätigen.
Gründe sind beides: Sie sind Motive meiner Handlungen und sie sind Tatsachen, die für etwas sprechen. In beiden Fällen sind sie objektiv.



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So 1. Sep 2019, 15:50

(Hab deine Beiträge noch nicht gelesen, als ich das geschrieben hab.)

Nehmen wir noch Mal den Fingerabdruck an der Waffe als Beispiel.

Was ist ein Argument? Dazu ein Beispiel:

Derrick: Müller ist der Mörder!
Harry: Warum?
Derrick: Wir haben seinen Fingerabdruck auf der Waffe gefunden.

Derrick hat etwas behauptet, damit hat er einen Geltungsanspruch erhoben. Bei jeder Behauptung wird ein Geltungsanspruch erhoben. Harry fordert nun gewissermaßen, diesen Geltungsanspruch einzulösen. Was Derrick zu einem Argument motiviert: Dieses Argument hat die Form: p weil q. p="Müller ist der Mörder"; q="Wir haben seinen Fingerabdruck auf der Waffe gefunden." Ein Argument soll eine Behauptung untermauern, belegen, plausibel machen oder beweisen.

Das ist alles fallibel. Es ist denkbar, dass der Fingerabdruck nicht von Müller ist. Es ist denkbar, dass der Abdruck zwar von Müller ist, er aber dennoch nicht der Mörder ist. Es ist aber natürlich gut denkbar, dass Derrick Recht hat. In diesem Fall hat er den Grund sozusagen "getroffen". Argumente liegen auf Seiten der Personen, die Ansprüche einlösen und für oder gegen etwas argumentieren.

Gründe liegen im Unterschied dazu auf Seiten der Gegenstände. Die Gegenstände (in diesem Fall der Fingerabdruck) liefern uns die Gründe.




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So 1. Sep 2019, 15:59

Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 15:45
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:49
Ich dachte zunächst, du würdest Gründe als Motive verstehen, aber nach wiederholten lesen scheint sich das nicht zu bestätigen.
Gründe sind beides: Sie sind Motive meiner Handlungen und sie sind Tatsachen, die für etwas sprechen. In beiden Fällen sind sie objektiv.
Damit hast du allerdings ein Problem. Denn nicht jeder lässt sich durch die Gründe zu der gebotenen Handlung motivieren.




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Jörn Budesheim
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So 1. Sep 2019, 16:12

Ich habe im Laufe des Threads einige Zitate aus der philosophischen Literatur gebracht, die den Begriff Argument ähnlich verwenden, wie ich es hier vorgeschlagen habe. Das sollte zeigen, dass das eine gängige Verwendung ist. Ich hab heute noch ein weiteres Zitat dazu im Regal gefunden: "Ein Argument ist eine Aussage, mit welcher der Geltungsanspruch einer Behauptung begründet wird..." Das entspricht im Großen und Ganzen den anderen Zitaten, wenn mich nicht alles täuscht.

Zum Argument gehört auch, wenn gefordert, die Schlussregel, bzw. die Brückenregel, das heißt eine Erläuterung, warum q p stützt. An dieser Stelle wäre wohl der Zusammenhang zur Logik herzustellen, da dürften kleinere oder größere Schnittmengen zu erwarten sein. Und damit ist man auch bei der Wahrheit, denn bei der Logik geht es ja um die Gesetze des Wahrseins (Frege).

Mich würde interessieren, ob die zeigen kannst, dass dein Vorschlag ebenso auf einer üblichen philosophischen Sprachverwendung basiert, bzw. welches deine "Hintergründe" oder Gründe für diesen (wie mir scheint sehr ungewöhnlichen) Sprachgebrauch sind.




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Alethos
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So 1. Sep 2019, 17:06

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:26
Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:23
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 14:14
Ich sagte, wir haben immer einen Grund Leid zu vermeiden.
Ist das nun eine normative Aussage oder ist es das nicht?
Ja, natürlich! Gründe gehören zum Normativen.
Wenn Gründe zum Normativen gehören, wie du selbst sagst, dann musst du deinerseits erklären, wodurch das Normative in eine Tatsache kommt. Sofern du nämlich sagst, dass Gründe Tatsachen seien, die für etwas sprächen, musst du angeben können, wie sie sich von Tatsachen unterscheiden, die für gar nichts sprechen.

'Ein Elektron fliegt um das Atom' ist zunächst eine äquivalente Aussage zu 'Eine Person liegt verletzt am Strassenrand'. Nun sagst du von letzterer, sie spreche für etwas, konkret, sie spreche dafür, ihr zu helfen. Aber was soll es es heissen, dass ein Grund eine Tatsache sei, die für etwas spricht? Du nanntest die Eigenschaften. Nun sind dir aber diese auch bloss in Form deskriptiver Aussagen gegeben. Auch ein Elektron hat Eigenschaften, warum sollte darin eine Tatsache sein, die für etwas spricht? Respektive anders gefragt: Was ist es denn an der Eigenschaft, das sie dazu macht, für etwas zu sprechen?



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So 1. Sep 2019, 17:21

Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 17:06
Wenn Gründe zum Normativen gehören, wie du selbst sagst, dann musst du deinerseits erklären, wodurch das Normative in eine Tatsache kommt.
Das muss ich nicht erklären. Und zwar aus zwei Gründen.

Erstens geht es mir in diesem Thread im Wesentlichen um das Verständnis der diversen Fachbegriffe. Ich will verstehen, was der Begriff Grund, der Begriff Argument, ggf. der Begriff Logik und der Begriff Wahrheit bedeuten. Und wie diese Begriffe zusammenhängen.

Zweitens, das ist der Hauptgrund, behaupte ich gar nicht, was du oben schreibst. Ich sage nicht, dass das Normative in die Tatsache kommt. Was ich sage ist, dass Tatsachen für uns Gründe sein können. Oder in zwei anderen Formulierung, dass Tatsachen, uns Gründe liefern oder das Tatsachen für etwas sprechen. Was ich damit meine, habe ich an einer ganzen Reihe von Beispielen gezeigt. Die Normativität kommt nicht irgendwie in die Festigkeit der Wand als zusätzliches Element hinein. Darunter kann ich mir nichts vorstellen. Aber, dass die Festigkeit der Wand dafür spricht, dass man nicht einfach gegen sie läuft, das finde ich ziemlich einfach verständlich.




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Dass es Gründe gibt, das kann man nicht bestreiten. Dann würde man es tun, müsste man seinerseits dafür Gründe ins Feld führen. :)




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 16:12
Mich würde interessieren, ob die zeigen kannst, dass dein Vorschlag ebenso auf einer üblichen philosophischen Sprachverwendung basiert, bzw. welches deine "Hintergründe" oder Gründe für diesen (wie mir scheint sehr ungewöhnlichen) Sprachgebrauch sind.
Nun denn, wenn das Kriterium für die Wahrheit deiner Position eine übliche philosophische Sprachverwendung ist, dann frage ich mich, weshalb sich keiner der philosophischen Sprachverwender hier im Thread auf diese Position einigen konnte und es stattdessen bevorzugte, das Sprachspiel zu verlassen.

Ich stütze meine Ansichten, die ja auch einen Grad originären Denkens beinhalten, auf Schriften Kants über die praktische Vernunft, aber insbesondere auf Schriften Thomas Nagels oder Samuel Schefflers oder G.E. Moores. Es gibt keine Zitate, die meine Position in nuce wiedergäben, aber alle Positionen des moralischen Realismus (in der naturalistischen oder der epistemologischen Variante), gehen von einer von Ansichten und Meinungen unabhängigen Moralität aus. Und Moralität ist nun einmal die Verpflichtung des Willens auf ein Gesetz. Dann muss aber dieses Gesetz irgendwo vorkommen, sei es in der Vernunft durch Regeln des Schliessens, sei es in der ontologischen Struktur der Gegenstände selbst. Und ich mache hier keinen Unterschied zwischen dem Bereich des Denkens und dem Bereich der nicht gedachten Gegenstände. Alle Gegenstände kommen in Strukturen vor, so dass sie in Ordnungen vorkommen. Und so kommen auch Subjekte in Strukturen vor, und ein Strukturelement ist der Wille der Subjekte. Was sie wollen und warum sie es wollen, das alles gehört nach meinem Dafürhalten zur Struktur der Gründe dazu. Eine Türe spricht nicht dafür, sie zu durchschreiten, sie ist kein Grund für ein etwaiges Tun. Sie ist es nur unter Berücksichtigung vielfältiger Gründe, darunter das menschliche Wollen als relevanter Faktor dazu zählt. Man kann sich dann fragen, was darf ich wollen oder was soll ich wollen, und erst vor dem Hintergrund dieser vielfältigen objektiven Begründungen kann eine Tür den Grund liefern, durch sie hindurch zu schreiten. Dabei halte ich den Willen nicht für die Ursache des Grundes, sondern als ein Faktor unter vielen, der hier hineinspielen muss. Denn wir sind ja nicht Kugeln in einer Kugelbahn.

Du sagst nur, dass Gründe Tatsachen seien, die für etwas sprächen, aber du leistest meines Erachtens mit dem Verweis auf die Eigenschaftlichkeit der Gegenstände keine hinreichende Erklärung, was man sich darunter vorzustellen habe. Dass die Türe breit genug, durchlässig genug usw. sei, das sind alles notwendige Bedingungen, damit ich durchschreiten könne, aber doch keine hinreichenden damit sie als Grund dienen könne, es dann auch zu tun. Beim Verletzten aber sagst du genau das, dass man helfen solle. Du schwankst zwischen normativen und nicht normativen Aussagen (Türe und Verletzten), aber es wird nicht klar, was das Normative an einem und am anderen Grund sein soll.

Ich habe versucht, die Konstituente von Gründen darzulegen und zu erklären versucht, wie objektive handlungsleitende Momente (als moralische oder nicht-moralische) denkbar werden könnten. Dass es mir nicht gelungen ist, dich zu überzeugen, das ist gewiss bedauerlich.



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So 1. Sep 2019, 17:59

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 17:33
Dass es Gründe gibt, das kann man nicht bestreiten. Dann würde man es tun, müsste man seinerseits dafür Gründe ins Feld führen. :)
Ja :) Man kann keinen Grund finden für Grundlosigkeit, denn dann würde man ja begründen, was man bestreiten wollte.



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So 1. Sep 2019, 18:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 17:21
Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 17:06
Wenn Gründe zum Normativen gehören, wie du selbst sagst, dann musst du deinerseits erklären, wodurch das Normative in eine Tatsache kommt.
Das muss ich nicht erklären. Und zwar aus zwei Gründen.

Erstens geht es mir in diesem Thread im Wesentlichen um das Verständnis der diversen Fachbegriffe. Ich will verstehen, was der Begriff Grund, der Begriff Argument, ggf. der Begriff Logik und der Begriff Wahrheit bedeuten. Und wie diese Begriffe zusammenhängen.

Zweitens, das ist der Hauptgrund, behaupte ich gar nicht, was du oben schreibst. Ich sage nicht, dass das Normative in die Tatsache kommt. Was ich sage ist, dass Tatsachen für uns Gründe sein können. Oder in zwei anderen Formulierung, dass Tatsachen, uns Gründe liefern oder das Tatsachen für etwas sprechen. Was ich damit meine, habe ich an einer ganzen Reihe von Beispielen gezeigt. Die Normativität kommt nicht irgendwie in die Festigkeit der Wand als zusätzliches Element hinein. Darunter kann ich mir nichts vorstellen. Aber, dass die Festigkeit der Wand dafür spricht, dass man nicht einfach gegen sie läuft, das finde ich ziemlich einfach verständlich.
Wasser spricht für vieles, z.B. es zu trinken, wenn man Durst hat, es nicht zu trinken, wenn man schon zuviel getrunken hat, sich mit ihm zu waschen, wenn man sauber sein möchte, sich nicht damit zu waschen, wenn man schmutzig bleiben will, es zum Kochen zu verwenden, wenn man bspw. Reis kochen will, es nicht zu verwenden, wenn man Fleisch braten will. Es spricht auch dafür, es nicht im Übermass zu verbrauchen, weil es ein knappes Gut ist, es in grossen Mengen zu verwenden, wenn ein Haus brennt und man es löschen soll.

Und eine verletzte Person, nun denn, sie spricht in jedem Fall dafür, dass ihr geholfen werde.

Es gibt wahrscheinlich eine sehr grosse Zahl von Fällen, in denen Wasser für etwas spricht.



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 31. Aug 2019, 11:29
Noch ein oder zwei allgemeine Worte zur Terminologie. Das ist meines Erachtens ein schwieriger Balanceakt. Auf der einen Seite ist alles, was wir hier diskutieren, natürlich tief in unsere Lebenswelt verwoben. Deswegen sollte die Terminologie irgendeine Art und Weise Kontakt zu unserer Alltagssprache halten. Auf der anderen Seite ist die Alltagssprache natürlich vorphilosophisch und vortheoretisch. Deswegen wird man nicht darum herum kommen, auch terminologische Veränderungen/Anpassungen vorzunehmen.

Außerdem sollte man die Üblichkeiten der diversen philosophischen Bereiche nicht ganz aus dem Blick verlieren, vorsichtig formuliert. Auch da werden die Begriffe sicher nicht einheitlich verwendet, aber gelegentlich in diese Bereiche zu schielen, kann nicht schaden finde ich.

Wichtig ist natürlich eine gewisse einheitliche Terminologie, insbesondere Äquivokation sind natürlich zu vermeiden.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 16:12
Ich habe im Laufe des Threads einige Zitate aus der philosophischen Literatur gebracht, die den Begriff Argument ähnlich verwenden, wie ich es hier vorgeschlagen habe. Das sollte zeigen, dass das eine gängige Verwendung ist. Ich hab heute noch ein weiteres Zitat dazu im Regal gefunden: "Ein Argument ist eine Aussage, mit welcher der Geltungsanspruch einer Behauptung begründet wird..." Das entspricht im Großen und Ganzen den anderen Zitaten, wenn mich nicht alles täuscht.
Alethos hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 17:54
Nun denn, wenn das Kriterium für die Wahrheit deiner Position eine übliche philosophische Sprachverwendung ist, dann frage ich mich, weshalb sich keiner der philosophischen Sprachverwender hier im Thread auf diese Position einigen konnte und es stattdessen bevorzugte, das Sprachspiel zu verlassen.




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