Baum der Erkenntnis #teamwork

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Jörn Budesheim
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So 19. Aug 2018, 12:38

Jean-Jacques Rousseau hatte unter einem Baum sein philosophisches Erleuchtungs-Erlebnis, Newton, so sagt die Sage, soll unter einem Baum, als ihm ein Apfel auf den Kopf fiehl, das Wesen der Gravitation begriffen haben. Und Buddha soll unter einer Pappelfeige erleuchtet worden sein.

Kennt ihr weitere solche Geschichten? Und überhaupt, was ist die Struktur dahinter, wieso Bäume?




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Jörn Budesheim
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So 19. Aug 2018, 16:16

Auf Facebook, wo ich die Frage auch gestellt habe, gab es eine ganze Reihe sachdienlicher Hinweise dazu:

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Eva und der "Apfelbaum" (SvenBauer)
Der brennende Busch - Moses (Klaus Weltermann)
Odin und die Weltesche Yggdrasil (Axelito Coyotito)
Der Baum des Lebens in der Kabbala (AC)
"Heilige Haine" der Kelten (AC)
Bei den Ägyptern ist die Zeder ein heiliger Baum (Lutz Freyer)

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Zur Symbolik:

"Wurzeln ziehen Wasser, sprich Erfahrung und Wissen, verteilen sie über die Äste und kleine Zweige zu den Früchten, der Erkenntnis... und das Licht/Sonne von oben wird ja gerne als das spirituelle Symbol belegt..." (Veronika Olma)

Osiris wird als ein Stamm mit zwei Ärmchen dargestellt (LF)

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Und auch Musik dazu war im Angebot :-) Anja Dietrich denkt an Zweiraumwohnung



Und Erika Theilacker fühlt sich erinnert an Hannes Wader und ein Gedicht von Nazim Hikmet: "Leben wie ein Baum, einzeln und frei doch brüderlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht." (Nazim Hikmet) (gesungen von Hannes Wader)





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Jörn Budesheim
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So 19. Aug 2018, 18:17

"Augustinus saß in seinem Garten unterm Feigenbaum. "Und siehe, da hörte ich aus dem benachbarten Haus die Stimme eines Knaben oder eines Mädchens in singendem Ton immer wiederholen: »Tolle lege« --- »Nimm und lies«" ... "Ich griff nach dem Buch, öffnete es und las still für mich den Absatz, auf den zuerst meine Augen fielen: »Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Streit und Eifersucht. Legt (als neues Gewand) den Herrn Jesus Christus an« (Röm 13,13 f ) Ich wollte nicht weiterlesen, es war wahrlich nicht nötig; denn bei dem Schluss dieser Worte kam das Licht des Friedens über mein Herz, und die Schatten des Zweifels entflohen.«" (Wojtek Skowron)




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Stefanie
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So 19. Aug 2018, 20:17

Da wurde eine Geschwindigkeit vorgelegt, damit kann ich gerade nicht dienen.



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Goethe

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Jörn Budesheim
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So 19. Aug 2018, 20:31

Mich wundert, dass ich zu dem Thema einfach nichts im Internet finde. Ich dachte, es würde genügen, dazu paar Namen zu sammeln (Buddha, Augustinus, Rousseau...) plus das Stichwort "Baum" und man bekommt eine Reihe von Aufsätzen dazu.

Aber damit finde ich einfach nichts ;(




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Stefanie
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So 19. Aug 2018, 20:47

In dem Buch "die kleinen Dinge der großen Philosophen" von Manfred Geier wird auch über Walter Benjamin berichtet, der hatte wohl auch ein Erlebnis mit einem Baum. Im selben Buch geht es auch um Rousseau, allerdings wird das mit dem Baum nicht angesprochen, sondern allgemein Rousseau und die Pflanzen. Ich habe beides aber noch nicht gelesen.


Alexandra das Lied, "mein Freund der Baum."



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Jörn Budesheim
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So 19. Aug 2018, 20:50

Gleich Mal googeln :-)
Walter Benjamin hat geschrieben : Der Baum und die Sprache

Ich stieg eine Böschung hinan und legte mich unter einen Baum. Der Baum war eine Pappel oder eine Erle. Warum ich seine Gattung nicht behalten habe? Weil, während ich ins Laubwerk sah und seiner Bewegung folgte, mit einmal in mir die Sprache dergestalt von ihm ergriffen wurde, daß sie augenblicklich die uralte Vermählung mit dem Baum in meinem Beisein noch einmal vollzog. Die Äste und mit ihnen auch der Wipfel wogen sich erwägend oder bogen sich ablehnend; die Zweige zeigten sich zuneigend oder hochfahrend; das Laub sträubte sich gegen einen rauhen Luftzug, erschauerte vor ihm oder kam ihm entgegen; der Stamm verfügte über seinen guten Grund, auf dem er fußte; und ein Blatt warf seinen Schatten auf das andre. Ein leiser Wind spielte zur Hochzeit auf und trug alsbald die schnell entsprossenen Kinder dieses Betts als Bilderrede unter alle Welt.

Quelle: https://www.textlog.de/benjamin-baum-sp ... atten.html




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Stefanie
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So 19. Aug 2018, 20:53

Kleine Korrektur. Geier beschreibt Rousseau Erlebnis auch, ebenso Safranski in "Wieviel Wahrheit braucht der Mensch?"
Aus diesem Buch kenne ich die Episode.

Aber warum der Baum?
Wohl auch, weil man darunter gut entspannen kann.



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Jörn Budesheim
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So 19. Aug 2018, 20:56

Dabei fällt mir, dass es ein Erlebnis von Sartre mit (aber nicht unter) einem Baum gibt, bei dem er (in meinen eigenen Worten) in der Wurzel dem schieren "dass" begegnet (o.ä.) Müsste ich mal raus suchen, konnte ggf. vage passen.




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Stefanie
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So 19. Aug 2018, 21:10

Ich weiß nicht mehr ob ich es gelesen habe oder im Fernsehen gesehen habe, aber anhand eines Baumes lässt sich die Gedankenweise von Humboldt erkennen. Kann sein, dass ich dazu was in dem Buch von Kehlmann gelesen hatte, wohl das mit Bäume umarmen. Sicher bin ich mir aber nicht mehr.


Das fand ich gerade.
https://www.uni-potsdam.de/romanistik/h ... omsu_2.htm



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Stefanie
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Mo 20. Aug 2018, 20:19

Was machen wir denn jetzt mit dem Wald voller Bäume?

Es auch mal versuchen?



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Jörn Budesheim
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Mo 20. Aug 2018, 20:25

Noch mehr Beispiele sammeln :-) Dann sortieren, dann das Muster philosophisch beackern.




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Stefanie
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So 6. Jan 2019, 21:29

Warum der Baum?
Als Zufallsfund bin ich auf die Einleitung von Descartes Grundlagen der Philosophie gestoßen:

„Die gesamte Philosophie ist also einem Baume vergleichbar, dessen Wurzel die Metaphysik, dessen Stamm die Physik und dessen Zweige alle übrigen Wissenschaften sind, die sich auf drei hauptsächliche zurückführen lassen, nämlich auf die
Medizin, die Mechanik und die Ethik.“



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Jörn Budesheim
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Mo 7. Jan 2019, 06:37

In einer gewissen Hinsicht ist der Baum eine "urmetaphysische" Metapher. Die Vielfalt der Erscheinungen - ihre unüberschaubaren Verästelungen - sollen zurückgeführt werden auf einen einzigen Stamm. Wo vieles ist, soll eins werden :-) im Prinzip ist das so etwas wie eine Entlastungs-Metapher: die unüberschaubare Komplexität der Welt soll reduziert werden auch etwas ganz "einfaches", auf ein erstes Prinzip: Alles ist X.




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Friederike
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Mo 7. Jan 2019, 09:30

Ganz gegenteilig das Rhizom, die unter der Erde oder knapp über der Erde wachsenden Wurzelgeflechte von Pflanzen, das G. Deleuze als Metapher für die Organisation der "Welt" und des Wissens, der Geschichte und der Gesellschaft gewählt hat. Gegenteilig, weil es hier um Netze, Zerstreuung und Verbreitung geht.




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Jörn Budesheim
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Di 8. Jan 2019, 05:44

Friederike hat geschrieben :
Mo 7. Jan 2019, 09:30
Ganz gegenteilig das Rhizom
Ich hab nur eine vage Erinnerung daran :-) Das war während meines Studiums en Vogue. Weil frankophone Philosophie en Vogue war

In gewisser Hinsicht ist es das Gegenteil, es gibt zum Beispiel kein einfaches "Zentrum", keine Linearität etc.

Aber ist es in jeder Hinsicht das Gegenteil? Ich bin mir nicht sicher. Hängt bei einem (?) Rhizom nicht auch alles mit allem zusammen? I dont know. Müsste ich mir erst wieder in Erinnerung bringen.




ahasver
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Di 8. Jan 2019, 10:07



Ein Baum ist kein Baum. Ein Wald ist kein Wald.

Kurzes Intermezzo: Zur Zeit zerstört der Mensch sich selbst, unter anderem indem er die Wälder zerstört.
Wie kann man einen :evil: Bolsonaro zum Präsidenten wählen ?????????

Ein Wald ohne Menschen, die in ihm und von ihm leben, die ihn durchstreifen ist kein Wald. Ein Wald, von der Forstwirtschaft in Reih und Glied stehend hochgezogen, ist kein Wald.



"Ich kann mich auch irren und nichts ist so sicher, als dass alles auch ganz anders ist."

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Friederike
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Di 8. Jan 2019, 16:55

ahasver hat geschrieben :
Di 8. Jan 2019, 10:07
Ein Wald, von der Forstwirtschaft in Reih und Glied stehend hochgezogen, ist kein Wald.
Ich wußte nicht einmal, daß dergleichen geschieht. Bisher sind mir nur "Baumschulen" bekannt gewesen, was aber natürlich etwas anderes ist als ein Wald-Artefakt. Die Sendung habe ich mir noch nicht angeschaut, aber das Foto ... die Licht- und Schatteneffekte, die nur ein Wald erzeugt. Schön.




ahasver
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Di 8. Jan 2019, 18:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 19. Aug 2018, 20:56
Dabei fällt mir, dass es ein Erlebnis von Sartre mit (aber nicht unter) einem Baum gibt, bei dem er (in meinen eigenen Worten) in der Wurzel dem schieren "dass" begegnet (o.ä.) Müsste ich mal raus suchen, konnte ggf. vage passen.
Sartre; Der Ekel



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Jörn Budesheim
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Di 8. Jan 2019, 18:58

Ah, gut - der Hinweis genügt schon.

Im Netz findet man damit schnell fragmentarische Ausschnitte. Der Protagonist Antoine Roquentin sitzt im Park und beim Blick fällt auf die Wurzel eines Kastanienbaums übermannt ihn ein metaphysischer/existenzieller Ekel - bei diesem Baum der Erkenntnis sieht er das reine sinnlose Sein an der Wurzel.

„Dieser Moment war ungeheuerlich ... ich verstand den Ekel ... Die Existenz hatte sich plötzlich enthüllt. Sie hatte ihre Harmlosigkeit einer abstrakten Kategorie verloren: Sie war der eigentliche Teig der Dinge, diese Wurzel war in Existenz eingeknetet.“ ... „Das Wesentliche war die Kontingenz“ ... „Ich will sagen, dass die Existenz ihrer Definition nach nicht die Notwendigkeit ist. Existieren ist dasein, ganz einfach; wir waren ein Häufchen Existierender..., wir hatten nicht den geringsten Grund da zu sein ..., jeder Existierende...fühlte sich in bezug auf die anderen zuviel.“ „Kontingenz und Freiheit, das sind zwei Gedanken, die sich in meinem ganzen Leben finden.“

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/wer- ... 00832.html




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