Ödipus Neu gedacht?

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Stefanie
Beiträge: 7312
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Di 21. Aug 2018, 22:18

Ausgangspunkt war, dass mir aufgefallen war, dass sowohl Rödl wie auch Arendt den Fall Ödipus verwendeten, um philosophisch etwas zu verdeutlichen.
Bei meiner Suche, wer dieses Beispiel noch verwendet hat, bin ich auf folgenden Artikel gestoßen:

https://hades2.zeit.de/user/wolframhein ... C3%B6dipus

Ich war erstmal verdutzt, als ich den Artikel las. Dann dachte ich, moment mal, da ist was dran.
Wie kann es sich um einen Ödipus Komplex handeln, wenn er doch nicht wusste, dass seine Ehefrau seine Mutter ist? Oder, er wusste doch nicht, dass es sein Vater war.

Wieso wird die Geschichte meistens immer nach dem bekannten Interpretationsmuster gelesen?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Tosa Inu
Beiträge: 2300
Registriert: Mo 31. Jul 2017, 19:42
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Mi 22. Aug 2018, 12:16

Neu ist das alles nicht.

Dethlefsen hat Ende der 1990er sein Buch "Ödipus der Rätsellöser" vorgelegt, vor allem einen seiner grandiosen Vorträge über 3 Stunden, dazu.
Gemeint als Ouvertüre zu einer Ödipusaufführung, die an eine Mischung aus dem anknüpfen sollte, was Dethlefsen als den Höhepunkt des Theaters bezeichnete, die antiken Aufführungen mit einer Betonung auf inneren Prozessen, während das was wir spannend finden, von den Bockschören im Vorbeigehen erzählt wird.

Doch diese Katharsis und dieser innere Läuterungsprozess auch setzen dann ein, wenn man intellekuell nicht genau versteht, worum es geht, "der Kontakt von Seele und Symbol" reicht seiner Meinung nach aus.

Eine Phase bei Dethlefsen, in der er sich von Psychotherapeuten weg bewegte und merh darauf zielte, Veränderungen im größeren Stil, bei mehreren Menschen zu induzieren, was dann schließlich in seinem umstrittenen Kawwana Projekt endete.

Im Ödipus Vortrag sagt Dethlefsen dann: "Wenn sie mal jemanden suchen, der keinen Ödipuskomplex hat, Ödipus ist es."
Denn in der Tat entwickelt sich, so Dehtlefsen, völlig zurecht, der Konflikt nur zwischen Menschen, auf die das Kind das Elternbild projiziert und das sind eben die Pflegeeltern, bei denen er aufwächst und nicht Laios und Jokaste, seine wahren Eltern, von denen Ödipus aber nicht weiß, dass es seine Eltern sind.
Den neurotischen Konflikt hat Freud vollkommen richtig erkannt, nur passt er nicht zu dem Mythos, dessen Namen er trägt.

Dethlefsen deutet den Mythos in der Weise, dass wir immer auch wahre Eltern habe, die wir nicht kennen und relativ nichtsahnend, wie eben Ödipus, unseren Vater umbringen, womit er unseren geistigen Weg meint, den wir vernachlässigen, und die Mutter ehelichen, Jokaste deutet er als Symbol für Frau Welt, mir der wir uns einlassen und in der wir uns völlig verheddern, bis wir nicht mehr ein noch aus wissen und dann auf dem Höhepunkt der äußeren Entfaltung der Ichhaftigkkeit, dann doch mal nach Rat fragen (in der Tragödie sind es die Orakel) und mit der Antwort nichts anfangen können und uns noch weiter verstricken.

Bis zu jenem Punkt der Umkehr, der Metanoia, wo uns allen dann ein Licht aufgeht. Punktgenau, so Dethlefsen, setzt die Tragödie hier ein.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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