Innen/Außen

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Jörn Budesheim
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Fr 21. Dez 2018, 05:26

Zum Beispiel gehört die Ansicht, dass sich Gefühle in einem privaten Innenraum befinden, zum "Dogma" der Innenwelt. In dem oben geposteten Interview macht das Hermann Schmitz recht anschaulich klar.




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Jörn Budesheim
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Fr 21. Dez 2018, 09:07

Stefanie hat geschrieben :
Mo 17. Dez 2018, 21:30
Kann das sein, dass Dich einfach die Bezeichnung stört?
Nein. Es geht mir um die Sache nicht um die Worte. Es ist etwas anderes, was mich stört...
Stefanie hat geschrieben :
Mo 17. Dez 2018, 21:30
Es gibt keinen Raum im physikalischen Sinn, auch im Gehirn kann man nur sehen, wann welche Areale aktiv sind. Gibt es einen anderes Wort, was idealer ist, als innen?

Die Gedanken und anderes sind erstmal vor Anderen verborgen. Es sind Deine. Nur du hast die Herrschaft darüber, ob Du sie mitteilst oder nicht. Jetzt gibt es wahrscheinlich ein zusammenzucken...weil es erstmal Deine Gedanken sind, sind diese erstmal bei Dir.

Es fühlt sich an wie meine Gedanken, Gefühle, die mir und zu mir gehören, und erstmal keinem anderen. Gehören im doppelten Sinne, einmal wirklich gehören im Sinne von Besitz, und zum anderen mein ich und mein Selbstverhältnis ausmachen.
Die Metapher von der Innen- und der Außenwelt ist dazu angetan ein äußerst komplexes und oft auch schwer durchschaubares Phänomen in ein viel zu einfaches Bild zu pressen.

Du schreibst, dass es nicht um den physikalischen Raum geht und sprichst in diesem Zusammenhang vom Gehirn und seinen Arealen. Dieser ist tatsächlich vor den Blicken der anderen verborgen. Darauf können wir uns gerne einigen. Aber wie ist es mit Gedanken? Da liegen die Dinge meines Erachtens schon etwas anders und zwar äußerst verwickelt, wie ich finde.
Stefanie hat geschrieben : Es geht um all das, zu dem (erstmal) nur Ich Zugang habe.
Lass uns ein Spiel spielen: Stell dir eine Zahl zwischen 0 und 10 vor. Du wählst irgendeine Zahl und das ist natürlich "erstmal" für mich nicht erkennbar. Ab hier wird es bereits sehr kompliziert und schwierig, finde ich. Denn Zahlen - und natürlich auch die, die du gewählt hast - sind prinzipiell etwas öffentliches. Man kann gar nicht bestimmen, was du da herausgeschickt hast, ohne den Bezug auf diesen öffentlichen für jeden einsichtbaren Zahlenraum. Das ist nicht erst innen und dann außen, oder? Ich bestreite also nicht, dass man die eigenen Gedanken vor anderen verbergen kann. Ich bestreite nur, dass sie wesenhaft, zunächst oder prinzipiell etwas "verborgenes" oder "Inneres" sind. Und auch wenn man sie für sich behält, sind sie nichts bloß innerliches, sondern etwas zugleich äußerliches, weil das ihrer externalistischen Struktur entspricht. Ein Gedanke gehört darüberhinaus immer zu einer logischen Struktur, die dem Gedankenhaber keineswegs immer präsent ist, die jedoch immer schon dazugehört. Ein Gedanke, auch wenn er erfasst wird, verlässt ja nicht den Raum, zu dem wesenhaft zählt. Deswegen können wir uns auch fragen, was aus einem Gedanken (erst noch) folgt.

Wenn man sich das ganze mit Hilfe einer räumlichen Metapher verständlich machen will, bei der innen so etwas ähnliches ist wie das Innere einer Schachtel, dann kommt man nicht weit, denn Zahlen sind nichts in diesem Sinne räumliches, sie gehören zu einer anderen "räumlichen" und insbesondere öffentlichen Ordnung.

(Das scheint mir im übrigen der metaphysische Kern des Problems zu sein, nämlich der Gedanke, dass es im Grunde nur ein einziges Ordnungsprinzip gibt, so dass man innen und aussen immer exakt eintragen und bestimmen kann. Wenn man das glaubt, dann gibt es so etwas wie Personen oder Subjekte nicht. Mit anderen Worten, wenn man stark machen will, dass wir Subjekte und Person sind, dann setzt man bei der Innenweltdogmatik auf das falsche Pferd. Das ist als eine allgemeine Bemerkung zu verstehen. Ich will damit nicht sagen, dass du @Stefanie auf dieses Bild setzt. Aber es gibt sehr viele Menschen, die die Räume, die unsere Subjektivität ausmachen, leugnen und dann paradoxerweise auch noch glauben, dass sie damit unsere Subjektivität stark machen. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist das der Gedanke, den Schmitz mit Hilfe der Metapher von dem Kuchenstücken, die man aus der Welt heraus schneidet, erläutern will.)

Es gibt Kinderspiele, die das recht schön klarmachen, was der Punkt ist, wie ich finde: die eine denkt sich (wie oben) eine Zahl aus, die andere fordert sie auf, eine Reihe von einfachen mathematischen Operationen (Plus und Minus) durchzuführen und am Ende wird man aufgefordert, die ursprünglich ausgedachte Zahl wieder abzuziehen ... und dann landen beide beim selben Ergebnis. Wie sollte das möglich sein, wenn Zahlen per se etwas innerliches oder privates wären? Der Witz dieses Spieles besteht ja darin, dass wir es mit (zumindest) zwei Bereichen zu tun haben, die aufeinander bezogen bzw miteinander verquickt sind, und welche sich unabhängig voneinander gar nicht bestimmen lassen. (Etwas zu bestimmen ist auch eine begriffliche Operation.)

Wir können die "innere" Wahl des einen Mädchens also gar nicht bestimmen ohne Bezug auf den "äußeren" öffentlichen Bereich der Zahlen. Wir können die Wahl aber auch nicht angemessen bestimmen, wenn wir uns nicht klar machen, dass es eben die Wahl dieses einen Mädchens war - nennen wir sie Karin. "Ich habe mir die 7 gedacht" ist etwas anderes als "Karin hat sich die 7 gedacht" - auch wenn beide Ausdrücke dieselbe Extension haben.

Wir haben hier, um ein etwas anderes Bild zu nehmen, (zumindest) zwei Pole, die jedoch immer aufeinander bezogen bleiben.

Das ist - ganz grob skizziert - einer der Punkte, der mich stört am "Innenwelt-Dogma" in Bezug auf die Gedanken. (an anderer Stelle habe ich versucht, den Unterschied zwischen dem Akt des Denkens und den Gedanken zum Thema zu machen, das gehört meines Erachtens auch in diesen Themen-Bereich hier)

Hier noch ein anderer Aspekt: In dem Kinderspiel oben ist die 7 in irgendeiner Weise "geheim", denn das andere Mädchen weiß nicht, welche Zahl herausgepickt wurde. Aber es wäre hochgradig irreführend, daraus ein generelles Bild für den "Ort von Gedanken" zu machen. Ich denke, jeder von uns erlebt es tagtäglich, dass er die Gedanken von anderen richtig deutet und versteht, auch wenn sie nicht in Worten geäußert werden. Gedanken handeln von etwas und das ist oftmals direkt die Situation, in der sich die Person gerade befindet. Sie sind dann nicht etwas, was in einer Innenwelt erst darauf wartet, geäußert zu werden, sondern die gesamte Situation muss in den Blick genommen werden, um den Gedanken überhaupt bestimmen zu können. Ich denke jeder von uns kennt auch Situationen, wo er daran scheitert, die Gedanken, die er oder sie hat vor den anderen "geheimzuhalten".

Sowohl die kausalen, phänomenalen als auch die logischen Verwicklungen dürften hier nicht immer leicht zu lösen sein, um fein säuberlich das eine hier (innen) und das andere da (außen) zu haben.




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Jörn Budesheim
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Fr 21. Dez 2018, 09:10

Niklas Luhmann hat das mal in ein schönes Bild gebracht. Dabei geht es zwar nicht um dasselbe, was wir hier behandeln, sondern um Systeme im Sinne von Luhmann, aber es passt auch hierher sehr gut. Er sagte sinngemäß, man darf sich Systeme nicht als Fettaugen auf einer Suppe vorstellen.




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Stefanie
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Fr 21. Dez 2018, 19:45

Ich muss leider erst was nachfragen.
Es gibt Kinderspiele, die das recht schön klarmachen, was der Punkt ist, wie ich finde: die eine denkt sich (wie oben) eine Zahl aus, die andere fordert sie auf, eine Reihe von einfachen mathematischen Operationen (Plus und Minus) durchzuführen und am Ende wird man aufgefordert, die ursprünglich ausgedachte Zahl wieder abzuziehen ... und dann landen beide beim selben Ergebnis.
Das habe ich nicht verstanden. Wer macht jetzt was? Rechnen jetzt beide mit ihrer jeweils ausgedachten Zahl?
Ich verstehe es einfach nicht.



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Jörn Budesheim
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Sa 22. Dez 2018, 05:14

Stefanie hat geschrieben :
Fr 21. Dez 2018, 19:45
Wer macht jetzt was? Rechnen jetzt beide mit ihrer jeweils ausgedachten Zahl?
Anna: Denk dir eine Zahl aus.
Bea: Yepp. (17)
Anna: Rechne plus 5
Bea: (22)
Anna: Ziehe 3 ab!
Bea: (19)
Anna: Addiere 11
Bea: (30)
Anna: Ziehe deine ausgedachte Zahl ab
Bea: (13)
Anna: Herauskommt 13

(Hat mir neulich einer meiner Enkel voller Stolz vorgeführt)




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Sa 22. Dez 2018, 05:19

Tommy hat geschrieben :
Sa 22. Dez 2018, 03:47
die Antworten "in seinem Innen"
Daraus, dass Gedanken, Gefühle etc. nach meiner Ansicht und der Ansicht vieler anderer nicht einfach in das Innen/Außen-Schema, in das "Innenwelt-Dogma" passen, folgt nicht, dass wir annehmen müssen, dass es daher nicht die Gedanken, Gefühle bestimmter Personen sind. "Das Urheber- und Besitzrecht" (wie du es nennst) hängt nicht daran, dass etwas "in mir" ist. Das Gegenteil ist der Fall. Dafür dürfte es beliebig viele Beispiele geben.

Auch meine Stimme ist schließlich nicht innen oder "in mir", sie ist aber dennoch meine Stimme. Meine Blicke sind ebensowenig generell innen, aber es sind dennoch immer meine Blicke.

Das Geld vor mir auf dem Tisch gehört mir, obwohl es nicht in mir ist. Es bleibt übrigens auch dann ein Zahlungsmittel und Teil einer öffentlichen Praxis, wenn ich es für mich behalte. Denn es wäre nicht mal das was es ist, nämlich Geld, wenn es nicht Teil dieser öffentlichen Praxis wäre. Und nur, weil es Teil dieser öffentlichen Praxis ist, kann es überhaupt mir gehören, denn das [in diesem Fall: Besitz] ist ein Teil dieser Praxis und nur aus dieser heraus zu verstehen und möglich.

Bei Geheimnissen ist es nicht anders. Sie lassen sich ohne Bezug auf eine öffentliche Praxis nicht bestimmen und können ohne diese nicht existieren, ohne diese ergibt der Begriff "überhaupt keinen Sinn". Der letzte Mensch könnte keine Geheimnisse haben, denn Geheimnisse haben wir immer vor anderen.

Ein Gedanke, was immer er sonst noch sein mag, ist ein logisches Gebilde. Er wird (auch) durch die Gesetze des Wahrseins bestimmt und die befinden sich nicht in irgendeinem Inneren. Zur Logik gehört nicht "ich weiß", worauf Ludwig Wittgenstein zu Recht hingewiesen hat.

Alle Bilder, die in diesem Zimmer, in dem ich gerade sitze komme hängen, sind mein Eigentum, obwohl sie nicht in mir sind. Bei einigen habe ich das Urheberrecht, obwohl sie nicht in mir sind bei anderen habe ich bloß das Besitzrecht, auch obwohl sie nicht in mir sind.

Und diejenigen Bilder, die hier hängen, die ich selbst gemalt oder gezeichnet habe, deren Urheber ich bin, waren niemals "in" mir. Das degradiert sie aber keineswegs. Daraus folgt auch nicht, dass es nicht meine Bilder sind und auch nicht, dass sie nicht etwas persönliches sind und dass sie nicht zu meinem Leben gehören. Und obwohl sie nicht in mir sind, gehören sie zu dem, was ausmacht, wer ich bin.

Nicht mal mein Leben ist in mir, dennoch ist es mein Leben.

All das sind keine Dinge, die einfach irgendwo "innen" sein können, wie ein Keks in der Dose.




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Sa 22. Dez 2018, 12:07

Tommy hat geschrieben :
Sa 22. Dez 2018, 11:58
Denn es eliminiert und ignoriert den Teil, den Du hinzugetan hast, der "aus Dir" kommt, den es ohne das Individuum Jörn niemals geben würde.
Nein, es ignoriert gar nichts. Es nimmt bloß nicht einen Aspekt für das Ganze. Außerdem kommen Ideen nicht aus mir, sondern ich habe sie. in der Regel entwickle ich sie in der Auseinandersetzung mit der mich umgebenden Welt und nicht mit irgendeinem Innen.




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Jörn Budesheim
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Sa 22. Dez 2018, 12:08

Tommy hat geschrieben :
Sa 22. Dez 2018, 12:06
Damit hat deine Enkelin aber nicht deine Zahl erraten
Genau, deswegen wurde das auch gar nicht erst behauptet. Es war übrigens der Enkel.




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Jörn Budesheim
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Sa 22. Dez 2018, 12:20

Ich habe auch nicht behauptet, dass die ausgewählte Zahl erraten wird. Was ich behauptet habe, ist etwas ganz anderes. Wie immer nimmst du nicht zu dem Stellung, was ich wirklich sage, sondern zu irgendetwas was du frei erfunden hast.




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Stefanie
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Sa 22. Dez 2018, 16:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 22. Dez 2018, 05:14
Stefanie hat geschrieben :
Fr 21. Dez 2018, 19:45
Wer macht jetzt was? Rechnen jetzt beide mit ihrer jeweils ausgedachten Zahl?
Anna: Denk dir eine Zahl aus.
Bea: Yepp. (17)
Anna: Rechne plus 5
Bea: (22)
Anna: Ziehe 3 ab!
Bea: (19)
Anna: Addiere 11
Bea: (30)
Anna: Ziehe deine ausgedachte Zahl ab
Bea: (13)
Anna: Herauskommt 13

(Hat mir neulich einer meiner Enkel voller Stolz vorgeführt)
Aha. Mir war nicht klar, dass das rechnen vorgegeben wird. Danke.



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Stefanie
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Sa 22. Dez 2018, 19:00

Ehrlich gesagt bin ich gerade etwas ratlos. Wir schreiben vielleicht doch nicht über dasselbe, oder so. Oder doch. Ratlos.

Beispiele wie das Geld, oder der Keks, lassen mich immer etwas irritiert zurück. Wie auch etwas die Beispiele mit den Zahlen.
Geld ist ein körperliche Gegenstand, leblos, gefühllos, gedankenlos, kein lebendes Wesen, und keine Person. Um die Herrschaft, Entscheidungsmacht über leblose Gegenstände geht es nicht.
Es geht um menschliche Gedanken, denken, Gefühle, Emotionen etc. Das sind keine leblose Gegenstände.
Eine Person ist kein Keks.
Solche Beispiele erinnern mich an die Begebenheit in einer Rehassportstunde, auch noch in einer Gruppe, wo die Leiterin sagte, wir sollten uns jetzt mal vorstellen, wir seien wie die Bahnschranke, und die Bewegung nachmachen und erspüren. Darauf ich, dass ich mich als Mensch nicht in ein lebloses Stück Metall einfühlen könne, was von mir soll ich jetzt wie bewegen? Damit waren die Positionen geklärt :- )

Ich versuch's mal mit Herrn Schmitz. In dem Interview "Gefühle sind keine Privatsache" sagt er:
"Wenn ich aber sage „Ich bin traurig“, kann nur ich das sagen. Denn es bin eben ich, der hier unvertretbar berührt ist. Das ist das Besondere am affektiven Betroffensein – es geht einem etwas so nahe, dass man nicht umhinkommt, sich selbst zu spüren, wie kein anderer einen spüren kann."

Was ist privater als das? Deswegen finde ich ja, widerspricht er sich. Das ist jetzt aber jetzt nicht mein Punkt.
Das war er sagt, ist das, um was es mir geht. Nicht nur bei traurig, sondern bei allen Gefühlen, auch hinsichtlich des Denkens.
Sich selbst zu spüren, wie kein andere einen - es- spüren kann. Salopp gesagt, es ist meins.
Dass das, was einem so nahe geht, von der Welt um mich herum beeinflusst wird, oder gar hervorgerufen wurde, ändert daran nichts, das man nicht umhinkommt, sich selbst zu spüren, wie kein andere einen spüren kann.

Das lässt sich halt am besten mit innen und außen beschreiben. Oder beisich.
Oder private innenwelt nach Herrn Schmitz.

Ich gebe zu, ich mache etwas Rosinenpicken, denn so einige andere Ansichten von ihm finde ich...ähm, ...nun ja.



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ahasver
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Sa 22. Dez 2018, 21:49

Schmitz: "Die philosophische Tradition seit Demokrit, die Philosophie des Christentums und des Mittelalters, aber auch die von den Naturwissenschaften inspirierte Moderne überdeckt diese mannigfaltigen unwillkürlichen Erfahrungen durch den Körper-Geist-Dualismus beziehungsweise das „Innenweltdogma“, wie ich es nenne. Die Seele stellt man sich dann vor wie einen privaten, von der Welt abgeschlossenen Container, wobei unklar ist, in welchem Verhältnis er zu einer scheinbar bloß materiellen Außenwelt stehen soll. Die neueste Blüte dieses Ansatzes ist der Materialismus, also der Versuch, die Seele durch das Gehirn zu ersetzen. Diese Perspektive zeichnet ein falsches Bild davon, wie wir Menschen in der Welt sind.
Die menschliche Seele ist kein von der Welt abgeschlossener Container."


Wer um Gottes Willen stellt sich die Seele als einen privaten, von der Welt abgeschlossenen Container vor???
Die Essenz dieser Gedanken -Die menschliche Seele ist kein von der Welt abgeschlossener Container- ist in etwa so hilfreich und geistreich wie die Behauptung die menschliche Seele funktioniere anders als ein 8 Zylinder Ford Cosworth Motor.

Nur so zum Spaß: Das sog. "Innenleben" eines Menschen (oder eines Tiers, einer Pflanze, einer Maschine, eines Steines,...) ist uns nicht direkt zugänglich. Es ist eine intrinsische Größe. Aber es beeinflußt uns auf magische Weise. Wir sehen, hören, fühlen von anderen Menschen oder Dingen nur jeweils ihre Außenseite. Diese "Außenseite" wäre eine andere, hätte sie eine andere "Innenseite" ein anderes "Innenleben". Deine Außenseite wird von mir als "mein" Innenleben erlebt. Außenseiten gibt es nur als Innenseiten. Die Art und Weise in der ich deine Außenseite erlebe, wie es für mich ist, dich zu erleben, ist dir wiederum nicht direkt zugänglich. Aber sie steckt in deinem Erleben drin, wie es für dich ist, mich zu erleben....ad infinitum.
Innenleben ist kein Spiegel fremden Innenlebens. Es ist eine magische Wechselwirkung, eine Beziehung zwischen Polen, in der die Wechselwirkung, die Beziehung das Primäre ist und nicht die Pole. Eine Relation in der die Relation das Primäre ist und nicht die Relata. Ein spontaner, kreativer Akt.
Es gibt natürlich keine rein bipolare Beziehung. Beziehungen oder Relationen sind immer multipolar. In jeder Beziehung steckt der gesamte Kosmos (als Mannigfaltigkeit von magischen Polen oder Relata). Jede Beziehug ist eine Beziehung zum ganzen Kosmos.
:mrgreen:



"Ich kann mich auch irren und nichts ist so sicher, als dass alles auch ganz anders ist."

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Jörn Budesheim
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So 23. Dez 2018, 06:24

Stefanie hat geschrieben :
Sa 22. Dez 2018, 19:00
Geld ist ein körperlicher Gegenstand
Das Papier, aus dem der Geldschein ist, ist "körperlich". Aber das allein macht noch kein Geld. Ohne eine entsprechende Praxis wäre das Stück Papier halt kein Geld. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Das ist das Problem dieses Threads. Man kann sich nicht auf einen Aspekt fokussieren und dann glauben, das wäre es bereits: Das Stück Papier mag in meinem Portemonnaie sein. Aber dadurch hört es als Geldschein nicht auf, Teil einer öffentlichen Praxis zu sein. Ohne diesen weiteren Aspekt ist es nämlich kein Geldschein, sondern bloß ein Stück Papier.
Stefanie hat geschrieben : Eine Person ist kein Keks.
Genau. Oder noch genauer: eine Person ist keine Dose. Und Gefühle, Gedanken etc. sind keine Kekse, so dass man sagen könnte, die Gefühle sind in mir. Das ist mein Punkt. Gefühle und Gedanken sind keine Gegenstände und wir sind keine Behälter. Ich bin nicht der Behälter meiner Gefühle oder Gedanken etc.

Natürlich sind Gedanken nicht wirklich vergleichbar mit den Geldscheinen oben. Dennoch gibt es "Ähnlichkeiten". Beide sind nur als Teil von etwas zu verstehen. Man muss sich von der materialistischen Sicht lösen, dass man das, worum es geht, schon vor sich hat, wenn man den Geldschein anfasst und anschaut. Die Praxis, die ihn auch ausmacht, kann man nicht in dieser Weise anschauen und anfassen, dennoch ist sie völlig real und dennoch gehört sie dazu, sie befindet sich aber nicht in irgendeinem Portemonnaie zum Beispiel.

Wenn ich denke, dann spielen sich irgendwelche Vorgänge in meinem Gehirn ab. Ohne Frage. Das ist notwendig. Aber es ist nicht hinreichend. Gedanken sind (neben anderen) auch logische Gebilde. Aber darauf passen keine räumlichen Prädikate. Dieses referentielle Netz hat nicht einfach einen Ort. Schon gar nicht in mir. Aber der Gedanke, den ich habe, wäre ohne dieses Netz gar kein Gedanke. Zwar ist es wahr, dass gerade ICH jetzt diese Gedanken hier fasse und niederschreibe und kein anderer und keine andere. Aber das ist halt nicht alles, es ist nur ein Aspekt, wenn natürlich auch ein wichtiger. Wir sollten diesen einen Aspekt einfach nicht für das Ganze nehmen.




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So 23. Dez 2018, 06:55

Hermann Schmitz hat geschrieben : "Wenn ich aber sage „Ich bin traurig“, kann nur ich das sagen. Denn es bin eben ich, der hier unvertretbar berührt ist. Das ist das Besondere am affektiven Betroffensein – es geht einem etwas so nahe, dass man nicht umhinkommt, sich selbst zu spüren, wie kein anderer einen spüren kann."
Aber daraus folgt eben nicht, dass sich die Traurigkeit in mir befindet oder, dass sie etwas Inneres ist oder Teil einer Innenwelt ist. Nehmen wir an, ich trauere um eine bestimmte gestorbene Person (die fiktive Laura). Ich bin es, der hier unvertretbar berührt ist. Und zwar vom Tod Lauras. Wie sollte das "in" mir sein? Das ergibt einfach keinen Sinn, finde ich.

Du schreibst: "Dass das, was einem so nahe geht, von der Welt um mich herum beeinflusst wird, oder gar hervorgerufen wurde, ändert daran nichts, das man nicht umhinkommt, sich selbst zu spüren, wie kein andere einen spüren kann." Dem stimme ich (im Großen und Ganzen) zu. Deshalb kann ich dem folgenden eben nicht zustimmen: "Das lässt sich halt am besten mit innen und außen beschreiben." Es lässt sich wohl kaum schlechter beschreiben. Denn der Schmerz fühlt sich keineswegs so an, als sei er Innen. Das Gefühl ist völlig anders, finde ich. Der ganze Leib und alles um einen herum ist in Schmerz. Wie sollte das innen sein? Und es ist der Schmerz, die Trauer um etwas. Weder die Art und Weise, wie sich der Schmerz anfühlt noch das, wovon er handelt, legt die Metapher von der Innenwelt nahe. Ich kenne Situationen, wo ich mich einem Ort nähere und es fühlt sich so an, als käme der Schmerz mir entgegen. Das ist nicht innen und auch nicht einfach außen. Und das ist auch nicht ein Gefühl ohne Inhalt, sondern ich weiß und fühle stark, worum es geht und das ist anabtrennbarer Teil des Gefühls. Mit Innenwelt hat das nichts zu tun. Das entspricht weder dem "Feeling" noch seinem "Inhalt".




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So 23. Dez 2018, 07:10

Wenn wir unsere Subjektivität stark machen wollen, müssen wir ihren "Weltcharakter" stark machen, finde ich. Wenn wir ihr jedoch einen Ort - irgendwo innen - zuweisen, dann ist die Subjektivität schon perdu. Jeder von uns lebt (mit den anderen) in diversen "Bedeutungswelten". Die sind völlig real, aber sie sind natürlich nicht einfach identisch mit dem physikalischen Universum und sie sind vor allem nicht irgendwo "innen".

Schmitz (und andere) haben sehr schön heraus gearbeitet, woher die Anforderung stammt, das alles, was uns ausmacht, in das kleine abgeschlossene Reservat der Innenwelt zu packen. Es ist die Idee (und ihre Nachfolger), dass es im Grunde nur "Atome und Leere" gibt. In diesem grundsätzlichen Bild gibt es halt nur einen Platz für unsere Subjektivität. Und das ist irgendwo in dem Kuchenstückchen, von dem Schmitz spricht. Aber unsere Subjektivität ist nicht nach dieser Art. Wenn wir ernst nehmen, dass wir leben, denken, fühlen, dann können wir das nicht mitmachen, finde ich.




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So 23. Dez 2018, 08:05

Stefanie hat geschrieben :
Sa 22. Dez 2018, 19:00
Ehrlich gesagt bin ich gerade etwas ratlos. Wir schreiben vielleicht doch nicht über dasselbe, oder so. Oder doch. Ratlos.
Nur wenn man das ICH mit der sog. "Innenwelt" identifiziert, kommt man auf die Idee, dass die Ablehnung der Idee der "Innenwelt" zugleich eine Ablehnung des ICH ist.

Wenn man bei YouTube Videos von Hermann Schmitz sucht, dann findet man Tagungs-Mitschnitte mit dem Titel "Wege zu einer volleren Realität". Das finde ich einen guten Titel, der auch klar macht, worum es wirklich geht.




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So 23. Dez 2018, 10:47

Stefanie hat geschrieben :
Sa 22. Dez 2018, 19:00
Das lässt sich halt am besten mit innen und außen beschreiben. Oder beisich.
Vielleicht ist "beisich" ein besserer Versuch.

Nehmen wir noch mal die Trauer: "Ich bin traurig" bedeutet aus deinem Mund natürlich etwas ganz anderes als aus meinem. Schmitz macht das in den Videos auch ganz deutlich. Der Punkt, dass er selbst Hermann Schmitz ist, ist unvertretbar. Im Übrigen ist das auch ein zentraler Punkt Nagels, den wir hier im Forum ausführlich besprochen haben. "Ich bin traurig" ist einfach nicht dasselbe wie "diese Person ist traurig", selbst wenn mit dieser Person Jörn Budesheim gemeint ist.

Diese Erkenntnis, dass dieses "Ich" unvertretbar ist, kann aber mit der "Innen-und-Außen" Metaphorik leicht verloren gehen. Darauf will Schmitz mit der Rede von Containern und Küchenstücke hinweisen - in dem selben Sinne sind wir natürlich auch keine Gehirne. Doch Container, Küchenstücke und Gehirne sind mit der "Innen-und-Außen" Metaphorik völlig kompatibel - sie bietet sich sogar dafür an. Doch gerade, wenn wir diesen unhintergehbaren Aspekt der Subjektivität einfangen wollen, ist diese Metapher "schwierig" - gelinde gesagt.

Ähnlich ist es übrigens mit "Hier" und "Jetzt". Wenn wir uns eine Person als Innenraum mit Außengrenzen vorstellen ... wo wollen wir dann zum Beispiel das "Hier" eintragen? Irgendwo "Innen"? Im Zentrum der Person? Das "Hier" hat nicht so einen Ort.

Wenn wir den (wie ich finde völlig verfehlten) Versuch unternehmen, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass deine Trauer natürlich immer etwas anderes ist als meine Trauer, indem wir es mit der Innen-Außen-Metapher formulieren, dann sind wir leicht geneigt, den Unterschied so zu fassen, dass sich etwas in diesen je verschieden Innenräumen befindet, was in den jeweils anderen nicht drin ist, so als seien wir eine Art lebendige Reihenhäuser. Wir könnten dann zum Beispiel nie zu dem Punkt kommen, dass zwei Personen um das selbe trauern, weil wir dann immer genötigt wären, den Trauergegenstand gleichsam zu "verdoppeln", um ihn in beide Reihenhäuser zu packen.




ahasver
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So 23. Dez 2018, 11:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 23. Dez 2018, 06:24
Stefanie hat geschrieben :
Sa 22. Dez 2018, 19:00
Geld ist ein körperlicher Gegenstand
Das Papier, aus dem der Geldschein ist, ist "körperlich". Aber das allein macht noch kein Geld. Ohne eine entsprechende Praxis wäre das Stück Papier halt kein Geld.

Zwar ist es wahr, dass gerade ICH jetzt diese Gedanken hier fasse
Ohne entsprechende Praxis wäre Papier kein Papier.

Aber viel wichtiger: Nicht ICH fasse einen Gedanken. Der Kosmos gebiert einen Gedanken in mir. Wahr ist dieser Satz allerdings auch nicht.



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ahasver
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So 23. Dez 2018, 11:38

Tommy hat geschrieben :
So 23. Dez 2018, 02:05
ahasver hat geschrieben :
Sa 22. Dez 2018, 21:49
In jeder Beziehung steckt der gesamte Kosmos (als Mannigfaltigkeit von magischen Polen oder Relata). Jede Beziehug ist eine Beziehung zum ganzen Kosmos.
:mrgreen:
Wie ist hier "Kosmos" zu verstehen?
Als alles was ist?
Wenn ich den Begriff >Kosmos< benutze, meine ich etwas anderes, etwas Umfassenderes, als wenn ich den Begriff >Universum< benutze. Universum ist eine Mannigfaltigkeit von (potentiellen und faktischen) elementaren Quantenereignissen. Wenn ich nun auch noch in Betracht ziehe, dass all diese potentiellen Quantenereignisse -seien sie von uns aus betrachtet in der Vergangenheit oder Zukunft- miteinander verschränkt (informal verbunden) sind, nähere ich mich dem Kosmosbegriff.
Mit Kosmos bezeichne ich die holistische Ganzheit. Wozu ich nicht mehr kommen werde ist zu zeigen, dass diese Ganzheit lebendig ist. Lebendig bis hinein in die elementaren Quantenereignisse.
Extrinsisch zeigen sich diese als Protonen, Elektronen,...Intrinsisch ereignet sich in jedem der gesamte Kosmos.
Wenn wir über Innen-Außen diskutieren, ist es vielleicht hilfreich zu bedenken daß die Grundstruktur des Kosmos atemporal und nicht-lokal ist. Die Welt als ein klassisches Innen-Außen-Verhältniss zu beschreiben macht nur für Spezialfälle Sinn: Al Capone sitzt im Knast - ich bin draußen.



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So 23. Dez 2018, 12:16

ahasver hat geschrieben :
So 23. Dez 2018, 11:23
Ohne entsprechende Praxis wäre Papier kein Papier.
Und?




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