Faulheit... und die Kunst des Müßiggangs

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Jörn Budesheim
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Di 30. Apr 2019, 06:33

Jörn hat geschrieben : Nach der Morgentoilette verläßt man das Haus ohne Ziel, ...
@Stefanie - am Anfang des Threads habe ich an ein paar Beispielen erläutert, was ich mir unter Muse vorstelle und du hast gesagt, dass du es genauso siehst. Das Zitat von Figal bringt es auf den Punkt.




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Stefanie
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Di 30. Apr 2019, 07:48

Ja.
Da wusste ich aber noch nicht, dass jemand es so sieht:
In dieser Bereitschaft spielt Freiheit, und zwar eine Freiheit besonderer Art, eine Freiheit, die ganz anders ist als das, was man sonst meist unter Freiheit versteht. Sonst ist Freiheit die Möglichkeit, etwas, das man sich vorgenommen hat, ungehindert durchzuführen, die Möglichkeit auch, in jeder Phase des Tuns zu kontrollieren, was geschieht, so dass nichts einfach geschehen kann, sondern nur geschieht, was man tut. Diese Kontrollmöglichkeit ist ein Wesensmerkmal dessen, was man den Willen nennt; der Wille ist nicht so sehr ein inneres Vermögen, als ob es in einem selbst so etwas wie eine Kommandozentrale gäbe, sondern eben die Kontrolle im Tun gemäß einer im Voraus gefassten Absicht – einem Absehen darauf, wie etwas sein soll, bevor es da ist. Der Wille ist frei, aber die Freiheit, sich überraschen zu lassen, ist keine Willensfreiheit, sondern Freiheit vom Willen. Man muss nicht mit allem, was da ist, rechnen und zusehen, ob es sich der eigenen Rechnung fügt.
Darüber muss ich nachdenken, weil mir da irgendetwas querliegt. Schon als ich den Satz gelesen hatte (den fett markierten), bin ich darüber gestoplert.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Jörn Budesheim
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Mi 1. Mai 2019, 16:57

Peter Philipp Riedl versteht Muße in Anknüpfung an Aristoteles als „Freiheit von den Zwängen des Handelnmüssens“; (zitiert nach Thomas Klinkert)




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Friederike
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Mi 1. Mai 2019, 17:43

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 1. Mai 2019, 16:57
Peter Philipp Riedl versteht Muße in Anknüpfung an Aristoteles als „Freiheit von den Zwängen des Handelnmüssens“; (zitiert nach Thomas Klinkert)

Neiiin. Da ich es gerade gestern schrieb, ist es mir noch präsent. Wir müssen jeden Moment handeln.
Das ist so wahr, daß es mir auch präsent wäre, wenn ich es nicht gestern geschrieben hätte. Man wähnt sich nur oft frei vom "müssen".




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Jörn Budesheim
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Do 2. Mai 2019, 06:24

Stefanie hat geschrieben :
Di 30. Apr 2019, 07:48
querliegt
Friederike hat geschrieben :
Mi 1. Mai 2019, 17:43
Neiiin.
Die Damen haben sich wohl auf das "principle of No charity" verlegt :)




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Friederike
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Do 2. Mai 2019, 09:40

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 2. Mai 2019, 06:24
Stefanie hat geschrieben :
Di 30. Apr 2019, 07:48
querliegt
Friederike hat geschrieben :
Mi 1. Mai 2019, 17:43
Neiiin.
Die Damen haben sich wohl auf das "principle of No charity" verlegt :)
"Die Damen ..." Bild - ja, nach der Äußerung von mir fiel mir das Wort "trollen" ein, und um weitere Trollbemerkungen zu vermeiden, bin ich vom PC weg.




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Stefanie
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Do 2. Mai 2019, 19:16

Was liegt denn dem Sachverhalt zugrunde, das Haus ohne Ziel zu verlassen? Eine Entscheidung. Ich gehe aus dem Haus, ohne Ziel, weil ich das jetzt will.
Im weiteren Verlauf bieten sich etliche Alternativen, dies oder jenes zu tun. Oh lecker ein Eis wäre jetzt toll, also gekauft, und so beim Essen des Eis, oh das liest sich interessant, mal gucken was das für eine Ausstellung ist, also reingehen. Entscheidungen werden getroffen, dann wird gehandelt. Braucht es dazu nicht eine Willen? Es geschieht, das was ich will.
Kann man den Willen einfach so ausschalten?
Ich muss nichts entscheiden, ich muss nichts tun, es gibt keine Zwang in der Muße, also durchaus Freiheit ohne handeln zu müssen.
Aber Freiheit vom Willen? Der Wille ist doch immer dabei.



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Jörn Budesheim
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Fr 3. Mai 2019, 08:33

Figal erklärt ja, was er meint:

"Was also zeichnet Mußeorte, Mußeräume wie die genannten aus? Was hat ein Kloster mit einem Wellnesshotel gemeinsam, was eine Bibliothek mit einem Thermalbad oder einem Landhaus? Was Mußeorte, Mußeräume miteinander verbindet, ist als erstes eine mehr oder weniger ausgeprägte Umgrenzung. Man sucht sie eigens auf, und in ihnen ist es anders als draußen. Umgrenzend, bergend, abschließend ermöglichen etwas, das man ohne sie oft nicht gewinnt. Die Schwelle, die man, sie betretend, überschreitet, ist etwa die zwischen Lärm und Stille, zwischen Geschäftigkeit und Ruhe, auch die zwischen offener Ansprechbarkeit und Abgeschlossenheit. Kommunikationsmedien haben an Mußeorten nichts zu suchen; wer Mußeorte aufsucht, will sich aus der beliebigen Erreichbarkeit zurückziehen.

Das haben solche Orte gemeinsam, so verschieden sie auch sind, und darin zeigengenießt sie, und das wiederum kann man nur, wenn man sie mehr oder weniger deutlich als Möglichkeiten im Blick hat. Das macht den Blick bei aller Konzentration eigentümlich weit. Zur Muße, so scheint es, gehört Dezentriertheit, ein nicht festgelegter Blick, die Bereitschaft, sich überraschen zu lassen.
In dieser Bereitschaft spielt Freiheit, und zwar eine Freiheit besonderer Art, eine Freiheit, die ganz anders ist als das, was man sonst meist unter Freiheit versteht.

Sonst ist Freiheit die Möglichkeit, etwas, das man sich vorgenommen hat, ungehindert durchzuführen, die Möglichkeit auch, in jeder Phase des Tuns zu kontrollieren, was geschieht, so dass nichts einfach geschehen kann, sondern nur geschieht, was man tut. Diese Kontrollmöglichkeit ist ein Wesensmerkmal dessen, was man den Willen nennt; der Wille ist nicht so sehr ein inneres Vermögen, als ob es in einem selbst so etwas wie eine Kommandozentrale gäbe, sondern eben die Kontrolle im Tun gemäß einer im Voraus gefassten Absicht – einem Absehen darauf, wie etwas sein soll, bevor es da ist. Der Wille ist frei, aber die Freiheit, sich überraschen zu lassen, ist keine Willensfreiheit, sondern Freiheit vom Willen. Man muss nicht mit allem, was da ist, rechnen und zusehen, ob es sich der eigenen Rechnung fügt. Man kann es sein lassen, nicht resignativ, sondern so, dass man das eigene Tun im Lassen, im Gelassenen versteht. Ohne solches Seinlassen und die ihm zugehörige Gelassenheit gibt es keine Muße.ein erstes Charakteristikum der Muße an, dies nämlich, dass Muße eine eigentümliche Ruhe, aber nicht dasselbe wie Freizeit ist. Es gibt Mußeorte wie Bibliotheken, die eigens zum Arbeiten gedacht sind, jedoch zu einem Arbeiten von besonderer Art. Solche Orte verhelfen zu einer ganz eigenen Art von Aufmerksamkeit– einer Aufmerksamkeit, die nicht gewonnen und bewahrt werden muss, sondern sich wie von selbst einstellt. Man ist auf eigentümliche Weise gesammelt. Dieses Sammelnde haben auch andere Mußeräume, Bäder und Gärten, Kirchen oder Tempel zum Beispiel.

Die Sammlung, wie sie angedeutet wurde, schließt Aufgeschlossenheit nicht aus. Bibliotheken laden dazu ein, sich nicht auf das eine Buch, das man bearbeitet, zu konzentrieren, sondern um sich zu schauen, Bücher zu sehen, die vielleicht zu dem, was man gerade tut, passen, so dass die Sache, an der man gerade arbeitet, sich erweitern kann und vielleicht aufs Neue in die Offenheit des Möglichen kommt. Man erwägt Ergänzungen, entschließt sich zu ihnen oder verwirft sie. In jedem Fall nimmt man die gewählte Möglichkeit im Zusammenhang anderer Möglichkeiten war. So ist es auch in Museen, die Bilder in den Kontext anderer Bilder stellen und zum Kombinieren und Vergleichen einladen, am besten dann, wenn sie keinen festgelegten ‚Rundgang’ bieten, keinen parcours von Raum 1 bis Raum 20, den man zu durchlaufen hat, sondern räumliche Möglichkeiten des Sichergehens und Schlenderns, in denen man Neues entdecken und auf bereits Entdecktes in Ruhe zurückkommen kann. In Muße lässt man sich auf diese Möglichkeiten ein, man..."




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Stefanie
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Fr 3. Mai 2019, 09:29

Sicher, es ist nur nicht so wie "Der Wille ist frei, aber die Freiheit, sich überraschen zu lassen, ist keine Willensfreiheit, sondern Freiheit vom Willen."
Freiheit vom Willen... wie soll das gehen? Auch in der beschriebenen Situation muss ich wollen, nur anders als z.B. auf der Arbeit.
Die Bereitschaft, sich überraschen zu lassen, ist eine Freiheit vom Willen?
Das liegt mir quer.



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Jörn Budesheim
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Wenn du den Text nicht so nimmst, wie er gemeint ist, dann kann man einfach nichts machen.




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Stefanie
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Fr 3. Mai 2019, 10:02

Wie ist denn der Text gemeint?

Ich verstehe was er meint. Nur nicht das mit dem Willen.
Es ist mir schleierhaft wie dies hier: "Sonst ist Freiheit die Möglichkeit, etwas, das man sich vorgenommen hat, ungehindert durchzuführen, die Möglichkeit auch, in jeder Phase des Tuns zu kontrollieren, was geschieht, so dass nichts einfach geschehen kann, sondern nur geschieht, was man tut." bei der Muße auf einmal keine Freiheit mehr ist.
Es geht bei Muße auch darum, gerade das tun zu können, was man will, und das gerade das geschieht, was man will. Nämlich das, was beschrieben wird, diese oder jenen Ort aufsuchen, welchen ich will, wann ich will, oder ich will gar nicht.
Bei einer" geplanten Aktion" lege ich von vorneherein fest, in der Reihenfolge mache ich dies oder jenes (übrigens für manche auch eine Muße), und bei der hier gemeinten Muße eben nicht, und mache z.B. mal so eben, weil ich das jetzt will, was anderes, weil es mir ins Auge fällt. Wie in dem Rundgang im Museum. Grundsätzlich gehe ich zu erst dorthin, was mir ins Auge fällt, und nicht dahin, wo der Rundgang sein soll. Wieso ist das eine Freiheit vom Willen?

Was meint er mit Wille?



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Jörn Budesheim
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Fr 31. Mai 2019, 07:40

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Aristoteles: „Wir arbeiten, um Muße zu haben …“




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Sa 3. Aug 2019, 19:55

Abschied vom zielgerichteten Denken

Neurobiologe Bernd Hufnagl zum Tagträumen

Bild

Tagträume bereichern unser Leben. Wie wichtig etwas Muße und nicht zielgerichtetes Denken sind, verdeutlicht der Neurobiologe Bernd Hufnagl. Er hat auch einige Tipps, wie wir Aussteigen um wieder Einzusteigen.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/ne ... _id=455469




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Jörn Budesheim
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So 10. Nov 2019, 13:49

Franz Josef Wetz hat geschrieben : Nun gehört aber das Streben nach Ruhe und Stille seit jeher zum Menschen. Doch nicht immer wird die Ruhe gesucht, um zum wahren Sein vorzudringen oder modernen Stress abzubauen, sondern oftmals auch, um wenigstens zeitweilig der allgemeinen Last des Lebens zu entfliehen. Hierher gehört das vielgepriesene »dolce far niente«, das »süße Faulenzen«, wie es bereits Friedrich Schlegel in der Lucinde preist: »O Müßiggang, Müßiggang! Einziges Fragment von Gottähnlichkeit, das uns noch aus dem Paradiese blieb! (…) Je göttlicher die Menschen, je ähnlicher werden sie der Pflanze (…). Und also wäre ja das höchste vollendetste Leben nichts als ein reines Vegetieren.« (Schlegel)




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Stefanie
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Do 12. Mär 2020, 22:17

Gerade zur Langeweile gefunden:
Philosophin:"Langeweile kannn ützlich sein"

Langeweile ist Zeitempfinden
Langeweile hört für sie da auf, wo diese Zeitspanne einen Sinn bekommt. Dann wird diese Zeit genaugenommen zur Muße.

Rita Molzberger unterteilt in drei Formen von Langeweile: situative Langeweile, Monotonie und existenzielle Langeweile.
Situative Langeweile geht schnell vorbei. Sie tritt beispielsweise beim Warten auf die Bahn auf. Kleine zerstreuende Handlungen – der Blick aufs Handy beispielsweise – lösen sie schon auf.Monotonie kann sich beispielsweise bei der Arbeit einstellen. Sie lässt sich nur durch eine grundsätzliche Änderung der Arbeits- beziehungsweise Lebenssituation beseitigen.Bei existenzieller, tiefer Langeweile, gibt es hingegen kaum ein Hilfsmittel.

Rita Molzberger ist überzeugt davon, dass bereits der bewusste Umgang mit Langeweile die nächste langweilige Situation verändert. Tatsächlich kann Langeweile einem kreativen Moment vorausgehen – sie muss es aber nicht. Da gebe es keinen zwingenden Zusammenhang.

"Nicht aus jeder existenziellen, langweiligen Situationen entspringt ein Kunstwerk. Aber wir brauchen Zeiten der Sinnleere, in denen wir uns auf uns selbst besinnen müssen."

https://www.deutschlandfunknova.de/beit ... ich-sein-1



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