Hannah Arendt, Denktagebuch Seite 469, Piper 2016Den Dichtern wird immer vorgeworfen, dass sie lügen. Und das ist auch ganz berechtigt. Nur von ihnen erwarten wir Wahrheit (nicht von den Philosophen, von denen wir Gedachtes erwarten). Vor einem so furchtbar unerfüllbaren Anspruch - wie sollte man nicht lügen?
Dichtung und Lüge
Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Schreibt Arendt wirklich "unerfüllten Anspruch"? Ich kriege nur einen Sinn zustande, wenn ich "unerfüllbar" einsetze.Stefanie hat geschrieben : ↑Sa 4. Mai 2019, 21:44Hannah Arendt, Denktagebuch Seite 469, Piper 2016Den Dichtern wird immer vorgeworfen, dass sie lügen. Und das ist auch ganz berechtigt. Nur von ihnen erwarten wir Wahrheit (nicht von den Philosophen, von denen wir Gedachtes erwarten). Vor einem so furchtbar unerfüllten Anspruch - wie sollte man nicht lügen?
- Jörn Budesheim
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Macht "man" denn den Dichtern den Vorwurf, sie lügen? In der Geschichte der Philosophie soll das schon vorgekommen sein :-)
Dichter lügen
Auch Daniel Kehlmann. Der lügt aufs schönste. Wie gedruckt
3. November 2005
Der Vorgang ist seit langem anhängig. Platon machte mal wieder den Anfang, und seither stritt die Kunst mit der Philosophie und die mit der Wissenschaft und die mit der Kunst darüber, was legitimerweise erfunden sei, was rundum gelogen und was bei alledem denn die Wahrheit. Dichter lügen, befand Platon im Dienste seiner Ideenlehre. Aristoteles hielt dagegen, dass der Mensch ein Erfinder sei wie die Natur, die eben von Natur aus fortgesetzt Neues hervorbringe, weswegen das auch dem Menschen gestattet sei, auf dass die Wirklichkeit reicher werde oder gar erst erkennbar.
...
https://www.zeit.de/2005/45/Glosse-Lit-45
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Eine Buch-Handlung
Vor vielen Jahren hab ich in einer Buchhandlung eine entfernte Bekannte getroffen, die gerade dabei war einen Stapel (!) Bücher zu kaufen. Ausschließlich Romane, wie sich schnell heraus stellte. "Ich kaufe keine Romane, das ist alles gelogen", wandte ich im Spaß ein. "Ehrlich?" fragte sie, um das kleine Spiel mitzumachen. An der Kasse ging es weiter: sie zur Kassiererin: "Der Herr hier behauptet, was in Romanen steht, sei alles gelogen. Stimmt das denn?" Die Antwort der Kassiererin hat uns beide umgeworfen: "Tut mir leid, das kann ich ihnen nicht sagen. Ich bin hier nur zur Aushilfe. Da müssen sie meine Kollegin fragen!"
Vor vielen Jahren hab ich in einer Buchhandlung eine entfernte Bekannte getroffen, die gerade dabei war einen Stapel (!) Bücher zu kaufen. Ausschließlich Romane, wie sich schnell heraus stellte. "Ich kaufe keine Romane, das ist alles gelogen", wandte ich im Spaß ein. "Ehrlich?" fragte sie, um das kleine Spiel mitzumachen. An der Kasse ging es weiter: sie zur Kassiererin: "Der Herr hier behauptet, was in Romanen steht, sei alles gelogen. Stimmt das denn?" Die Antwort der Kassiererin hat uns beide umgeworfen: "Tut mir leid, das kann ich ihnen nicht sagen. Ich bin hier nur zur Aushilfe. Da müssen sie meine Kollegin fragen!"
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Aber Dichtung ist doch nicht Lüge, oder? Dazu fehlt die Täuschungsabsicht - dass der Inhalt nicht wahr ist, reicht ja nicht, um von einer Lüge sprechen zu können.
Das Buch von Kehlmann "Die Vermessung der Welt", über Humboldt und Gauss habe und kenne ich. Bei diesem Buch haben mich diese Unwahrheiten nicht so gestört.
Ein weiteres Beispiel ist: "Das Buch von Blanche und Marie" von Per Olov Enquist und handelt von Marie Curie und blanche Wittmann, einer berühmten Patientin eines Pariser nervenarztes. Er verbindet die Geschichte der beiden Frauen, die sich wohl nie getroffen haben, zu einer möglichen Geschichte der Verbindung dieser zwei Frauen. Man kann auch sagen, er hat die Freundschaft der beiden Frauen komplett erfunden. Nicht nur die. Das irritiert schon.
Er schreibt dazu in seiner Danksagung:
"Dies ist ein Roman. Ich habe Tatsachenmaterial benutzt, um eben einen Roman zu schreiben, und verzichte deshalb auf eine Auflistung der Arbeiten, aus denen ich geschöpft habe. (...) Für die Art und Weise, wie ich all dies im Buch von Blanche und Marie verwendet habe, bin ich allein verantwortlich."
Für Hannah Arendt spielt die Dichtung, die Literatur und auch die Kunst eine große Rolle, und gerade für ihre politische Philosophie. Ebenso für ihr narratives Konzept.
Obwohl ich in der letzten Zeit etliches von ihr gelesen habe, auch zu ihrem Wahrheitsbegriff, stolpere ich etwas über dieses Zitat von ihr.
Vielleicht helfen diese Texte weiter.
https://www.leselupe.de/lw/titel-Hannah ... 116612.htm
https://www.praefaktisch.de/postfaktisc ... zeitalter/
Enquist hat in seinem Roman "Tatsachen" schlicht erfunden. Und auch als Tatsachen verkauft. Kehlmann hat was weggelassen bzw. einiges, sagen wir mal etwas angepasst.
Ein weiteres Beispiel ist: "Das Buch von Blanche und Marie" von Per Olov Enquist und handelt von Marie Curie und blanche Wittmann, einer berühmten Patientin eines Pariser nervenarztes. Er verbindet die Geschichte der beiden Frauen, die sich wohl nie getroffen haben, zu einer möglichen Geschichte der Verbindung dieser zwei Frauen. Man kann auch sagen, er hat die Freundschaft der beiden Frauen komplett erfunden. Nicht nur die. Das irritiert schon.
Er schreibt dazu in seiner Danksagung:
"Dies ist ein Roman. Ich habe Tatsachenmaterial benutzt, um eben einen Roman zu schreiben, und verzichte deshalb auf eine Auflistung der Arbeiten, aus denen ich geschöpft habe. (...) Für die Art und Weise, wie ich all dies im Buch von Blanche und Marie verwendet habe, bin ich allein verantwortlich."
Für Hannah Arendt spielt die Dichtung, die Literatur und auch die Kunst eine große Rolle, und gerade für ihre politische Philosophie. Ebenso für ihr narratives Konzept.
Obwohl ich in der letzten Zeit etliches von ihr gelesen habe, auch zu ihrem Wahrheitsbegriff, stolpere ich etwas über dieses Zitat von ihr.
Vielleicht helfen diese Texte weiter.
https://www.leselupe.de/lw/titel-Hannah ... 116612.htm
https://www.praefaktisch.de/postfaktisc ... zeitalter/
Enquist hat in seinem Roman "Tatsachen" schlicht erfunden. Und auch als Tatsachen verkauft. Kehlmann hat was weggelassen bzw. einiges, sagen wir mal etwas angepasst.
Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Dieses Zitat von Marguerite Yourcenar habe ich gerade gefunden.
Sowenig ich in einer Welt ohne Bücher leben möchte, sowenig werde ich in ihnen die Wirklichkeit suchen, weil ich weiß, dass die ganze Wirklichkeit darin nicht Raum hat.
Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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