Hat Rilke recht?

Im Zettelkasten können Zitate und Begriffe hinterlegt werden, auf die du andere Mitglieder des Forums aufmerksam machen möchtest.
Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Sa 13. Jul 2019, 19:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Jul 2019, 20:36
Ich hab eine Einführung in Benjamins Denken und habe das Kapitel über die Sprache gerade gelesen. Ich kann dazu heute Abend nur sagen, dass man das sicher nicht mal so nebenbei abhandeln kann... wirkt sehr kompliziert.
Morgen werde ich mich nochmal daran setzen. Schon deswegen, weil ich noch niemals einen Text von Benjamin gelesen habe.




Benutzeravatar
TsukiHana
Beiträge: 766
Registriert: So 3. Feb 2019, 01:41

So 14. Jul 2019, 08:30

Friederike hat geschrieben :
Di 9. Jul 2019, 10:41
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Jul 2019, 06:18
TsukiHana hat geschrieben :
So 7. Jul 2019, 18:03

POETISIERT EUCH!
Vielleicht können wir an dieser Stelle noch etwas verweilen?! Der Satz bestätigt sich gewissermaßen selbst, weil er das Singen der Dinge in einen wunderbaren Klang fast. Doch worum geht es hier? Um eine kontemplative Haltung?
Die Sinne öffnen, um die Dinge wahrzunehmen. Und zwar alle Sinne, nicht nur das Ohr, denke ich mir. Wie @TsukiHana neulich schrieb, die "Farben schmecken". Also auf jeden Fall eine rezeptive oder eine empfangende Haltung den Dingen gegenüber. Um einen Ton zum Klingen zu bringen, braucht es, glaube ich, Luft. Mit dem Zugriff durch das Wort erstickt man den Klang.
Dem schließe ich mich an.
Und ja, eine gewisse "kontemplative Haltung" ist Voraussetzung, will man dem Klang der Welt lauschen.



Wozu die Tage zählen!?
(Ф.М. Достоевский)

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

So 14. Jul 2019, 14:41

Benjamin hat geschrieben : Was teilt die Sprache mit? Sie teilt das ihr entsprechende geistige Wesen mit. Es ist fundamental zu wissen , daß dieses geistige Wesen sich in der Sprache mitteilt und nicht durch die Sprache. Es gibt also keinen Sprecher der Sprachen, wenn man damit den meint, der durch diese Sprachen sich mitteilt. Das geistige Wesen teilt sich in einer Sprache und nicht durch eine Sprache mit – das heißt: es ist nicht von außen gleich dem sprachlichen Wesen: Das geistige Wesen ist mit dem sprachlichen identisch, nur sofern es mitteilbar ist. Was an einem geistigen Wesen mitteilbar ist, das ist sein sprachliches Wesen. Die Sprache teilt also das jeweilige sprachliche Wesen der Dinge mit, ihr geistiges aber nur, sofern es unmittelbar im sprachlichen beschlossen liegt, sofern es mitteilbar ist.
Mir kommt es so vor, als würde "Sprache" bei Benjamin noch etwas völlig Anderes bedeuten als das, wie wir es gewohnt sind "Sprache" zu verstehen. Und er sagt an anderer Stelle verblüffenderweise, wie ich finde, "Sprache", wie er den Begriff verstünde, sei nicht metaphorisch gemeint. Vielleicht nähert man sich an, indem man "Sprache" als ein Dazwischen ... oder besser noch, als ein Transportmittel versteht.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

So 14. Jul 2019, 15:40

Ganz un-dialogisch möchte ich nur meine Worte loswerden.
Sprache ist mehr als ein System von Zeichen. Andererseits ist Sprache aber "Medium". Vielleicht doch sowas wie das Singen der Dinge (bei Rilke), die Art und Weise, wie sich das geistige Wesen der Dinge mitteilt. Ja, und dann das "Sich". Das "Sich" teilt sich mit.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23264
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 15. Jul 2019, 05:46

in der Einführung zu Benjamin heißt es: "Nach Benjamins Sprachaufsatz von 1916 hat alles an der Sprache teil, was sein geistiges Wesen im Ausdruck mitteilt. Darunter fasst er neben dem Menschen alles in der belebten sowie in der unbelebten Natur. Damit etabliert er den weitestmöglichen Begriff von der Sprache."

Benjamin ginge es um jene Dimensionen der Sprache, "die nicht vom menschlichen Wollen dominiert werden. Jene Dimensionen also, die nicht in der intendierten, prädikativen Mitteilung aufgehen, sondern in denen unmittelbar noch etwas anderes kommuniziert wird – wie zum Beispiel in der poetischen Sprache."




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 15. Jul 2019, 10:50

Benjamin hat geschrieben : Sprache bedeutet in solchem Zusammenhang das auf Mitteilung geistiger Inhalte gerichtete Prinzip in den betreffenden Gegenständen: in Technik, Kunst, Justiz oder Religion. Mit einem Wort: jede Mitteilung geistiger Inhalte ist Sprache, wobei die Mitteilung durch das Wort nur ein besonderer Fall, der der menschlichen, und der ihr zugrunde liegenden oder auf ihr fundierten (Justiz, Poesie), ist. Das Dasein der Sprache erstreckt sich aber nicht nur über alle Gebiete menschlicher Geistesäußerung, der in irgendeinem Sinn immer Sprache innewohnt, sondern es erstreckt sich auf schlechthin alles. Es gibt kein Geschehen .oder Ding weder in der belebten noch in der unbelebten Natur, das nicht in gewisser Weise an der Sprache teilhätte, denn es ist jedem wesentlich, seinen Inhalt mitzuteilen. Eine Metapher aber ist das Wort »Sprache« in solchem Gebrauche durchaus nicht. Denn es ist eine volle inhaltliche Erkenntnis, daß wir uns nichts vorstellen können, das sein geistiges Wesen nicht im Ausdruck mitteilt; [...]
"Ausdruck", an dem Wort in dem von Dir Zitierten @Jörn, bin ich hängengeblieben ... und ja, ich glaube, meine Frage, ob Ausdruck auch ein Bild sein könnte, die wird oben beantwortet. "Prinzip" ist das Schlüsselwort. "Mitteilung durch das Wort ist nur ein besonderer Fall" von Ausdruck.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mi 17. Jul 2019, 15:37

Ich lese Abschnitt 2 und bin ein einziges Fragezeichen. Gerade eben meine ich, eine Aussage festklopfen zu können und schon folgt im nächsten Satz eine Aussage, die die vorangehende für falsch erklärt.

Vielleicht wäre es doch geraten, einen Aufsatz zu lesen, der erläutert, wie man Benjamin lesen soll. :roll: Morgen mehr, so hoffe ich.




Benutzeravatar
TsukiHana
Beiträge: 766
Registriert: So 3. Feb 2019, 01:41

Fr 19. Jul 2019, 01:41

Ist es vielleicht ein "leichter Sommer-Loch-Stoff" für einen Lese-Thread? ;)



Wozu die Tage zählen!?
(Ф.М. Достоевский)

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 19. Jul 2019, 09:19

TsukiHana hat geschrieben :
Fr 19. Jul 2019, 01:41
Ist es vielleicht ein "leichter Sommer-Loch-Stoff" für einen Lese-Thread? ;)
@TsukiHana, Du bist meine Retterin - fang' an, sag was, irgendwas. :lol: Der Text ist weiter oben verlinkt. Vielleicht, ich komme auf absonderliche Ideen, beginnt man den Aufsatz am besten vom Ende her zu lesen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23264
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 19. Jul 2019, 13:36

Lesetherese fände ich super. Aber der Benjamin-Text ist mir zu haarig :-) Ich würde gerne einen Autor lesen, der verstanden werden möchte :-)




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Sa 20. Jul 2019, 10:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 19. Jul 2019, 13:36
Lesetherese fände ich super. Aber der Benjamin-Text ist mir zu haarig :-) Ich würde gerne einen Autor lesen, der verstanden werden möchte :-)
Die Spracherkennung weiß offenkundig nicht, was ein Lesethread ist ... das nur nebenbei; was ich eigentlich sagen will, daß ich froh bin, daß Du nicht so reagiert hast, wie ich es gestern nach dem Schreiben antizipiert hatte: "Friederike, jetzt mach nicht so einen Wind mit Benjamin, entweder Du schreibst was zum Text oder Du schreibst nichts zum Text. Dieses penetrante Stöhnen über Deine Verständnis-Schwierigkeit mit Benjamin nervt." Das ist natürlich eine Projektion meiner Rede mit mir selbst auf Dich gewesen.

Also die Methode flüchtiges Lesen des ganzen Aufsatzes und die wichtigsten Gedanken werden sich schon von alleine erschließen, die funktioniert leider nicht, wie ich gestern festgestellt habe. Man muß jeden Satz einzeln lesen und man muß jeden Satz übersetzen. Genau s o wie mit Adornos ND.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 22. Jul 2019, 11:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 19. Jul 2019, 13:36
Lesetherese fände ich super. Aber der Benjamin-Text ist mir zu haarig :-) Ich würde gerne einen Autor lesen, der verstanden werden möchte :-)
Das würde im Umkehrschluß bedeuten, Benjamin wolle nicht verstanden werden. Ich weiß nicht, ob es auch nur einen einzigen Autor gibt, der diese Absicht beim Schreiben verfolgt. Aber zustimmen würde ich Dir dahingehend, daß Benjamin es -zumindest in dem o.a. Aufsatz- nicht direkt darauf angelegt hat, verstanden zu werden. Vielleicht fehlen uns auch nur die Hintergründe seines Schreibens (gegen wen er argumentiert oder ein Begriff wie "geistiges Wesen").

Da ich am liebsten diesen Text Satz für Satz besprechen würde, es aber sowieso klar ist, daß niemand sich findet, deswegen möchte ich doch wenigstens nachfragen, ob Du Benjamin zu lesen tatsächlich keine Lust hast, weil er Dir zu "haarig" schreibt oder ob Du deswegen keine Lust hast, weil Du beim Durchgehen des Aufsatzes schon gemerkt hast, daß Dich sein "Sprache"-Verständnis nicht interessiert. Das klingt natürlich ein wenig unsinnig, weil genaugenommen das Interesse oder das Nicht-Interesse vom vorangehenden Verstehen abhängt, aber die Ahnung (Hogrebe, glaube ich, hat das Wort "ahnen" irgendwo expliziert) spielt doch auch eine Rolle. Weil Du also "ahnst" ...

Wenn ich mir überlege, warum ich nachfrage, dann ist es ein neuerlicher Versuch, über
Benjamin zu reden, wenn ich schon den Text nicht mit Euch besprechen kann - denn alleine habe ich keine Lust mich durchzumühen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23264
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 22. Jul 2019, 11:44

Nur kurz, weil ich gerade arbeite: Ich lese gerne Texte, bei denen ich das Gefühl habe, sie seien "für mich" geschrieben, bzw. das Gefühl habe, die Stimme des Autoren zu hören. Wenn mich die Lektüre quält, dann verliere ich schnell die Lust.




Benutzeravatar
TsukiHana
Beiträge: 766
Registriert: So 3. Feb 2019, 01:41

Mo 22. Jul 2019, 13:05

Friederike hat geschrieben :
Fr 19. Jul 2019, 09:19
@TsukiHana... sag was, irgendwas. :lol:
... ich komme auf absonderliche Ideen, beginnt man den Aufsatz am besten vom Ende her zu lesen.
Ach min Deern, gar so "absonderlich" ist diese Idee doch gar nicht! :lol:



Wozu die Tage zählen!?
(Ф.М. Достоевский)

Nauplios
Beiträge: 2875
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12
Kontaktdaten:

Mi 24. Jul 2019, 06:45

Friederike hat geschrieben :
Mo 22. Jul 2019, 11:33

Da ich am liebsten diesen Text Satz für Satz besprechen würde, es aber sowieso klar ist, daß niemand sich findet, ...
"niemand"? - hm, das kann man sooo vielleicht nicht sagen ... ;)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23264
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 26. Jul 2019, 06:47

Bild

Ein Vogel gibt dem heiligen Franziskus die Sprache zurück, die er von Nietzsche erhalten hat.

Ein kleiner Bild-Kommentar, der meines Erachtens ganz gut in diesem Thread hinein passt. es bezieht sich auf ein Bild, welches ich bei Facebook gesehen habe. Das kann ich hier nicht zeigen aus Copyright Gründen, hier ist der Link > https://m.facebook.com/story.php?story_ ... 1478613637




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23264
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 27. Jul 2019, 17:44

Ich schmöker gerade noch ein wenig in Sven Kramers Buch über Walter Benjamin. wir sollten nicht vergessen, dass def ursprüngliche Impuls, bei Benjamin nachzuschauen, war, ob es irgendwelche Überschneidungen mit Rilkes Gedicht gibt. Jetzt ist mir ein kurzer Satz von Kramer sozusagen über den Weg gelaufen, der wirklich gut zu dem Gedicht passt:

"Mit dem menschlichen Wort stellt sich das Geschwätz ein, das Hinwegreden über die Dinge statt ihres SichAussprechens."


[die spracherkennung ist heute sehr schlecht in Form, wahrscheinlich die Hitze]




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23264
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 27. Jul 2019, 18:34

In der philosophischen Rundschau findet man folgende ermutigende Sätze:

"Auch zehn Jahre nach Abschluss der nicht unumstrittenen Edition der gesammelten Schriften Walter Benjamins hat die etablierte Philosophie Schwierigkeiten, sich ihren Reim zu machen auf dessen philosophisches Denken. Überblickt man die Fülle der auch in den letzten Jahren erschienenen Abhandlung zu Benjamin, so kann dies wohl nicht mangelnde Aufmerksamkeit geschuldet sein ..."




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23264
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 28. Jul 2019, 13:46

"In dem Sprache von sich selbst spricht eröffnet sie eine Welt." (Thomas Schwarz Wentzer über Walter Benjamin)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23264
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 7. Aug 2019, 06:36

In seiner Vorlesung zu Benjamin bringt Josef Fürnkäs eine sehr interessante Unterscheidung, die für das Gedicht von Bedeutung sein könnte: Er unterscheidet zwischen Eigensinn und Fremdsinn. Dabei fällt auch der Begriff des Instrumentalisierens ("ihr rührt sie an"). Das Umbringen der Dinge wäre dann ihr Instrumentalisieren, ein Überstülpen des Fremdsinns statt ein Hören ihres Eigensinns.

Wenn man die Dinge anrührt, rühren Sie einen nicht mehr an.




Antworten