Die Phänomenologie des Lesens
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 26514
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
Ich wollte das, was ich meinte, präzisieren. So, wie du es formulierst, klingt es für mich ziemlich schräg :) aber das mg Geschmackssache sein.
Es war ja eher auch nicht so ernst gemeint mit der Definition von Phänomenologie als das Haben von so und so. Habe es witzig gefunden, wie du es an Stefanie herangetragen hast:
Aber wenn du beim Lesen keinen "Klang" hast, wie hast du denn dann ein so und so?
-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.
Alle lächeln in derselben Sprache.
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 26514
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
War mir schon klar, dass das nicht ganz ernst war. Meine eigene Formulierung ist auch ziemlich schrecklich ...
Ich finde sie nicht schrecklich, nur gewöhnungsbedürftig und im weitesten Sinne experimentell, aber gut. Jedenfalls weiss man, was gemeint ist, und darauf muss es schliesslich ankommen.
-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.
Alle lächeln in derselben Sprache.
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 26514
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
Ich muss gerade an diesen Thread denken; Ich habe mir vor einiger Zeit eine Leseprobe heruntergeladen: Emanuele Coccia, die Wurzeln der Welt. Und außerdem lese ich gerade das Gespräch zwischen Markus Gabriel und Matthias Eckoldt.
Die Wirkung dieser beiden Bücher könnte verschiedener kaum sein. Das Buch von Coccia macht mich fast aggressiv. Der Widerwille dagegen ist so stark, dass es mir schwer fällt, es überhaupt zu lesen. Das andere Buch macht mich nachgerade high :)
Ist es nicht verrückt, welche starken Gefühle ein paar schwarze Formen auf weißem Grund auslösen können?
Die Wirkung dieser beiden Bücher könnte verschiedener kaum sein. Das Buch von Coccia macht mich fast aggressiv. Der Widerwille dagegen ist so stark, dass es mir schwer fällt, es überhaupt zu lesen. Das andere Buch macht mich nachgerade high :)
Ist es nicht verrückt, welche starken Gefühle ein paar schwarze Formen auf weißem Grund auslösen können?
Also das kenne ich auch, immerhin. Wenn es ein Roman ist, der mich aggressiv macht, lese ich nicht weiter. Bei anderen Texten muss ich da oft durch, sonst kann ich nicht mitreden.
Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)
Google Translate ist ein sehr nützliches Werkzeug!
Die neuerdings erreichte Übersetzungsqualität ist erstaunlich.
Allerdings: Die armen menschlichen Übersetzer—die sind bald alle arbeitslos!
(Es wird ihnen vielleicht im Bereich der Lyrik eine Nische bleiben, die ihnen die KI-Übersetzungsmaschinen nicht wegnehmen können; denn die Übersetzung von Gedichten erfordert ein ganz besonderes Sprachgefühl, über das nur ein lebendiges Wesen verfügt.)
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
-
- Beiträge: 994
- Registriert: Di 23. Apr 2024, 14:30
Das stimmt nur grob, soweit man etwas absolut explizit und vollständig sagen kann. Das gilt natürlich für den größten Teil des alltäglichen Informationsaustauschs und für alle naturwissenschaftlichen Protokollsätze. Wenn man nicht an die Reduzierbarkeit auf letztere glaubt, und dafür spricht enorm viel, stimmt es eben nur für das meiste zu kommunizierende. Aber das Wissen und Deuten der Welt schreitet fort, die KI kann nur das Vorhandene verwalten (das freilich besser als jedes Individuum), aber sie ist nicht wirklich kreativ, es gibt immer die Möglichkeit und Notwendigkeit einer menschengemachten Verbesserung der Sprache. Bei Lyrik ist nur das Defizit der KI am deutlichsten sichtbar (und das Sprachgefühl, das auf einer Totalitätserfahrung an/mit der Sprache beruht, geht der KI völlig ab, schon bei den profansten Dingen, nicht erst in der Lyrik).
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 26514
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
Qualitätvolle Übersetzungen sind auch schon für Menschen ziemlich schwierig, da gibt es sehr gute und natürlich weniger gute. Ob die KI in absehbarer Zeit an gute menschliche Übersetzung heranreicht, muss man abwarten.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 16. Sep 2019, 18:52Ich habe mal Texte von ihm gelesen, die von einem Übersetzer vom Englischen ins Deutsche übertragen wurden. Der Übersetzer hat es geschafft, alles Lebendige aus den Texten zu tilgen. Das war Mord! Und dann habe ich die Texte von Feyerabend gelesen, die er selbst auf Deutsch geschrieben hatte - ein Unterschied wie Tag und Nacht. Hier hat man Feyerabend sprechen hören, in der Übersetzung war er stumm.
Der Mensch variiert alle Werke. Die KI kopiert seine Werks-Varianten.
Oder:
Der Mensch variiert alle Werke. Die KI variiert alle Werke. Der Mensch kopiert dann sowohl menschliche Werks-Varianten als auch KI-Werks-Varianten; somit wird die KI ein schöpfendes Mitglied der bestimmenden Kultur. Zuletzt bestimmt auch die KI mit, welches Werk als gut oder schlecht aufzufassen ist.
Oder:
Der Mensch variiert alle Werke. Die KI variiert alle Werke. Der Mensch kopiert dann sowohl menschliche Werks-Varianten als auch KI-Werks-Varianten; somit wird die KI ein schöpfendes Mitglied der bestimmenden Kultur. Zuletzt bestimmt auch die KI mit, welches Werk als gut oder schlecht aufzufassen ist.
-
- Beiträge: 994
- Registriert: Di 23. Apr 2024, 14:30
So würde ich das nicht formulieren. Denn in diesem Sinn ist auch eine Schneidemaschine, die Naturmarmor in Marmorfliesen verwandelt, schöpferisch. Ohne keine Marmorfliese.
Nehmen wir mal statt KI-"Fehler" irgendwelche sonstigen nichtmenschlichen "Fehler", zum Beispiel Risse in der Jeans. Früher wollte man solche Risse vermeiden, und wenn sie dennoch passierten, wurden sie geflickt, weil sie als Fehler aufgefasst wurden in Bezug auf Wärmeerhalt, Intimverdeck etc. Durch die Punkbewegung wurden die Risse zum modischen Ausdruck der Wildheit. Heutzutage werden die Risse industriell hergestellt und als Edel-Design-Jeans an Reiche verkauft, weil die Reichen auch ein bisschen wild sein möchten. So wurde ein ehemals zufällig entstandener "Fehler" schließlich zu einem Element der Modeschöpfung. Ähnlich läuft es in der Musik beispielsweise mit dem Autotuning. Dieser roboterhafte Jodeleffekt. Er ist ein "Fehler" in Bezug auf das natürliche Stimmbandverhalten. Durch stete Wiederholung in den Medien wurde dieser "Fehler" irgendwann als schick aufgefasst; das Roboterhafte wurde zur Schönheit, so, wie die Wildheit der Jeans-Risse zur Schönheit wurden. Es passiert durch Zufall. Da sind keine zentralen Bestimmer, die eines Tages diktieren: "Ab heute ist das Roboterhafte schön!", oder: "Ab heute sind Jeans-Risse schön!" -- Ähnlich wird die KI irgendwelche semi-zufälligen Sachen in die Welt setzen, von denen manche Sachen zufällig per Schneeball-Effekt medial verdicken und damit modisch werden und somit in einigen Leuten Mitmachwünsche und Zugehörigkeitswünsche wecken. Das Prinzip ist immer dasselbe. Nicht alles schöpft der Mensch selbst; einiges entsteht durch Zufall und Unfall und KI, denke ich. Auch "Fehler" in Übersetzungen.
-
- Beiträge: 994
- Registriert: Di 23. Apr 2024, 14:30
Aber was chic, der letzte Schrei ist, hat mit einem "seriösen" Begriff von Schönheit nichts gemein. Und eine simulierte Wildheit ist keine Wildheit, ist einfach fake. Wenn sich alte Menschen schminken, um die Spuren des Alters etwas zu verbergen, ist das OK, wenn sie zu dick auftragen, ist das nur peinlich. Denn das Alter ist kein Fehler (den man korrigieren kann oder muß).
Eine falsche Übersetzung ist eine unfreiwillige, unbewußt falsche Übersetzung, ein nicht richtig übersetzen-können. Eine verfälschende, bewußt nicht wörtlich vorgenommene, also den Wortsinn verfälschende Transformation in eine andere Sprache kann eine Aussage verbessern und verschönern. Ein guter Übersetzer verbessert einen Quelltext, seine "Fehler" sind das Gegenteil von Fehlern, sie sind optimierte Nacherzählungen.
Und ja, ein verändertes Schönheitsempfinden kann uU etwas ursprünglich für falsch gehaltenes als wertvoll adeln. Und zufällige "Fehler" können einen neuen Blick eröffnen und zur Umdeutung führen.
Eine falsche Übersetzung ist eine unfreiwillige, unbewußt falsche Übersetzung, ein nicht richtig übersetzen-können. Eine verfälschende, bewußt nicht wörtlich vorgenommene, also den Wortsinn verfälschende Transformation in eine andere Sprache kann eine Aussage verbessern und verschönern. Ein guter Übersetzer verbessert einen Quelltext, seine "Fehler" sind das Gegenteil von Fehlern, sie sind optimierte Nacherzählungen.
Und ja, ein verändertes Schönheitsempfinden kann uU etwas ursprünglich für falsch gehaltenes als wertvoll adeln. Und zufällige "Fehler" können einen neuen Blick eröffnen und zur Umdeutung führen.