Bewusstsein Qualia Neurowissenschaften

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Stefanie
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Mo 18. Nov 2019, 19:37

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 13. Nov 2019, 20:38

Der Artikel ist verständlich geschrieben und meines Erachtens ziemlich erstaunlich. Ich wusste zum Beispiel gar nicht, wie viele bekannte Namen sich tatsächlich mit dem Panpsychismus nicht nur beschäftigt, sondern ihn auch vertreten haben, für mich war das eigentlich eher eine "esoterische" Nischenidee. Keine Sorge, ich bin jetzt nicht plötzlich religiös geworden 😎

Hier ist der Link: https://www.herder.de/hk/hefte/archiv/2 ... sychismus/
Stimmt, ein wirklich lesenswerter Artikel. Allein die Stellen zur Physik, das war mir so nicht klar.

Und prägnant formuliert "von nichts kommt nichts".



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Jörn Budesheim
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Mo 18. Nov 2019, 19:39

Ich wollte ein Statement von Koch und Tononi selbst haben, wo sie sich zum Panpsychismus äußern, hier habe ich etwas gefunden, wenn auch auf englisch.
Consciousness: Here, There but Not Everywhere
Giulio Tononi, Christof Koch
(Submitted on 27 May 2014)

The theory vindicates some panpsychist intuitions - consciousness is an intrinsic, fundamental property, is graded, is common among biological organisms, and even some very simple systems have some. However, unlike panpsychism, IIT implies that not everything is conscious, for example group of individuals or feed forward networks. In sharp contrast with widespread functionalist beliefs, IIT implies that digital computers, even if their behavior were to be functionally equivalent to ours, and even if they were to run faithful simulations of the human brain, would experience next to nothing.

Die Theorie rechtfertigt einige panpsychistische Intuitionen - das Bewusstsein ist eine intrinsische, grundlegende Eigenschaft, ist abgestuft, ist unter biologischen Organismen verbreitet, und selbst einige sehr einfache Systeme haben einige. Im Gegensatz zum Panpsychismus bedeutet das IIT jedoch, dass nicht alles bewusst ist, zum Beispiel eine Gruppe von Individuen oder Feedforward-Netzwerke. Im Gegensatz zu weit verbreiteten funktionalistischen Überzeugungen impliziert das IIT, dass digitale Computer, selbst wenn ihr Verhalten funktional gleichwertig zu unserem wäre und sie treue Simulationen des menschlichen Gehirns durchführen würden, fast nichts erleben würden.

Übersetzt mithilfe www.DeepL.com/Translator




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Tangens Alpha
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Di 19. Nov 2019, 19:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 14. Nov 2019, 07:32
Tangens Alpha Singer zitierend hat geschrieben :
Mi 13. Nov 2019, 18:56
Es kann sich in den Beurteilungen des anderen spiegeln und sich seiner selbst vergewissern. So könnte das, was wir Bewusstsein nennen, in die Welt gekommen sein.
Das erklärt nicht viel, meiner Ansicht nach. Dass wir uns in den anderen spiegeln (einfühlen), das selbstbewusste, qualitative Zustände meines Erachtens bereits voraus. Auf jeden Fall kann das nicht erläutern, wie Qualia die Welt kommen. Es erklärt nur, dass es einen evolutionären Vorteil bedeutet hat.
Tja, Jörn. Ich habe den Eindruck, die Naturwissenschaften sagen dir nicht viel, denn aus den paar Sätzen, die ich zu Singer geschrieben habe, kann man natürlich keine Erklärung ableiten (wenn man sich nicht weiter informiert) aber dein latent abwertendes "Das erklärt nicht viel" hast du an anderen Stellen schon mal gebracht. Nunja, Kunst & Naturwissenschaft... Aber ich habe den leisen Verdacht, dass du Singer vllt. auch nicht ausreichend verstanden hast.
Dann erklär mir mal deine Sichtweise. Wie entsteht dMn Bewusstsein?

Was Koch's Panpsychismus angeht, ist er so neu nicht. Bereits in den 70-er versuchte der Münsteraner Bio-Philosoph B. Rensch mit einem Panpsychistischen Identismus das Bewusstsein zu erklären. Aber ich denke, eine bestimmte Eigenschaft dadurch zu erklären, dass man sie schlicht schon vorher in alle Objekte hinein verlegt denkt, hat in meinen Augen noch weniger Erklärungspotential., sondern verschiebt das Problem nur.



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Jörn Budesheim
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Mi 20. Nov 2019, 10:59

Tangens Alpha hat geschrieben :
Di 19. Nov 2019, 19:17
Nunja, Kunst & Naturwissenschaft
... und dann auch noch Philosophie. Sowas :-)




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Jörn Budesheim
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Mi 20. Nov 2019, 11:29

Tangens Alpha hat geschrieben :
Di 19. Nov 2019, 19:17
wenn man sich nicht weiter informiert
Das jedoch ist das, was ich in diesem Thread mache. Deswegen trage ich Quellen und Texte zusammen. Im Fokus steht dabei der Beitrag von Koch (bzw die beiden konkurrierenden Theorien). Ich hatte dich gefragt, welchen Beitrag dazu der/dein Text von Singer dazu leisten soll - das ist mir nicht klar geworden. Wie auch, wenn du selbst der Ansicht bist, dass der von dir zitierte Text dafür gar nicht ausreicht :-)




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Jörn Budesheim
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Mi 20. Nov 2019, 11:43

Tangens Alpha hat geschrieben :
Di 19. Nov 2019, 19:17
Was Koch's Panpsychismus angeht, ist er so neu nicht. Bereits in den 70-er versuchte der Münsteraner Bio-Philosoph B. Rensch mit einem Panpsychistischen Identismus das Bewusstsein zu erklären.
Der Begriff Panpsychismus wurde bereits im 16. Jahrhundert von Francesco Patrizi eingeführt. Der Begriff ist also sogar älter. Vermutlich ist der Grundgedanke noch deutlich älter. Dass eine Idee nicht neu ist, spricht aber nicht unbedingt gegen sie :-) Was Koch's Panpsychismus angeht, also seine spezifische Version davon (genauer die von ihm und Tononi) - da kann ich dir über seine Originalität nicht viel sagen. Vielleicht ist der Ansatz von Koch/Tononi ganz neu, vielleicht auch nicht. Ich weiß es schlicht nicht.

Was ich jedoch gut finde ist, dass sie die "Suchrichtung" gewissermaßen umkehren. Sie fangen nicht mit einer metaphysischen Theorie an (alles ist Materie), sondern starten da, wo wir selbst sind. Wir können schlicht und ergreifend nicht daran zweifeln, dass wir Bewusstsein haben. Darauf basieren ihre fünf Axiome: Bewusstsein existiert, informiert, integriert und ist eindeutig. Was es damit im Detail auf sich hat - dafür gibt es diesen Thread. Denn das finden wir nicht heraus "wenn man sich nicht weiter informiert". Du bist herzlich eingeladen, uns hier zu unterstützen :-)




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Tangens Alpha
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Fr 22. Nov 2019, 12:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 20. Nov 2019, 11:29
Tangens Alpha hat geschrieben :
Di 19. Nov 2019, 19:17
wenn man sich nicht weiter informiert
... und dann auch noch Philosophie. Sowas :-)
Das jedoch ist das, was ich in diesem Thread mache. Deswegen trage ich Quellen und Texte zusammen. Im Fokus steht dabei der Beitrag von Koch (bzw die beiden konkurrierenden Theorien). Ich hatte dich gefragt, welchen Beitrag dazu der/dein Text von Singer dazu leisten soll - das ist mir nicht klar geworden. Wie auch, wenn du selbst der Ansicht bist, dass der von dir zitierte Text dafür gar nicht ausreicht :-)
Oh je! ich glaube , da habe ich mich etwas unglücklich ausgedrückt! Ich bin wohl zu sehr von mir ausgegangen, denn von Kunst verstehe ich soviel , wie Karl Lagerfeld von der Quantenmechanik und habe dir das wohl untergeschoben, sorry!

Mir kam nur dein "Das erklärt gar nichts!" etwas vorschnell vor. Vielleicht haben wir beide wohl etwas zu reflexartig reagiert!
Ich denke, es liegt in der Natur der Sache, wenn zwei so unterschiedliche Sichtweisen aufeinander treffen: da dauert die Suche nach gemeinsamen Ausgangspunkten wohl etwas länger und ist wohl auch etwas hakeliger ;) .

Aber ich denke, das ist auch der Sinn eines Forums, mit "ungewohnt anderen Gegenargumenten" umgehen zu können, jedenfalls mache ich gerade diese Erfahrung - und es bereichert & erweitert den Horizont!



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Jörn Budesheim
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Di 3. Dez 2019, 18:10

Ich habe gerade entdeckt, dass ich zufälligerweise ein Interview mit Christoph Koch in meiner Bibliothek habe! ("Matthias Eckoldt, Kann sich das Bewusstsein bewusst sein?") Da gibt es auch eine kurze Passage über die Integrierte Informationstheorie.
Der in den USA lebende italienische Psychiater und Neurowissenschaftler Giulio Tononi hat eine Theorie der Integrierten Information des Bewusstseins (Integrated Information Theory – IIT) entwickelt. Die fängt interessanterweise weder mit Physik noch mit dem Gehirn an. Sie geht den umgekehrten Weg und beginnt mit der Phänomenologie. Sie sagt, dass jede bewusste Erfahrung fünf Bedingungen erfüllen muss. Diese fünf transzendentalen Eigenschaften einer jeden bewussten, subjektiven Erfahrung lauten:

1. Jede bewusste Erfahrung existiert für sich selbst.
2. Sie ist strukturiert durch verschiedene Aspekte.
3. Sie unterscheidet sich von einer immensen Anzahl anderer möglicher Erfahrungen – d. h., sie ist differenziert.
4. Jede Erfahrung ist einheitlich, d. h., keine Erfahrung kann auf unabhängige Komponenten reduziert werden.
5. Jede bewusste Erfahrung ist einzigartig.

Im nächsten Schritt fragt man, welches physikalische System diese fünf axiomatischen Bedingungen erfüllt und wie man das messen könnte. Die Theorie liefert ein mathematisches Kalkül, das es ermöglicht, den Grad des Bewusstseins eines physikalischen Systems präzise zu berechnen. Dieser Bewusstseinszustand wird durch die Größe Phi ausgedrückt. Phi kann entweder null oder positiv sein, je nachdem, ob das System Bewusstsein hat (Phi ist positiv) oder nicht (Phi gleich null). Der Ansatz dieser Theorie besagt: Der Grad des Bewusstseins bemisst sich nach dem Grad der Selbstwirksamkeit, mit der ein System auf sich selbst kausal wirken kann. Man berechnet, wie stark sich solch ein Mechanismus in der Zukunft selbst bestimmen wird und wie er in der unmittelbaren Vergangenheit von sich selbst bestimmt wurde

...

Wenn wir in, sagen wir, einhundert Jahren alles vom menschlichen Gehirn wissen und das alles in einen Computer einspeisen, dann könnte dieses System aufwachen und sagen: Ich bin bewusst! Dann ist das aber alles nur Show. Denn dieses System, das die Abläufe im menschlichen Gehirn simuliert, fühlt sich eben nicht nach einem menschlichen Bewusstsein an.

...

Jedes Ding hat gewissermaßen zwei Dimensionen: eine äußere und eine innere. Die äußere umfasst das, was wir von außen über ein System wissen können; wie das System sich zu anderen Systemen verhält. Das ist das Gebiet der Physik, der Chemie und der Biologie. Hochintegrierte Systeme, d. h. solche mit kausaler Selbstwirksamkeit, haben noch diese zweite, innere Dimension, die nur aus der Erste-Person-Perspektive zu erfahren ist.

...

Wir haben jetzt mit der IIT eine wunderbare quantitative Theorie die eine enorme Menge von Tatsachen erklärt. Diese Theorie muss, wie jede andere Theorie, getestet werden. Selbst wenn sich diese Theorie als falsch herausstellen sollte, müssen wir nicht noch einmal von vorn anfangen, da wir selbst aus dem Scheitern vieles lernen könnten. Wenn die Integrated Information Theory recht hat, dann bleibt immer noch folgendes Mysterium: Warum leben wir in einem Universum, das nicht nur Leben produziert hat – das allein wäre schon rätselhaft genug –,sondern auch zum Bewusstsein und Subjektivität? Ist das Zufall? Oder Anzeichen einer höheren Ordnung? Ich wache jeden Morgen auf und staune darüber, dass ich bewusst bin.




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Stefanie
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Di 3. Dez 2019, 20:52

Interessanter Text.
Sie sagt, dass jede bewusste Erfahrung fünf Bedingungen erfüllen muss. Diese fünf transzendentalen Eigenschaften einer jeden bewussten, subjektiven Erfahrung lauten:

1. Jede bewusste Erfahrung existiert für sich selbst.
2. Sie ist strukturiert durch verschiedene Aspekte.
3. Sie unterscheidet sich von einer immensen Anzahl anderer möglicher Erfahrungen – d. h., sie ist differenziert.
4. Jede Erfahrung ist einheitlich, d. h., keine Erfahrung kann auf unabhängige Komponenten reduziert werden.
5. Jede bewusste Erfahrung ist einzigartig.
Ich habe mich gerade gedanklich verheddert...setzen diese 5 Bedingungen voraus, dass man sich bewusst ist, dass man eine bewusste Erfahrung hat? Im Spektrum Artikel wurde beschrieben, dass Schädigungen in bestimmten Bereichen des Gehirns keine Auswirkungen auf das erleben von qualia haben, manche aber schon.
Es gibt Menschen, die empfinden keinen Schmerz über die Haut, oder Demenz erkrankte, oder schwerst geistig behinderte Menschen, werden diese durch die 5 Aspekte nicht ausgeschlossen? Oder Wachkomapatienten?



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Jörn Budesheim
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Mi 4. Dez 2019, 08:50

Das sind nach meinem Verständnis fünf Eigenschaften, die nach Ansicht von Koch/Tononi, jedes Erlebnis (egal welches) hat.




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Cosma
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Do 5. Dez 2019, 10:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 3. Dez 2019, 18:10
Wenn wir in, sagen wir, einhundert Jahren alles vom menschlichen Gehirn wissen und das alles in einen Computer einspeisen, dann könnte dieses System aufwachen und sagen: Ich bin bewusst! Dann ist das aber alles nur Show. Denn dieses System, das die Abläufe im menschlichen Gehirn simuliert, fühlt sich eben nicht nach einem menschlichen Bewusstsein an.
Das kannst du aber doch nicht wissen, wie du selbst schreibst:
Jedes Ding hat gewissermaßen zwei Dimensionen: eine äußere und eine innere. Die äußere umfasst das, was wir von außen über ein System wissen können; wie das System sich zu anderen Systemen verhält. Das ist das Gebiet der Physik, der Chemie und der Biologie. Hochintegrierte Systeme, d. h. solche mit kausaler Selbstwirksamkeit, haben noch diese zweite, innere Dimension, die nur aus der Erste-Person-Perspektive zu erfahren ist.
Wie willst du wissen können, was er fühlt?



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Jörn Budesheim
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Jetzt sieht es so aus, als hätte ich selbst all das geschrieben, ich hab es jedoch nur zitiert :-)




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Jörn Budesheim
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Cosma hat geschrieben :
Do 5. Dez 2019, 10:54
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 3. Dez 2019, 18:10
Wenn wir in, sagen wir, einhundert Jahren alles vom menschlichen Gehirn wissen und das alles in einen Computer einspeisen, dann könnte dieses System aufwachen und sagen: Ich bin bewusst! Dann ist das aber alles nur Show. Denn dieses System, das die Abläufe im menschlichen Gehirn simuliert, fühlt sich eben nicht nach einem menschlichen Bewusstsein an.
Das kannst du aber doch nicht wissen, wie du selbst schreibst:
Jedes Ding hat gewissermaßen zwei Dimensionen: eine äußere und eine innere. Die äußere umfasst das, was wir von außen über ein System wissen können; wie das System sich zu anderen Systemen verhält. Das ist das Gebiet der Physik, der Chemie und der Biologie. Hochintegrierte Systeme, d. h. solche mit kausaler Selbstwirksamkeit, haben noch diese zweite, innere Dimension, die nur aus der Erste-Person-Perspektive zu erfahren ist.
Wie willst du wissen können, was er fühlt?
Tononi und Koch machen ja geltend, dass sie Bewusstsein messen können.




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Cosma
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Do 5. Dez 2019, 13:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 5. Dez 2019, 11:29
Cosma hat geschrieben :
Do 5. Dez 2019, 10:54
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 3. Dez 2019, 18:10
Wenn wir in, sagen wir, einhundert Jahren alles vom menschlichen Gehirn wissen und das alles in einen Computer einspeisen, dann könnte dieses System aufwachen und sagen: Ich bin bewusst! Dann ist das aber alles nur Show. Denn dieses System, das die Abläufe im menschlichen Gehirn simuliert, fühlt sich eben nicht nach einem menschlichen Bewusstsein an.
Das kannst du aber doch nicht wissen, wie du selbst schreibst:
Jedes Ding hat gewissermaßen zwei Dimensionen: eine äußere und eine innere. Die äußere umfasst das, was wir von außen über ein System wissen können; wie das System sich zu anderen Systemen verhält. Das ist das Gebiet der Physik, der Chemie und der Biologie. Hochintegrierte Systeme, d. h. solche mit kausaler Selbstwirksamkeit, haben noch diese zweite, innere Dimension, die nur aus der Erste-Person-Perspektive zu erfahren ist.
Wie willst du wissen können, was er fühlt?
Tononi und Koch machen ja geltend, dass sie Bewusstsein messen können.
Sie können nachmessen, ob die Intuition"Ich bin bewusst!" authentisch ist oder nur eine vorher einprogrammierte Formulierung auf ein Signal / Reiz hin?



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Jörn Budesheim
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Do 5. Dez 2019, 14:22

Sehr verkürzt - mehr dazu findest du in den Beiträgen weiter oben sowie den diversen Links: Sie messen, ob ein komplexes biologisches System ein gewisses Maß an Selbstwirksamkeit aufweist. Dieses Maß haben sie natürlich nicht einfach "postuliert" sondern es wird empirisch getestet. Die Theorie soll also widerlegbar sein.




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Cosma
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Do 5. Dez 2019, 17:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 5. Dez 2019, 14:22
Sehr verkürzt - mehr dazu findest du in den Beiträgen weiter oben sowie den diversen Links: Sie messen, ob ein komplexes biologisches System ein gewisses Maß an Selbstwirksamkeit aufweist. Dieses Maß haben sie natürlich nicht einfach "postuliert" sondern es wird empirisch getestet. Die Theorie soll also widerlegbar sein.
Widerspricht das nicht deiner Auffassung von deiner "zweiten, inneren Dimension, die nur aus der Erste-Person-Perspektive zu erfahren ist."?



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Jörn Budesheim
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Do 5. Dez 2019, 17:43

Messen und Erfahren sind doch nicht synonym?!




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Tangens Alpha
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Sa 7. Dez 2019, 16:40

Stefanie hat geschrieben :
So 3. Nov 2019, 21:24
Nur ich frage mich, egal welche Theorie bewiesen werden kann, wieso empfinden die Menschen die Wahrnehmungen unterschiedlich? Die einen reagieren bei blau mit oh wie hübsch, und anderen mit, blau ist furchtbar.
Weil die Menschen mit diesen Farben zusätzliche Assoziationen zB schlechte oder gute Gefühle, Erlebnisse, verbinden und abgespeichert haben, die dann aktualisiert werden.



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Jörn Budesheim
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Sa 10. Apr 2021, 06:29

Markus Gabriel, Matthias Eckoldt, in "Die ewige Wahrheit und der Neue Realismus" (2019) hat geschrieben :
...

MATTHIAS ECKOLDT​

Für das Bewusstsein hat ja Tononi die sogenannte Theorie integrierter Information entworfen. Der Name ist bei ihm Programm. Je stärker von einem System Information integriert werden kann – also je mehr einem zu einem gegebenen Reiz einfällt –, desto höher ist das Bewusstsein.

MARKUS GABRIEL​

Tononi und Koch sind von allen vielleicht am nächsten dran am minimalen neuronalen Korrelat des Bewusstseins. Und das sind sie, weil sie eine realistische Theorie des Bewusstseins haben. Also, sie wissen, wovon sie reden, und deswegen wissen sie überhaupt, wonach sie suchen. Die erste Hypothese, die jetzt rausgekommen ist, geht so: Bewusstsein ist immer räumlich. Somit ist es kein Zufall, dass man sich auch soziale Strukturen, Hierarchien usw. räumlich vorstellt. Das Akustische ist ebenfalls räumlich, »Da vorne tönt es«. Tononi vermutet, Raum sei das minimale Bewusstsein. Das liegt daran, dass die Struktur des visuellen Kortex etwas mit dem neuronalen Korrelat des Bewusstseins zu tun hat. Die Struktur, die sie im Blick haben, hat eine Gitterstruktur, in der die Neurone nach einer bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung angeordnet werden. Wenn Neuronen da feuern, geht eine Kaskade mit einer bestimmten Ordnung los. Durch die Struktur der Neurone dort wird die Kaskade einen bestimmten Wahrscheinlichkeitsverlauf nehmen. Man kann dazu Modelle entwickeln, und die Theorie integrierter Information formuliert genau diese Modelle. Dafür gibt es mittlerweile eine Software, die von Tononi entwickelt wurde, und diese Modelle haben eine bestimmte Vorhersagekraft, die gerade getestet wird. Das ist alles relativ neu.

MATTHIAS ECKOLDT​

Was wäre das Ziel der Theorie – und Praxis – integrierter Information?

MARKUS GABRIEL

​Im Erfolgsfall hat Tononi das minimale neuronale Korrelat des Bewusstseins gefunden. In jedem Fall ist diese Theorie dafür der beste Kandidat, den es im Moment gibt, weil wir jetzt eine realistische, überprüfbare, fallibele Hypothese haben, deren Ausgangspunkt die Anerkennung der irreduziblen Wirklichkeit des Bewusstseins ist. Tononi sieht ein, dass es hoffnungslos ist, aus dem Materiellen das Psychische erklären zu wollen, das wird nie gehen. Es muss umgekehrt sein, wir müssen aus dem Psychischen das Materielle erklären. Wir finden das neuronale Korrelat nicht, indem wir Materie modifizieren, sondern umgekehrt. Das ist die Methode, und Christof Koch stimmt dem zu, wenn auch etwas skeptischer. Tononi ist dazu auch noch ein wirklich guter Philosoph. Ich war gerade ein paar Tage bei ihm. Er hatte Christof Koch, einige Psychiater aus New York, Buddhisten und den Übersetzer des Dalai-Lama eingeladen. Das war ein Zirkel von fünf bis zehn Leuten, und wir haben in Tononis schönem Holzhaus in Wisconsin vier Tage jeden Tag fast zehn Stunden diskutiert und gearbeitet. Diese Gespräche waren für mich eine der größten intellektuellen Bereicherungen.

MATTHIAS ECKOLDT​

Die Theorie integrierter Information ist sicher ein Ausnahmeprodukt innerhalb der Hirnforschung. Wie ist es Ihrer Erfahrung nach um die deutsche Neurowissenschaft bestellt? Man erinnert sich ja noch an das Manifest führender Neurowissenschaftler, an dem ja auch Christof Koch mitgeschrieben hat. Da gab es einiges an Erkenntnispessimismus, der teilweise bis in eine geradezu depressive Stimmungslage reichte. Ich erinnere mich an Formulierungen, dass die Neurowissenschaft noch auf dem Stand von »Jägern und Sammlern« sei. Zugleich gab es aber auch die großen Debatten über den freien Willen, die von den Neurowissenschaftlern angestoßen wurden.

MARKUS GABRIEL​

Das Manifest führender Hirnforscher wurde hier in Bonn u. a. vom Neurowissenschaftler Christian Elger auf einer Tagung angestoßen. Elger ist einer der weltweit am meisten zitierten Epileptologen, also eine richtige Koryphäe in seinem Fach. Auf einem Podium hat er mir jüngst bestätigt, dass dasjenige, was sie über den freien Willen und das Bewusstsein damals so gesagt haben, nicht aufgegangen ist, das zieht er alles zurück. Auch die sehr technisch orientierten Neurowissenschaftler, mit denen ich hier in Bonn zusammenarbeite, sagen mir: Du kannst von uns etwas über Neurone lernen, aber auf Fragen nach Bewusstsein und freiem Willen können wir fürs Erste – und auf sehr lange Sicht – einfach gar nichts sagen. Da ist in der Tat so eine Depression in die deutsche Neurowissenschaft gekommen. Nach Gerhard Roth und Wolf Singer sind die jetzt alle handzahm...

...
Das ist jetzt zwei Jahre her, es wäre spannend zu erfahren, wie es mit der integrierten informationstheorie weiter gegangen ist. Aber es ist in der Regel relativ schwierig etwas dazu zu finden.




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Jörn Budesheim
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So 11. Apr 2021, 14:56

Ulrike Schaeben hat geschrieben : Der Bonner Philosophieprofessor Markus Gabriel skizzierte in seinem Vortrag das philosophische Feld des Nachdenkens darüber, was Wahrnehmung ist, und griff die in der Philosophie viel diskutierte Frage des Bewusstseins auf. Sein furioser Ritt durch die diversen Richtungen der Philosophie, angefangen beim Skeptizismus über den Konstruktivismus und den Selektionismus bis hin zum Realismus, endete bei einer These zu den neuronalen Korrelaten des bewussten Erlebens, die Gabriel aus den jüngsten Veröffentlichungen des Psychiaters Giulio Tononi und des Hirnforschers Christof Koch entlehnt und als „brutalen Realismus“ bezeichnet: Nichts im Universum sei so dicht integriert wie das Bewusstsein. Daher sei das Bewusstsein der ‚Goldstandard für Existenz‘, also für das, was wirklich existiere. Gemäß diesem Ansatz ist es beim bewussten Erleben möglich, extrem viele, sehr verschiedene Elemente in einem kurzen Zeitraum zu erleben; die verschiedenen Merkmale des Erlebten werden als Einheit aufgefasst. Nach ihrer Ansicht muss eine adäquate neurowissenschaftliche Theorie diese Eigenschaften berücksichtigen. (Dr. Ulrike Schaeben ist Referentin für die Koordination der Kreis- und Bezirksstellen der Ärztekammer Nordrhein)
Die Formulierungen von "Goldstandard" ist natürlich erstaunlich, weil sie zumindestens auf den ersten Blick im Widerspruch zum Programm der SFO steht. Wie auch immer, ich bin gespannt wie sich die Sache mit der integrierten Informationstheorie weiterentwickelt ...




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