Relativismus

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Jörn Budesheim
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Fr 8. Jan 2021, 09:56

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 8. Jan 2021, 03:34
Wenn unsere mittelalterlichen Vorfahren über die Waffen verfügt hätten, über die wir heute verfügen.... es würde uns wahrscheinlich gar nicht geben.
Wikipedia hat geschrieben : Die Häufigkeit von Morden sank in westlichen Ländern vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart von 20 bis 70 pro 100.000 Einwohner und Jahr auf zirka einen Fall. Seit Anfang der 1990er Jahre wird in den Statistiken auch in weiteren Regionen der Erde ein Kriminalitätsrückgang beobachtet.




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Jörn Budesheim
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Fr 8. Jan 2021, 10:39

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 7. Jan 2021, 22:44
Alethos bringt uns wieder zurück auf das Gemeinsame. Auf die Grundeinstellung.
Welchen Zweck hat denn Moral überhaupt?
(1) Es gibt nach meinem Dafürhalten viele Versuche, die Moral loszuwerden, also Versuche, sie auf etwas anderes, etwas Grundlegenderes zurückzuführen. Dass die Moral irgendeinen Zweck verfolgt, ist nach meiner Einschätzung ein Versuch, dies zu tun. Für mich kommen wir damit nicht zurück auf das Gemeinsame, sondern auf das, was uns hier trennt. Ein Beispiel: wenn wir dem anderen mit Achtung entgegentreten, dann weil er sie verdient und nicht, weil das einem Zweck folgt.

(2) Wenn man dann jedoch sagt, der Zweck sei das Wohl der Menschen - hat man dann nicht die Moral mit der Moral begründet? (Je nachdem, was mit Wohl der Menschen überhaupt gemeint ist.)

In (1) wird die Moral auf etwas anders zurückgeführt. Und in (2) wird sie mit sich selbst begründet.




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Alethos
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Fr 8. Jan 2021, 13:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 8. Jan 2021, 05:54
Alethos hat geschrieben : Eine absolute Wahrheit kann es nicht geben
Eine nichtabsolute Wahrheit kann es nicht geben. Denn die Wahrheit ist einfach das, was der Fall ist.
Nur kurz, weil ich arbeiten muss:

Wir haben in einem schönen Thread einmal eine Liste von Wahrheitstheorien erstellt. Alle diese Theorien führen zu unterschiedlichen Wahrheitsbegriffen. Wir müssen also vielleicht zuerst klären, von welchem Wahrheitsbegriff wir sprechen wollen.

Meiner Aussage, dass es „keine absolute Wahrheit“ geben kann, liegt ein kantischer Begriff zugrunde. Wahrheit, verstanden als Übereinstimmung der Erkenntnis mit seinem Gegenstand, kann gar nicht absolut sein, weil sie sich bezieht auf etwas, das der Fall ist. Bezugnahme ist aber nie absolut.

So kann man vielleicht verstehen, warum ich schrieb, dass die Wahrheit relativ sei zu einer Sache, was so viel bedeutet, dass sich ein Urteil als wahr auszeichnet, wenn es die Sache so erfasst, wie sie sich verhält.
Aber so gesehen gibt es eben keine absolute Wahrheit, die frei von der Gebundenheit an Tatsachen wäre.

Wie dem auch sei: Mein Punkt ist, dass uns gewisse Dinge als Tatsachen erscheinen, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen. Diese an das fallible Urteil gebundene Wahrheit ist nicht absolut und nicht ewig, weil sie sich der neuen, besseren Erkenntnis von Wahrheit (hier in einem „ontischen“ Sinn von Wahrheit) annähert.



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Jörn Budesheim
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Fr 8. Jan 2021, 13:40

Alethos hat geschrieben :
Do 7. Jan 2021, 21:33
Daran krankt meines Erachtens die Philosophie generell, wenn sie sich so versteht, als müsste sie allgemeingültig wahre Schlüsse produzieren.
Lebenswirklichkeiten sind komplex und sie sind es, weil es ständig zu Überlagerungen kommt: geschichtlichen, sozialen, begrifflichen, zwischenmenschlichen. Diese auszublenden ist vielleicht der grösste Irrtum bei der Bewertung unserer Urteile als absolut wahre oder falsche
Diese nicht auszublenden, hieße jedoch auf Urteile zu verzichten. Dann könnte man auch nicht urteilen, dass man nicht urteilen kann. Ein Beispiel: Vor mir befindet sich eine Tastatur. Sie bis in die kleinsten Verästlungen zu erfassen oder sie "umgekehrt" aus den größten Kontexten heraus zu erkennen, ist nicht nur logisch unmöglich, selbst Gott könnte das nicht, sondern es ist auch praktisch ausgeschlossen, weil wir endliche Wesen in jeder Hinsicht sind. Dennoch ist das Urteil wahr, sie ist wirklich da und ich schreibe gerade auf ihr. Dass wir die Komplexität in dieser Weise reduzieren können, heißt nicht, dass wir die Welt falsch erfassen, finde ich, sondern dass wir aus der unendlich verschachtelten Wirklichkeit einen Bereich herausgegriffen haben und aus dessen eigener inneren Ordnung (dieses Büro hier) heraus zu diesem simplen und wahren Urteil gekommen sind. Diese Verschachtelung ist eine Eigenschaft der Wirklichkeit selbst, deren Teil wir sind.

Carlo Rovelli:
Die Raumzeit ist das Gravitationsfeld (und umgekehrt). Wie Newton intuitiv erkannte, existiert sie auch ohne Materie an sich. Aber sie ist keine von den übrigen Dingen der Welt geschiedene Entität – wie Newton annahm –, sondern ein Feld wie die anderen. Eher als ein Gemälde auf einer einzelnen Leinwand ist die Welt eine Überlagerung vieler Leinwände, vieler Schichten, von denen das Gravitationsfeld nur ein Feld unter anderen ist. Wie die anderen ist es weder absolut noch gleichförmig oder fest. Vielmehr krümmt, streckt, kontrahiert und ballt es sich zusammen mit den anderen. Gleichungen beschreiben die wechselseitige Beeinflussung sämtlicher Felder. Und die Raumzeit ist ein solches Feld.


Mein Einwand gilt im Wesentlichen deinem Begriff "generell". Ich bezweifle nicht, dass es Situationen gibt, die für unsere Auffassungsgabe zu groß sind. Ich habe weiter oben schon mal darauf hingewiesen, dass wahrscheinlich viele von uns sogar existentielle Situationen kennen, wo sie sich fragen, ob sie richtig gehandelt haben ... und eine Antwort nicht finden.

Einfache Antworten, die einfach nur sagen, ganz einfache Antworten gibt es nicht, sind zu einfach. Manches in der Moral ist so selbstverständlich, es gibt so selten Dissens darüber, dass es daher praktisch nicht in den Blick kommt. Wer einmal eine Zeit lang mit einem Soziopathen verbringen durfte, weiß, wovon ich rede. Anderes ist so schwer zu erfassen, dass wir auch daran scheitern können. Und dazwischen ist alles möglich, denke ich.




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Jörn Budesheim
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Fr 8. Jan 2021, 13:45

Alethos hat geschrieben :
Fr 8. Jan 2021, 13:24
Nur kurz, weil ich arbeiten muss:
Ich kann dir ein Attest schreiben, wenn du willst.




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Alethos
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Fr 8. Jan 2021, 13:59

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 8. Jan 2021, 13:45
Alethos hat geschrieben :
Fr 8. Jan 2021, 13:24
Nur kurz, weil ich arbeiten muss:
Ich kann dir ein Attest schreiben, wenn du willst.
Das wäre unethisch, Dr. Evil! :mrgreen:



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