Poesie als Kultur/Kultur als Poesie

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Jörn Budesheim
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Do 20. Aug 2020, 13:06

"Poesie als Kultur/Kultur als Poesie" Diese Wendung kam mir vor kurzem mir nichts dir nichts bei einem Künstlertreff in den Sinn.

Etymologisch berühren sich die beiden Begriffe sanft. In Poesie steckt das "Erschaffen" und Kultur kommt "Bebauung, Bearbeitung, Bestellung, Pflege". Das ist natürlich nicht weder Dasselbe noch das Gleiche :-) aber auch nicht streng geschieden.

Was würde euch zu dieser Wendung einfallen?




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Jörn Budesheim
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Fr 21. Aug 2020, 10:15

Hans Jürgen Diez bei Facebook hat geschrieben : Poesie ist alles,
Sie ist der Motor des Geistes!




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Jörn Budesheim
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Sa 22. Aug 2020, 08:31

Gestern Abend war ich wieder im Park, in demselben Park mit der Wespe und dem Leberwurst-Brot :) in dem Park finden sich immer viele verschiedene kleine Scenen. Die Hauptdarsteller gestern: ein in sich versunker Schwertkämpfer mit echten Holzschwert, Sonnenbrille und Dreadlocks. Wenige Schritte entfernt eine junge Frau im Gras - zwischen Lesen, Meditieren und Yoga. Nicht weit davon ein Mann mit Bleistift und Papier, der eine kleine Baumgruppe zeichnete; ich weiß es, weil ich ihn kenne und später ein kurzes Gespräch mit ihm geführt habe. Ich selbst auf einer anderen Bank vielleicht 50 Meter Luftlinie habe ein Gedicht in meinem Tablet geschrieben. Am Rand des Parks spielte eine Gruppe Boule.

Eben gerade habe ich mir überlegt, dass sie fast alle in einer gewissen und jeweils verschiedenen Art und Weise mit dem Park "verbunden" waren (füge hier einen besseren Begriff ein). Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die richtige Worte dafür finden kann, und zudem ist natürlich alles Spekulation:

Der Kämpfer war verbunden über seine Choreographie in der Senkrechten. Die Meditierende war verbunden über ihre schiere Präsenz im Gras. Der Zeichner war verbunden über die Linien und die Silhouetten der Baumgruppe, die auf das Papier kamen. Die Boulespieler waren verbunden über die ballistischen Linien der Kugeln. Ich war verbunden über die Wörter in ihrem Klang.

Wie kann man diese "Verbindungen" ausdrücken?




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Jovis
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Sa 22. Aug 2020, 09:18

Spontane Reaktion: Zunächst einmal waren sie vor allem mit dir verbunden! Du hast die Linien hergestellt, ein Muster gebildet. Und das ist dann keine Spekulation, sondern aus deiner Perspektive war es so.

Wenn ich die Verbindung zum Thema herstellen will, würde ich sagen: Dieses Muster war deine Schöpfung. Unsere Interpretation der Welt ist in gewisser Weise immer unsere Schöpfung.

(Schöne, poetische (!) Stimmung übrigens, die mit der Beschreibung deines Parkabends bei mir ankommt. Alle waren anscheinend irgendwie versunken in ihrer Tätigkeit. Thema Weg und Ziel ... :) )




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Jörn Budesheim
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Sa 22. Aug 2020, 17:49

Jovis hat geschrieben :
Sa 22. Aug 2020, 09:18
Du hast die Linien hergestellt, ein Muster gebildet.

Bild




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Jörn Budesheim
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So 23. Aug 2020, 06:25

Ein Bild aus dem Jahrbuch für Lyrik 2020 :)

Bild




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Jovis
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So 23. Aug 2020, 09:14

Zur Zeichnung: Sind das deine Linien oder die des anderen Zeichners? Sieht so gar nicht aus wie deine anderen Sachen. Aber schön.

Und wie immer finde ich es faszinierend, Malerei oder Zeichnung im Wechsel aus einiger Entfernung und ganz dicht zu betrachten. Wie sich bei naher Betrachtung alles auflöst und den Zusammenhang verliert und beim Zurücktreten wieder zusammenfügt.




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Jörn Budesheim
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So 23. Aug 2020, 09:23

Die Zeichnung ist von mir, es sind aber dieselben Bäume, die der andere Zeichner gezeichnet, nur von der anderen Seite :)




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Jörn Budesheim
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So 23. Aug 2020, 10:05

Was heißt "Poesie als Kultur"? Ein ganz kurzer Versuch:

Der Teil der Natur, aus dem wir selbst hervorgegangen sind, die lebendige Natur, ist in sich 'selbst poetisch', nämlich autopoetisch. Sie ist schöpferisch aus sich selbst, das heißt ohne Schöpfer. Aber: ist das nicht einfach ein rhetorischer Trick? Denn Poesie (im weitesten Sinne verstanden als eine Form der Kunst) und Poesie (im weitesten Sinne verstanden als ein natürliches Prinzip) sind letztlich zwei verschiedene Dinge, oder? Man könnte zur Verteidigung sagen, dass wir selbst das Scharnier sind: denn Poesie, das ist vielleicht die Fähigkeit schöne Dinge um ihrer selbst willen zu lieben und zu schaffen, ist doch ein Teil der Natur, die wir selbst sind, um eine Formulierung von Gernot Böhme zu verwenden, die mir sehr gefällt.

Diese poetische Natur in uns heißt es zu kultivieren - das heißt sich das Staunen und die Neugierde zu bewahren.




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Jörn Budesheim
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So 23. Aug 2020, 14:08

Jovis hat geschrieben :
Sa 22. Aug 2020, 09:18
Dieses Muster war deine Schöpfung. Unsere Interpretation der Welt ist in gewisser Weise immer unsere Schöpfung.
In einer gewissen Hinsicht ist es natürlich eine Schöpfung. Sowie auch eine Zeichnung eine Schöpfung ist. Aber es ist keine Schöpfung aus dem Nichts. Kann man nicht - in glücklichen Momenten - schöpferisch etwas (z.b. ein Muster) zur Sichtbarkeit bringen, dass ohnehin da ist, und dass ohne diese Schöpfung verborgen geblieben wäre?!




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Jörn Budesheim
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Jovis hat geschrieben :
So 23. Aug 2020, 09:14
Und wie immer finde ich es faszinierend, Malerei oder Zeichnung im Wechsel aus einiger Entfernung und ganz dicht zu betrachten. Wie sich bei naher Betrachtung alles auflöst und den Zusammenhang verliert und beim Zurücktreten wieder zusammenfügt.
Ich frage mich, ob das nicht bei vielen Dingen genauso ist? Ich habe hier neben mir ein vertrocknetes Blatt liegen, wenn ich es unter eine Lupe legen würde, würde sich der Blattsammenhang, so wie wir ihn kennen, auflösen und etwas anderes würde zur Geltung kommen.




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Jörn Budesheim
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Jovis hat geschrieben :
So 23. Aug 2020, 09:14
Zur Zeichnung: ...
Die Zeichnung, ich habe ganz vergessen zu erwähnen, welchen Titel sie hat: Über die Unmöglichkeit, die Blätter zu zählen




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Jörn Budesheim
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So 11. Okt 2020, 15:48

Nur mit der Poesie können wir uns einen Reim auf die Wirklichkeit machen.




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