Wissenschaft braucht die Philosophie

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Jörn Budesheim
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So 24. Apr 2022, 07:03



Sabine Hossenfelder, die Wissenschaft braucht die Philosophie




Burkart
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So 24. Apr 2022, 10:21

Tja, was heißt schon "braucht"... und wer "braucht"...
Natürlich die Philosophie eine sinnvolle Ergänzung von (anderen) Wissenschaften, u.a. wären wir sonst nicht hier im Forum.
Ob sie auch gebraucht wird, liegt in den Augen der Wissenschaftler, hängt von ihren jeweiligen Zielen/Intentionen/Ideen/Wünschen usw. ab, kann sogar u.U. kontraproduktiv für sie sein, wenn zu viel hinterfragt wird, z.B. wenn dadurch ihr Ziel u.ä. nicht mehr durchsetzbar ist...

Wenn z.B. jemand die Mathematik (für sich!?) als einfach existent annimmt, weil es für seine weiteren Argumente hilfreich ist, wird es nicht unbedingt hinterfragen wollen, ob sie nicht vielleicht doch "nur" grundlegend vom Menschen erschaffen wurde.
Ähnlich/Umgekehrt(!?) können philosophische Grundannahmen die (praktische(re)) Wissenschaft behindern, z.B. wenn Bewusstsein mit allen seinen Konsequenzen nur dem Menschen zugeordnet wird.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn Budesheim
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"Was heißt schon braucht?"

Wenn ich das Interview richtig deute, dann heißt "braucht", dass es die Naturwissenschaft ohne die Philosophie nicht schaffen kann, zu angemessenen Ergebnissen zu kommen.

Deswegen ist die Naturwissenschaftlerin darüber hinaus auch der Ansicht, dass die PhilosophInnen nicht zu oft und zu schnell auf den naturwissenschaftlichen Zug aufspringen sollten und auch eigene Ideen entwickeln sollten z.b. in Bezug auf die Frage, was Zeit ist. Allerdings ist nach meinem Gefühl das Angebot in dieser Hinsicht (was ist Zeit?) in der Philosophie durchaus vorhanden.

Es gibt jedoch auch andere Stimmen. Stephen Hawking z.b. war der Ansicht, dass die Philosophie tot ist. Dass viele ihrer Kolleginnen der Philosophie ablehnend oder achselzuckend gegenüberstehen, hat sie ja in dem Interview durchaus deutlich gemacht.

Woran liegt das? Das kann einerseits in einem selbst Widerspruch begründet sein. Nämlich in der philosophischen (oder vielmehr ideologischen) Ansicht, dass es mit dem Wissen der Naturwissenschaften bereits getan ist. Es kann aber auch daran liegen, dass es viele PhilosophInnen gibt, die sich überaus bemühen, möglichst unverständlichen Kauderwelsch zu schreiben.




Körper
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So 24. Apr 2022, 12:48

Von "Sabine Hossenfelder" gibt es noch andere Videos:
Das hässliche Universum. Wie schöne Theorien die Physik in die Irre führen
Was läuft falsch in der gegenwärtigen Physik?

Diese Vorträge werte ich als deutliche Kritik an der Vorgehensweise in der Physik (zumindest Kritik zu den Bereichen, in denen die Wissenschaftlerin tätig ist).

Ihre Idee, dass (Natur-)Wissenschaft Philosophie benötigen würde, erstaunt mich etwas, denn das was sie an der (theoretischen) Physik kritisiert, also die Tendenz "das Schöne in den Formeln anzustreben und sich deswegen irgendetwas auszumalen", würde ich kurzerhand als Philosophie bezeichnen.
Da scheint sich eine Angewohnheit eingeschlichen zu haben, die nicht begründet ist, aber dennoch allgemein akzeptiert wird.
Es scheint sich eine Philosophie ausgebreitet zu haben.

Das Erkennen, das Bekanntmachen und die Korrektur dieser problematischen Philosophie ist dann die eigentliche Schwierigkeit.

Hierzu kann man sich die Frage stellen, weshalb es besser sein soll, dass sich Philosophen (bestimmt mit einer Flutwelle aus Ontologien) darum kümmern, als dass es zu einer Gegenbewegung innerhalb der (Natur-)Wissenschaft kommt.
Zu einer Wissenschaft gehört es, dass sich das Korrekte durchsetzen muss.
Es bildet sich dann natürlich auch Wissen über das heraus, was nicht korrekt ist.

Ich sehe die in den Videos beschriebene Widerlegung der Überlegungen aus der theoretischen Physik (Erwartung von "neuen Teilchen") nicht als Scheitern an, sondern als Erkenntnis.
Eine forschende Wissenschaft hat dann die Aufgabe einen Schritt zurückzumachen, die Probleme zu identifizieren und Konsequenzen zu ziehen.

Es ist eigentlich optimal, dass die Wissenschaftlerin innerhalb der Physik ihre Problementdeckungen bekannt macht und das Problem eines "enormen Philosophieanteils" identifiziert.
Für mich ist jetzt die Physik als Ganzes, also die Forscher, die Universitäten, die Institute usw. gefordert, vernünftig damit umzugehen.
Gelingt dies nicht, dann hat man halt noch ein Problem entdeckt und dann muss zuerst dieses Problem gelöst werden.
Es kann sich hier dann durchaus um einen gewissen Grad an Ignoranz, Arroganz, "Selbstverliebtheit" usw. handeln.

Von einer Wissenschaft darf man verlangen, dass solche Philosophie-Hindernisse zum Aufstellen von Wissen überwunden werden, ansonsten ist es Geld- und Zeitverschwendung.




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Jörn Budesheim
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So 24. Apr 2022, 14:23

Sinngemäß, frei übersetzt und paraphrasiert sagt Sabine Hossenfelder folgendes:

Ich sage nicht, dass es keinen Platz für Schönheit in der Physik gibt ... Ich bin vielmehr der Ansicht, dass manche (insbesondere theoretische) Physiker sehr eingeschränkte Vorstellungen von Schönheit haben und einfach davon ausgehen dass die Natur diese Vorstellungen erfüllt. ... Wir sollten die Natur mit einem unvoreingenommenen Geist betrachten. Und auf diese Weise werden wir neue Formen der Schönheit finden. Ich sage also nicht, dass es keine Schönheit gibt, sondern ich wende mich nur gegen diesen sehr engen Begriff von Schönheit. ...




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Jörn Budesheim
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Weil wir gerade über Sabine Hossenfelder sprechen, hab ich diesen älteren Beitrag mal hervorgekramt.




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