Leser fragen, Philosoph*innen antworten

Das ist die Rubrik für die ewige Wiederkunft des Gleichen: Ohrwürmer, Humor und Anekdoten, Buchempfehlungen etc. Einfach für alles, was gut ist und immer wieder kommt.
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Jörn Budesheim
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Fr 29. Sep 2017, 11:20

Herr K. hat geschrieben :
Fr 29. Sep 2017, 11:10
Kinder
Ich hätte ein sehr schlechtes Gewissen, wenn ich meinen Kindern diese "Lüge" vorenthalten hätte :-) Hast du Kinder, wenn ich fragen darf?




Tosa Inu
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Fr 29. Sep 2017, 11:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 29. Sep 2017, 11:09
Denn wir bestehen ja zu einem guten Teil aus Erinnerungen und Geschichten. Als ich vor kurzem angefangen habe, meine eigene Internetseite aufzubauen, wurde mir irgendwann klar, dass das eine Art Biografie ist - zumindest von Teilausschnitten.
Jetzt habe ich es auch mal geklickt, da werde ich mal schnüffeln.
Erinnerungen, die angeblich immer wieder umgeschrieben werden, so heißt es.
Glaube ich aber nur zum Teil. Ich denke, viele Erinnerungen sind wirklich so erlebt worden und es gibt bei mir Splitter und Fragmente sehr früher Erinnerungen, die seit Jahren/Jahrzehten unverändert sind. Der Gesamtkontext mag sich ändern, das ist wohl bei jedem so, aber seine Elemente. schweiß nisch



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Herr K.
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Fr 29. Sep 2017, 11:25

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 29. Sep 2017, 11:20
Hast du Kinder, wenn ich fragen darf?
Ich habe 3 Kinder.




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Jörn Budesheim
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Fr 29. Sep 2017, 11:28

Cool. Und du hältst es tatsächlich so, dass sie nie an den Weihnachtsmann geglaubt haben?

Ich bin sicher, dass alle meine Kinder (drei Mädchen) und Enkelkinder (vier Mädchen und zwei Jungen) begriffen haben oder begreifen werden, dass die Eltern das machen oder gemacht haben, um ihnen eine Freude zu bereiten und den Spaß nicht zu verderben und keineswegs um sie arglistig zu täuschen. (Warum jemand flunkert, ist nicht ganz ohne Bedeutung für die Bewertung.)

Aber wie man sieht, kann es Ausnahmen geben!




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Stefanie
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Fr 29. Sep 2017, 11:31

Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, wie das bei uns mit dem Weihnachtsmann oder Osterhase war. Null Erinnerung. Irgendwann war der Glaube daran, dass es tatsächlich einen Weihnachtsmann gibt, eben weg. Das war nie ein Diskussionsthema, im Gegensatz zu anderen Sachen.

Bei den kleinen Kindern, die wir in der Familie haben und noch nicht aus erwachsen sind, werde ich mich hüten, irgendetwas darüber zu erzählen, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Darauf kommen die Kinder irgendwann von alleine oder es wird ihnen wie bei der jüngsten meiner Cousine von anderen Kindern in der Schule erzählt.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Jörn Budesheim
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Fr 29. Sep 2017, 11:39

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 29. Sep 2017, 11:23
Erinnerungen, die angeblich immer wieder umgeschrieben werden, so heißt es.
Ich glaube das auch nicht. Allein schon aus begrifflichen Gründen. Falls mich meine Erinnerung (etwa in Bezug auf den vernaschten Spock) täuscht, dann ist es keine Erinnerung, sondern nur eine vermeintliche Erinnerung oder ein Irrtum. Erinnerungen kann man nicht umschreiben, weil der Begriff das, was "Innen" das, woran man sich erinnert (das was er-innert wird) umfasst. Man kann sich doch nicht an etwas erinnert, was gar nicht passiert ist, das widerspricht der Grammatik des Wortes.

Wohlgemerkt: dass wir uns in unseren Erinnerungen über uns selbst täuschen können, das glaube ich auch. Deshalb ist man mit Bezug auf die Erzählungen, aus denen man sich strickt, ja manchmal auch so "uneins" mit sich selbst. Ich erzähle durchaus gerne Geschichten ... und in manchen Momenten frag ich mich schon, ob es nur Geschichten sind oder es wirklich so war. Zumeist wird es wohl eine Mischung sein :-)




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Jörn Budesheim
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Fr 29. Sep 2017, 11:46

Das ist übrigens eine der berührendsten Szenen in Blade Runner, als Rachel merkt, dass alles woran sie sich zu erinnern glaubt, nur ein Programm ist. Wären Erinnerungen bloß das, was innen ist, wäre hier gar nichts bemerkenswertes geschehen. In Wahrheit lernt Rachel, dass das Bild, das sie von sich selbst hat, grundlegend falsch ist. Es dürfte klar sein, was der Film philosophisch damit sagen will ...





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Herr K.
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Fr 29. Sep 2017, 11:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 29. Sep 2017, 11:28
Cool. Und du hältst es tatsächlich so, dass sie nie an den Weihnachtsmann geglaubt haben?

Ich bin sicher, dass alle meine Kinder (drei Mädchen) und Enkelkinder (vier Mädchen und zwei Jungen) begriffen haben oder begreifen werden, dass die Eltern das machen oder gemacht haben, um ihnen eine Freude zu bereiten und den Spaß nicht zu verderben und keineswegs um sie arglistig zu täuschen. (Warum jemand flunkert, ist nicht ganz ohne Bedeutung für die Bewertung.)
Was den Weihnachtsmann angeht, hatte ich diesbezüglich einen Disput mit meiner Frau, die sah das wohl so wie Du. Wie es ganz genau ablief, kann ich mich aber nicht mehr erinnern, ich meine, meine Kinder haben zumindest nicht lange an den Weihnachtsmann geglaubt, was den Spass aber mE nicht gemindert hat, es handelte sich danach eben um ein Spiel, bei dem die Kinder mitspielen konnten und nicht außen vor standen.

Ich bin nie davon ausgegangen, dass mich meine Eltern böswillig angelogen haben, mir was Schlechtes wollten. Dennoch aber handelte es sich um eine Lüge. Ich finde es übrigens auch problematisch in dem anderen Falle, den Du schildertest, (die geliebte Katze des Kindes ist gestorben), das Kind anzulügen.




Tosa Inu
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Fr 29. Sep 2017, 11:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 29. Sep 2017, 11:39
Ich erzähle durchaus gerne Geschichten ... und in manchen Momenten frag ich mich schon, ob es nur Geschichten sind oder es wirklich so war. Zumeist wird es wohl eine Mischung sein :-)
Ich bin Purist und zwanghaft wahrheitsliebend.

Ich habe mal einen (schwer narzisstischen) Freund gehabt, der chronisch gelogen, mindestens aber alles aufgehübscht hat. Was mich irritierte, war, dass er Geschichten auch dann veränderte, wenn ich sie mit ihm erlebt hatte, er sie anderen erzählte und es etwas ziemlich anderes war, als ich erlebt hatte.

Dann habe ich aber mal eine Frau kennengelernt, die sagte, dass sie teilweise nicht unterscheiden könne, ob sie etwas mit anderen tatsächlich erlebt oder das nur geträumt habe. Bei ihr würde das unentwirrbar teilweise zusammenfließen. Fand ich auch skurril.



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Jörn Budesheim
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Fr 29. Sep 2017, 11:55

Herr K. hat geschrieben :
Fr 29. Sep 2017, 11:48
Ich finde es übrigens auch problematisch in dem anderen Falle, den Du schildertest, (die geliebte Katze des Kindes ist gestorben), das Kind anzulügen.
Sie hat die Wahrheit schließlich erfahren. Aber wir haben uns eben die Zeit genommen (vielleicht ein paar Tage) uns zu überlegen, wie wir es ihr einigermaßen schonend geht, es war ja schlimm genug. Die Frau, die uns anrief und von dem Unfall erzählte (wir hatten überall Zettel verteilt - ihr kennt das) hat es vergleichbar gehalten. Als unser Kind am Apparat war, hat sie sofort geschaltet und es ihr nicht erzählt, sondern hat nach den Eltern verlangt. Und das war genau richtig. Wir haben natürlich auch (wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht) über den Zweck des Anrufs gelogen - und das finde ich völlig angemessen, weil dem ein höheres Gut entgegenstand.




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Jörn Budesheim
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Fr 29. Sep 2017, 15:00

Warum ist der Wolf in Märchen immer der Böse?
Ich hatte bereits früher zu dem Thema (im weitesten Sinne) mal eine Zeichnung gemacht.

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wolf-small.jpg
wolf-small.jpg (181.44 KiB) 13019 mal betrachtet
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Hier im Smalltalk darf man auch auf dünnem Eis kräftig auftreten, hoffe ich :-)

Eine der Besonderheiten am Wolf ist sein kultivierter Bruder der Hund. Dass sie aus einer Linie stammen war wohl lange Zeit unklar, aber Ähnlichkeiten bestehen ja unabhängig davon. So steht der Wolf dank dieser Doppelstruktur in gewisser Hinsicht für eine Doppelstruktur, die uns selbst ausmacht, die Spannung aus erster und zweiter Natur (oder wie auch immer man es nennen mag).

Bezeichnend dafür, ist dass dann auch Hybride auftauchen, die diese Doppelstruktur in einer Person verwirklichen, nämlich Mensch und Wolf als Werwölfe. Sie sind dann Bewohner zweier "Welten" und gehören zur Natur ebenso wie zur Kultur/Zivilisation.




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Stefanie
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Fr 29. Sep 2017, 22:07

Ich lasse den Werwolf erst mal links liegen, da ich noch bei Lügen und Kinder bin.
Vorgestern habe ich ein bißchen geflunkert. Wir müssen auf der Arbeit zum Rauchen rausgehen. Beim Reinkommen saß am Empfang ein Kind mit seinem Vater. Das Kind - offenbar in der Warum Frage Phase- schaute mich an, und fragte woher ich komme. Ich: Ich war draußen. Kind: Warum? Ich: Ich habe eine Pause gemacht. Kind: Warum? Ich: Um Luft zu schnappen. (Vor der nächsten Warum Frage wurde ich erlöst, das Kind und Vater wurden zum Termin gerufen). Die Zigaretten hatte ich beim Reinkommen in die Hosentasche getan. Ich war der Meinung, dass ich dem Kind nicht sagen sollte, dass ich draußen rauchen war. Ich denke nicht, dass ein Schaden beim Kind entstanden ist.



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novon
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Fr 29. Sep 2017, 22:26

Stefanie hat geschrieben :
Do 28. Sep 2017, 22:38
Ich will doch nur spielen. ;- )
Na und ich denn nicht...?!? *g
Stefanie hat geschrieben :
Do 28. Sep 2017, 22:38
Ich zitiere mal Herrn Popper: Alle Menschen sind Philosophen.
Oder pädagogisch betrachtet: Ein niedrigschwelliger Ansatz.
Oder Neudeutsch: Brainstorming.
Wobei "Brainstorming" allerdings ja eher nicht für Antworten verantwortlich zeichnet, sondern für Impulse. (Würde mich wundern, wenn je ein Brainstorming mal fertige Antworten hervorgebracht hätte.)
Stefanie hat geschrieben :
Do 28. Sep 2017, 22:38
*hüstel" Stefanie
Gesundheit, quasi... :)




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novon
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Fr 29. Sep 2017, 22:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 29. Sep 2017, 05:51
Wie sieht es aus mit dem Weihnachtsmann? Den Kindern hier etwas vorzuspielen, ist das überhaupt eine Lüge?
Eine Lüge ist eine bewusste Behauptung einer Unwahrheit.
Im genannten Kontext reichte es wohl, nur zu Grinsen, oder so etwas ähnliches wie: "Das wirst du noch herausfinden." anzubringen. Einer Lüge bedarf es ganz sicher nicht. (Es sei denn natürlich, man hoppelt selbst als Weihnachtsmann durch's verwandtschaftsgeschwängerte Wohnzimmer und wähnte dass die mitgebrachte Rute ihren einkalkulierten erzieherischen Zweck verfehlen könnte... Oder so... *g)
Zuletzt geändert von novon am Fr 29. Sep 2017, 23:03, insgesamt 1-mal geändert.




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Stefanie
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Fr 29. Sep 2017, 22:49

Aber wie ist es denn, wenn eine Lüge der Eltern später herauskommt? Ich meine jetzt nicht den Fall des Weihnachtsmann.
Etwas ernsteres oder etwas, was im nach hinein auch Bedeutung für das dann erwachsene Kind haben kann. Ich weiß bis auf einen Fall von keinen "Lügen" meiner Eltern, in diesem einem Fall wurde uns etwas nicht gesagt. Unsere heißgeliebte Klassenlehrerin an der Grundschule, die auch die Klassenlehrerin der Klasse unter mir war und damit die Klassenlehrerin meiner Schwester, gab Mitte/Ende meiner 3. Klasse die Klassenleitung der anderen Klasse ab, und meine Schwester bekam eine neue Klassenlehrerin. Meine Klasse hat die Lehrerin bis zum Ende der vierten Klasse weiter betreut, aber sie hat nur noch ein Fach bei uns gegeben. In der Klasse meiner Schwester kamen etliche SchülerInnen mit dem Wechsel nicht zurecht. Uns SchülerInnen wurde nicht viel gesagt, wieso warum, so wage, sie hört an der Schule auf, vielleicht und zwei Klassen wären ihr zu viel. Jahre später, kurz vor meinem Abi erzählte mir jemand dann den Grund, warum das passierte. Die Lehrerin hatte ein psychische Problem, und war wirklich Kleptomanin, sie hat auch in der Schule gestohlen. Die Behörden wollten sie sofort aus dem Schuldienst entlassen, aber Schulträger und die Eltern setzten dann die Lösung durch, dass sie meine Klasse behielt, und die Klasse meiner Schwester bekam die neue Lehrerin. Meine Klasse war die letzte Klasse, die sie unterrichtet hatte, danach nie wieder eine Klasse.
Da wir untereinander redeten, ich es meiner Schwester erzählte, machte das dann natürlich die Runde. Das hatte zur Folge, dass dann etliche 17-19 jährige vor ihren Eltern standen, und diese empört ins Verhör nahmen. Es waren alle der Meinung, dass wir alt genug waren und ein Recht auf die Info gehabt hätten. Einige Eltern wusste es nicht mehr so genau, andere meinten wir sollten uns nicht aufregen, andere sagten, es war zum unserem besten. Fanden wir nicht. Es gab damals an der Schule hitzige Diskussionen, ob man es uns erzählt oder nicht. Die Lehrerin selber wollte es, und zwar aus dem Grund, dass gerade die Klasse meiner Schwester nicht denkt, es wäre ihr zu viel. Der Deal war aber, nichts zu sagen.Gerade im Hinblick darauf, dass nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Familien mit viel schlimmeren Ereignissen offen umgegangen wurde, waren wir sauer. Ein sehr gute Freund meines Vaters, den wir auch gut kannten- ein "Onkel", den wir klasse fanden -, hatte sich das Leben genommen. Das wurde uns nicht verheimlicht, und offen gesagt, warum er nicht mehr kam. Unsere Gruppenleitung im Kindergarten kam bei einem Autounfall ums Leben, auch dass wurde uns erklärt, warum sie nicht mehr da war. Meine Eltern hatte uns nie von dem damaligen RAF Attentaten abgeschirmt, und dann das.
Wir Ehemaligen aus der Grundschule, die dann Abi machten, hatten uns dann entschieden, unsere ehemalige Klassenlehrerin zu unserem Abi Ball einzuladen und was die Eltern dachten, war uns so was von egal.
Ich werde nie vergessen, wie unsere "alte" Lehrerin bei uns auf dem Abi Ball war, total gerührt, - wir auch- und stolz auf uns. Es war die heißgeliebte Klassenlehrerin, in unseren Augen die beste Lehrerin der Welt, und die allermeisten - ich auch- hatten durch die vier Jahre Grundschule durch sie ein positives Erleben von Schule vermittelt bekommen.



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Jörn Budesheim
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Sa 30. Sep 2017, 07:15

Stefanie hat geschrieben :
Fr 29. Sep 2017, 22:49
Es waren alle der Meinung, dass wir alt genug waren und ein Recht auf die Info gehabt hätten.
Das heißt aber doch, dass eine gewisse Übereinstimmung zwischen Eltern und Kindern gibt, dass es eine Frage des Alters bzw der Reife ist, ob man ein "Recht auf Infos" hat. Die Kinder waren also ihrerseits der Ansicht, dass es Infos geben kann, für die Kinder eben noch nicht reif genug sind.

Doch in diesem Fall, den du oben geschildert hast, geht es ja nicht allein um die Frage, ob man Kinder belügen darf oder manchmal vielleicht sogar muss, sondern zusätzlich um die komplizierte Abwägung von vielen verschiedenen Gütern. Hätte man die Kinder eingeweiht, hätte man zugleich das Versprechen des Stillschweigens gebrochen und die Lebensplanung der Lehrerin durchkreuzt.

Ich glaube nicht, dass es eine allgemeine Regel geben kann, solche ethischen Konfliktsituation zu entscheiden. In Bezug auf die Frage, ob man die eigenen Kinder belügen darf, heißt das meines Erachtens, dass es die richtige regulative Idee ist, dies nicht zu tun, dass es im Einzelfall aber anders aussehen kann, wenn andere Dinge schwerer wiegen. Leider kein besonders hilfreiches Ergebnis :(




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Jörn Budesheim
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Sa 30. Sep 2017, 10:23

Nehmen wir mal ein Beispiel, dem man (so oder so ähnlich) bei der Diskussion um den kategorischen Imperativ immer mal wieder begegnet. Wir stellen uns vor Kant hat einen Freiheitskämpfer versteckt. Die Schergen des Machthabers gehen von Haus zu Haus und fragen, ob man über deren Verbleib informiert ist. Kant müsste nach eigener Maßgabe auch hier die Wahrheit sagen und die Freiheitskämpfer verraten. Offensichtlich ein kontraintuitives Ergebnis. Meines Erachtens zeigen solche Beispiele, dass zu lügen oftmals sogar geboten ist!




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Stefanie
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Sa 30. Sep 2017, 19:44

In meinem Beispiel erfährt das "Kind" es zu einem Zeitpunkt, wo es wesentlich älter ist, als zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Sachverhalt abspielte. Ich habe diese Angelegenheit mit 18 Jahren mit Sicherheit etwas anderes bewertet, als ich es wahrscheinlich mit 8 oder 9 Jahren gemacht hätte. Die Abwägungsfragen sind allein vom Kopf her im Alter von 18 Jahren nachvollziehbarer, als im Alter von 8 oder 9 Jahren. Das ging auch mir so, und jetzt auch, noch mal etliche Jahre später. Emotional sieht das allerdings ganz anders aus. Zumal bei jemand wie mir, der den Erzählungen nach und den noch bei mir vorhandenen Erinnerungen schon in der Grundschule darauf bestand, wenn es um mich und die Schule ging, mitzureden. Das ging so was wie damals gar nicht.



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Sa 30. Sep 2017, 19:50

Jörn:
Meines Erachtens zeigen solche Beispiele, dass zu lügen oftmals sogar geboten ist!
Wie auch einen Sterbenden zu "belügen", damit er oder sie in Ruhe und Frieden sterben kann?

In dem Buch "Der Alte König in seinem Exil" beschreibt der Autor, wie der Vater an Alzheimer erkrankt und wie sich die Situation entwickelt. An einer Stelle beschreibt er, dass er, um seinen Vater nicht aufzuregen und die Situation nicht zu verschlimmern, einfach zu dem was sein Vater sagte, zugestimmt hat, obwohl, dass was sein Vater sagte, nicht stimmte. Es machte für alle Beteiligten das Leben einfach leichter.



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Sa 30. Sep 2017, 20:21

Ja, zum Beispiel.




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