Leser fragen, Philosoph*innen antworten

Das ist die Rubrik für die ewige Wiederkunft des Gleichen: Ohrwürmer, Humor und Anekdoten, Buchempfehlungen etc. Einfach für alles, was gut ist und immer wieder kommt.
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Alethos
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So 21. Jan 2018, 13:46

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 12:09
Seine Geschichte ist und bleibt, die die sie war. Er hat dieses Leben geführt, diese Werte vertreten, stand für dieses ein etc. Das sind eben die unabänderlichen Tatsachen. Was fehlt ist seine Fähigkeit, sich weiter als diese Person zu verstehen, weil der Bezug zu sich selbst verloren zu gehen droht.
..und weil auch der Bezug zu anderen ein ganz anderer zu werden verspricht. Die 'verwandelte' Person wird nicht mehr als die Person erlebt, zu der man diesen und diesen Bezug hatte. Die Person kann nicht mehr in gleicher Weise das Wir mitkonstituieren, das man gemeinsam bildete. Aber das muss nicht immer als Ende angesehen werden, man kann es auch als neue Qualität des Miteinanders deuten, als Fortsetzung von etwas in anderer Art. Aber diese Neupositionierung gelingt natürlich nicht immer und jede Situation wird von Fall zu Fall unterschiedlich beurteilt werden, denke ich.

Ich erinnere mich an meinen Vater, der vor gut einem Jahr an einem Herzinfarkt starb. Er lag tagelang auf der Intensivstation, sein Hirn war wegen Sauerstoffmangel in dauerepileptischem Zustand, er war nicht bei Bewusstsein und die Ärzte meinten, er würde als krasser Pflegefall enden, falls er überhaupt wieder das Bewusstsein erlange.

Er lag da, es war sein Körper, der sich uns zeigte. Aber er war nicht mehr er. Und die Vorstellung, dass wir ihn mit aller Kraft zurückholen sollten, damit er sabbernd und vor sich her vegetierend ein paar Jahre weiterleben kann, das war eine sehr schmerzliche Perspektive. Er wäre nicht mehr derselbe gewesen. Da wir eine Patientenverfügung hatten und wir seine Einstellung kannten, haben wir beschlossen, ihn sterben zu lassen.

War das jetzt eine Unterteilung von Leben in lebenswertes und nicht lebenswertes Leben? In gewissem Sinne, ja. Wir haben uns, um seinen ausdrücklichen Wunsch wissend, in einem solchen Fall für den Tod zu entscheiden, in seinem Sinne gehandelt, indem wir uns gegen ein bestimmtes Sosein entschieden.

Mir wurde in diesem ganz konkreten Fall klar, dass die Identität meines Vaters an sehr vielem hängt, was nicht unmittelbar mit dem Leben überhaupt, sondern mit dem individuellen Dasein im Besonderen zusammenhängt. Der Wert des Lebens ist kein Wert an sich im Sinne eines Selbstzwecks, sondern manifestiert sich doch am Lebenden, durch das das Leben immer dieses individuelle, spezielle und einzigartige ist.



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Jörn Budesheim
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So 21. Jan 2018, 15:52

Alethos hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 10:35
Darum meinte ich aber auch, dass ich nicht derselbe sein kann, der ich mit 5 Jahren war, denn ich sah nicht nur anders aus, ich dachte auch ganz anders. Ich war ein anderer Mensch, auch wenn ich dieses Andersein als zu meiner Lebensgeschichte gehörend hinzuzählen kann.
Wäre das so, dann wäre ein Satz wie "mit 5 Jahren habe ich Fahrradfahren gelernt" schon unverständlich, oder? Du müsstest dann sagen, "ein anderer Mensch" hat Fahrradfahren gelernt. Aber welcher? Irgendeiner? Nach meinem Geschmack ist nicht die Frage, ob ein diachrone Identität besteht, sondern worin sie besteht. Und wenn wir da ein wenig Klarheit hätten, könnten wir einen Antwortversuch auf die Frage wagen.




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Alethos
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So 21. Jan 2018, 17:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 15:52
Alethos hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 10:35
Darum meinte ich aber auch, dass ich nicht derselbe sein kann, der ich mit 5 Jahren war, denn ich sah nicht nur anders aus, ich dachte auch ganz anders. Ich war ein anderer Mensch, auch wenn ich dieses Andersein als zu meiner Lebensgeschichte gehörend hinzuzählen kann.
Wäre das so, dann wäre ein Satz wie "mit 5 Jahren habe ich Fahrradfahren gelernt" schon unverständlich, oder? Du müsstest dann sagen, "ein anderer Mensch" hat Fahrradfahren gelernt. Aber welcher? Irgendeiner? Nach meinem Geschmack ist nicht die Frage, ob ein diachrone Identität besteht, sondern worin sie besteht. Und wenn wir da ein wenig Klarheit hätten, könnten wir einen Antwortversuch auf die Frage wagen.
Nun ja, das halte ich nicht für einen Nebenschauplatz. Natürlich zähle ich meine Kindheit zu meiner Lebensgeschichte, ich subsumiere diese Taten unter mein Ich. Sie gehören zu meiner Identität als meine Vergangenheit.

Aber unter dem Gesichtspunkt der Identität und unter Berücksichtigung des Wandels müsste man sagen, dass das damalige Ich nicht meinem heutigen Ich entsprechen kann. Sonst müsste ich sagen: 'Ich habe Angst vor Werwölfen.', was für mich heute nicht mehr gilt, sondern für mein damaliges Ich galt. Mein altes Ich und mein neues Ich, ist das noch dasselbe Ich?

Ist denn eine Raupe und der aus ihm ausgeschlüpfte Schmetterling noch dasselbe Ding? Ist Gregor noch Gregor nach der Metamorphose? Ich finde, dass diese Fragen nicht eindeutig geklärt sind, sondern den Kern der Fragestellung betreffen.

Natürlich ist das Älterwerden, das Erwachsenwerden nicht eine so tiefgreifende Metamorphose wie die Verwandlung zum 'Bug' :) Das ist unbestritten. Aber offensichtlich reicht es auch nicht, an jedes Verwandelte das alte Etikett zu heften, um behaupten zu können, es handle sich um dassebe.



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Jörn Budesheim
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So 21. Jan 2018, 17:32

Alethos hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 17:04
Mein altes Ich und mein neues Ich, ist das noch dasselbe Ich?
Ich würde sagen: ja. Es ist deine Biografie, das Leben, dass du geführt hast. Zu unserer Identität gehört ja zwingend hinzu, dass wir uns im Großen wie im Kleinen ändern können, wobei wir manche der Veränderungen, auch verantworten. Was jeweils wichtige Punkte für die Ausgangsfrage sind.
Alethos hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 17:04
Ist Gregor noch Gregor nach der Metamorphose?
Falls Samsa nicht eine Romanfigur wäre, sondern eine historische Figur in Kafkas Prag, dann: nein. Weil das Leben, an das er sich erinnert, nicht das Leben der Figur sein kann, die er nun ist, denn er hat sie mit einem anderen Körper gemacht.




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Alethos
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So 21. Jan 2018, 18:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 17:32
Alethos hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 17:04
Mein altes Ich und mein neues Ich, ist das noch dasselbe Ich?
Ich würde sagen: ja. Es ist deine Biografie, das Leben, dass du geführt hast. Zu unserer Identität gehört ja zwingend hinzu, dass wir uns im Großen wie im Kleinen ändern können, wobei wir manche der Veränderungen, auch verantworten. Was jeweils wichtige Punkte für die Ausgangsfrage sind.
Ok. Ich sehe ein, dass meine Vergangenheit zu mir gehört und sie meine Identität ausmacht. Ich bin ja nicht zuletzt auch das Resultat meiner eigenen Geschichte, die ich massgeblich mitverantworte.
Aber zugleich ist dieses Ich, das sich über die Zeit wandelt, die Konstante meiner Identität. Nun muss man sich doch schon fragen, welche Wandlungen dieses Ich durchmachen kann, um noch als die Konstante meiner Identität gelten zu dürfen.
Die Frage lautet wirklich, was bedeutet Identität, was bedeutet Ichsein?

Wenn eine Transgender-Frau in einem früheren Leben (so spricht man ja für gewöhlich) körperlich ein Mann war, innerlich aber eine Frau, dann liegt hier keine kohärente Ich-Einheit zwischen Körper und Seele vor. Der Körper gehört in dieser Form nicht zu meiner erlebten Identität. Nach einer Geschlechtsunwandlung und der Modifikation anderer körperlicher Eigenschaften gleichen sich die Identitäten an. Die Frau kann sagen: Das ist mein Körper und ich zähle ihn in dieser Form zu meiner Identität.

Zu sagen, der frühere Mann und die heutige Frau hätten die gleiche Identität, mutet doch sonderbar an? Der Hinweis, dass es sich um ein und dasselbe Subjekt handelt, es sich lediglich wandelte, das befriedigt nicht so wirklich. Zum Subjekt zählt seine eindeutige Lokalisierung als etwas Bestimmtes, durch das er gerade alle anderen nicht ist. Er ist ein Mensch mit der spezifischen Signatur seines individuellen Seins und als solcher dieser Mensch. Diese Entität. Seine Identität liegt in diesem seinen Dasein begründet.
Zugleich aber gehört zu seinem individuellen Sein die Modifikation seiner Selbst als Aktualisierung in der Zeit. Nun gibt es Wandlungen, aufgrund derer wir sagen: 'Er ist nicht mehr derselbe' und Wandlungen, bei denen wir sagen: 'Er ist trotz allem immer noch derselbe'. Diese Graduation gibt es meiner Ansicht nach tatsächlich.

Wenn wir aber die folgende relationale Definition von Identität unterstellen: 'Identisch sind zwei völlig übereinstimmende Dinge', müssten wir zugleich sagen, dass niemand von uns mit sich selbst identisch ist durch alle Zeit.

Nochmal: Ja, es gibt eine Klammer, durch die ich mich selbst durch die Zeit hindurch als derselbe wahrnehme und durch die mich andere als denselben wahrnehmen. Die Frage ist, ob diese Identität eine gedachte ist oder eine dem Gegenstand selbst zukommende? Auch Heraklit meinte, dass nichts sich selbst gleich bleiben kann und nur der Wandel wirklich sei. Identität wäre damit so etwas wie eine Idee der Gleichheit?



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Jörn Budesheim
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Mi 24. Jan 2018, 08:38

Ich hab die letzten Beiträge zu der Frage, was das "ich" ist, verdoppelt. Ihr findet den neuen Strang jetzt hier > #filosofix Das Schiff des Theseus




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Jörn Budesheim
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Do 22. Mär 2018, 13:57

Ich hab wieder mal in den Leserfragen gestöbert und ein paar herausgekramt, die ich interessant fand:
  • Gibt es ein Recht auf Wahrheit?
  • „Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das große vergebens warten.“ (Pearl S. Buck) Stimmt das?
  • Kann man sich eigentlich entscheiden, keine Angst zu haben?
  • In meiner Firma wird viel diskutiert und nach Kompromissen gesucht. Aber woran erkennt man einen guten Kompromiss?
  • Ich frage mich oft, was mein Hund gerade denkt. Mein Mann sagt: „Nichts, es ist ja nur ein Hund!“ Hat er recht?
  • Was meinen wir eigentlich mit „gesundem Egoismus“?




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Jörn Budesheim
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Fr 23. Mär 2018, 09:14

Leser fragen, Philosoph*innen antworten hat geschrieben :
Do 22. Mär 2018, 13:57
Gibt es ein Recht auf Wahrheit?
Ich meine: Im Prinzip Ja.

Das ergibt sich aus der Gleichheit der Menschen, daher schulden wir den anderen (u.a.) Respekt und Aufrichtigkeit. Das gilt allerdings nicht stur. Andere Werte können diesen von Fall zu Fall übertrumpfen. Einem Kranken gegenüber kann man (um ihn aufzumuntern oder dergleichen) es mit der Wahrheit auch mal nicht so genau nehmen.




Tosa Inu
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Fr 23. Mär 2018, 11:41

  • Gibt es ein Recht auf Wahrheit?
Ich glaube auch, ja. Auch und gerade bei Kranken, es sei denn, Verdrängung ist deren Lebensprinzip.
  • „Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das große vergebens warten.“ (Pearl S. Buck) Stimmt das?
Ja.
  • Kann man sich eigentlich entscheiden, keine Angst zu haben?
Nein.
  • In meiner Firma wird viel diskutiert und nach Kompromissen gesucht. Aber woran erkennt man einen guten Kompromiss?
Wenn es allen gleichmäßig weh tut.
  • Ich frage mich oft, was mein Hund gerade denkt. Mein Mann sagt: „Nichts, es ist ja nur ein Hund!“ Hat er recht?
Nein, Hunde denken, vielleicht nicht in Begriffen. Wie weit das geht, wissen wir nicht, aber ich hörte neulich, dass Hunde nicht nur den Tonfall verstehen, sondern auch einzelne Wörter.
  • Was meinen wir eigentlich mit „gesundem Egoismus“?
Dafür zu sorgen, dass man vom Kuchen Welt ein paar Stücke abbekommt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Di 27. Mär 2018, 18:05

Leser fragen, Philosoph*innen antworten hat geschrieben :
Do 22. Mär 2018, 13:57
Kann man sich eigentlich entscheiden, keine Angst zu haben?
Natürlich nicht generell, schätze ich. Aber insofern Angst ein vernünftiges Gefühl sein kann, kann es ggf. auch vernünftigen Zugriff darauf geben. Bei irrationalen Ängsten (als Beispiel) könnte Ratio zumindest behilflich sein. Das ist natürlich nur Theorie, im Grunde ist das eine empirische Frage, vermute ich.




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Jörn Budesheim
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Di 27. Mär 2018, 18:45

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 23. Mär 2018, 11:41
Auch und gerade bei Kranken, es sei denn, Verdrängung ist deren Lebensprinzip.
Man hat übrigens auch das Recht wohlwollend interpretiert zu werden, finde ich. Das ergibt sich womöglich sogar aus dem Recht auf Wahrheit.

Wenn wir jemand am Krankenbett besuchen nach einer schweren Operation, dann müssen wir ihm nicht unbedingt auf die Nase binden, wie schrecklich er/sie aussieht. Da kann man auch schon mal fünf gerade sein lassen und eine Nettigkeit sagen, die vielleicht nicht ganz den Tatsachen entspricht. Unsere Gegenüber haben zwar ein Recht auf Wahrheit, aber auch noch viele andere Rechte, die manchmal nicht alle zugleich zu haben sind. Da muss man abwägen, wir sind keine Wahrheitsmaschinen. Aussagen sollten also nicht nur wahr, sondern auch den Umständen angemessen sein und unsere Gefühle gut zum Ausdruck bringen.




Tosa Inu
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Mi 28. Mär 2018, 10:57

Ich würde das einfach Takt(gefühl) nennen.
Es ergibt sich aber m.E. eher nicht aus dem Recht auf Wahrheit, sondern stellt einen dem Recht auf Wahrheit ggf. übergeordneten Wert dar.
Wenn Wahrheiten verletzen, kann man auf sie verzichten, es sei denn, man sieht es als nötig an, dass der andere einen deutlichen Hinweis bekommt.
Ich denke, das ist aber ein Frage der Lebenserfahrung.



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Jörn Budesheim
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Do 24. Mai 2018, 11:58

unbekannte/r Leser/in hat geschrieben : Wäre ich die geworden, die ich bin, wenn meine Eltern mich zwei Minuten früher gezeugt hätten?




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Stefanie
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Do 24. Mai 2018, 18:01

Also...bei dieser Fragestellung stelle ich mir eine Gruppe von Menschen vor, die diese Frage hitzig diskutieren, unter der Zuhilfenahme von berauschenden Substanzen, und nicht feststellen, dass die Frage so nicht zu beantworten ist. ich habe das Bild dieser Diskussion bildlich vor meinen Augen.

Interessanter ist die Frage, was machen die Gene aus, und was nicht. Bin ich mehr als meine Gene?



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Jörn Budesheim
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Do 24. Mai 2018, 18:12

Stefanie hat geschrieben :
Do 24. Mai 2018, 18:01
unter der Zuhilfenahme von berauschenden Substanzen
Statt berauschende Substanzen zu nutzen, will ich versuchen an unsere Intuitionen zu appellieren :-) Was passiert wenn wir die Frage etwas ummodeln:

Wäre ich geworden, die ich bin, wenn meine Eltern mich zwei Tage früher gezeugt hätten?
Wäre ich geworden, die ich bin, wenn meine Eltern mich zwei Jahre früher gezeugt hätten?
Wäre ich geworden, die ich bin, wenn meine Eltern mich zwei Jahrzehnte früher gezeugt hätten?

Ich meine, in keinem der Falle gäbe es mich überhaupt, egal wie man die Zeitspanne fasst. Mich gibt es nur, weil ich in diesem Augenblick gezeugt wurde. Nur dieser Moment zahlt. Oder?




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Stefanie
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Do 24. Mai 2018, 18:50

Ähm. ? Wie?
Den Moment gab es doch zu jedem Zeitpunkt.
Bei den kurzen Zeitspannen, 2 Minuten, 2 Tage, wäre es egal. Es sei denn, gerade in dem Moment wäre eine Atombombe explodiert.
Bei zwei Jahrzehnten ist es eine andere Zeit, kulturell, geschichtlich, sozial, also die Prägung durch die Zeitepoche, also die Einflüsse waren anders.

Ich glaube, ich verstehe die Frage anders.



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Do 24. Mai 2018, 19:14

Stefanie hat geschrieben :
Do 24. Mai 2018, 18:50
Den Moment gab es doch zu jedem Zeitpunkt.
Einen Moment ja, aber nicht den, an dem ich geboren wurde. Da starte ich, woanders wird's jemand anders.




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Stefanie
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Do 24. Mai 2018, 22:10

Die Frage ist doch, wäre ich die/der geworden, wenn...
Es wird doch davon ausgegangen, dass Du/ich dann auch bei den anderen den Momenten startest, und dann wird geschaut, ob Du/Ich dann zu der Person geworden bist, denn Du/jetzt bist. Ob der Zeitpunkt der Zeugung und der Geburt Auswirkungen auf die Entwicklung der Person haben.

?



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Jörn Budesheim
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Fr 25. Mai 2018, 07:34

Aber kann man davon ausgehen?

Nehmen wir ein ganz anderes Beispiel. Hans fragt sich, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er 68 zwei Minuten später zur Demo gekommen wäre. Er hätte Hilde nie kennengelernt, sie hätten nicht fünf Kinder zusammen groß gezogen usw. usf.

Meine "Befürchtung" ist dass die Frage "Wäre ich die geworden, die ich bin, wenn meine Eltern mich zwei Minuten früher gezeugt hätten?" im Grunde so tut als wäre da ein "Ich" bereits da ... und nun fragt sich, was wäre geschehen, wenn dieses "Ich" zwei Minuten zu später seinen Lauf begonnen hätte. Und das ergibt nach meinem Verständnis keinen Sinn. Dieses "Ich" begann in diesem Moment. Wäre etwas anders passiert, wäre ein anderes "Ich" ins Leben gekommen.




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Stefanie
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Fr 25. Mai 2018, 21:17

Hat ein Mensch, der gerade geboren wurde, schon ein "fertiges" Ich?
Meiner Meinung nach nicht.
Neben den genetische Anlagen kommen doch andere Faktoren dazu.
Die genetische Anlagen sind doch immer identisch, egal, wann dieser Moment war. Die anderen Faktoren für ein Ich nicht unbedingt.

Das ist doch ein Gedankenexperiment oder?

Hmpf, ich verstehe dass mit dem Moment nicht, es kommt doch immer das identische Baby auf die Welt.



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