Was schreibt ihr gerade? Gedichte unserer Mitglieder

Das ist die Rubrik für die ewige Wiederkunft des Gleichen: Ohrwürmer, Humor und Anekdoten, Buchempfehlungen etc. Einfach für alles, was gut ist und immer wieder kommt.
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Jörn P Budesheim
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Fr 19. Sep 2025, 10:30

Nebenan

Nebenan foltern sie schon wieder jemanden.
Diese Schreie nerven.
Kann man das nicht dezenter machen?
Vielleicht knebeln?
Ein bisschen Rücksicht wäre nett!




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Jörn P Budesheim
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Fr 3. Okt 2025, 07:33

Das Orakel sagt
Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt 30 Prozent
Ein großes Reich wird zerstört werden
Die Märkte werden sich beruhigen
Ein Mann wird vor die Tore treten
Die Planeten werden verglühen
Du musst dein Leben ändern




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Jörn P Budesheim
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Die Schule für Dichtung Wien veranstaltet regelmäßig Online-Seminare mit bestimmten Themen und Formaten. Diesmal geht es um falsche Prophezeiungen. Der Text zuvor ist mein erster Beitrag dazu.
sfd.az hat geschrieben : literarische texte zu prophetie, anrufung, prognose, voraussage, verheißung. voraussagen als drohung, traumgesichte, zukunftsvernutzung, wahr-sagen.

keine inhaltlichen oder formalen beschränkungen (abgesehen von der länge der texte). keine genrebegrenzung. keine tabus. achtung: keine ki-texte.

max. 3000 zeichen (mit leerzeichen).


alfred goubran
umfangreiche literarische tätigkeit als schriftsteller, rezensent, übersetzer und verleger (edition selene 1993 bis 2010) und musiker. 2010 erschien goubrans debütroman aus. es folgten zahlreiche publikationen, essays, romane, erzählungen, gedichte sowie übersetzungen. 2024, nach 20 jahren, fertigstellung und veröffentlichung des 7-bändigen romanprojekts eliade (buchschuber mit einem kommentarband von stefan gmünder).

www.goubran.com




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Jörn P Budesheim
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So 12. Okt 2025, 09:11

Bild

Falsche Prophezeiung

Wir sehen von links nach rechts, so wie wir lesen.

Schautafeln, die uns das Sehen lehren, zeigen links im Bild einen Baum – keine Buche, keine Tanne, keinen Apfelbaum, nur einen Baum. Von ihm fällt keine Frucht, und darunter sitzt kein Paar, das sich küsst. Niemand hebt Ingrid Marie auf, um sie mit nach Hause zu nehmen.

Zwei Linien führen nach rechts: von dem Baum zu einem Kopf im Profil ohne Körper. Sie treffen sich dort, wo der Augapfel sitzt. (Die ersten Augen waren Tropfen. In ihnen brach sich das Licht. Dahin zog es den Körper.) Dort, wo man das Gehirn vermutet, zeigt die Tafel einen zweiten Baum – manchmal kopfüber, sodass seine Wurzeln in den Himmel ragen.

Diese Modelle sind falsch, das wissen wir heute.

An ihre Stelle ist die Theorie des kontrollierten Träumens getreten – predictive coding. Nur die Reize der Sinne halten unsere Träume am Tag im Zaum. In ihnen hat die Wirklichkeit das Sagen. Jede Prophezeiung wird von ihr kontrolliert. Stimmen Vorhersage und Reiz nicht überein, richtet sich der Traum neu aus.

Ich stelle die neue Theorie auf die Probe, öffne meine Augen – und sehe: Du bist nicht da.




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Jörn P Budesheim
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Fr 17. Okt 2025, 08:44

Hier zwei Quellen zu dem Text:

Lisa Feldman Barrett, Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn:

"Lange Zeit glaubte die Wissenschaft, das visuelle System im Gehirn funktioniere wie eine Kamera. Es nehme die Information von «draußen» auf und mache daraus im Gehirn eine Art Foto. Heute wissen wir es besser. Unser Bild der Welt ist keine Fotografie.

[...]

Ihr Gehirn kombiniert Informationen von außerhalb und innerhalb Ihres Kopfes und schafft daraus alles, was Sie sehen, hören, riechen, schmecken und durch Berührung erfahren.

[...]

Im wahrsten Sinne des Wortes sind Vorhersagen quasi Selbstgespräche Ihres Gehirns. Eine Gruppe Neuronen schätzt ab, was in unmittelbarer Zukunft passieren wird, und zwar aufgrund der Kombination aus Vergangenheit und Zukunft, die Ihr Gehirn heraufbeschwört.

[...]

Während Ihr Gehirn Vorhersagen trifft, überprüft es sie anhand der Sinnesdaten, die es aus der Außenwelt beziehungsweise aus dem Körper bekommt. Was jedoch als Nächstes passiert, verblüfft mich immer noch, selbst als Neurowissenschaftlerin. Falls Ihr Gehirn eine gute Vorhersage getroffen hat, feuern Ihre Neuronen bereits in einem Aktivitätsmuster, das zu den eintreffenden Sinnesdaten passt."

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Von dem Neurowissenschaftler Anil Seth findet man auf YouTube Videos mit Titeln wie „Dein Gehirn halluziniert deine bewusste Wirklichkeit“ oder „Dein Gehirn ist eine Vorhersagemaschine“. In einem Video sprach er von „kontrollierten Halluzinationen“.

Diese Formulierung hat mir gefallen. Ich hab' mich für eine andere Metapher entschieden und spreche stattdessen von „kontrollierten Träumen“.

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"(Die ersten Augen waren Tropfen. In ihnen brach sich das Licht. Dahin zog es den Körper.)" Das ist zwar keine freie Erfindung, jedoch nur mit etwas gutem Willen wahr. Ich nutze gerne (in Texten und Zeichnungen) Dinge, die ich zwar recherchiere, dann aber sehr frei "modelliere". Ich bin etwas überrascht, dass nach dem Wahrheitsgehalt gefragt wird … aber gut zu wissen.


Die Pointe des Textes - so hatte ich es zumindest gehofft - soll ja der letzte Satz sein: "Ich stelle die neue Theorie auf die Probe, öffne meine Augen – und sehe: Du bist nicht da." Aber das ist anscheinend nicht gelungen. Was tun?




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