7 philosophische Rätsel, die dein Gehirn auf Touren bringen

Hier werden in unregelmäßigen Abständen Presseartikel zu Philosophen und Philosophie in der Presse veröffentlicht
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Alethos
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So 29. Apr 2018, 13:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 13:27
Der Begriff ist leider vieldeutig.
Dass Lisa grösser ist relativ zu Hans, das ist auch objektiv so. Relativität im Sinne einer Konvention halte ich mit Bezug auf ontologische Aussagen für falsch, Relativität im Sinne einer Objektivität für richtig.

Das bedeutet nun einfach nichts von herausragender Bedeutung: Ein Stern am Himmel erscheint so klein, wie er gegeben seine räumliche Anordnung in Relation zu allem anderen erscheinen muss.
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Alethos
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So 29. Apr 2018, 13:58

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 13:45
Alethos hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 12:53
Aber nun, welches Auge ist im Recht?
Mein Erleben scheint deinem nicht zu ähneln. Meine Phänomenologie scheint mir nachgerade "verzweifelt" mitteilen zu wollen, dass es ihr im Moment nicht gelingt, die Situation zu stabilisieren ... und mich selbst sowie meine Faxen rauszurechnen, was ihr sonst so perfekt gelingt, dass ich es praktisch nie bemerke. (Ich denke dabei an meine vielen verwackelten Kamerabilder - so was mutet sie mir nie zu, obwohl ich doch immer in Bewegung bin und alles "wackeln" müsste.)
Dann rechnet dein Hirn gewisse Stabilität hinein, indem es Dekongruenzen herausrechnet? Aber das ist doch Konstruktivismus, oder?



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Jörn Budesheim
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So 29. Apr 2018, 14:04

Alethos hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 12:48
Es sieht nur so aus, als würde der Baum springen, er springt nicht tatsächlich.
Es scheint ziemlich kompliziert zu sein, sich über dies Phänomenologie (und die Vorstellungen) auszutauschen :-) Was die Idee, sie seien die Basis der Sprache (des Wissens etc.) irgendwie seltsam erscheinen lässt :-)

Nochmal: Bei mir sieht es nicht so aus, als würde der Baum springen. Ich erlebe natürlich auch dieses hin und her, aber es sieht nie so aus, als würde der Baum springen, keine Sekunde. Es ist die ganze Zeit klar, dass das hin und her allein mir selbst geschuldet ist. Das Absehen von diesem Sehereignis ist schon Teil der Wahrnehmung! Der Blick von nirgendwo klopft hier (wenn auch sehr leise) bereits an :-)




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Jörn Budesheim
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So 29. Apr 2018, 14:15

Alethos hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 13:58
Aber das ist doch Konstruktivismus, oder?
Dass ein funktionierendes Gehirn (zweifellos) eine notwendige Voraussetzung für unsere Wahrnehmungsprozesse ist, heißt ja nicht, dass es die Welt "konstruiert". Man wird nicht schon dadurch zum Konstruktivisten, dass man zugibt, ein Gehirn und haben :-)




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Alethos
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So 29. Apr 2018, 14:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 14:15
Alethos hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 13:58
Aber das ist doch Konstruktivismus, oder?
Dass ein funktionierendes Gehirn (zweifellos) eine notwendige Voraussetzung für unsere Wahrnehmungsprozesse ist, heißt ja nicht, dass es die Welt "konstruiert". Man wird nicht schon dadurch zum Konstruktivisten, dass man zugibt, ein Gehirn und haben :-)

Das wäre ja übel, wenn das der Preis für den Realismus wäre, dass man das Hirn in den Schrank stellen und ungenutzt lassen müsste. :mrgreen:

Man wird sich aber fragen können, was ein leistungsfähiges Gehirn alles zutage befördern kann, was ein weniger leistungsfähiges Gehirn nicht kann. Wenn das Hirn Stabilität erzeugen kann, dann kann es auch Zerrbilder erzeugen. Wahrheitserkenntnis ist sozusagen die kognitive Fähigkeit der Bereinigung von Irrtümern :) resp. die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst herauszurechnen als mögliche Fehlerquelle.

Deshalb ist Wahrheit nicht einfach allein in den Dingen (ontische Wahrheit), sondern wird befördert durch jene, die sie denken. Und deshalb ist mehr Wahrheit ist in einem Hirn, das denkt, als in einem, das nicht denkt.



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Jörn Budesheim
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So 29. Apr 2018, 15:49

Wo wir Grad so schön beisammen sind :-) Daraus, dass ich als Bedingung für die Wahrnehmung des Baumes ein funktionierendes Gehirn benötige, folgt jedoch, nicht dass die Wahrheit (zum Beispiel über den Baum) im Gehirn ist.

Und umgekehrt ist der Baum glücklicherweise nicht in meinem Gehirn, sonst wäre ich hin ... Aber er ist da. Ich könnte den Baum nicht wahrnehmen, wenn er nicht da wäre. Die Wahrnehmung ist nach meiner Einschätzung nichts in mir. Denn zum Gesamtzustand dieser Wahrnehmung gehört der Baum konstitutiv dazu.

Das ist natürlich nicht ohne Bedingung zu haben und zu diesem Bedingungen gehört ein normal funktionierendes Gehirn. Ich kann die Bedingungen jedoch auch bewusst stören, indem ich mir z.b. die Augen zu halte, den Daumen dazwischen mache und vielen anderen Unfug. Die Wahrnehmung ist jedoch in diesem Fall so gut optimiert, dass sie (metaphorish gesprochen) die Störung durchschaut und ich nicht getäuscht werde.

Wir sollten jedoch nicht vergessen, wie wir in diesem Punkt gekommen sind. Du hast sinngemäß geltend gemacht, man könne das Lineal auch aus einiger Entfernung an den Baum anlegen und käme dann zu anderen Ergebnissen. Ich bin jedoch nach wie vor der Ansicht, dass das phänomenal die Situation nicht richtig beschreibt. Zumindest haben meine Selbsttests das ergeben. Aber das ist natürlich eine schmale Datenbasis.




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So 29. Apr 2018, 19:41

Dann würdest du also nicht zugeben wollen, dass ein Baum oder ein Auto oder ein beliebiger Gegenstand aus der Ferne betrachtet kleiner erscheint als aus grösserer Nähe? Das würde mich tatsächlich erstaunen, denn meine Datenbasis sagt mir genau das: ein Gegenstand erscheint kleiner auf Distanz.

Und wenn man die Erscheinung zum Ding selbst hinzuzählt, dann wäre seine erscheinende Grösse irgendwie mit ihm verknüpft. Und ich frage mich, wie sie mit ihm verknüpft sein kann, wenn nicht als seine Eigenschaft. Es gehört doch zum Ding als seine räumliche Eigenschaft, kleiner zu wirken aus der Ferne betrachtet?

Natürlich kann sich mein Hirn täuschen, und was ich sehe, ist nicht ein kleiner erscheinender Gegenstand, sondern eine Fatamorgana :) Aber selbst dann wäre mir noch nicht klar, wie denn Relationen überhaupt zu denken sind. Es ist doch relevant, ob ein Ding in diese oder jene Tatsache eingelassen ist? Es ist entscheidend, ob ich es bin, der diesen Gegenstand wahrnimmt oder ihn eine Fledermaus sonorisch erfasst. Es ist etwas anderes, wenn das Ding im Nebel steht oder sich der Nebel lichtet. Es ist etwas anderes, ob es hell oder dunkel ist? Das, was vom Ding erscheint, das ist doch etwas ihm zukommendes durch die Relation zum gesamten Zusammenhang, in welchem er erscheint, denn nur durch diesen erscheint er ja überhaupt.

Wenn wir von Dingen reden, dann dürfen wir nicht ausblenden, dass es sich nicht um Einzeldinge handelt, sondern um in Sachverhalten verortete Dinge, und durch diesen Konnex konstituieren sie sich als diese Dinge. Und die Distanz von y zu z gehört zum Gesamtsein der sich zueinander verhaltenden Dinge, meine ich.



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So 29. Apr 2018, 20:34

Alethos hat geschrieben :
So 29. Apr 2018, 19:41
Dann würdest du also nicht zugeben wollen, dass ein Baum oder ein Auto oder ein beliebiger Gegenstand aus der Ferne betrachtet kleiner erscheint als aus grösserer Nähe?
Nein, das würde ich nicht zugeben wollen :-) Ich hab gerade einen Abendspaziergang hinter mir und hab es noch Mal sehr ausführlich getestet. Wenn mir eine Frau entgegen kommt, habe ich doch nie das Gefühl, sie würde größer. Ich sehe klar und deutlich, dass sie ihre Größe nicht verändert. Keiner der Gegenstände, bei denen ich es ausprobiert habe, schien mir größer zu werden, wenn ich mich ihm näherte. Aber genau das impliziert die Aussage doch, oder?

Aber ich weiß natürlich, was du meinst. Aber es ist für mich relativ schwer auszudrücken, ohne dass es einfach falsch klingt, und die tatsächliche Phänomenologie unterschlägt. Zu sagen, dass die Leute kleiner erscheinen, scheint mir zumindest fragwürdig. Vielleicht könnte man sagen, dass die Erscheinung der Leute "kleiner" ist. Das ist nicht synonym - vielleicht etwas besser.

Irgendwie haben wir es mit einer Art "Doppelcharakter" zu tun. Ein vielleicht etwas unpassendes Beispiel: Schaut man sich ein Wort an, dann ist es (mit etwas guten Willen) nämlich vergleichbar. Wenn es ein vertrautes Wort unserer Sprache ist, dann sieht man sofort seine Bedeutung. Und nicht primär die Kurven und Bäuche der Buchstaben. Aber man kann seine Sicht natürlich auch darauf lenken, ggf. so sehr, dass seine sogar Bedeutung zurücktritt: „Je näher man ein Wort anschaut, umso ferner schaut es zurück“ (Karl Kraus).

Die "kleinere Erscheinung" wird schließlich instantan in Entfernung übersetzt, wir sehen, dass sie weiter weg sind. Und das in einer Beschreibung zu unterschlagen, macht sie nach meinem Gefühl fragwürdig.




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