Dialoge

Argumente gehören zum Kernbestand der Philosophie. Die Argumentationstheorie ist derjenige Bereich Philosophie, der sich mit der Form und dem Gebrauch von Argumenten befasst.
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iselilja
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So 4. Apr 2021, 10:17

Wie der Titel schon verrät, geht es hier weniger um Argumente und deren Adäquation sondern mehr um den Rahmen, in dem Argumente eine Geltung überhaupt erlangen können. Also einem Dialog.

Ein paar Gedanken dazu..

.. in einen Dialog tritt man ein, so wie man einen unbekannten Raum betritt, von dem man nur sieht, dass sich dessen Tür geöffnet hat. Man weiß in wesentlichen Bezügen noch nicht, was darin geschehen wird. Sehr wohl aber kennt man die Intention, mit der man den Raum betritt - die eigene Erwartungshaltung also. Welche Intention andere, die den Raum bereits betreten haben, haben, weiß man nicht. Welches detailierte Hintergrundwissen im Einzelnen herrscht, weiß man ebenfalls nicht. Wie wichtig den anderen der eine oder andere Umstand ist, weiß man nicht. Welche Argumente kommen werden, weiß man nicht.

In dem Raum, den man als Gesprächspartner betreten hat, herrschen also Zustände, die von einer signifikanten Ungewißheit auf verschiedenen Ebenen geprägt sind. Hier ist also eine Sondierung erst einmal nötig. Und wie so oft, schlagen zurechtgelegte Argumentationsstrategien, die bereits in anderen Dialogen etwas Erfolg brachten, fehl. Warum? Weil jeder Dialog etwas Neues mit sich bringt. In ihm entsteht etwas, was zuvor in keinem der Anwesenden präsent war.

Platon hatte sich sehr intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt. Was vermutlich auch einer der Gründe war, warum er so vieles in Dialogform hinterlassen hat.




Burkart
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So 4. Apr 2021, 12:08

Wie wichtig ist die, dass nur zwei Leute kommunizieren? Ansonsten wäre es ja praktisch wie hier im Forum!?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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iselilja
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So 4. Apr 2021, 13:03

Burkart hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 12:08
Wie wichtig ist die, dass nur zwei Leute kommunizieren? Ansonsten wäre es ja praktisch wie hier im Forum!?
Hm.. ich bin mir gerade nicht sicher, wie Du das meinst, aber ich habe so eine Vermutung. Meinst Du evtl. das di in Dialog, was soviel wie zwei heißt? Falls ja, ließe sich das auflösen, denn es ist das dia logos, was soviel heißt wie: durch das Wort.

Ansonsten stimmt es allerdings, dass sich Dialoge zumeist zwischen zwei Personen kulminieren. Warum sich das oft so beobachten lässt, weiß ich nicht, ich vermute aber, dass man schlecht mit mehreren Personen gleichzeitig ein nicht oberflächliches Gespräch führen kann - das stiftet erfahrungsgemäß nur viel Verwirrung.

Was würdest Du denn sagen?




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Jörn Budesheim
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Jörn Budesheim
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Mo 5. Apr 2021, 08:07

Das sogenannte principle of charity ist gewissermaßen two-in-one: ein transzendentales Prinzip, da es zu den Bedingungen der Möglichkeit des Dialoges gehört und sogleich ein ethischer Appell.




Burkart
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Mo 5. Apr 2021, 08:46

iselilja hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 13:03
Burkart hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 12:08
Wie wichtig ist die, dass nur zwei Leute kommunizieren? Ansonsten wäre es ja praktisch wie hier im Forum!?
Hm.. ich bin mir gerade nicht sicher, wie Du das meinst, aber ich habe so eine Vermutung. Meinst Du evtl. das di in Dialog, was soviel wie zwei heißt? Falls ja, ließe sich das auflösen, denn es ist das dia logos, was soviel heißt wie: durch das Wort.

Ansonsten stimmt es allerdings, dass sich Dialoge zumeist zwischen zwei Personen kulminieren. Warum sich das oft so beobachten lässt, weiß ich nicht, ich vermute aber, dass man schlecht mit mehreren Personen gleichzeitig ein nicht oberflächliches Gespräch führen kann - das stiftet erfahrungsgemäß nur viel Verwirrung.

Was würdest Du denn sagen?
Richtig , ich fragte mich, ob du hier Dialoge mit zwei Personen meinst, was z.T. synonym so benutzt wird, z.B. im Gegensatz zum Monolog, siehe wikipedia:
"Ursprünglich ist der Begriff hinsichtlich der Zahl der Sprecher nicht spezifiziert. Der Ausdruck wurde jedoch früh auch synonym für Zwiegespräch verwendet, was zu abgeleiteten Begriffen wie Monolog, Trialog und Polylog für einen, drei und mehr Sprecher führte."
Und in dem Zusammenhang ist mir halt nicht recht klar, inwiefern sich diese von Gesprächen hier im Forum unterscheiden (sollen), da wir uns hier durch fast nur mit Worten auseinandersetzen.



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iselilja
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Mo 5. Apr 2021, 09:39

Burkart hat geschrieben :
Mo 5. Apr 2021, 08:46
"Ursprünglich ist der Begriff hinsichtlich der Zahl der Sprecher nicht spezifiziert. Der Ausdruck wurde jedoch früh auch synonym für Zwiegespräch verwendet, was zu abgeleiteten Begriffen wie Monolog, Trialog und Polylog für einen, drei und mehr Sprecher führte."
Ja, das Phänomen begrifflicher Entwicklung über lange Zeiträume hinweg ist manchmal äußerst interessant. Wann es genau zu diesem Verständnis von Zwiegespräch kam, ist mir auch nicht klar.
Burkart hat geschrieben :
Mo 5. Apr 2021, 08:46
Und in dem Zusammenhang ist mir halt nicht recht klar, inwiefern sich diese von Gesprächen hier im Forum unterscheiden (sollen), da wir uns hier durch fast nur mit Worten auseinandersetzen.
Deswegen auch mein Vergleich mit einem Raum (also einem Gesprächsraum), in dem das Wort der entscheidende Faktor ist. Dialoge unterscheiden sich nicht von Gesprächen hinsichtlich der Anzahl ihrer Teilnehmer. Sie unterscheiden sich aber von anderen Mitteln der Interaktion. So wie man etwa auch in der Weltpolitik möglichst lange den Dialog sucht, sofern die Absicht einer Verständigung besteht.




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infinitum
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iselilja hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 10:17
Wie der Titel schon verrät, geht es hier weniger um Argumente und deren Adäquation sondern mehr um den Rahmen, in dem Argumente eine Geltung überhaupt erlangen können. Also einem Dialog.

Ein paar Gedanken dazu..

.. in einen Dialog tritt man ein, so wie man einen unbekannten Raum betritt, von dem man nur sieht, dass sich dessen Tür geöffnet hat. Man weiß in wesentlichen Bezügen noch nicht, was darin geschehen wird. Sehr wohl aber kennt man die Intention, mit der man den Raum betritt - die eigene Erwartungshaltung also. Welche Intention andere, die den Raum bereits betreten haben, haben, weiß man nicht. Welches detailierte Hintergrundwissen im Einzelnen herrscht, weiß man ebenfalls nicht. Wie wichtig den anderen der eine oder andere Umstand ist, weiß man nicht. Welche Argumente kommen werden, weiß man nicht.

In dem Raum, den man als Gesprächspartner betreten hat, herrschen also Zustände, die von einer signifikanten Ungewißheit auf verschiedenen Ebenen geprägt sind. Hier ist also eine Sondierung erst einmal nötig. Und wie so oft, schlagen zurechtgelegte Argumentationsstrategien, die bereits in anderen Dialogen etwas Erfolg brachten, fehl. Warum? Weil jeder Dialog etwas Neues mit sich bringt. In ihm entsteht etwas, was zuvor in keinem der Anwesenden präsent war.

Platon hatte sich sehr intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt. Was vermutlich auch einer der Gründe war, warum er so vieles in Dialogform hinterlassen hat.
der Dialograum muss nicht immer mit ungewissen Zuständen gefüllt sein. Man kann durchaus wissen, welche Bildung oder welche Schwerpunkte der Gesprächspartner hat, wenn man ihn bereits kennt. Aber natürlich gibt es auch diese Situation, in der man dies nicht weiss, der Gesprächsverlauf würde sich dann in die Chaostheorie verschieben. :P
Ich denke, Platon oder auch Aristoteles haben durch ihr Dialog-Prinzip etwas wichtiges in der Philosophie oder auch in der Weiterentwicklung des "Logos" vorgelebt. Wie oft liest man etwas und versteht es nicht, wenn man darüber mit jemanden redet, dann werden Dinge klarer und neue Gedankengänge kommen hinzu. Etwas neues kann im Denken entstehen.

Daher finde ich den Namen des Forums auch gut:
Dia-Logos -
grc. diá → "durch, hindurch, auseinander“,
altgrc. lógos, lat. verbum → "Wort, Rede, Sinn, Vernunft"

Der Dialog ist m.E. nicht nur in der Philosophie wichtig, sondern auch in allen anderen Wissenschaften. Also nach dem Motto: gemeinsam weiss man mehr als alleine.



summonsound.wordpress.com
https://t.me/franzphilo

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iselilja
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Mo 5. Apr 2021, 12:14

transfinitum hat geschrieben :
Mo 5. Apr 2021, 11:53


Der Dialog ist m.E. nicht nur in der Philosophie wichtig, sondern auch in allen anderen Wissenschaften. Also nach dem Motto: gemeinsam weiss man mehr als alleine.
Definitiv.

Dass man manchmal seine Gesprächspartner schon kennt und ein wenig erahnt, auf welche Weise höchstwahrscheinlich etwas argumentativ hervorgebracht wird, ist natürlich richtig.. und dennoch bleibt so ein Rest an Unvorhersehbarkeit, denn andere Menschen entwickeln sich ja ebenfalls permanent weiter und führen abseits andere Dialoge.

Worauf ich aber eigentlich hinaus wollte.. ich habe es bisher nur noch nicht angesprochen, ist der Unterschied zwischen einer formalen Argumentation und einer inhaltlichen Argumentation. So kann man im Laufe des Lebens gut geschult sein, und rhetorische Formen sicher beherrschen, was keinesfalls von Nachtiel ist, dennoch kann die Rhetorik den Inhalt nicht ersetzen.

Und das ist auch damit gemeint, was an Neuem im Dialog entsteht.




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