Appell an die Möglichkeit

Argumente gehören zum Kernbestand der Philosophie. Die Argumentationstheorie ist derjenige Bereich Philosophie, der sich mit der Form und dem Gebrauch von Argumenten befasst.
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Jörn Budesheim
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Di 23. Jan 2024, 07:56

Es ist logisch nicht ausgeschlossen, also möglich, dass die gute Fee (also eine "echte" Zauber-Fee, so wie im Märchen) mir 1000 Euro ins Portemonnaie gesteckt hat. Ist das ein guter Grund, regelmäßig nachzuschauen, ob das Geld schon da ist? Natürlich nicht. Meiner Meinung nach ist das ein "Verwandter" des Fehlschlusses mit dem Appell an die Möglichkeit/Appeal to Possibility:

X is possible.
Therefore, X is true.

X is possible.
Therefore, X is probably true.

Quelle: https://www.logicallyfallacious.com/log ... ossibility
Ich finde jedoch keine Quelle dazu, kennt jemand etwas in der Richtung?




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Quk
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Di 23. Jan 2024, 13:02

Ich kannte das bisher nicht.

Als technischer Logiker sehe ich grundsätzlich drei verschiedene Zustände:

Ja, nein, vielleicht.

Letzteres bedeutet weder ja noch nein, sondern ist ein Wahrscheinlichkeitswert dazwischen.




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Jörn Budesheim
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Di 23. Jan 2024, 13:44

Quk hat geschrieben :
Di 23. Jan 2024, 13:02
Ich kannte das bisher nicht.

Als technischer Logiker sehe ich grundsätzlich drei verschiedene Zustände:

Ja, nein, vielleicht.

Letzteres bedeutet weder ja noch nein, sondern ist ein Wahrscheinlichkeitswert dazwischen.
Mir ist nicht klar, was du damit sagen willst? Es geht um einen Schluss, das kommt bei dir gar nicht vor.




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Quk
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Di 23. Jan 2024, 13:55

Doch. Aus einem "vielleicht" ist kein "ja" folgerbar, weil beide Zustände in der Prämisse als verschieden deklariert sind.

Prämisse: Apfel ist ungleich Birne.

Deshalb ist so eine Folgerung unlogisch: "Wenn X gleich Apfel, dann X gleich Birne."


Prämisse: "Möglich" ist ungleich "wahr".

Deshalb ist so eine Folgerung unlogisch: "Wenn X möglich, dann X wahr."




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Jörn Budesheim
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Di 23. Jan 2024, 13:59

Wahrscheinlich muss/kann man zumindest zwischen logischer Möglichkeit und metaphysischer Möglichkeit unterscheiden (vielleicht gibt es noch mehr). Aus der Hüfte geschossen würde ich vorläufig vermuten: Logisch möglich ist alles, was widerspruchsfrei denkbar ist. Metaphysisch möglich ist dann alles, was den Naturgesetzen nicht widerspricht. Dünnes Eis ...




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Jörn Budesheim
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Di 23. Jan 2024, 14:08

Möglich und Vielleicht sind für mich nicht gleichbedeutend. Der Begriff der Möglichkeit gehört zur Modallogik, ich glaube nicht, dass das auch für den Begriff "vielleicht" gilt. Es handelt sich dabei eher um Wahrscheinlichkeiten.

Alles, was vielleicht passiert, muss möglich sein. Aber nicht alles, was logisch möglich ist, wird vielleicht passieren.




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Quk
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Di 23. Jan 2024, 14:09

Ich würde da einfach bei der deutschen Sprache ansetzen. Nach meinem Sprachgefühl gibt es eine Skala zwischen "nein" ganz unten und "ja" ganz oben. In dem Band dazwischen, oberhalb von "nein" und unterhalb von "ja", handelt es sich um eine Wahrscheinlichkeit, die weder "ja" noch "nein" bedeutet.

Nun kann eine Person sagen, "vielleicht" bedeute das gleiche wie "ja", und eine andere Person mag sagen, das sei nicht das gleiche. Ich habe im Moment keine Idee, wie aus solch einer sprachlichen Kontroverse eine logische, sprachunabhängige Universalformel aufgebaut werden könnte.




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Jörn Budesheim
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Di 23. Jan 2024, 14:12

Quk hat geschrieben :
Di 23. Jan 2024, 13:55
Doch. Aus einem "vielleicht" ist kein "ja" folgerbar, weil beide Zustände in der Prämisse als verschieden deklariert sind.

Prämisse: Apfel ist ungleich Birne.

Deshalb ist so eine Folgerung unlogisch: "Wenn X gleich Apfel, dann X gleich Birne."


Prämisse: "Möglich" ist ungleich "wahr".

Deshalb ist so eine Folgerung unlogisch: "Wenn X möglich, dann X wahr."
Da muss ich passen, das verstehe ich nicht. Kannst du das am Ausgangsbeispiel in einfachen Worten erklären?




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Jörn Budesheim
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Di 23. Jan 2024, 14:14

Quk hat geschrieben :
Di 23. Jan 2024, 14:09
"vielleicht"
Wie gesagt, "möglich" und "vielleicht" sind nach meinem Verständnis nicht synonym.




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Jörn Budesheim
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Di 23. Jan 2024, 14:18

  • Es ist logisch nicht ausgeschlossen, also möglich, dass die gute Fee mir 1000 Euro ins Portemonnaie gesteckt hat.
  • Vielleicht hat die gute Fee mir 1000 Euro ins Portemonnaie gesteckt
Das sind meines Erachtens zwei ganz verschiedene Aussagen.




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Quk
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Di 23. Jan 2024, 14:28

"Vielleicht, möglich, wahrscheinlich, möglicherweise, höchstwahrscheinlich, unwahrscheinlich etc." sind nach meinem Gefühl Adjektive, die einen Punkt markieren innerhalb des Wahrscheinlichkeits-Spektrums zwischen ja und nein, beziehungsweise zwischen "sicher" und "nicht". Zwischen -- aber nicht inklusive.

Ich kann diese Punkte nicht aus ihrem Bedeutungsspektrum herausnehmen und direkt auf ja oder nein setzen, denn sonst verlieren sie ihre Bedeutung, ihre Abgrenzung von ja und nein. Warum sollte ich diese Abgrenzung eliminieren? Aus welchem Grund sollte ich das tun? Ich sehe keinen Grund. Mehr kann ich im Augenblick dazu nicht sagen :-)
Zuletzt geändert von Quk am Di 23. Jan 2024, 14:29, insgesamt 1-mal geändert.




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Di 23. Jan 2024, 14:29

(1) Es ist möglich, dass das und das passiert, aber es wird nie passieren.
(2) Das und das wird vielleicht passieren, aber es wird nie passieren.

Im Gegensatz zum ersten Satz ist der zweite Satz selbstwidersprüchlich.




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Quk
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Di 23. Jan 2024, 14:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 23. Jan 2024, 14:29
(1) Es ist möglich, dass das und das passiert, aber es wird nie passieren.
(2) Das und das wird vielleicht passieren, aber es wird nie passieren.

Im Gegensatz zum ersten Satz ist der zweite Satz selbstwidersprüchlich.
Ich finde beide selbstwidersprüchlich.

Wenn jemand weiß, X würde nie passieren, und zugleich sagt, X sei möglich, dann ist das eine Lüge.

Auflösung des Selbstwiderspruchs durch Einsatz differenzierender Adjektive. Beispiel:
Handwerklich ist X möglich, aber politisch ist X unmöglich.
Zuletzt geändert von Quk am Di 23. Jan 2024, 14:34, insgesamt 1-mal geändert.




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Di 23. Jan 2024, 14:33

Der Begriff der Möglichkeit enthält nichts über Wahrscheinlichkeit.




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Di 23. Jan 2024, 14:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 23. Jan 2024, 14:33
Der Begriff der Möglichkeit enthält nichts über Wahrscheinlichkeit.
Ansichtssache, denke ich. Man kann Möglichkeit als Option verstehen, oder synonym zu vielleicht im Sinne von "möglich, dass es morgen regnet".

Du siehst es vermutlich hier rein als Option, die auf jeden Fall verfügbar ist, und nur genutzt werden muss.

Aber auch bei diesem Umweg fällt es mir schwer, die Option, dass die Glücksfee kommen wird, ernst zu nehmen.


Die Möglichkeit, dass die Glücksfee kommt, ändert nichts an der Unsicherheit, ob sie kommt.

Egal, ob möglich oder vielleicht -- am Ende bleibt die Ungewissheit. Ich will nur auf den Punkt hinaus, dass Ungewissheit nicht gleichbedeutend ist mit Sicherheit. Und daher kann auch keinerlei Schlussfolgerung von "möglich" auf "ja" gelingen, denke ich.




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Jörn Budesheim
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Der Begriff "Möglichkeit" gehört zur "Modallogik", so wie die Begriffe "Notwendigkeit", "Wirklichkeit" und "Kontingenz". Ist der Begriff Möglichkeit synonym mit dem Begriff "Option"? Ich denke nicht. Ich kann aber nicht behaupten, dass ich mich schon intensiv mit Modallogik beschäftigt habe.




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Di 23. Jan 2024, 15:10

Wenn Du das Thema rein modallogisch behandeln möchtest, dann müsste doch eigentlich jetzt schon klar sein, dass "Möglichkeit" nicht das gleiche ist wie "Tatsache" oder "Wahrheit" oder "Fall" oder "Tatbestand" oder wie auch immer das kontextmäßig heißen mag.

Auf Grund meines Alters besteht die Möglichkeit, dass ich Kanzler bin. Dass ich Kanzler bin, ist aber unwahr.

Die Möglichkeit ist nur eine Möglichkeit. Mehr nicht. Da helfen keine logischen Operatoren, meine ich.




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Jörn Budesheim
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Di 23. Jan 2024, 15:21

Quk hat geschrieben :
Di 23. Jan 2024, 15:10
Da helfen keine logischen Operatoren, meine ich.
Was meinst du damit?




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Quk
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Di 23. Jan 2024, 15:23

Ich dachte, Du suchst nach Quellen, die sich mit der logischen Form dieser Thematik befassen:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 23. Jan 2024, 07:56
Es ist logisch nicht ausgeschlossen, also möglich, dass die gute Fee mir 1000 Euro ins Portemonnaie gesteckt hat. Ist das ein guter Grund, regelmäßig nachzuschauen, ob das Geld schon da ist? Natürlich nicht. Meiner Meinung nach ist das ein "Verwandter" des Fehlschlusses mit dem Appell an die Möglichkeit/Appeal to Possibility:
Beschreibung: Wenn eine Schlussfolgerung nicht deshalb angenommen wird, weil sie wahrscheinlich wahr ist, sondern weil es möglich ist, dass sie wahr ist, egal wie unwahrscheinlich sie ist.

Logische Form:
X ist möglich.
Deshalb ist X wahr.

Quelle: https://www.logicallyfallacious.com/log ... ossibility
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Di 23. Jan 2024, 15:28

Quk hat geschrieben :
Di 23. Jan 2024, 15:23
Ich dachte, Du suchst nach Quellen, die sich mit der logischen Form dieser Thematik befassen:
Ich suche nach Quellen für diesen Fehlschluss, von dem ich glaube, dass er mit dem Appell an die Möglichkeit (siehe Startbeitrag) verwandt ist. Am liebsten ohne logischen Operatoren, stattdessen mit guten Erläuterungen.




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