Philosophisch interessant ist für mich ein anderer Schluss. Wenn man fragt: Ist X sicher wahr? Dann genügt es zu zeigen, dass Nicht-X möglich ist, um die Aussage, X ist sicher wahr, zu widerlegen.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 23. Jan 2024, 07:56Es ist logisch nicht ausgeschlossen, also möglich, dass die gute Fee (also eine "echte" Zauber-Fee, so wie im Märchen) mir 1000 Euro ins Portemonnaie gesteckt hat. Ist das ein guter Grund, regelmäßig nachzuschauen, ob das Geld schon da ist? Natürlich nicht. Meiner Meinung nach ist das ein "Verwandter" des Fehlschlusses mit dem Appell an die Möglichkeit/Appeal to Possibility:
X is possible.
Therefore, X is true.
X is possible.
Therefore, X is probably true.
Für den Alltag (z.B. wie viel Geld ist in meinem Beutel) genügt natürlich eine Sicherheit von weniger als 100%. Man kann getrost davon ausgehen, dass weder eine Fee etwas dazugelegt noch ein Teufel etwas daraus gestohlen hat. Man kann auch darüber streiten, ob Feen und Teufel überhaupt möglich sind. Dabei wäre zu unterscheiden zwischen einer bloß logischen oder realen Möglichkeit. Selbst bei letzterer wäre das aber bestimmt kein hinreichender Grund für einen gesunden Menschen, im Portemonnaie nachzuschauen.Not-X is possible.
Therefore, X is not certainly true.
Was Philosophen andererseits immer schon beschäftigt hat, ist die Frage nach der Wahrheit. Gibt es etwas, dessen wir uns absolut sicher sein können - das also mit absoluter Gewissheit wahr ist? Für Descartes war dies die Suche nach dem fundamentum inconcussum, einem unerschütterlichen Fundament, auf dem er seine Philosophie aufbauen könne: " Ich meinte deshalb, dass im Leben einmal Alles bis auf den Grund umgestoßen und von den ersten Fundamenten ab neu begonnen werden müsste, wenn ich irgend etwas Festes und Bleibendes in den Wissenschaften aufstellen wollte. [...] und ich kann auf Großes hoffen, wenn ich nur Etwas, wäre es auch noch so klein, fände, was gewiss und unerschütterlich wäre."
Für das, was wir heute Wissenschaften nennen, geht es nicht um eine solche Gewissheit, sondern um eine bestmögliche Beschreibung für die jeweils zu untersuchenden Phänomene. Dort werden Hypothesen aufgestellt, deren Güte sich darin zeigt, widerlegbar zu sein jedoch durch die Erfahrung/Experimente nicht widerlegt zu werden.
Die meisten Menschen interessieren sich vermutlich mehr für ihren Alltag als für irgendwelche philosophischen Überlegungen, und daran ist überhaupt nichts auszusetzen. Für jemanden, der mit hartnäckigen philosophischen Fragen kämpft und nach einer Wahrheit strebt, kann das Problem der absoluten Gewissheit allerdings von Bedeutung sein.