Fehlerhafte Argumente

Argumente gehören zum Kernbestand der Philosophie. Die Argumentationstheorie ist derjenige Bereich Philosophie, der sich mit der Form und dem Gebrauch von Argumenten befasst.
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Sa 22. Jul 2017, 17:55

IMPULSBEITRAG
Fehlerhafte Argumente

Hier sammeln wir in loser Folge einige bekannte Fehlschlüsse. Nicht alles in dieser Sammlung ist unumstritten. In konkreten Fällen ist auch nicht klar, ob der fragliche Fehlschluss wirklich vorliegt. Entschieden werden muss also immer im Einzelfall. Dennoch bieten die Muster eine gute erste Orientierung.

Dieser Thread ist geschlossen, denn hier sollten nur die Fehlschlüsse gelistet werden. Diskussionen darüber finden hier statt: Fehlerhafte Argumente? (Diskussion)




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Di 5. Dez 2017, 18:48

argumentum ad baculum
"Drohung mit dem Stock, lat. baculum, statt Sachargumentation"
Die Begründung stützt sich auf die Befürchtungen, die der Zuhörer oder Leser wahrscheinlich hegt oder die bei ihm vermutet werden.

Beispiel:
  • „Diese Menschen haben den Teufel angebetet. Natürlich können sie anderer Meinung sein. Aber machen sie sich denn keine Sorgen um ihre Kinder?“
  • a: Meiner Meinung nach solltest du öfter mit uns Kindern reden, statt uns nur herumzukommandieren.
    b: Solange ich das Geld verdiene, kannst du dir diese gescheiten Sprüche sparen!


Quellen:
wortwuchs
Manfred Kienpointner, Vernünftig argumentieren, Seite 28




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Di 5. Dez 2017, 18:49

argumentum ad hominem
Argument gegen die Person

Beim argumentum ad hominem wird das Gegenüber zum Gegenstand der Argumentation gemacht. Man unterscheidet unter anderem zwischen dem direkten und dem indirekten Argument gegen die Person.
  • Beim direkten Angriff wird der Inhalt des Gesagten mit Bezug auf den Sprecher diskreditiert. Beispiele:
    • "Diese Redeweise ist ja wieder typisch Frau/Mann» oder «Das kann ja gar nicht stimmen, wenn es ein/e Kommunist/in behauptet."
    • "Ihnen glaube ich gar nichts, was Sie über die Kelten sagen, denn Sie haben Ihren behinderten Mann sitzen lassen.“
  • Beim indirekten Angriff wird die Aussage durch die Lebensumstände des Gegenübers diskreditiert: «Du isst ja selber Fleisch. Wie kannst Du mir dann mein Verhalten vorwerfen?» Dieses Argument nennt man auch Du-Auch-Argument (tu quoque).

In beiden Fällen handelt es sich um einen Fehlschluss: Auch wenn eine Person selbst Fleisch isst, kann ihre Kritik am Fleischverzehr gerechtfertigt sein. Oder: Ob ein Argument gültig ist, hängt nicht davon ab, welche politische Gesinnung eine Person hat. In Fall des Fleischverzehrs könnte man dem Gegenüber allerdings Inkonsistenz oder Willensschwäche, also eine Form von Irrationalität vorwerfen, nämlich Handeln wider besseres Wissen. Manche sprechen hier auch von einem performativen Widerspruch: Die Person tut nicht das, was sie predigt. Ihr Verhalten widerspricht ihrer Behauptung. Wichtig: Eine Kritik an einer Person ist kein Ad-hominem-Argument.

Quellen:
Huebl Grundwissen Argumentationstheorie
Uni Wien, Scheinargumente




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argumentum ad ignorantiam
Fehlschluss des Beweises aus dem Nichtwissen

Etwas ist angeblich wahr, weil noch niemand das Gegenteil bewiesen hat. Beispiel: «Woher willst Du wissen, dass es Gott, Geister, Telepathie nicht gibt? Wenn Du das nicht beweisen kannst, gibt es sie.» Die Beweislast liegt aber bei dem, der die Behauptung aufstellt. Wenn all das existierte, dessen Gegenteil wir nicht beweisen können, wäre das Universum mit unendlich vielen bizarren Wesen und Kräfte bevölkert.

In Schulungs-Unterlagen der Uni Wien wird der Fehler so dargestellt argumentum ad ignorantiam (Argument ans Nichtwissen) = behaupten, dass etwas so lange als richtig gelten muss, bis es widerlegt ist. Beispiel: „Solange du mir nicht beweisen kannst, dass Krishna nicht existiert, müssen wir davon ausgehen, dass er die Geschicke der Welt steuert.“

Problem: fordert unzulässige Beweislastumkehr

Quellen:
Huebl Grundwissen Argumentationstheorie
Schulungs-Unterlagen, Uni Wien




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Di 5. Dez 2017, 18:50

Argumentum ad misericordiam
Appell ans Mitleid

Beispiel:
  • "Bevor ihr euch gegen den Präsidenten wendet und ihn abwählt, solltet ihr bedenken, wie schwierig sein Amt doch ist."

Die These wird dadurch gestützt, dass sich in der Begründung für diese auf das Mitleid für etwas gestützt wird.

Quellen:
wortwuchs
Manfred Kienpointner, Vernünftig argumentieren, Seite 28




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argumentum ad nauseam (Argument bis zur Übelkeit)

= eine Behauptung wird so lange wiederholt, bis niemand mehr Widerstand leistet
Beispiel: „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.“ bei jeder Senatssitzung.
Problem: Gehirnwäsche ist Gewalt, kein Argument

Quelle(n) scheinargumente




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Di 5. Dez 2017, 18:51

argumentum ad populum
Beispiel:
  • Überall und zu jeder Zeit haben die Menschen an die Existenz irgendeiner Art von Gottheit geglaubt. Daher muss ein übernatürliches Wesen existieren.
  • „Im Mittelalter glaubten fast alle Leute, dass die Sonne und die Planeten um die Erde kreisen und die Erde unbeweglich im Raum hängt. Also kann das nicht komplett falsch sein.“

Bei einem Argument, das die Wahrheit einer bestimmten Proposition dadurch zu belegen sucht, dass es darauf verweist, dass viele, die meisten oder gar alle Menschen von ihrer Wahrheit überzeugt sind, spricht man von einem argumentum ad populum. Da die implizite Prämisse, das, was viele, die meisten oder alle Menschen glauben, müsse wahr sein, in den meisten Fällen wenig Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen kann, muss man auch hier in vielen Fällen von einem präsumptiven* Fehlschluss ausgehen.

*In der Rhetorik und Argumentationstheorie diskutiert man eine ganze Reihe von typischen Fehlschlüssen, die auf häufig verwendeten, aber zweifelhaften impliziten Voraussetzungen beruhen. Man könnte sie „präsumptive Fehlschlüsse“ nennen (das ist aber kein etablierter Fachterminus).

Quellen:
Prof. Dr. Torsten Wilholt, Logik und Argumentation
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argumentum e silentio (Argument aus dem Schweigen)

= automatischer Schluss, dass Nicht-Aussprechen Nichtwissen bedeutet
Beispiel: „Du sagst mir nicht, wo deine Freundin wohnt? Wahrscheinlich hast du gar keine!“
Problem: nicht jedes Schweigen geschieht aus Nichtwissen

Quelle(n) scheinargumente




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argumentum ad temperantiam (Argument an die Mäßigung)

= behaupten, dass der Mittelweg zwischen zwei Behauptungen immer richtig ist Beispiel: „Ich sage, die Kelten kommen vom Mars. Sie sagen, das stimmt nicht. Einigen wir uns auf einen Kompromiss! Die Kelten kommen vom Mond.“
Problem: Was ist der Mittelweg zwischen nachweisbar korrekt und Unsinn? Halber Unsinn?

Quelle(n) scheinargumente




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Di 5. Dez 2017, 18:52

argumentum ad verecundiam (Argument an die Ehrfurcht)

= berufen darauf, dass eine Autorität es auch so sieht
Beispiel: „Auch der Kardinal Schönborn glaubt ans intelligent design!“
Problem: zitierte Autorität muss von allen Diskutant_innen als kompetent anerkannt sein

Quelle(n) scheinargumente




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Behauptung eines Sonderfalls

= nicht genehme Evidenz wird (ohne sinnvolle Begründung) als Sonderfall wegerklärt
Beispiel: „Alle Männer wollen Fußball schauen. Das ist angeboren.“ – „Ich nicht!“ – „Na gut, du nicht. Aber alle ECHTEN Männer wollen Fußball schauen.“
Problem: eigene Behauptung wird unhinterfragbar.

Quelle(n) scheinargumente




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Di 5. Dez 2017, 18:53

circulus vitiosus
Zirkelschluss

Der Zirkelschluss (oder Zirkelbeweis) wird oft als Spezialfall einer petitio principii gehandelt, wenn man zwischen zwei Sätzen keine Priorität herstellen kann, weil sie sich gegenseitig stützen.

Quelle(n):
Huebl Grundwissen Argumentationstheorie




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Di 5. Dez 2017, 18:53

Definitorischer Rückzug

Bei einem definitorischen Rückzug ändert der Argumentierende nachträglich die Bedeutung seiner Wörter. Dieses Manöver wird typischerweise eingeleitet mit den Worten «Ich meinte vorhin gar nicht X, sondern U.»

Quelle(n):
Huebl Grundwissen Argumentationstheorie




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Di 5. Dez 2017, 18:54

Genetischer Fehlschluss

Beispiel:
  • Johannes Kepler, der die „Naturgesetze“ formulierte, nach denen sich Planeten gemäß festgeschriebener Zahlverhältnisse auf Ellipsenbahnen bewegen, war bei seiner Erforschung des Planetensystems von religiös begründeten Vorstellungen über eine harmonische Anordnung des Weltganzen motiviert. Die sogenannten „Planetengesetze“ sind deshalb unwissenschaftlich und nicht besonders glaubwürdig.

Der genetische Fehlschluss in diesem Beispiel verkennt, dass es trotz der besonderen Motivation Keplers andere Umstände geben kann, derentwegen die Planetengesetze durchaus als gut begründet gelten dürfen (z.B. dass sie mit den zahlreichen, sehr genauen und schon vor Keplers Formulierung der Ellipsenhypothese von Tycho Brahe vorgenommenen Planetenbeobachtungen übereinstimmen).

In der Wissenschaftstheorie unterscheidet man zur Vermeidung von genetischen Fehlschlüssen zwischen
  • Entdeckungszusammenhang (Umstände der Entstehung einer wissenschaftlichen Idee) und
  • Rechtfertigungszusammenhang (Gesamtheit der Umstände, derentwegen die Idee für gut begründet
    gehalten wird).


Quelle:
Prof. Dr. Torsten Wilholt, Logik und Argumentation




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Di 5. Dez 2017, 18:54

Ignoratio Elenchi

(Unkenntnis der [zulässigen] Widerlegung) = ein an sich nicht zwingend falsches Argument, das aber die Frage nicht beantwortet
Sonderfall: Red Herring – absichtliches Ablenken vom Thema

Beispiel:
A: „Das waren die Fakten. Sehen Sie: die antiken Kelten *haben* geschrieben.“ –
B: „Wichtig ist mir, dass Sie respektieren, dass ich hier anderer Meinung bin. Das wichtigste im Leben ist Respekt.“
A: „Das ist jetzt nicht unser Thema!“
B: „Mir ist es aber am wichtigsten. Reden wir über Respekt.“
Problem: offensichtliche Themenverfehlung.

Quelle: Universität Wien




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Di 5. Dez 2017, 18:55

ipse dixit (er/sie hat es selbst gesagt)

= Richtigkeit wird daraus abgeleitet, dass jemand etwas persönlich gesagt hat
Beispiel: „Jesus sagt selbst, dass niemand in den Himmel kommt außer durch ihn!“
Problem: im Grunde dasselbe wie beim argumentum ad verecundiam

(argumentum ad verecundiam (Argument an die Ehrfurcht)
= berufen darauf, dass eine Autorität es auch so sieht
Beispiel: „Auch der Kardinal Schönborn glaubt ans intelligent design!“
Problem: zitierte Autorität muss von allen Diskutant_innen als kompetent anerkannt sein


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Di 5. Dez 2017, 18:55

Mereologischer Fehlschluss

Um einen mereologischen Fehlschluss handelt es sich, wenn man Teil-Ganzes-Beziehungen falsch wiedergibt.

Der Homunkulus-Fehlschluss ist ein Beispiel dafür, weil die Prädikate, die auf die ganze Person zutreffen, nur auf einen Teil der Person bezogen werden: «Der kleine Mann im Kopf dreht das Wahrnehmungsbild um», «Das Gehirn entscheidet», «Das Über-Ich macht mir ein schlechtes Gewissen». Zwei Beispiele aus dem Alltag: «Die Stahlindustrie profitiert von Subventionen, also sollten wir alle Wirtschaftszweige subventionieren», «Das Team liefert hervorragende Leistungen. P ist Mitglied des Teams, also ist P sehr leistungsstark.» Mereologische Fehlschlüsse können sich mit statistischen Fehlschlüssen oder Korrelationsfehlschlüssen überschneiden.

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Di 5. Dez 2017, 18:56

non sequitur (es folgt nicht)

= die Schlussfolgerung aergibt sich nicht nachvollziehbar aus dem Argument
Beispiel: „Cú Chullain ist der Archetyp des jugendlichen Helden. Theseus ebenfalls. Deswegen ist Theseus gleich Cú Chullain: die Griechen haben aus irischen Quellen abgeschrieben.“
Problem: Verletzung der Regeln der Logik

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Di 5. Dez 2017, 18:56

obscurum per obscurius
Das Unklare durch etwas noch Unklareres ersetzen

Wenn man einen Begriff erklärt (expliziert, analysiert), dann verwendet man für den Begriff, den man erklären will (Explikandum, Analysandum), erklärende Begriffe (Explikans, Analysans), die besser verstanden oder allgemeiner sind. Der Fehlschluss des obscurum per obscurius ergibt sich, wenn man etwas Rätselhaftes oder schlecht Verstandenes mit etwas zu erklären versucht, das noch schlechter verstanden ist. Beispiel: Gott als Urheber des Universums. Es mag zwar sonderbar sein, dass es überhaupt etwas gibt und nicht vielmehr nichts. Aber zu behaupten, Gott habe es geschaffen, fügt dem Rätsel nichts Erklärendes hinzu.

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Di 5. Dez 2017, 18:57

poisoning the well
Taktik der Brunnenvergiftung

Die Taktik der Brunnenvergiftung wird manchmal als Spezialfall des Ad-hominem-Arguments angesehen. Wer eine mögliche Position des Gegners von vorneherein diskreditiert, vergiftet den Brunnen (also die Position) des Gegners. Der Brunnenvergifter suggeriert, dass sich sein Gegenüber mit einer bestimmten Position selbst diffamiert. Beispiel «Natürlich gibt es immer noch Menschen mit mangelnder Urteilsfähigkeit, die glauben, die Föderalismusreform sei Unsinn.»

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