Naturalistischer-/Sein-Sollen-Fehlschluss

Argumente gehören zum Kernbestand der Philosophie. Die Argumentationstheorie ist derjenige Bereich Philosophie, der sich mit der Form und dem Gebrauch von Argumenten befasst.
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Jörn Budesheim
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So 15. Apr 2018, 12:50

“Eines der Hauptprobleme des Naturalismus besteht dann darin, dass moralische Tatsachen für rationale Personen Handlungsgründe zu sein scheinen, ...” (Titus Stahl, Metaethik)

Ich bringe dieses Zitat aus verschiedenen Gründen. Unter anderem, um zu zeigen, dass die Rede von “moralischen Tatsachen” in der philosophischen Diskussion über Moral - also in der Ethik - durchaus gängig ist. Es handelt sich dabei um eine gut eingeführte Terminologie und keinesfalls um einen privaten Spleen von mir :-)

Natürlich ist die Frage, ob es moralische Tatsachen überhaupt gibt und was damit gemeint sein könnte - wie fast alles in der Philosophie höchst umstritten. Für viele - aber natürlich bei weitem nicht alle - Philosophen bietet das, was die Naturwissenschaften liefern, die paradigmatischen Fälle von Tatsachen. “Als Naturalist brauche ich keine übernatürlichen Hypothesen. Die Natur ist aus einem Guss und alles, was ist ist, ist in ihr, wird von der Natur und der Natur allein verursacht und ist von ihr abhängig. Das ist alles, was es gibt.” Das schreibt Martin Freedman (frei übersetzt von mir) der Autor, der an andere Stelle des Forum für die Widerlegung von Moore sorgen soll.

Dieser gerade zitierte kurze Absatz enthält gleich zwei zentrale (metaphysischen/naturalistische) Annahmen, die meines Erachtens mehr als fragwürdig sind. Zum ersten, dass die Natur aus einem Guss ist und zum zweiten, dass es “übernatürlicher” Hypothesen bedarf, um über die vielen Dinge zu sprechen, die nicht einfach zur Natur gehören. Der zweite Punkt gehört zur “natürlichen” Selbstimmunisierung des Naturalisten: “Dem Naturalisten erscheint jeder, der die Welt nicht so beschreibt, wie er es tut, als Scharlatan.” (Daniel-Pascal Zorn)

Allerdings ergeben eine Reihe von einfachen Überlegungen, dass es mit der (avisierten) Weltbeschreibung der Naturalisten einige Probleme gibt. Holm Tetens fasst dazu ein Argument von Thomas Nagel zusammen: “Das erste Argument findet sich im wesentlichen bei Thomas Nagel. Es ist ein wunderbar einfaches Argument. Sollte sich die Wirklichkeit vollständig durch die Erfahrungswissenschaften beschreiben und erklären lassen, müsste sie aus der objektiven Beobachterperspektive vollständig beschreibbar sein. Der Leser möge sich vorstellen, er wäre mit einer solchen Beschreibung konfrontiert. Dem Anspruch nach würde darin auch alles über ihn gesagt, was über ihn zu sagen wäre. Oder würde doch noch etwas fehlen? Für jeden von uns würde sogar das Entscheidende in dieser angeblich vollständigen Beschreibung fehlen. Jeder von uns müsste noch erkennen: »Übrigens, die Person, von der da unter der Bezeichnung N.N. so ausführlich die Rede ist, das bin ich selber.« Und diese Feststellung, obwohl für jeden das A und O, um überhaupt ein Teil der objektiv beschriebenen Welt sein zu können, käme schon deshalb in der erfahrungswissenschaftlichen Beschreibung nicht vor, weil dort über Personen intersubjektiv mit Eigennamen oder Kennzeichnungen geredet werden muss, während wir unsere Selbstidentifizierung mit einer objektiv beschriebenen Person nur mit dem indexikalischen Ausdruck »Ich« vollziehen können. Bereits diese einfache Beobachtung belegt die Schwierigkeit, erlebnisfähige selbstreflexive Ich-Subjekte und ihre besondere Erste-Person-​Perspektive verständlich in einer objektiven, rein materiellen Welt zu plazieren.”

Mit anderen Worten: Der Umstand, dass wir Ich-Subjekte sind, bereitet Naturalisten wie Martin Freedman bereits ernste Probleme. Nach meiner Einschätzung ist es jedoch völlig abwegig, dies als eine übernatürliche Hypothese auszuzeichnen, im Gegenteil, es ist uns eine sehr nächsten Tatsachen überhaupt: “Wir sind immer irgendjemand, dem irgendwie zumute ist, was man nicht an objektivierende Einstellungen ‘outsourcen’ kann. Subjekt sein bleibt unvertretbar real.” (Markus Gabriel)

Für den Naturalisten müsste streng genommen das Ich-Subjekt bereits zum Raum des “Absonderlichen” gehören. Wieso das Absonderliche? Das spielt auf Mackies Argument der Absonderlichkeit an. “Gäbe es objektive Werte, dann müßte es sich dabei um Wesenheiten, Qualitäten oder Beziehungen von sehr seltsamer Art handeln, die von allen anderen Dingen in der Welt verschieden wären. Und entsprechend müßte gelten: Wenn wir uns ihrer vergewissern könnten, müßten wir ein besonderes moralisches Erkenntnis- oder Einsichtsvermögen besitzen, das sich von allen anderen uns geläufigen Erkenntnisweisen unterschiede" (Mackie)

Ich kenne den Text Mackies nicht im Original, sondern nur aus diversen Kommentierungen. Dabei weisen einige der Kommentatoren, sofern mich keine Erinnerung nicht trügt, auf einen interessanten Umstand hin: Mackies Rede von den Absonderlichkeiten beinhaltet so etwas wie einen Selbstwiderspruch im weitesten Sinne. Denn Mackie akzeptiert ja die objektive Gültigkeit der Logik, um überhaupt argumentieren zu können. Das müsste aber natürlich ebensolche seltsamen Entitäten implizieren. Soweit ich mich an die fraglichen Mackie-Kommentare korrekt entsinne, ist Mackie sich dieses Problems sogar bewusst, ohne es wirklich in den Griff zu bekommen.

Um mich falsch verstanden zu werden: Was die Naturwissenschaften über die Welt herausfinden, ist für uns von größtem Belang und ich für meinen Teil schätze auch, dass sie im Großen und Ganzen richtig liegen. Das Problem sind nicht die Naturwissenschaften, das Problem ist der Naturalismus. Die Beschreibungen der Naturwissenschaften sind einfach noch nicht alles. Und das was dabei fehlt, gehört keineswegs in irgendeinen absonderlichen Seinsbereich. Nehmen wir dazu ein einschlägiges Beispiel. Einschlägig ist es, weil es für diesen Themenbereich - den Ethischen etc. - häufig verwendet wird als Analogie. Ursprünglich stammt diese Analogie, soweit ich informiert bin, von John McDowell. Mackie setzt Objektivität mit Subjektunabhängigkeit in jeder Hinsicht gleich. Der Ausdruck Subjektunabhängigkeit enthält eine Mehrdeutigkeit, die oft nicht durchschaut wird. Objektivität mit Subjektunabhängigkeit gleich zu setzen, das ist allerdings eine Vorentscheidung, die man kritisieren kann, wobei Farben sich dazu als gute erste Erläuterungen anbieten.

John McDowell greift die fragliche Gleichsetzung an, indem er zunächst darauf hinweist, dass es sich bei vielen Tatsachen, die von dieser Definition (als nicht-objektiv) beiseite geschoben werden, keineswegs um bloß subjektive Sachverhalte handelt: Farben sind Aspekte der Welt selbst (was sonst?) auch, wenn wir sie uns ohne unsere spezifische Wahrnehmungsfähigkeiten nicht vergegenwärtigen können. Sie sind daher auch nicht “subjektiv” im Sinne von bloß subjektiv oder “projiziert”. Ein Sachverhalt liegt dann objektiv vor, wenn er unabhängig davon der Fall ist, was ich bzw. jeder Einzelne darüber glaubt. Der Tisch, an dem ich gerade sitze, ist objektiv grau. Und das lässt sich nicht auf natürliche Eigenschaften reduzieren, ohne es zu verfehlen.
“Auch moralische Eigenschaften könnten, genau wie Farben, so analysiert werden, dass sie nicht ohne Referenz auf unsere Reaktionen bestimmbar sind. [...] Genauso wie »rot« auf die Gegenstände zutrifft, die unter bestimmten Umständen als rot erscheinen, sind nur diejenigen Handlungen gut, die einer moralisch ausreichend sensiblen Person als moralisch gut erscheinen. Im Fall der Moral lässt sich zudem nicht angeben, was eine moralisch ausreichend sensible Person ist, ohne auf moralische Tatsachen Bezug zu nehmen [...] Das Spezifikum moralischer Tatsachen ist also, dass sie Tatsachen sind, die nicht ohne Referenz auf unser Vermögen, sie zu erkennen, beschrieben werden können, für die auch keine alternative Beschreibung existiert, die aber dennoch nicht auf Projektionen reduziert werden können.”

Kehren wir noch Mal zu den Ich-Subjekten zurück. Wir haben gesehen, dass sie aus der naturalistischen Sicht der Dinge heraus fallen. Ich-Subjekte gehören zu den fraglichen “Absonderlichkeiten” um die es hier geht. Diese Ich-Subjekte haben die erstaunliche Fähigkeit, dass sie nicht nur Ich-Subjekte sind, sondern auch wissen, dass es sich bei Ihresgleichen jeweils um Ich-Subjekte handelt. Sie haben zudem eine Perspektive auf diese Welt und wissen, dass es eine Perspektive ist und wissen, dass die Anderen in eben der Weise von ihrer Zentrierung absehen können. Das mag man absonderlich finden, aber es handelt sich dabei um eine Tatsache. Und zwar auch dann, wenn einzelne dieser Ich-Subjekte diese Fähigkeit nicht in angemessener Weise ausüben.

Dadurch spannt sich ein realer Raum/Bereich auf, der Tatsachen enthält, die es in der Welt gibt, weil es eben diese absonderlichen Ich-Subjekte gibt. Dieser Bereich ist aber eigengesetzlich und objektiv, weil er nicht an der je einzelnen Perspektive von dir und mir hängt. Wir alle zusammen (also auch die Ich-Subjekte der Vergangenheit auf deren Schultern wir stehen, konstituieren diesen Raum, ohne dass jeder Einzelne in völlig überblicken kann. Der Sinn moralischer Urteile kann nicht von außerhalb der Moral (also naturalistisch) bestimmt werden kann, weil er von etwas konstituiert wird, was nicht zur rein natürlichen Beschreibung der Welt gehört.

Dazu ein simples Beispiel von Titus Stahl: “Nimmt eine Person eine Situation als ungerecht wahr, werden in ihrer Wahrnehmung bestimmte moralische Reaktionen bereits involviert. Teil dieser Wahrnehmung ist jedoch auch, dass die Person die Ungerechtigkeit der Situation als etwas wahrnimmt, was nicht ihre eigene, subjektive Hinzufügung ist, sondern was die entsprechende Reaktion angemessen macht. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass wir uns über die Ungerechtigkeit von Situationen irren und andere Personen dafür kritisieren können, dass sie diese Ungerechtigkeit nicht sehen.” (Titus Stahl) Mit anderen Worten, die Situation selbst, erfordert es, sie oder so so zu sehen - gemäß den moralischen Tatsachen.

Der Kern des naturalistischen Fehlschlusses ist dementsprechend die Idee, man könne die Sachverhalte, um die es hier geht, von jenseits des Spielfeldes, wie sich John McDowell ausdrückt, betrachten.




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Alethos
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So 15. Apr 2018, 15:41

Ein ganz schöner Beitrag, wie ich finde, weil er in die verschiedenen Problemfelder eindringt, die wir hier (aber auch andernorts) behandeln.

Was macht es aus, dass man ein Spieler auf einem Spielfeld ist, das ein bestimmtes Spiel spielt? Man ist durch dieses Spiel ein Spieler und kann im Rahmen dieses Spiels nicht einfach machen, was man will. Mensch sein, Ich-Sein, das hat ganz konkrete Implikationen auf das Sosein, insbesondere auf unsere moralischen Wertempfindungen. Dadurch, dass wir im Spiel sind, objektivieren sich unsere Handlungs- und Denkoptionen. Nicht so, dass es unmöglich würde, etwas ausserhalb des Spielrahmens zu tun, aber so, dass es sinnlos wird, es zu tun.

Ich verwende bewusst dieses Wort Wertempfindungen, um nochmal die Kritik am Konzept der Konstruiertheit von Moralität zu unterstreichen. Empfindungen werden ja im 'Hausgebrauch' als etwas definiert, was man als ein Ich hat, also als etwas Privates, Eigenes und deshalb durch und durch Subjektives. Ich bin es, der das so und so empfindet.
Aber wenn man sich die Situation bei Farben nochmal vergegenwärtigt, man spricht ja auch von Farbempfindungen oder gar von Empfindungen als Sinnesdaten der empirischen Erfahrung, dann zeigt sich, dass das Subjekt einem grösseren Sinnzusammenhang unterworfen ist und diesen selbst nicht zu setzen vermag. Farben zu sehen bedeutet nicht minder, eine objektive Relation zu einem Gegenstand und seinen Eigenschaften zu bilden, als eine Tasse auf dem Schreibtisch wahrzunehmen oder eine Katze auf der Matte liegen zu sehen. Das Farbesehen ist kein willkürlicher Akt, sondern resultiert aus diesem Eingebundensein des Subjekts in den Zusammenhang des Seins der Dinge.
Selbstverständlich lässt sich Objektvität nach dem Grad des Beteiligtseins des Subjekts an dieser Relation einteilen: Ein unbekannter Planet besteht aus Stein und kreist jetzt um seine Sonne, unbesehen unserer Denkleistungen. Eine Tasse steht auf dem Schreibtisch, aber schon in geringerem Grad unbesehen unserer Denkleistungen, denn Tasse ist sie, weil wir sie fabriziert, und dort steht sie, weil wir sie dorthin gestellt haben.
Farben: Nunja, da hört man oft, Farben gäbe es nicht, wenn es da keinen Empfänger gebe (z.B. ein menschliches Auge, das die Lichtwellen aufnehmen kann). Farben würden also im Hirn mitkonstituiert, so die konstruktivistische Konsequenz. Und Moral? Nun das sei dann letzlich das Prachtsexemplar menschlicher Konstruktionsleistungen.
Und so verliere mit jeder zunehmenden Subjektbeteiligung das Objekt seine Objektivität, weil es immer weniger Objekt sei, je mehr Subjekt drin stecke.
Aber ist das angesichts der Tatsache, dass ein Ich eingelassen ist in bestehende Regeln, die er gar nicht allein mitbestimmt, ein zulässiger Schluss? Ist es Konvention, dass Rot rot scheint und Mord schlecht ist? Oder sind es nicht vielmehr Resultierende eines ontologischen Zusammenhangs?

Abgesehen davon, dass ein Objekt überhaupt erst in der Subjekt-Objekt-Spannung als Objekt erscheinen kann, es ohne Subjekt also kein Objekt geben könnte, mit welcher Evidenz lässt sich behaupten, dass sich Objektivität, an der Subjekte beteiligt sind, weniger an einer Faktizität ausrichtete als alles andere Objektivität? Mit welchem Recht sagen wir z.B. von moralischen Werten, sie seien nicht in der Art fallibel wie naturwissenschaftliche Theorien überhaupt?
Offensichtlich wird Rot für 99.8% der menschlichen Individuen als rot erkannt, es kann sich bei der Rotempfindung also nicht um ein rein subjektives Phänomen handeln. Nicht mehr Subjektivität legt das Subjekt ins Rotsein hinein als er in die Tasse legt, die dort auf dem Pult steht.

Nun verkompliziert sich die Lage mit der Frage nach der Objektivität von Dingen ohne Materialität. Ein Gegenstand, ok, er kann rot sein, das Rotsein aber hat aber immerhin noch einen materiellen Träger zum Grund, an dem die Farbe haftet. Eine Tasse auch, sie hat eine Substanz. Sie ist ein Begriff, dem ein feststoffliches Etwas zum Grund liegt. Die Wesentlichkeit des Objekts ist sein Seinsgrund, und seine Prüfbarkeit ergibt sich durch sinnliche Erfassbarkeit und diese Substanzialität simuliert die Eigenständigkeit dieser Gegenstände.
Aber was ist mit moralischen Werten? Und was ist mit logischen Wahrheiten? Sie scheinen nicht in diesem Sinne objektiv zu sein wie Farben und schon gar nicht so eigenständig wie unerkannt durch das All schwebende Planeten. Sie haben keine Materialität, sie sind nicht sichtbar und dadurch fallen sie als Kandidaten für Objektivität scheinbar weg. Denn ein Objekt, das sei der dem Subjekt entgegengesetzte Stoff. Aber was ist ein Objekt, das keine räumliche Ausdehnung hat? Was sind die Seinsbedingungen dieses Objekts, das nicht in Raum und Zeit verankert ist? Das Sein des 'Objekts' könne nur im Subjekt selbst verortet sein, so die Konklusion.

Der Denkweg, der mich dazu führt, das für einen Fehler zu halten, habe ich oben darzulegen versucht: Gründe konstituieren moralischen Tatsachen.
Indem Gründe ausgetauscht werden, spannen sie einen reflexiven Raum auf, einen Raum der Gründe eben, also einen Komplex von Sinnrelationen, in dem es für eine Aussage möglich wird, zur völlig gleichberechtigt objektiven Existenz aufzusteigen. Ein Grund im Raum der Gründe, das ist ontologisch gesehen nicht weniger Wert als eine Tasse auf dem Schreibtisch. Der ontologische Wert ergibt sich aus den vielfältigen Implikationen des Eingelassenseins von Gründen in Welt, von Sprachpraktiken in Sprachregeln, von Vernunftsschlüssen in logische Regeln, von Menschsein im Mitmenschsein.
Das sind die Regeln des Menschenspiels. und man kann sie nicht ändern nach Lust und Laune, ohne, dass das Spiel selbst keinen Sinn mehr ergibt.
Zuletzt geändert von Alethos am So 15. Apr 2018, 16:06, insgesamt 1-mal geändert.



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So 15. Apr 2018, 16:06

Alethos hat geschrieben :
So 15. Apr 2018, 15:41
Empfindungen werden ja im 'Hausgebrauch' als etwas definiert, was man als ein Ich hat, also als etwas Privates, Eigenes und deshalb durch und durch Subjektives.
Danke für deine schöne und ausführliche Antwort.

Leider empfinde ich das mit den Empfindungen ganz anders als du :) es wird wohl Zeit, dass wir einen Thread über Gefühle und Empfindungen machen. Natürlich sind nicht alle Gefühle oder Empfindungen gleich gestrickt. Viele von ihnen haben einen objektiven Gegenstand und können rational sein. Angst vor und Freude auf können von etwas in dieser Welt handeln und sie uns angemessen oder unangemessen präsentieren. Gefühle eröffnen uns einen Weltraum, den auch unseresgleichen bewohnen können. :)




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So 15. Apr 2018, 16:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 15. Apr 2018, 16:06
Leider empfinde ich das mit den Empfindungen ganz anders als du
Vorsorglich: Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass wir unterscheidlicher Meinung sind. Aber ich hätte etwas einzuwenden, wenn du in diesem Zusammenhang Empfindungen als mit Gefühlen gleichgesetzt interpretieren würdest. Ich habe Empfindungen als reine Datengegebenheit verwendet, also in ganz empiristischer Manier :)

Das heisst nicht, dass ich keinen Gefühlethread unterstützen würde, nur, dass ich weiter oben nicht von Gefühlen sprach.



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 14. Apr 2018, 20:34
Beispiel [für einen Fehlschluss der Art 'tu quoque']: Sag nicht, ich soll nicht rauchen, du rauchst ja selbst!
Tommy hat geschrieben :
Sa 14. Apr 2018, 22:45
[...] Gerechtigkeit ist ein Wert. Und wenn nun jemand sagt, dass er auch rauchen darf, weil anderen das Rauchen erlaubt ist, er also eine bestimmte Form von Gerechtigkeit geltend macht (gleiches Recht für alle), dann hat das mit deiner Fehlschlußsammlung hier mal rein gar nichts zu tun.
Vielleicht spielen hier beide Aspekte eine Rolle.

Sofern man das Beispiel so auslegt, dass derjenige, der den Satz äußert meint, Rauchen sei deshalb nicht nicht geboten, weil der Überbringer der Botschaft selbst raucht, handelt es sich um einen ganz offensichtlichen Fehlschluss, weil der Gehalt und die Geltung eines Satzes nicht (ohne weiteres) daran hängen kann, wer ihn äußert.

Gerechtigkeit kann es aber auch im Spiel sein, insofern es bei der Beschwerde (Sag nicht!) darum geben könnte, das es unangemessen ist, auf ein Gebot zu verweisen, welches man selbst nicht befolgt.




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So 15. Apr 2018, 18:34

Tommy hat geschrieben :
So 15. Apr 2018, 18:29
Du wirst erkennen, dass ich - im Gegensatz zu Dir - Nagel gerade nicht als Vertreter einer objektiven Wahrheit gedeutet habe.
Kannst du kurz erläutern, was du damit meinst?




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So 15. Apr 2018, 18:47

Sorry, ich hab mich falsch ausgedrückt: Du schreibst, wenn ich Recht sehe, dass ich Nagel als Vertreter einer objektiven Wahrheit bedeutet habe. Mir ist nicht klar, was du damit meinen könntest.




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So 15. Apr 2018, 19:19

Tommy hat geschrieben :
So 15. Apr 2018, 18:49
oder sonstwer
Aber vielleicht interessiert dich, was Nagel selbst sagt. In "Der Blick von Nirgendwo", Kapitel VIII Werte, 1. Realismus und Objektivität, Seite 239 schreibt er in der Einleitung über sein Ziel in diesem Kapitel: "In meinen Überlegungen zur Freiheit habe ich bereits einen Zusammenhang zwischen der Ethik und dem objektiven Standpunkt aufgewiesen. Ich möchte nun die Objektivität der Ethik rechtfertigen, [...]"




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So 15. Apr 2018, 19:57

Was hältst du davon, aus dem Textausschnitt Nagels und deiner Interpretation einen eigenen Thread in Metaphysik und Ontologie zu machen?




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So 15. Apr 2018, 20:19

Ich meinte den Textauszug von Nagel "das objektive Selbst" und deinen Text dazu > https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... 058#p18058




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So 15. Apr 2018, 21:09

Deine Klausur liest sich hervorragend, by the way.



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So 15. Apr 2018, 21:15

Ich fände einen Nagel-Thread durchaus cool. Müsste mich aber nebst meinen anderen Leseprojekten gezielt darauf vorbereiten können.



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So 15. Apr 2018, 21:25

Man müsste ja nicht gleich einen ganzen Nagelthread machen. Dieser kurze Textausschnitt würde ja genügen.




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So 15. Apr 2018, 22:06

Ja, nur weisst du ja, dass ich streng chronologisch verfahren und so habe ich mir erst über die Philosophiegeschichte bis zum 19. Jh. groben Überblick verschafft. Ich müsste mich also eindeutig sputen :) oder vorgreifen und mich einlesen.

Aber legt doch los, das ist ein sicherlich fruchtbares Sujet.



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Tommy hat geschrieben :
So 15. Apr 2018, 21:13
Mir hat das Thema damals sehr viel Spaß gemacht. Und ich kann mich genau erinnern wie sehr ich hin- und hergerissen war zwischen den gegensätzlichen Positionen.
hmmm ...?! Mir ist nicht ganz klar, was du damit meinst - von welchen gegensätzlichen Positionen sprichst du da?




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:-)

Na doch ist das wichtig!




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Tommy hat geschrieben :
Di 17. Apr 2018, 17:08
Für wen?
Für die Philosophie.




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novon
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Di 8. Mai 2018, 01:59

Ich hab ja nicht alles gelesen, aber irgendwie es scheint mir doch klar zu sein, dass man lediglich eine Stufe auf der Abstraktionsleiter hochklettern muss, um widerspruchsfrei auszuweisen, dass jeglicher naturalistische Schluss notwendig ein Fehlschluss sein muss:
- Aus Empirischem folgt kein Normativ
- Aus dem Vorgefundenen folgt nicht, wie es sein sollte
Und zurück:
- Aus Sklaverei folgt nicht, dass man Sklaven halten sollte
- Aus der stinkeneden Pinkelecke am Stromverteiler folgt nicht, dass man da hinpissen sollte
...
Vorgefundenes taugt schlicht nicht als Argument um daraus ein Sollen ableiten zu können. Schlimm wäre das sogar, wäre es so.




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Tommy hat geschrieben :
Di 8. Mai 2018, 07:54
Aus dem Vernunftgebrauch der Menschen folgt nicht, dass sie ihre Vernunft gebrauchen sollen
Weil andere Leute vernünftig sind, folgt auch nicht, dass ich vernünftig sein sollte.
Es gibt tausend Gründe vernünftig zu sein, aber der obere taugt als Begründung nicht.




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novon
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Mi 9. Mai 2018, 02:34

Tommy hat geschrieben :
Di 8. Mai 2018, 07:54
novon hat geschrieben :
Di 8. Mai 2018, 01:59
Ich hab ja nicht alles gelesen, aber irgendwie es scheint mir doch klar zu sein, dass man lediglich eine Stufe auf der Abstraktionsleiter hochklettern muss, um widerspruchsfrei auszuweisen, dass jeglicher naturalistische Schluss notwendig ein Fehlschluss sein muss:
- Aus Empirischem folgt kein Normativ
- Aus dem Vorgefundenen folgt nicht, wie es sein sollte
Und zurück:
- Aus Sklaverei folgt nicht, dass man Sklaven halten sollte
- Aus der stinkeneden Pinkelecke am Stromverteiler folgt nicht, dass man da hinpissen sollte
...
Vorgefundenes taugt schlicht nicht als Argument um daraus ein Sollen ableiten zu können. Schlimm wäre das sogar, wäre es so.
Daraus dass Menschen sich lieben folgt nicht dass sie sich lieben sollen.
Aus dem Vernunftgebrauch der Menschen folgt nicht, dass sie ihre Vernunft gebrauchen sollen.
...
Es wäre schlimm, wäre es so.

(Dein Einwand ist verstanden. Trotzdem: Es ist natürlich billig nur Nagativbeispiele zu verwenden. Und: Das Umgekehrte folgt dann aber auch nicht: Etwas ist nicht automatisch abzulehnen, nur weil es z.B. in der Natur vorgefunden wird)
Na ja... Schlimm wäre, wenn außer "Ist eben so, machen doch alle" kein Argument käme. (Kernfrage ist doch, was als Argument Gültigkeit beanspruchen könnte.)




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