Naturalistischer-/Sein-Sollen-Fehlschluss

Argumente gehören zum Kernbestand der Philosophie. Die Argumentationstheorie ist derjenige Bereich Philosophie, der sich mit der Form und dem Gebrauch von Argumenten befasst.
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Jörn Budesheim
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Di 10. Apr 2018, 14:24

Nein, das ist nicht alles strukturell dasselbe.

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder akzeptierst du den Unterschied zwischen Vernunft/Geltung und Natur, dann akzeptierst du zugleich, dass die Argumente nicht strukturell identisch sind.

Oder du akzeptierst den Unterschied nicht, dann kann aber nicht mehr von einem Fehlschluss die Rede sein. Denn, wenn du den Unterschied zwischen Natur und Vernunft und Geltung einfach einziehst, dann gibt es natürlich auch keine richtigen und falschen Schlüsse, das heißt es liegt auch in diesem Fall kein Fehlschluss vor, sondern eben schieres geltungsfreies Naturgeschichten.




Tosa Inu
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Di 10. Apr 2018, 14:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 10. Apr 2018, 14:24
Nein, das ist nicht alles strukturell dasselbe.

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder akzeptierst du den Unterschied zwischen Vernunft/Geltung und Natur, dann akzeptierst du zugleich, dass die Argumente nicht strukturell identisch sind.

Oder du akzeptierst den Unterschied nicht, dann kann aber nicht mehr von einem Fehlschluss die Rede sein. Denn, wenn du den Unterschied zwischen Natur und Vernunft und Geltung einfach einziehst, dann gibt es natürlich auch keine richtigen und falschen Schlüsse, das heißt es liegt auch in diesem Fall kein Fehlschluss vor, sondern eben schieres geltungsfreies Naturgeschichten.
Also, mir stellt sich das anders dar.
Denn ich akzeptiere den Unterschied zwischen Vernunft und Natur.
Nur folgt daraus zum einen nicht, dass der NF damit geplatzt ist, der liegt ja gerade darin, dass es diesen Unterschied gibt. Und auch nicht, dass die Argumente strukturell nicht identisch wären. Warum denn?
Und ein Argument - jedes, auch ein falsches oder kümmerliches - ist stets vernünftig, also wesentlich supernaturalistisch.

Insofern gibt der Rekurs darauf, dass in der Prämisse der Begriff "Vernunft" erscheint nicht her, was er Deiner Meinung nach hergeben soll, denn die Anlage Klavier zu spielen ist uns ebenfalls natürlich gegeben und daraus folgt wie in allen anderen Fällen auch, direkt gar nichts.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Apr 2018, 14:48
Warum denn?
Weil du nicht zugleich den Unterschied akzeptieren und leugnen kannst.




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Jörn Budesheim
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Wenn man eine Begründung verlangt für den Unterschied zwischen Natur und Vernunft, dann hat man bereits akzeptiert, dass es so etwas wie Begründungen gibt, nicht wahr?




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Di 10. Apr 2018, 23:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 10. Apr 2018, 15:12
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Apr 2018, 14:48
Warum denn?
Weil du nicht zugleich den Unterschied akzeptieren und leugnen kannst.
Ich leugne ja nicht den NF, sondern Deine Folgerung daraus, ein Non Sequitur.
Wirst Du anders sehen, deshalb:
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Apr 2018, 14:10
Der Mensch ist von Natur aus vernunftbegabt, also soll er seine Vernunft nutzen.
Der Mensch ist von Natur aus empathiebegabt, also soll er seine Empathie nutzen.
Der Mensch ist von Natur aus klavierbegabt, also soll er Klavier spielen.
Der Mensch ist von Natur aus sadismubegabt, also soll er seinen Sadismus nutzen.
Der Mensch ist von Natur aus tötungsbegabt, also soll er töten.
Für mich sind die Sätze alle strukturell gleich, für Dich ragt der erste raus und ist prinzipiell anders.
Warum genau der und nicht der Klaviersatz?
Was macht ihn, den ersten, anders?



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Mi 11. Apr 2018, 06:41

Der erste Satz ist anders, weil er einen anderen Inhalt hat. Es hat doch keinen Sinn, sich die formale Ähnlichkeit der Sätze anzuschauen und vom Inhalt abzusehen.

Zudem: nicht jedes mal wenn irgendwo das Wort Natur auftaucht, ist Natur im Sinne des naturalistischen Fehlschlusses gemeint. Wenn man etwa behauptet, es gehört zu Natur einer Diskussion, dass sich Rede und Gegenrede abwechseln, dann ist ganz sicher nicht der fragliche Naturbegriff im Spiel. Dort geht es stattdessen um das Wesen der Sache, den Begriff oder etwas in der Art. Der naturalistische Fehlschluss heißt schließlich nicht zufälligerweise naturalistischer Fehlschluss. Es muss dort ein Begriff von Natur im Spiel sein, der sich überhaupt auf naturalistisch reimt...




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Mi 11. Apr 2018, 07:42

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 06:41
Der erste Satz ist anders, weil er einen anderen Inhalt hat.
Nun, jeder dieser Sätze hat einen anderen, eigenen, Inhalt. Das zeichnet den mit der Vernunft erst mal nicht aus.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 06:41
Es hat doch keinen Sinn, sich die formale Ähnlichkeit der Sätze anzuschauen und vom Inhalt abzusehen..
Das passiert in der Philosophie durchaus häufiger und nennt sich z.B. Logik.
Wenn man die typische Fehlschlüsse in der Philosophie untersucht ist das ebenfalls ein rein formale Geschichte.
Was soll auch sonst zählen? "A widerspricht sich selbst, ist aber ansonsten sympathisch, also lassen wir den Satz mal durchgehen"?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 06:41
Zudem: nicht jedes mal wenn irgendwo das Wort Natur auftaucht, ist Natur im Sinne des naturalistischen Fehlschlusses gemeint.
Ist mir klar, hat aber auch niemand behauptet, oder?
Du hättest ja erklären können, was den Satz Deiner Meinung nach grundsätzlich anders macht, hast aber darauf verzichtet. Warum?

Meine Beispielsätze stehen ja da:
[*]Der Mensch ist von Natur aus vernunftbegabt, also soll er seine Vernunft nutzen.

[*]Der Mensch ist von Natur aus empathiebegabt, also soll er seine Empathie nutzen.

[*]Der Mensch ist von Natur aus klavierbegabt, also soll er Klavier spielen.

[*]Der Mensch ist von Natur aus sadismubegabt, also soll er seinen Sadismus nutzen.

[*]Der Mensch ist von Natur aus tötungsbegabt, also soll er töten.
Für mich sind alle Beispiele für einen NF, für Dich stellt (nur?) der erste eine Ausnahme dar.
Dafür musst Du einen Grund haben und nur der interessiert mich an der Stelle.



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Jörn Budesheim
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Mi 11. Apr 2018, 08:23

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 07:42
Ist mir klar, hat aber auch niemand behauptet, oder?
Ja, klar doch: du behauptest das. Und zwar, indem du die Sätze formal aneinander reihst und über die Äquivokationen großzügig hinweg siehst. Die Sätze sind halt nicht wirklich ähnlich, wenn der Begriff Natur stets etwas anderes bedeutet. Manche Autoren sprechen zum Beispiel, um den Unterschied, um den es hier auch geht zu markieren, von der zweiten Natur des Menschen. Ist das gemeint, dann kann aus logischen Gründen bereits kein naturalistischer Fehlschluss mehr gemeint sein. Die siehst einfach davon ab, was jeweils der Inhalt ist und pochst auf eine bloß formale Struktur.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 08:23
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 07:42
Ist mir klar, hat aber auch niemand behauptet, oder?
Ja, klar doch: du behauptest das.
Eigentlich könnte es ja darum gehen, dass Du einfach mal Deine Position darstellst und Deine Behauptung untermauerst.
Hast Du wieder drauf verzichtet, warum?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 08:23
Und zwar, indem du die Sätze formal aneinander reihst und über die Äquivokationen großzügig hinweg siehst. Die Sätze sind halt nicht wirklich ähnlich, wenn der Begriff Natur stets etwas anderes bedeutet.
In welchem Satz hat der Naturbegriff - nebenbei: es geht eigentlich um Deinen Vernunftbegriff - denn nun eine abweichende Bedeutung.
Kannst Du mir das erklären? Für mich ist der Naturbegriff in allen genannten Beispielen identisch.
Wo und warum Deiner Meinung nach nicht?



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Jörn Budesheim
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Mi 11. Apr 2018, 09:50

Dein Beitrag einfach eine Unverschämtheit. Ich habe meine Position wiederholt dargestellt. Die Diskussion ist damit für mich beendet. Ich muss mir schließlich hier nicht alles bieten lassen.




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Alethos
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Mi 11. Apr 2018, 12:31

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 07:42
Meine Beispielsätze stehen ja da:
[*]Der Mensch ist von Natur aus vernunftbegabt, also soll er seine Vernunft nutzen.

[*]Der Mensch ist von Natur aus empathiebegabt, also soll er seine Empathie nutzen.

[*]Der Mensch ist von Natur aus klavierbegabt, also soll er Klavier spielen.

[*]Der Mensch ist von Natur aus sadismubegabt, also soll er seinen Sadismus nutzen.

[*]Der Mensch ist von Natur aus tötungsbegabt, also soll er töten.
Für mich sind alle Beispiele für einen NF, für Dich stellt (nur?) der erste eine Ausnahme dar.
Dafür musst Du einen Grund haben und nur der interessiert mich an der Stelle.
Ich antworte an dieser Stelle, nicht für Jörn, sondern weil du in einem vorherigen Beitrag diese Frage in anderer Form bereits gestellt hast. Ich nehme diese Gelegenheit wahr, dir zu antworten, wenn ich darf.

Die unterschiedlichen Varianten des naturalistischen Fehlschlusses, die du aufführst, sind formal alle gleich. Keine Frage. Sie stellen deshalb gleichsam keine Argumente dar, weil sie keine Argumentsstruktur entfalten. Sie alle schliessen direkt von einem Sein auf ein Sollen, das hat keinen Argumentscharakter.

Dass man die eine Aussage begrüsst, die andere ablehnt, das kann also nicht an der isolierten Aussage abgelesen werden, denn man kann ihnen nirgends ein argumentatives Kriterium entnehmen, durch das es möglich wird, die eine Aussage von der anderen zu bevorzugen. Wie gesagt, alle Aussagen sind gleichsam argumentationsleer. Aber dennoch bevorzugen wir die eine Aussage vor der anderen.

Woran liegt das? Sicherlich liegt dies nicht an einem willkürlichen Akt des Bevorzugens einer Aussage, sondern es liegt an einer Intuition, die diese Aussagen auslösen und auslösen tun sie sie wegen der mit ihnen nur implizit mitgedachten Einbettung in grössere argumentative Zusammenhänge.

Weder ergeht aus der Tatsache, dass der Mensch vernunftbegabt ist, der Schluss, dass er diese Vernunft anwenden sollen darf. (Dieser Gedanke entstand übrigens in Analogie zu Tommys Gedanken, der aus dem Umstand, dass der Mensch ein atmungsfähiges Wesen sei, folgerte, dass es widersinnig sei, hier kein Atmensollen zu fordern.) Noch ergeht aus der Tatsache, dass der Mensch ein emphatiefähiges Wesen ist, der Schluss, dass er emphatisch sein solle. Aber es zeigt sich durch die Analyse der Prämissen (empathie, vernunft- resp. tötungsfähig zu sein), was diese Fähigkeiten für ethische Implikationen nach sich ziehen. Es wird durch die Reflexion der Konsequenzen dieser Handlungen (Empathie haben, Vernunft anwenden, jemanden töten) in einem Diskurs einsichtig, dass die einen Handlungen gut, die anderen schlecht sind, aber nicht per se gut oder schlecht sind, sondern mit Bezug auf eine konkrete Situation als solche zu bewerten sind, und zwar objektiv als solche zu bewerten sind.

Es wird die Vorstellung, dass die Tötungsfähigkeit zum Tötensollen führen solle, als ablehnungswürdig erachtet, aber nicht wegen der Form des Fehlschlusses, sondern wegen der Objektivität des ethischen Gebots. Dieses bezieht sich aber nicht auf das Sein (tötungsfähig sein) und folgt auch nicht aus ihm, sondern aus der Begründung eines wünschenwerten Handelns. Das mag nun zirkulär klingen, aber dass ein wünschenswertes Handeln aus der Begründung dieses Wünschenwerten folgt, das ist nicht zirkulär, sondern Natur des Grundes für ein Sollen. Es folgt aus dem Grund ein Sollen, wie aus der Ursache eine Wirkung folgt, ohne dass dabei eines von beidem als zirkulär zu betrachten wäre. Natürlich bezieht sich ein Grund auf einen Grund und dieser wiederum auf einen Grund etc., aber das ist keine Zirkularität, sondern Kohärenz. Dass am Anfang dieser Kette kein Sein stehen kann, erhellt aus den Argumenten gegen das Begehen naturalistischer Fehlschlüsse, es kann am Anfang kein Sein stehen, weil aus einem Sein keine Begründung folgen kann. Aber das beweist nur, dass am Anfang einer moralischen Begründung eine Setzung liegen muss, die das Gute will und das Schlechte meidet: Was immer nun dieses Gute und Schlechte sei.



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Jörn Budesheim
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Mi 11. Apr 2018, 13:29

Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 12:31
Keine Frage
Hi Alethos,

das finde ich überhaupt nicht, dass das keine Frage ist.

Insofern die formal gleichen Sätze irgendeinen Sinn ergeben sollen - und das sollen sie ja wohl, oder? - muss man den entscheidenden Begriff "Natur ..." je anders auslegen. Wenn man von der Vernunftnatur des Menschen spricht, dann spricht man nicht von der Natur im Sinne des naturalistischen Fehlschlusses. Man kann sich dann, je nach Kontext, wie oben mehrfach erläutert, auf die zweite Natur des Menschen beziehen oder auf sein Wesen. Beides Mal gibt es keinen Bezug zur Natur im naturalistischen Sinne, also den Bereich der Biologie, der Naturgesetze etc. Deswegen ist es allein schon aus diesem Grund nicht möglich, dass ein naturalistischer Fehlschluss vorliegt. (Die Frage ist, was der Satz überhaupt für einen Sinn haben soll, vermutlich werden nämlich noch der billigende und der neutrale Vernunftbegriff verwechselt.)

Wenn man davon spricht, dass Menschen von "Natur" aus klavierbegabt sind, dann kann auch nicht der fragliche Naturbegriff gemeint sein, weil hier eher auf den Wesenszug des Menschen, ein kulturelles und musischen Wesen zu sein, gezielt wird und nicht etwa auf seine schieres Biologie. Auch hier ist aus logisch/begrifflichen Gründen ein naturalistischer Fehlschluss ausgeschlossen.

Das Problem des naturalistischen Fehlschlusses ist, dass er die Geltung aus der falschen Quelle zu schöpfen versucht. Die fehlerhafte Quelle, um die es dabei geht, ist die Natur im Sinne des Raums der Kausalität. Dass es zu unserem Wesen (zu unserer Natur) gehört, dass wir auch im Raum der Gründe leben, ist wahr. Aber dadurch, dass man es so formuliert, werden nicht aus verschiedenen Quellen/Räumen zwei gleiche. Die Beispiele leben, wie gesagt, nur von dieser Äquivokation, in diesem Sinne sind sie weit davon entfernt, strukturgleich zu sein.

Nachtrag: Der Fehler wird vielleicht offenkundiger, wenn man die Formulierung "Der Mensch ist von Natur aus" entfernt. Dann sieht man deutlich, auf was sich die Begründung jeweils Stütz: Vernunft, Biologie, Kultur ... Nur das zweite aus der Reihe kommt für einen naturalistischen Fehlschluss in Frage. Die anderen müssten dann "rationalistischer Fehlschluss" oder "kultureller Fehlschluss" oder so ähnlich heißen :-)

Man kann den Unsinn noch auf die Spitze treiben, in dem man von der Natur der Logik spricht, Widersprüche abzulehnen ... oder der Natur der Ethik auf das Gute zu zielen, der Natur der ganzen Zahlen Büche zu fürchten usw.




Tosa Inu
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Mi 11. Apr 2018, 14:11

Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 12:31
Ich antworte an dieser Stelle, nicht für Jörn, sondern weil du in einem vorherigen Beitrag diese Frage in anderer Form bereits gestellt hast. Ich nehme diese Gelegenheit wahr, dir zu antworten, wenn ich darf.
Klar.
Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 12:31
Die unterschiedlichen Varianten des naturalistischen Fehlschlusses, die du aufführst, sind formal alle gleich. Keine Frage. Sie stellen deshalb gleichsam keine Argumente dar, weil sie keine Argumentsstruktur entfalten. Sie alle schliessen direkt von einem Sein auf ein Sollen, das hat keinen Argumentscharakter.
Die zweite Prämisse könnte standardmäßg lauten: Was die Natur vorgibt/uns gibt/geschaffen hat, ist gut.
Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 12:31
Dass man die eine Aussage begrüsst, die andere ablehnt, das kann also nicht an der isolierten Aussage abgelesen werden, denn man kann ihnen nirgends ein argumentatives Kriterium entnehmen, durch das es möglich wird, die eine Aussage von der anderen zu bevorzugen. Wie gesagt, alle Aussagen sind gleichsam argumentationsleer. Aber dennoch bevorzugen wir die eine Aussage vor der anderen.

Woran liegt das? Sicherlich liegt dies nicht an einem willkürlichen Akt des Bevorzugens einer Aussage, sondern es liegt an einer Intuition, die diese Aussagen auslösen und auslösen tun sie sie wegen der mit ihnen nur implizit mitgedachten Einbettung in grössere argumentative Zusammenhänge.
Schwierig. Hier unterstellst Du, dass bei einer Einbettung in einen größeren Kontext das Ergebnis stets und bei allen gleich sein muss.
Da wäre ich mal nicht so sicher und die anderen dann eben als geistig minderbemittelt (direkt oder durch die Blume) zu bezeichnen ist eher ein Ringen um die Deutungshoheit, denn ein Argument.
Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 12:31
Weder ergeht aus der Tatsache, dass der Mensch vernunftbegabt ist, der Schluss, dass er diese Vernunft anwenden sollen darf. (Dieser Gedanke entstand übrigens in Analogie zu Tommys Gedanken, der aus dem Umstand, dass der Mensch ein atmungsfähiges Wesen sei, folgerte, dass es widersinnig sei, hier kein Atmensollen zu fordern.) Noch ergeht aus der Tatsache, dass der Mensch ein emphatiefähiges Wesen ist, der Schluss, dass er emphatisch sein solle.
Ja, ich finde auch, dass Jörn sich hier irrt.
Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 12:31
Aber es zeigt sich durch die Analyse der Prämissen (empathie, vernunft- resp. tötungsfähig zu sein), was diese Fähigkeiten für ethische Implikationen nach sich ziehen. Es wird durch die Reflexion der Konsequenzen dieser Handlungen (Empathie haben, Vernunft anwenden, jemanden töten) in einem Diskurs einsichtig, dass die einen Handlungen gut, die anderen schlecht sind, aber nicht per se gut oder schlecht sind, sondern mit Bezug auf eine konkrete Situation als solche zu bewerten sind, und zwar objektiv als solche zu bewerten sind.
Das ist eine Suggestion. Du sagst, mit dem Blick aufs große Ganze renkt sich wieder alles ein. Das kann durchaus sein, nur ist das die Stelle an der gezeigt werden müsste, wie, wo und warum.
Saß man bis vor kurzem noch im Sattel der gefühlten Mehrheit unter den Privilegierten, sieht das aktuell nicht mehr so aus, dass man sich hier im Modus des alten Eurozentrismus einfach drauf zurück ziehen könnte, dass man selbst eben einfach besser ist und die anderen eben noch nicht so weit sind. Dazu geht der Riss zu tief durch Europa, inklusive der einzelnen Länder.
Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 12:31
Es wird die Vorstellung, dass die Tötungsfähigkeit zum Tötensollen führen solle, als ablehnungswürdig erachtet, aber nicht wegen der Form des Fehlschlusses, sondern wegen der Objektivität des ethischen Gebots. Dieses bezieht sich aber nicht auf das Sein (tötungsfähig sein) und folgt auch nicht aus ihm, sondern aus der Begründung eines wünschenwerten Handelns. Das mag nun zirkulär klingen, aber dass ein wünschenswertes Handeln aus der Begründung dieses Wünschenwerten folgt, das ist nicht zirkulär, sondern Natur des Grundes für ein Sollen. Es folgt aus dem Grund ein Sollen, wie aus der Ursache eine Wirkung folgt, ohne dass dabei eines von beidem als zirkulär zu betrachten wäre.
Das ist ein wichtiger Punkt. Aus einer konkreten Situation erwächst oder wird eine moralischer Imperativ. Ist jemand in Not, sollte ich ihm helfen, oder für die Benachrichtigung kompetenterer Helfer sorgen.
Jetzt mach ich mal einen groben Schnitt. Der Psychopath sieht das anders. Nun ist die Frage, was an seinem Handeln moralisch falsch ist, wenn er ein kluger Psychopath ist. Man kann sagen, es ist alles falsch, darum nennen wir ihn ja Psychopath, aber das ist wirklich zirkulär.
Der kluge Psychopath sagt: Ihr macht's versteckt, ich halt offen. Ihr seid verlogen, ich immerhin ehrlich. Moralisch stehe ich sogar besser da.
Was wäre die Antwort? Der kluge Psychopath analysiert unsere Gesellschaft als durch und durch verlogen und unsere Handlungen, als solche, die offen oder über Bande stets auf den eigenen Vorteil aus sind. Man will Geld, soziale Statuserhöhung und Anerkennung. Immer geht es nur ums eigene Ich.
Der Kapitalismus dreht sich um Profitmaximierung, die eigene wohlgemerkt. Ökostrom und Migranten findet man gut, nur bitte beide nicht zu nah am eigenen Haus. Stromleitungen, nö, Windräder sind laut und hässlich und für die Ausländer haben wir doch andere Stadtteile. Wenn die eigene Komfortzone angekrazt ist, gehen die netten Allesversteher als erste auf die Barrikaden. Wenn hinreichend potent, dann schlank und diskret, per Anwalt und Beziehung, man kennt sich.
Also sprach der Psychopath. Und was entgegnen wir ihm?
Find ich spannend. Und die Antwort ist schwer.
Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 12:31
Natürlich bezieht sich ein Grund auf einen Grund und dieser wiederum auf einen Grund etc., aber das ist keine Zirkularität, sondern Kohärenz. Dass am Anfang dieser Kette kein Sein stehen kann, erhellt aus den Argumenten gegen das Begehen naturalistischer Fehlschlüsse, es kann am Anfang kein Sein stehen, weil aus einem Sein keine Begründung folgen kann. Aber das beweist nur, dass am Anfang einer moralischen Begründung eine Setzung liegen muss, die das Gute will und das Schlechte meidet: Was immer nun dieses Gute und Schlechte sei.
Die Kirche will auch das Schlechte meiden. Sie sagt, wir haben uns aufrichtig geprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass es gut sein muss, weil Gott es so gewollt hat. Dass wir das nicht immer vertehen, liegt daran, dass wir als Geschöpfe uns nicht anmaßen sollten den Willensschluss des Schöpfers zu begreifen. Das wäre vermessen. Also begrenzte Gott die Homosexualität auf Pi mal Daumen, 10% und Gott sah, dass es gut war.
Will sagen: 'Am Ende wird sich erweisen, dass es so wie wir es machen richtig ist', ist nichts was ich philosophisch plausibel finde.
Der Phantasie überlasse ich jetzt eine Beschreibung von 20 Horrormeldungen der Gegenwart. Der Anfang: Schere Arm/Reich, Umweltverschmutzung und Klimawandel trotz gegenteiliger Bekundungen, Terror- und Kriegsgefahr, Hunger ....



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Mi 11. Apr 2018, 14:35

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 13:29
Das Problem des naturalistischen Fehlschlusses ist, dass er die Geltung aus der falschen Quelle zu schöpfen versucht. Die fehlerhafte Quelle, um die es dabei geht, ist die Natur im Sinne des Raums der Kausalität. Dass es zu unserem Wesen (zu unserer Natur) gehört, dass wir auch im Raum der Gründe leben, ist wahr. Aber dadurch, dass man es so formuliert, werden nicht aus verschiedenen Quellen/Räumen zwei gleiche. Die Beispiele leben, wie gesagt, nur von dieser Äquivokation, in diesem Sinne sind sie weit davon entfernt, strukturgleich zu sein.
Ich deute das mal als Antwort über Bande.
Meine Antwort ist, dass 'der Raum der Gründe' eine Metapher oder Benutzeroberfläche ist, zu der eine Hardware gehört.
Dann wird argumentiert, dass das Gehirn diese Hardware ist, genauso naturgesetzlich oder nach Regularitäten funktioniert wie Leber und Herz und wir ansonten Dualisten seien, die nicht erklären können, wie Hirn und Geist zusammenhängen, aber schwerlich leugnen werden, dass sie es nicht tun: Drogen, Alkohol, Schlaganfall, Hirntumor ...

Nun kann man sagen, dass man die Funktion, die Lücke nicht erklären kann: stimmt. Aber Du hattest auch postuliert, dass es eine ethische Wahrheit geben muss, und gesagt, Du könntest nicht sagen, woran man sie erkennt. Dass müsstest Du auch nicht, sagtest Du. Stimmt auch. Nur kann man das von anderen dann auch nicht verlanegn. Sieht nach Patt aus.

Ich habe auch nicht vergessen, dass Du Dich im Großen und Ganzen als ontologischer Pluralist siehst, nur kommen wir da über ein Patt auch nicht hinaus.
Aber hier ist ja nun ein anderes Thema dran.



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Mi 11. Apr 2018, 15:43

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 13:29
Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 12:31
Keine Frage
das finde ich überhaupt nicht, dass das keine Frage ist.
Einverstanden mit deiner ganzen Explikation :) Man müsste aber dann in jedem Fall sagen dürfen, wenn du recht hast, dass es sich bei besagten Schlüssen um Sein-Sollen-Fehlschlüsse handelt. Wir können ja nicht kulturelle Fehlschlüsse bevorzugen, bloss weil sie ein Kultursein betreffen und einen naturalistischen Fehlschluss ablehnen, weil sie Biologiedinge betreffen.

Ich denke, um diesen fehlenden Vorrang durch Unterscheidbarkeit des Fehlens bei Schlüssen ging es TI in erster Linie.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 13:29
Die Beispiele leben, wie gesagt, nur von dieser Äquivokation, in diesem Sinne sind sie weit davon entfernt, strukturgleich zu sein.
Die Formalität eines Schlusses betrifft den formallogischen Aufbau des Schlusses in Absehung des Inhalts, schätze ich mal. Die Schlüsse sind formal kongruent. Das bedeutet nicht, dass sie strukturell gleich sind, weil zur Struktur der Inhalt gehört, also die Zusammensetzung der Strukturelemte. Struktur und Form sind nicht dasselbe, oder?



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Mi 11. Apr 2018, 16:25

Der Mensch ist von Natur aus vernunftbegabt, also soll er seine Vernunft nutzen.
Lass uns mal nicht so schnell vom Inhalt absehen, was soll dieser Satz eigentlich bedeuten? Wenn man ihn flapsig nimmt, dann heißt er vielleicht "denk mal nach". Aber es soll ja eine Schlussform haben. Wie soll man sich das vorstellen?




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Mi 11. Apr 2018, 16:38

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 14:11
Schwierig. Hier unterstellst Du, dass bei einer Einbettung in einen größeren Kontext das Ergebnis stets und bei allen gleich sein muss.
Da wäre ich mal nicht so sicher und die anderen dann eben als geistig minderbemittelt (direkt oder durch die Blume) zu bezeichnen ist eher ein Ringen um die Deutungshoheit, denn ein Argument.
Das impliziere ich nicht, aber es ist doch unbestritten, dass es eine Mehrheit gibt, die Mord- und Totschlag missbilligt. Das kann nun aber nicht an einer Deutungshoheit liegen, sondern muss meines Erachtens vom Gewicht der Argumente herrühren, durch das die Gründe ihre objektive Gültigkeit erhalten.

Es ist doch nicht bloss Konsens, dass Morden schlecht ist, sondern es ergibt sich aus einer Begründungspraxis als ethische Objektivität.

Wir sollten uns aber nicht täuschen lassen von der Extremität des Beispiels: Was fürs Morden gilt müsste für alles Moralische in gleicherweise gelten, so dass wir sagen müssten, dass alle Moralität objektive Gültigkeit durch Argumente erreichen kann.

Es ist aber Tatsache, dass wir etwas für erstrebenswert halten, dasselbe Etwas für nicht erstrebenswert. Das ist meines Erachtens aber weder Anzeichen für die Debilität oder fehlende Einsicht der einen noch Beleg für Nichtobjektivität der Ethik, sondern schlicht Ausdruck der Freiheit des Menschen, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für etwas aus bestimmten, ihn leitenden Gründen zu entscheiden.
Wenn die Realität plural ist, was ich glaube, dann muss es auch die Ethik sein. Es gibt nicht den einen allgemeinen Sinn von moralisch richtig und falsch. Aber das ist wohl die andere Baustelle :)
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 14:11
Ja, ich finde auch, dass Jörn sich hier irrt.
Ich finde aber nicht, dass Jörn sich irrt. Er hat klar gesagt, dass man aus einem Sein nicht auf ein Sollen schliessen kann und begeht, indem er das eine für erstrebenswert hält und das andere nicht, keinen Fehlschluss. Denn er bezieht ja seinen Sollensanspruch nicht aus dem Sein, sondern aus diesen das schiere Sein übersteigenden Gründen. Er bezieht seine Argumente aus dem argumentativen Gesamtkontext, nicht aus einem Sein.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 14:11
Das ist eine Suggestion. Du sagst, mit dem Blick aufs große Ganze renkt sich wieder alles ein. Das kann durchaus sein, nur ist das die Stelle an der gezeigt werden müsste, wie, wo und warum.
Saß man bis vor kurzem noch im Sattel der gefühlten Mehrheit unter den Privilegierten, sieht das aktuell nicht mehr so aus, dass man sich hier im Modus des alten Eurozentrismus einfach drauf zurück ziehen könnte, dass man selbst eben einfach besser ist und die anderen eben noch nicht so weit sind. Dazu geht der Riss zu tief durch Europa, inklusive der einzelnen Länder.
Ich meine, dass wir mit Gründen andere Gründe entkräften können. Das halte ich aber nicht für eine Suggestivleistung, sondern eine dialogische. Ich sage ja nicht, dass man ein Argument hinwerfen kann und auf seine selbstevidente Kraft hofft, sondern dass man für das Gute, das man durch Reflexion zu finden geglaubt hat, werben kann. Ich halte das Gute für vermittelbar.

Das impliziert die Vorstellung, dass es keinen eurozentrischen Wertekomplex gibt, der apriori und durch sich selbst anderen Komplexen überlegen wäre. Ich denke aber, dass sich die verschiedenen Werterealitäten in einen Diskurs begeben und sich austauschen und so falsifzierend vorankommen können.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 14:11
Jetzt mach ich mal einen groben Schnitt. Der Psychopath sieht das anders. Nun ist die Frage, was an seinem Handeln moralisch falsch ist, wenn er ein kluger Psychopath ist. Man kann sagen, es ist alles falsch, darum nennen wir ihn ja Psychopath, aber das ist wirklich zirkulär.
Der kluge Psychopath sagt: Ihr macht's versteckt, ich halt offen. Ihr seid verlogen, ich immerhin ehrlich. Moralisch stehe ich sogar besser da.
Was wäre die Antwort? Der kluge Psychopath analysiert unsere Gesellschaft als durch und durch verlogen und unsere Handlungen, als solche, die offen oder über Bande stets auf den eigenen Vorteil aus sind. Man will Geld, soziale Statuserhöhung und Anerkennung. Immer geht es nur ums eigene Ich.
Der Kapitalismus dreht sich um Profitmaximierung, die eigene wohlgemerkt. Ökostrom und Migranten findet man gut, nur bitte beide nicht zu nah am eigenen Haus. Stromleitungen, nö, Windräder sind laut und hässlich und für die Ausländer haben wir doch andere Stadtteile. Wenn die eigene Komfortzone angekrazt ist, gehen die netten Allesversteher als erste auf die Barrikaden. Wenn hinreichend potent, dann schlank und diskret, per Anwalt und Beziehung, man kennt sich.
Also sprach der Psychopath. Und was entgegnen wir ihm?
Find ich spannend. Und die Antwort ist schwer.
Der Psychophat hat einfach unrecht. Wenn man einmal festgestellt hat, dass Diebstahl, Mord, Folter, Täuschung etc. falsch ist, dann wird aus einer solchen Handlung durch Intelligenz keine richtige.
Dass die Grenzen zwischen Tunsollen und Unterlassensollen nicht immer klar sind, ergeht aus der Komplexität der Sache. Es ist nicht klar, ob es gut ist, wenn mein Kollege mich auf den Arm nimmt. Es kann etwas Gutes sein, wenn es mich auflockert und wieder ins richtige Lot bringt, es kann etwas Schlechtes sein, wenn er sich nur auf meine Kosten amüsiert und ich nichts habe als Ärger. Wir sollten nicht so tun, als wären die Vor- und Nachteile, das Für und Wider immer schön austariert, das sind sie nicht. In den meisten Fällen obliegt es uns zu ermitteln, was wann als richtig und falsch gilt. Aber Ermittlung heisst nicht Setzung, Argumentation nicht Dogmatismus und objektive Ethik heisst nicht Konsensualität. Es muss ausserhalb von uns das Wahre geben, an der Sache selbst muss sich entscheiden lassen können, was gut und was falsch ist.



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Mi 11. Apr 2018, 16:56

Habe alles aufmerksam gelesen, greife das heraus:
Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 16:38
Der Psychophat hat einfach unrecht. Wenn man einmal festgestellt hat, dass Diebstahl, Mord, Folter, Täuschung etc. falsch ist, dann wird aus einer solchen Handlung durch Intelligenz keine richtige.
... Wir sollten nicht so tun, als wären die Vor- und Nachteile, das Für und Wider immer schön austariert, das sind sie nicht. In den meisten Fällen obliegt es uns zu ermitteln, was wann als richtig und falsch gilt. Aber Ermittlung heisst nicht Setzung, Argumentation nicht Dogmatismus und objektive Ethik heisst nicht Konsensualität. Es muss ausserhalb von uns das Wahre geben, an der Sache selbst muss sich entscheiden lassen können, was gut und was falsch ist.
Super, da will ich hin. Ich habe meine eigene Theorie, die ich für halbwegs wasserdicht halte, die ich aber gerne prüfe.
Darum spiele ich jetzt mal den Gegenpart zu mir und argumentiere in der Folge als intelligenter Psychopath, der die These vertritt, dass es im Leben darum geht, das dickste Stück vom Kuchen zu bekommen, aber natürlich nicht plump, sondern geschickt.

Du hältst dagegen, okay, und machst Du mit?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 11. Apr 2018, 18:09

Das wird aber schwierig und langwierig werden, weil du den Psychopathen mimst und nicht den Sokrates :)



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Mi 11. Apr 2018, 18:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 11. Apr 2018, 16:25
Der Mensch ist von Natur aus vernunftbegabt, also soll er seine Vernunft nutzen.
Lass uns mal nicht so schnell vom Inhalt absehen, was soll dieser Satz eigentlich bedeuten? Wenn man ihn flapsig nimmt, dann heißt er vielleicht "denk mal nach". Aber es soll ja eine Schlussform haben. Wie soll man sich das vorstellen?
Wenn wir vom Inhalt nicht absehen wollen, und das wollen wir nicht, dann müssen wir diese Sätze erweitern, um eine Schlussform daraus machen zu können.

Wir müssten dann herausarbeiten, dass in Ausdruck 'vernunftsbegabt' das Wort Begabung drinsteckt und dieses implizit eine Aufforderung hat, z.B.: 'Nutze deine Begabung' oder 'eine Begabung ist nur eine, wenn du sie nutzt'



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