Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

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NaWennDuMeinst
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So 17. Jan 2021, 16:58

Alethos hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 16:52
Die Frage ist: In welcher Form gibt es das Etwas?
Es gibt es überhaupt nicht, obwohl ich darüber nachdenken kann. Das ist genau der Punkt und deshalb so wichtig, weil Du genau das abstreitest:
Nämlich Du: Alles was gedacht wird, gibt es mindestens als Gedachtes.
Und ich sage nun: Ausser das was nicht gedacht wird.
Man kann nämlich sehr wohl auf der Metaebene über das was nicht gedacht wird nachdenken (in der Form wie ich es oben skizziert habe).
Deshalb gibt es das nicht Gedachte (über dessen Existenz wir nachdenken) aber noch lange nicht (weder als Gedanke noch sonstwie).
Und auch nicht "notwendigerweise".
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am So 17. Jan 2021, 17:02, insgesamt 1-mal geändert.



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Alethos
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So 17. Jan 2021, 17:01

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 16:34
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 16:33
Alethos sag aber etwas anderes, wenn ich ihn richtig verstehe. Du musst die Variable (a) ja besetzen.
Wieso muss ich das? Ich kann doch denken was ich will.
Er muss einfach seine Aussage einschränken. Was er sagt gilt eben nicht für das (Nach)Denken über das Denken selbst.

(ausserdem habe ich ja was eingesetzt: A ist in meinem Beispiel die Aussage "Den Denkvorgang an ein noch nie gedachtes X gibt es nicht" Jetzt gibt es zwar ein Denken an einen Denkvorgang, deshalb gibt es aber A noch lange nicht).
Genau: Existenzaussagen muss man einschränken!

Wenn du behaupten willst, dass es A nicht gibt, weil es den Denkvorgang an A nicht gebe, dann frage ich mich, woher du diesen Gedanken an A hernimmst und an seine Nichtexistenz :)



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Alethos
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So 17. Jan 2021, 17:04

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 16:58
Alethos hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 16:52
Die Frage ist: In welcher Form gibt es das Etwas?
Es gibt es überhaupt nicht, obwohl ich darüber nachdenken kann. Das ist genau der Punkt und deshalb so wichtig, weil Du genau das abstreitest:
Nämlich Du: Alles was gedacht wird, gibt es mindestens als Gedachtes.
Und ich sage nun: Ausser das was nicht gedacht wird.
Man kann nämlich sehr wohl auf der Metaebene über das was nicht gedacht wird nachdenken (in der Form wie ich es oben skizziert habe).
Deshalb gibt es das nicht Gedachte (über dessen Existenz wir nachdenken) aber noch lange nicht. Und auch nicht "notwendigerweise".
Das, was nicht gedacht wird, ist das, was nicht gedacht wird. Es existiert als Nichtgedachtes in deiner Theorie über das Nichtgedachte.

Dass es das Nichtgedachte nicht gibt, das ist notwendig so, und das habe ich behauptet. Das Nichts gibt es nicht ist ein äquivalenter Term.



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NaWennDuMeinst
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So 17. Jan 2021, 17:08

Alethos hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 17:01
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 16:34
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 16:33
Alethos sag aber etwas anderes, wenn ich ihn richtig verstehe. Du musst die Variable (a) ja besetzen.
Wieso muss ich das? Ich kann doch denken was ich will.
Er muss einfach seine Aussage einschränken. Was er sagt gilt eben nicht für das (Nach)Denken über das Denken selbst.

(ausserdem habe ich ja was eingesetzt: A ist in meinem Beispiel die Aussage "Den Denkvorgang an ein noch nie gedachtes X gibt es nicht" Jetzt gibt es zwar ein Denken an einen Denkvorgang, deshalb gibt es aber A noch lange nicht).
Genau: Existenzaussagen muss man einschränken!

Wenn du behaupten willst, dass es A nicht gibt, weil es den Denkvorgang an A nicht gebe, dann frage ich mich, woher du diesen Gedanken an A hernimmst und an seine Nichtexistenz :)
Ich denke jetzt Folgendes:
Den Denkvorgang an ein noch nie gedachtes X gibt es nicht

DAS habe ich jetzt gedacht. Also gibt es diesen Gedanken. Völlig klar.
Daraus folgt aber nicht, dass es einen Gedanken an ein noch nie gedachtes X gibt.

Hier wird nicht über X nachgedacht, sondern auf der Metaebene über die Existenz eines Denkens an X.
Und ich sage nun: Wir können über die Existenz von Gedachtem nachdenken das es nicht gibt.
Wir machen es ja gerade.



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So 17. Jan 2021, 17:12

Und du wirst sagen: „Ja, nu.. es gibt also doch plötzlich etwas, das es nicht gibt, z.B. das Nichts?“ Und ich sage: „Nein, es gibt alles so auch das Nichts, aber weder alles noch nichts existiert uneingeschränkt.“ Dein Diktum: Existenz muss eingeschränkt werden (sowie Nichtexistenz auch).



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So 17. Jan 2021, 17:14

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 17:08
Ich denke jetzt Folgendes:
Den Denkvorgang an ein noch nie gedachtes X gibt es nicht

DAS habe ich jetzt gedacht. Also gibt es diesen Gedanken. Völlig klar.
Daraus folgt aber nicht, dass es einen Gedanken an ein noch nie gedachtes X gibt.

Hier wird nicht über X nachgedacht, sondern auf der Metaebene über die Existenz eines Denkens an X.
Und ich sage nun: Wir können über die Existenz von Gedachtem nachdenken das es nicht gibt.
Wir machen es ja gerade.
Nun aber beinhaltet der Denkvorgang an „einen Denkvorgang von X“ letzteren Denkvorgang. Du kannst über den Denkvorgang von X nicht nachdenken, wenn es den Denkvorgang von X nicht gibt. Indem du den Denkvorgang von X beleuchtest, gibt es den Denkvorgang von X, auch wenn du X nicht denkst.
Zuletzt geändert von Alethos am So 17. Jan 2021, 17:16, insgesamt 1-mal geändert.



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So 17. Jan 2021, 17:16

Alethos hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 17:12
Und du wirst sagen: „Ja, nu.. es gibt also doch plötzlich etwas, das es nicht gibt, z.B. das Nichts?“ Und ich sage: „Nein, es gibt alles so auch das Nichts, aber weder alles noch nichts existiert uneingeschränkt.“ Dein Diktum: Existenz muss eingeschränkt werden (sowie Nichtexistenz auch).
Es geht einfach um deine Aussage, dass die Aussage "A gibt es nicht" notwendigerweise falsch sein muss, was Du ja so begründest, dass A dann mindestens als Gedachtes existiert und somit dann irgendwie doch existiert.
Das ist meiner Meinung nach falsch. Und zwar dann, wenn A (also der Gegenstand des Denkens) selbst das Denken ist (also eine Betrachtung des Denken von der Metaebene aus).
Was Du sonst noch behautest ist nicht Gegenstand meines Einwandes.



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Alethos
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So 17. Jan 2021, 17:21

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 17:16
Alethos hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 17:12
Und du wirst sagen: „Ja, nu.. es gibt also doch plötzlich etwas, das es nicht gibt, z.B. das Nichts?“ Und ich sage: „Nein, es gibt alles so auch das Nichts, aber weder alles noch nichts existiert uneingeschränkt.“ Dein Diktum: Existenz muss eingeschränkt werden (sowie Nichtexistenz auch).
Es geht einfach um deine Aussage, dass die Aussage "A gibt es nicht" notwendigerweise falsch sein muss, was Du ja so begründest, dass A dann mindestens als Gedachtes existiert und somit dann irgendwie doch existiert.
Das ist meiner Meinung nach falsch. Und zwar dann, wenn A (also der Gegenstand des Denkens) selbst das Denken ist.
Was Du sonst noch behautest ist nicht Gegenstand meines Einwandes.

Das war nicht meine Begründung, sondern ein Beispiel. Die Existenz von allem begründet sich durch sich selbst.

Die Aussage: „A gibt es nicht“ ist notwendigerweise immer mindestens in einem Kontext falsch. Der Grund: Nichtexistenzaussagen sind wirkliche Aussagen über die Nichtexistenz von X, womit die Aussagen über X mindestens existieren müssen und in diesem
Sinn als ausgesagtes gibt es X immer. Mindestens als das oder als jenes: X gibt es notwendigerweise immer!

Und wenn wir über den nichtgedachten Gedanken an X reden, so gibt es X wenigstens in diesem Nachdenken über den nicht gedachten Gedanken an X, wodurch es X gibt in diesem Sinn des Nachdenkens über sein Nichtgedachtwordensein.



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Alethos
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So 17. Jan 2021, 17:27

Das noch grössere logische Problem stellt dem Atheisten überhaupt der Begriff „Gott“. Man kann nicht in jedem einzelnen Sinn von Existieren wirklich glauben, dass es Gott nicht gibt. „Gott gibt es nicht“ ist mindestens in einem Sinn falsch.



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Alethos
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So 17. Jan 2021, 17:33

Aber kurz zurück: Du kannst es ganz einfach so verstehen: Der Gedanke A ist deinem Denken kein möglicher Denkgegenstand, wenn er nicht zuvor in einem Denkvorgang das gedachte A war.

Somit ist die Aussage über A, sie sei kein Gegenstand eines Denkvorganges gewesen, unmöglich wahr, denn A - als Denkfigur - kann dir nur gegeben sein durch einen Denkvorgang. Wir sprechen also immer von A nur, wenn es Gegenstand eines Denkvorgangs war, anders kannst du zu A gar nicht gelangen als durch diesen Denkvorgang von A. Das nichtgedachte A ist dir unmöglich gegeben, was aber über seine Existenz zunächst nichts sagt. Dass A in einem spezifischen Fall immer existiert, daran ändert der spezifische Fall deines Nichtdenkens über A nichts.



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Jörn Budesheim
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So 17. Jan 2021, 17:41

[nebenbemerkung] ich glaube unsere Unterscheidung zwischen Denkvorgang und Denkinhalt dürfte der Unterscheidung zwischen token und type sehr ähnlich sein... Könnte man vielleicht für die Zeit des Threads nutzen, um Schreibarbeit zu sparen :) [/nebenbemerkung]




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Alethos
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So 17. Jan 2021, 18:57

Und nochmal anders: Wenn dein Argument lautet, die Aussage „A existiert notwendig immer“ sei falsch, weil wir über den nie stattgefundenen Denkvorgang zum Gegenstand A reden können, also über den Denkvorgang des nie gedachten Gedankens A nachdenken können, ohne dass A dadurch existiere, dann gilt folgendes:

A= Gegenstand A
D = Das Denken (der Denkvorgang)
DA= Der Denkvorgang des Gegenstands A = der Gedanke an A

A sei nun ein weiterer Gedanke (= Denkvorgang D’ und A‘ = D‘A‘)

Dann gilt:

DA = Der Gedanke an D‘A‘ = Der Denkvorgang des Gegenstands D‘A‘

„Es gibt DA“ übersetzt in eine Aussage lautet: „Es gibt einen Denkvorgang des Gegenstands D‘A‘ und dieser Gegenstand ist das gedachte A.“

Wenn aber D‘A‘ (der Gedanke A) nie gedacht wurde, was du sagtest, dann kann es den Denkvorgang D‘ zu A’ auch nicht geben. Wenn es aber D‘A‘ nicht gibt, dann gibt es auch kein A (weil es den Gedanken A nach dir nicht gibt), was wiederum bedeuten muss, dass es DA nicht geben kann.

Wenn es aber DA nicht gibt, dann gibt es auch keinen Gedanken, in welchem DA aufgehoben sein könnte, z.B. kein Gedanke, der negieren könnte, dass es DA gibt, da es DA nicht gäbe als dasjenige, was negiert wird, denn diesem Gedanken fehlte das DA, sein Gegenstand, womit er wiederum nicht existierte. Aber wenn es diesen (negierenden) Gedanken nicht gäbe, dann wiederum gäbe es einen vorherigen oder anderen nicht, in dem dieser aufgehoben wäre als dessen (negierten) Gegenstand etc. Kurzum: Entweder gibt es „den Denkvorgang des folglich gedachten A“ oder aber es gibt gar keine Gedanken über Gedanken von A und demnach kein Denken des Nichtgedankens von A.

Formal: Entweder haben Gedanken einen Gegenstand (z.B. weitere Gedanken) oder es gibt keine Gedanken. Folglich muss das Denken von etwas handeln, das es gibt, nämlich seinen Gegenstand (z.B. weitere Gedanken), ohne das es diese Gedanken nicht gäbe.

Darum aber ist der Gedanke: „Den Denkvorgang des nicht gedachten A gibt es nicht“ entweder falsch oder es gibt diesen Gedanken nicht. Es gibt aber diesen Gedanken, deshalb ist er notwendigerweise falsch.
Zuletzt geändert von Alethos am So 17. Jan 2021, 19:42, insgesamt 1-mal geändert.



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So 17. Jan 2021, 19:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 17:41
[nebenbemerkung] ich glaube unsere Unterscheidung zwischen Denkvorgang und Denkinhalt dürfte der Unterscheidung zwischen token und type sehr ähnlich sein... Könnte man vielleicht für die Zeit des Threads nutzen, um Schreibarbeit zu sparen :) [/nebenbemerkung]
Das könnte hilfreich sein, ja. :)

Aber ich denke, NWDM stösst sich an einem anderen Punkt: dem ‚Immer‘ in der Aussage: „A existiert immer.“

Ich denke, er meint, dass ich meine :) , A existiere in jedem Fall, aber das stimmt gerade nicht. Ich sage, A existiere in besonderen (aber nicht allen Fällen), in diesen (wechseln könnenden) Fällen aber immer. Also schlechthin immer existiert A, aber nicht überall, also nicht in jeder Tatsache.



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So 17. Jan 2021, 19:36

Genug für heute.



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Mo 18. Jan 2021, 08:15

Alethos hat geschrieben :
So 17. Jan 2021, 18:57
Formal: Entweder haben Gedanken einen Gegenstand (z.B. weitere Gedanken) oder es gibt keine Gedanken. Folglich muss das Denken von etwas handeln, das es gibt, nämlich seinen Gegenstand (z.B. weitere Gedanken), ohne das es diese Gedanken nicht gäbe.
Gedanken haben einen Gegenstand. Alles klar soweit.
In dem Fall den ich anführe ist der Gegenstand die Gedanken selbst (das Denken betrachtet sich selbst).
Das Denken kommt also zu der Aussage, dass es Gedachtes, das noch nie gedacht wurde, nicht als Gedachtes gibt.

Das ist völlig einsichtig finde ich, denn wenn ein Gedanke noch nie gedacht wurde, dann gibt es ihn auch nicht.
Die Zahl des möglichen Nichtgedachten ist auch potentiell unendlich groß.
Wieso es jetzt aber das konkrete Nichtgedachte trotzdem geben muss, weil ich auf der abstrakten Ebene über das Nichtgedachte nachdenke verstehe ich nicht.
Es gibt einen Gedanken an das Nichtgedachte. Deshalb gibt es aber nicht automatisch oder notwendigerweise das Nichtgedachte als Gedachtes.

X ist noch nie gedacht worden heißt, dass es X als Gedachtes nicht gibt.
Und es gibt ein noch nie gedachtes X dann nicht einfach als Gedachtes nur weil wir über die Möglichkeit eines Denkens an X nachdenken.
Dann gibt es ein Denken über ein Denken an noch nie gedachtes X. Aber nicht ein Denken an ein noch nie gedachtes X. Und Letzteres ist ja die Aussage, nicht das Erste.

Und ich verstehe jetzt nicht, wieso die Aussage "Es gibt kein Denken an ein noch nie gedachtes X" notwendigerweise falsch sein muss.

Oder anders: Wenn das was ihr sagt stimmen würde, dann gäbe es ja überhaupt nichts Nichtgedachtes.
Denn in dem Moment wo ich über die Möglichkeit eines Nichtgedachten nachdenke, gäbe es Nichtgedachtes als Gedachtes.
Das aber ist doch vollkommen absurd. Denn es ist ja sehr wahrscheinlich, dass Manches (ich würde sogar sagen das Meiste) noch nie gedacht wurde.



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Mo 18. Jan 2021, 09:04

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 18. Jan 2021, 08:15
Gedachtes, das noch nie gedacht wurde
Vielleicht handelt es sich hier um eine kleine semantische Unachtsamkeit, aber du siehst, dass Gedachtes, das nicht gedacht wurde, ein Widerspruch in sich ist.
Entweder ist es Gedachtes und dann ist es nicht nicht gedacht, oder es ist Nichtgedachtes, dann ist es nicht gedacht.

Der Punkt ist aber folgender, vielleicht am Beispiel des Begriffs "Gott" erläutert:

Wir sagen, wenn wir Atheisten sind, dass es Gott nicht gibt. Nun aber gibt es den Begriff Gott in der Bibel. Es gibt also den Gott der Bibel.
Es gibt auch in diesem Satz, den ich hier über Gott schreibe, den Begriff Gott. Gibt es Gott nun oder gibt es Gott nun nicht?
Die Frage ist tatsächlich, was wir meinen, wenn wir sagen "es gibt". In welchem Sinn von "geben" gibt es etwas oder etwas nicht?

Zurück zu unserem nicht gedachten Gedanken. Wir sprechen über ihn hier in diesem Satz, obwohl er nicht gedacht wurde. Wir geben ihm sogar eine Variable, um seinen Inhalt zu verdeutlichen: "Gedanke X". In welchem Sinn nun gibt es diesen Gedanken, der nicht gedacht wurde, wenn wir über ihn reden? Es muss ihn geben, denn sonst könntest du über ihn keine wahre Aussage machen: "Es ist wahr, dass es ihn nicht gibt". Es ist aber über "ihn" wahr.

Wenn ich also sagen, dass es "A notwendigerweise immer gibt", dann meine ich damit ja nicht, dass es A gibt in jedem Fall von A, sondern dass es dasjenige, über das wir reden, geben muss, in der Form es sich uns "zeigt". Hier als Rede über den Gedanken X oder Gedanke an Gedanke X (Gedanke X hat ein Gegebensein in diesen Formen).
Und darum ist es unmöglich, dass es etwas "nicht gibt" im Sinne von "überhaupt nicht geben", weil es umgekehrt auch unmöglich ist, dass es etwas gibt in einem jeden Bereich umfassenden Bereich. Wenn wir sagen: "Es gibt Bier", dann stimmt das ja nur für den Bereich, in dem dieses Bier vorkommt, z.B. in diesem Satz oder aber in deinem Kühlschrank. Es stimmt aber nicht z.B. für die Reihe der natürlichen Zahlen oder die bierlose Geschichte von Herrn B.

Das müssen wir unterscheiden, wenn wir sagen: "A gibt es notwendigerweise immer". Immer heisst hier nicht, dass es A überall gibt und in jedem Fall, sondern bloss mindestens in einem Fall immer.



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