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Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 10. Dez 2020, 19:26
von Jörn Budesheim

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Di 12. Jan 2021, 23:14
von Alethos
E: „Sie verändern mein Gehirn. Durch Sprechen“
G: „Durch Sprechen. Und Sie meines. Und wir zusammen gerade die Gehirne unserer Zuschauerinnen und Zuschauer. Und diese Magie, die müssen wir mit in Rechnung stellen. Das Gehirn ist eben Teil hochkomplexer kausaler Umgebung und dazu gehören eben auch geistige Zustände, z.B. mein Wunsch, jetzt in diesem Gespräch klar dazustellen, was ich zu sagen habe, gehört ja auch dazu, dass unsere beiden Gehirne jetzt in einem bestimmten Zustand sind.“
E: „Aber der Wunsch ist da draussen in der Wirklichkeit nicht zu finden. Der ist an Sie gebunden, an die Person, die Sie sind.“
G: „Ja, aber ich bin ja da draussen in der Wirklichkeit!“


Obwohl ich das für toll pariert halte, bin ich nicht sicher, ob man Neuronalisten damit von der pluralen ontologischen Struktur der Welt überzeugt, d.h. davon überzeugt, dass bspw. subjektive Einstellungen Teil der kausalen komplexen Umgebungen sind, die die „Wirklichkeit“ ausmacht. Und dass innere Einstellungen ontologisch eben etwas anderes sind als ihre neuronalen Aspekte. Denn, ja, meine inneren Einstellungen sind „da draussen“, weil ich da draussen bin, aber sie sind nicht da draussen, wie Steine und Stühle da draussen sind oder Billardkugeln. Sie sind auch nicht da draussen, wie meine Neuronen „da draussen“ sind. Meine inneren Einstellungen sind eben nicht „da draussen“, weil sie gar nicht Teil dieses Raumkonzepts sind, in welchem sich ein Teil der Wirklichkeit abspielt.

Besser wäre es zu sagen, dass meine inneren Einstellungen ein Teil der Wirklichkeit ist, der weder ein Draussen noch ein Drinnen hat, sondern sich an der Schnittstelle zwischen beiden an der Grenze des Raumzeitlosen bewegt. Wie auch immer wir das sagen wollen: Die Behauptung, dass meine inneren Einstellungen da draussen sind, stimmt gerade nicht.

Und darum kann dieser Hinweis des Aussenseins meiner Subjektivität gar kein Argument gegen den Neuronalismus sein, weil, ich gerade behaupten will, dass meine Gedanken, Wünsche etc. nicht meine Neuronen sind, die sich als raumzeitliche Materiedinger da draussen befinden. Meine inneren Einstellungen sind ja nicht dieser Körper, der da draussen ist. Will ich für die Realität nicht-physikalischer Dinge wie Geist, innere Einstellungen, Subjektivität etc. argumentieren, sollte ich es mit einem „da draussen“ gar nicht erst versuchen. Subjektivität, innere Einstellungen, Geist, Sprache haben einen signifikanten Teil ihres Seins nicht in einem räumlichen Sinn, also irgendwo da draussen, sondern konstituieren sich als nicht-raumzeitliches Etwas anders als Dinge, die ein Aussen und damit einen Raum
haben. Gabriels Einwand ist zwar rhetorisch effektiv, aber er untergräbt sozusagen das Argument, das er machen will.

Oder seht ihr das anders?

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Mi 13. Jan 2021, 02:08
von NaWennDuMeinst
Pst. Könnt ihr ein Geheimnis bewahren?
Um die Gehirne Anderer durch Sprechen zu verändern, muss man erstmal sprechen.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Mi 13. Jan 2021, 10:29
von Jörn Budesheim
Alethos hat geschrieben :
Di 12. Jan 2021, 23:14
E: „Sie verändern mein Gehirn. Durch Sprechen“
Hast du eine ungefähre Zeitangabe dazu? Dann schaue ich es mir heute Abend noch mal an. Ansonsten ist dein Einwand - auf den ersten Blick - sehr gut nachvollziehbar.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Mi 13. Jan 2021, 10:29
von Jörn Budesheim
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 02:08
Pst. Könnt ihr ein Geheimnis bewahren?
Um die Gehirne Anderer durch Sprechen zu verändern, muss man erstmal sprechen.
Worauf willst du damit hinweisen?

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Mi 13. Jan 2021, 12:48
von Alethos
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 10:29
Alethos hat geschrieben :
Di 12. Jan 2021, 23:14
E: „Sie verändern mein Gehirn. Durch Sprechen“
Hast du eine ungefähre Zeitangabe dazu? Dann schaue ich es mir heute Abend noch mal an. Ansonsten ist dein Einwand - auf den ersten Blick - sehr gut nachvollziehbar.
Ja, die Sequenz wird ab ca. 23:00 eingeleitet. Der entsprechende Abschnitt beginnt ca. bei 23:45.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Mi 13. Jan 2021, 13:07
von Alethos
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 02:08
Pst. Könnt ihr ein Geheimnis bewahren?
Um die Gehirne Anderer durch Sprechen zu verändern, muss man erstmal sprechen.
Ja, und um Sprechen zu können, braucht es einen sprechenden Körper. Auch Schallwellen, über die die gesprochene Sprache übermittelt wird, sind sozuagen komprimierte Luftwellen und damit etwas „Körperliches.“ Überhaupt ist Kommunikation ohne ästhetische Erfahrung relativ witzlos, gar undenkbar.

Nur, der Punkt ist der: Die Körperlichkeit liefert aus ontologischer Sicht keinen Seinsgrund für die Sprache als den Akt des Mitteilens von Gedanken. Schon das Denken ist als Haben von Gedanken nicht existenzlogisch an Körperlichkeit gebunden, wenn sie auch Anteil am Vorgang des Sprechens und Mitteilens haben mag. Denken und Sprache etc. haben ihr Sein als Denken und Sprache in begrifflichen, regelgeleiteten Verfahren, d.h. es gibt sie als Kulturpraxis, nicht als Körperliches (wenn sie auch verkörpert werden können: Schrift, Laute, Bildsprachen etc.) Dasjenige, was der Sprache ihren Informationsgehalt gibt, ist ja etwas, über das geredet wird, ohne dieses etwas zu sein, also davon abstrahierend. Das Konkrete des Körpererlichen deckt das Abstrakte des Verkörperten nicht adäquat ab - ontologisch ist es gar etwas komplett anderes zu sagen: „Das ist ein Baum“ und auf etwas zu zeigen, das Baum seiend dort steht. Letzeres meint den konkreten Baum, ersteres ein Begreifen dieses Dings als Baum durch Sprache, also etwas ganz und gar nicht Körperliches. Und auch wenn Sprache in dieser Hinsicht nichts Körperliches ist, ist sie doch existent schlechthin in dieser Hinsicht des regelgeleiteten, begrifflichen Referenzierens auf etwas.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Mi 13. Jan 2021, 20:14
von NaWennDuMeinst
Alethos hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 13:07
Schon das Denken ist als Haben von Gedanken nicht existenzlogisch an Körperlichkeit gebunden
Aber an die Person, an das Subjekt. Träume, Wünsche, Gedanken, Gefühle die nicht kommuniziert werden.... wo könnten die sonst existieren als nur im Subjekt?
Diesen Versuch das Subjekt dadurch zu überwinden, dass man den Unterschied zwischen "Innen" und "Aussen" auflöst halte ich deshalb nicht für sinnvoll.
Wir brauchen diese Unterscheidung um gewisse Phänomene zu erklären.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Mi 13. Jan 2021, 20:51
von Alethos
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 20:14
Alethos hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 13:07
Schon das Denken ist als Haben von Gedanken nicht existenzlogisch an Körperlichkeit gebunden
Aber an die Person, an das Subjekt. Träume, Wünsche, Gedanken, Gefühle die nicht kommuniziert werden.... wo könnten die sonst existieren als nur im Subjekt?
Aber das ist doch eine sonderbare Annahme, dass mein Denken nur in mir sei, denn obwohl ich derjenige bin, der denkt, denke ich ja nicht durch mich allein in mir, sondern in mir unter Anwendung von gewissen Sprachregeln. Denken ist ja auch Sprache, diese sozusagen öffentlich (um ‚äusserlich‘ zu vermeiden).

Die Frage ist doch aber auch, wenn wir sie ontologisch stellen, was Neuronen mit Bezug auf das Wirklichwerden von Gedanken leisten. Neuronalisten würden sagen: Gedanken entstünden sozusagen durch elektrische Signale und chemische Vorgänge im Hirn. Aber ist es denn wirklich so, dass ein Gedanke als Produkt neuronaler Ereignisse als dieser Gedanke entsteht? Oder ist es nicht vielmehr so, dass zu einem Gedanken nur werden kann, was in irgendeiner Form Welt hat? Sprache hat. Einen Willen hat, der Vorstellungen von inneren Bildern zu erzeugen vermag? Das ist ja nicht alles nur materiebedingtes Phänomen, da gehört auch eine Ausrichtung des Subjekts aufs Objekt, auch eine Bezugnahme auf den Gedanken selbst als Objekt. Nur so denken wir, indem wir auf Gedanken Bezug nehmen, aber schon allein diese Intentionalität ist nichts rein Materielles. Oder?

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Mi 13. Jan 2021, 22:21
von NaWennDuMeinst
Alethos hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 20:51
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 20:14
Alethos hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 13:07
Schon das Denken ist als Haben von Gedanken nicht existenzlogisch an Körperlichkeit gebunden
Aber an die Person, an das Subjekt. Träume, Wünsche, Gedanken, Gefühle die nicht kommuniziert werden.... wo könnten die sonst existieren als nur im Subjekt?
Aber das ist doch eine sonderbare Annahme, dass mein Denken nur in mir se
Na nur sagte ich ja nicht. Was ich sagte war:
1. Es gibt ja auch Gedanken die das Subjekt nicht kommuniziert (es gibt da also kein Sprechen).
2. Es muss ein "Innen" und "Aussen" geben (bzw diese Vorstellung ist nötig), weil sonst gewisse Dinge nicht erklärbar sind.
Denken ist ja auch Sprache
Was ist mit Deinen Gefühlen? Brauchen die Sprache?
Ich denke nicht. Ich gehe fest davon aus, dass Du fühlen konntest bevor Du sprechen konntest.
Nur so denken wir, indem wir auf Gedanken Bezug nehmen, aber schon allein diese Intentionalität ist nichts rein Materielles. Oder?
Das weiß ich nicht. Aber ich bezweifle, dass man die Unterscheidung zwischen "innen" und "aussen" aufheben kann indem man lapidar sagt "Ich bin ja auch draussen".
So einfach wird man diesen Duallsmus nicht los.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 14. Jan 2021, 06:37
von Jörn Budesheim
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 20:14
Diesen Versuch das Subjekt dadurch zu überwinden, dass man den Unterschied zwischen "Innen" und "Aussen" auflöst halte ich deshalb nicht für sinnvoll.
Ich glaube nicht, dass hier ein Versuch vorliegt, "das Subjekt" zu überwinden. Und ich glaube auch nicht, dass der Unterschied zwischen innen und außen generell aufgelöst werden soll. Die Nieren sind innen und der Tisch vor mir ist außen. Innen heißt hier: diesseits der Grenzen der Haut. In einem anderen Wortgebrauch gehören die Nieren allerdings zur Außenwelt, denn sie sind nicht "innerhalb" des Bewusstseins. Das heißt, was innen und außen überhaupt bedeuten, ist keineswegs ein für allemal festgelegt. es hängt davon ab, auf welchen Bereich man sich bezieht.

Ein Beispiel: Zu sagen, dass ein Gedanke, verstanden als ein mentaler/geistiger Zustand, sich innerhalb der Grenzen der Haut befindet, wäre meines Erachtens bereits ein Kategorienfehler, denn geistige Zustände sind nichts, was man einfach in Raum und Zeit, im Reich des Physikalischen verorten kann, sie haben beispielsweise kein Gewicht, keine angebbare Raumstelle und keine in Zentimetern (oder welcher Maßeinheit auch immer) ausdrückbare Ausdehnung, stattdessen haben sie einen Gehalt, sie bedeuten etwas.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 14. Jan 2021, 09:00
von Jörn Budesheim
Ich kann zwar oft, aber nicht grundsätzlich "von außen" erkennen, woran jemand denkt. Daraus folgt aber nicht, dass dieses Denken kein "woran" hat. Und dieses "woran" ist ein Teil des Gedankens, es gehört zu seiner Struktur.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 14. Jan 2021, 11:08
von Jörn Budesheim
E: „Aber der Wunsch ist da draussen in der Wirklichkeit nicht zu finden. Der ist an Sie gebunden, an die Person, die Sie sind.“
G: „Ja, aber ich bin ja da draussen in der Wirklichkeit!“
Nach meinem Gefühl versucht Gabriel hier folgendes: Eilenberger, so scheint es mir zumindest, setzt bei dieser Frage auf eine traditionelle Unterscheidung. Nach dieser Unterscheidung ist der Goldstandard dessen, was es wirklich gibt, die bewusstseinsunabhängige Wirklichkeit, also eben das, was da draußen - sprich: außerhalb des Bewusstseins - ist. Da draußen in der Wirklichkeit heißt ja im Grunde: nur was bewusstseinsunabhängig da draußen ist, ist die wirkliche Wirklichkeit. Und diese Unterscheidung unterminiert Gabriel mit dieser Antwort, indem er sich und sein eigenes Bewusstsein einfach zu dem zählt, was da draußen ist, also zu dem, was es wirklich gibt. Kurz gesagt, hat er in der Antwort den Begriff "da draußen" umgedeutet.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 14. Jan 2021, 14:13
von Alethos
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 14. Jan 2021, 11:08
Kurz gesagt, hat er in der Antwort den Begriff "da draußen" umgedeutet.
Ja, ich verstehe das und so ergibt das auch Sinn. Meine inneren Einstellungen sind „da draussen“ und sie erfüllen den sogenannten „Objektivitäts-Goldstandard“, weil sie eine Wirklichkeit unabhängig von Eilenbergers (oder sonst jemandes) Gedanken haben. Meine inneren Einstellungen kommen objektiv vor, es gibt Subjektivität - ganz objektiv.

Das ist ja aber immer noch kein Argument gegen die Neuronalisten, die behaupten, meine inneren Einstellungen seien Produkt neuronaler Vorgänge. Es ist lediglich ein Argument für die Ansicht, dass innere Einstellungen in der Aussenwelt vorkommen wie Steine, Nieren und Universitäten.

Um zur Einsicht vordringen zu können, dass Gedanken, Gefühle etc. ontologisch etwas anderes sind als Steine und Neuroprozesse, müssen wir doch das ‚Wesen‘ des Gegenstands „Gedanke“, „Gefühle“ usw. untersuchen. Was macht einen Gedanken zu einem Gedanken? Erstens doch, dass er ‚von etwas‘ handelt, ohne dieses etwas zu sein (ausser dann, wenn er der Gedanke an diesen Gedanken ist - also wenn gedacht wird schlechthin ist der Gedanke sich selbst). Dass er, wie du sagtest, eine Bedeutung hat, sozusagen einen Inhalt.
Zweitens, dass er sich nicht zusammensetzt aus Neuronen, weil was ich denke, kein ineinander gedrehter Neuronendraht ist. Ein Gedanke entsteht auch nicht durch diese Prozesse, die im Hirn ablaufen, in ihm wird er lediglich verarbeitet oder abgebildet. Er besteht vielleicht aus Bildern, Vorstellungen, Erinnerungen, Sprache, syntaktischen Strukturen und teilweise aus ästhetischer Erfahrung der Aussenwelt. Nicht zuletzt entscheidend, dass ein Ich ihn hat.

Das alles gibt dem Gedanken sein Sein, was zeigt, dass er nichts Materielles sein kann, auch nicht aus Materie besteht oder aus Materie entsteht, sondern dass er sich Seinsanlagen gibt, die nichts mit Raum und Zeit zu tun haben. Ein Gedanke, der Materie ist, ist nichts anderes als ein Farbtupfer auf einem Visualisierungsgerät, ein unbedeutendes Rauschen an einem Sensor, eine Amplitude auf dem Enzephalogramm. Das ist aber nicht der Gedanke, sondern seine Materialisation in diesen Apparaturen. Diese Apparaturen zeigen nicht an, was ich denke (und was ich denke ist der Gedanke), sondern geben höchstens an, dass ich denke.

Der Neuronalismus begeht also einen Kategorienfehler, wenn er Gedanken identifziert als das, was sich in Neuronen zeigt, und er begeht einen Fehlschluss, wenn er diese elektromagnetischen Signale im Hirn für dasjenige hält, was Gedanken hervorruft. Denn diese Signale signalisieren nur einen Gedanken, sie sind aber nicht der Gedanke.
Ein Gedanke kann wahr sein, ein elektrisches Signal nicht. Ein Gedanke ist wahrheitsfähig und fallibel.

Das Gedankenreich kommt, wie das Reich der Logik, als materieunabhängiges Feld der Wirklichkeit vor und wir dringen in diese Felder vor durch Denken.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 14. Jan 2021, 14:58
von Alethos
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 22:21
Alethos hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 20:51
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 20:14

Aber an die Person, an das Subjekt. Träume, Wünsche, Gedanken, Gefühle die nicht kommuniziert werden.... wo könnten die sonst existieren als nur im Subjekt?
Aber das ist doch eine sonderbare Annahme, dass mein Denken nur in mir se
Na nur sagte ich ja nicht. Was ich sagte war:
1. Es gibt ja auch Gedanken die das Subjekt nicht kommuniziert (es gibt da also kein Sprechen).
2. Es muss ein "Innen" und "Aussen" geben (bzw diese Vorstellung ist nötig), weil sonst gewisse Dinge nicht erklärbar sind.
Das Wesentliche hat Jörn schon gesagt.

Ziel ist nicht die Überwindung des Subjekts oder eines Dualismus, vielmehr geht es mir darum herauszufinden, was wir meinen, wenn wir sagen: „Es gibt x.“.

Wenn wir sagen: „Es gibt Einhörner nicht in Echt, sondern nur in subjektiven Tagträumen.“, dann meinen wir ja damit, dass es zwar den Tagtraum gibt, darin Einhörner vorkommen, aber diese Gegenstände im Tagtraum weniger echte Wirklichkeit hätten als andere. Und das ist logisch falsch, was wir beweisen können. Dieser Beweis kann gelingen, er kann auch scheitern.

Wenn ich Gabriel im Video (hast du es dir angeschaut?) richtig verstehe, geht es ihm und seinen neorealistischen Theorien darum, wie wir die Frage, was es denn gebe, richtig beantworten. Dafür hat er einen Lösungsvorschlag: Richtig fragen, was es gibt, können wir nur, wenn wir den Ort angeben, für den wir die Wahrheitsbehauptung aufstellen „Es gibt“, also fragen: „Was gibt es dort?“. Und das Dort (das nicht zwingend eine Raumzeitstelle ist) erfassen wir nur, wenn wir es ontologisch sauber differenzieren: Es ist „auf dem Tisch“ ein anderes Dort als „das physikalische Universum“, es ist die „Geschichte der Einhörner - Band I“ ein anderes Dort als „die Zahlenreihe der natürlichen geraden Zahlen“ und es ist das Dort „die Stadt Mainz“ ein anderes Dort als „die Stadt Mainz in meinem Gedanken.“

Wir müssen also das Feld angeben, von welchem wir sagen, es gebe in ihm dies und das. Dieses Feld bestimmt sich als Menge dieser in ihm vorkommenden Dinge.
Darum ist die Antwort auf die Frage: „Gibt es im Hirn Gedanken“ ‚Nein‘, weil das Feld der Gedanken das Gedankenreich ist (Gedanken kommen im Feld der Gedanken vor oder in philosophischen Büchern - dort überlagert mit dem Feld der Papierseiten z.B.) Darum ist auch die Aussage ein Kategorienfehler: „Es gibt in diesem Fischernetz die kleinsten Fische überhaupt“, weil das Feld des Fischernetzes nur ein Feld ist, nicht alle Felder überhaupt.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 14. Jan 2021, 15:58
von Jörn Budesheim
Ich habe gerade einen Text über Kunstgeschichte gelesen und da schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: "Marcel Duchamp ist ein Dummkopf." Ich würde mal sagen, das ist ein Beispiel für einen Gedanken. Auf dem Tisch liegt ein Stein, den ich vor Jahren mal am Strand aufgehoben habe. Der Gedanke unterscheidet sich vom Stein zumindest darin, dass der Gedanke wahr oder falsch sein kann. Steine können nicht wahr oder falsch sein, das ergibt keinen Sinn.

Gedanken stehen mit ihresgleichen z.b. in logischen, poetischen, sinnhaften, erzählerischen,... Beziehungen. Der Stein steht mit seinesgleichen, den anderen Gegenständen der unbelebten Natur in Beziehungen, die sich näherungsweise durch die Gesetze Newtons beschreiben lassen. Er lässt sich mit naturwissenschaftlichen Messmethoden quantifizieren, sein Gewicht, seine Ausdehnung etc. Das geht mit einem Gedanken, wie ich oben schon angemerkt habe, natürlich nicht. Das sind jetzt zwei Felder, die ich wegen des starken Kontrastes ausgewählt habe, ich hätte auch die Straße vor dem Fenster, die ich höre, als Beispiel nehmen können.

Steine und Gedanken haben natürlich auch Gemeinsamkeiten. Beide gehören, wenn auch in verschiedener Art und Weise, zu einem öffentlichen Raum. Den Gedanken, dass Marcel Duchamp ein Dummkopf ist, kann jeder andere, der denken kann, ebenso erfassen. Er ist etwas öffentliches.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 14. Jan 2021, 16:30
von Alethos
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 14. Jan 2021, 15:58
Den Gedanken, dass Marcel Duchamp ein Dummkopf ist, kann jeder andere, der denken kann, ebenso erfassen. Er ist etwas öffentliches.
:mrgreen:

Ich denke, du schliesst das daraus, weil die Gründe für die wahre Ansicht, dass er ein Dummkopf ist, einsehbar sind?

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 14. Jan 2021, 17:49
von Jörn Budesheim
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass der Gedanke falsch ist. Ich glaube jedoch, dass die Öffentlichkeit von Gedanken nicht von ihrem Wahrheitswert abhängt. Ich muss aber zugeben, dass ich mir da nicht sicher bin.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Do 14. Jan 2021, 18:17
von Alethos
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 14. Jan 2021, 17:49
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass der Gedanke falsch ist. Ich glaube jedoch, dass die Öffentlichkeit von Gedanken nicht von ihrem Wahrheitswert abhängt.
Müsste so sein, da wir auch falsche Gedanken als falsche erkennen können.

Re: Markus Gabriel im Gespräch mit Wolfram Eilenberger

Verfasst: Fr 15. Jan 2021, 00:32
von NaWennDuMeinst
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 14. Jan 2021, 06:37
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 13. Jan 2021, 20:14
Diesen Versuch das Subjekt dadurch zu überwinden, dass man den Unterschied zwischen "Innen" und "Aussen" auflöst halte ich deshalb nicht für sinnvoll.
Ich glaube nicht, dass hier ein Versuch vorliegt, "das Subjekt" zu überwinden. Und ich glaube auch nicht, dass der Unterschied zwischen innen und außen generell aufgelöst werden soll. Die Nieren sind innen und der Tisch vor mir ist außen. Innen heißt hier: diesseits der Grenzen der Haut. In einem anderen Wortgebrauch gehören die Nieren allerdings zur Außenwelt, denn sie sind nicht "innerhalb" des Bewusstseins. Das heißt, was innen und außen überhaupt bedeuten, ist keineswegs ein für allemal festgelegt. es hängt davon ab, auf welchen Bereich man sich bezieht.

Ein Beispiel: Zu sagen, dass ein Gedanke, verstanden als ein mentaler/geistiger Zustand, sich innerhalb der Grenzen der Haut befindet, wäre meines Erachtens bereits ein Kategorienfehler, denn geistige Zustände sind nichts, was man einfach in Raum und Zeit, im Reich des Physikalischen verorten kann, sie haben beispielsweise kein Gewicht, keine angebbare Raumstelle und keine in Zentimetern (oder welcher Maßeinheit auch immer) ausdrückbare Ausdehnung, stattdessen haben sie einen Gehalt, sie bedeuten etwas.
Dass Gedanken nichts Materielles sind.... ok.
Aber sie existieren ja trotzdem. Heißt existieren nun auch , dass das was existiert irgendwo existieren (irgendwo lokalisiert sein) muss?
Und wenn ja, wo ist der Gedanke (oder meine Gefühle, Stimmungen usw) lokalisiert, den ich nicht kommuniziere?
Ich würde sagen er ist in mir lokalisiert und eben nicht "draussen".