Robert Pippin im Gespräch mit Jörg Noller

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Sa 2. Jun 2018, 06:09

Robert Pippin im Gespräch mit Jörg Noller über die nordamerikanische Rezeption der Klassischen Deutschen Philosophie

Jörg Noller: Herr Pippin, worin besteht die Besonderheit und auch die Herausforderung der Klassischen Deutschen Philosophie“?

Robert Pippin: Die Klassische Deutsche Philosophie unternahm den radikalen Versuch, eine Art von säkularem Humanismus zu begründen, der ein viel tiefgreifenderer und prinzipiellerer Humanismus ist als derjenige, der aus der englischen oder der französischen Aufklärung hervorgegangen ist. Die englische Aufklärung ist dominiert von einem Empirismus und von einer gewissen Konzeption von menschlichem Glück, welches sich als eine Art minimaler Erwartung und Anspruchshaltung an eine Gesellschaft verstehen lässt. Das ist natürlich sehr anerkennenswert, da dies das menschliche Leiden verringert und ein angenehmes Leben, ein commodious life, wie Locke sagen würde, ermöglicht. Die Tradition der französischen Aufklärung ist ursprünglich und noch lange Zeit danach materialistisch orientiert und eher feindlich gegenüber der religiösen Tradition eingestellt. Das machte eine öffentliche Kultur unmöglich, die tolerant zu einem immer vorhandenen menschlichen Bedürfnis nach Religion ist. Die deutsche Aufklärung dagegen ist offener gegenüber der Religion eingestellt, was sich etwa im Spinoza-Streit und der Diskussion bei Lessing zeigte. Sie hat eine größere Tiefe der humanistischen Kultur, und im Gegensatz zur englischen Tradition hat sie eine prinzipiellere Sicht auf das, was für menschliche Wesen eigentümlich ist, nämlich, dass sie vernünftige Wesen sind.

Für mich besteht die Herausforderung der Moderne darin, eine Kultur zu finden, welche eine öffentliche Kultur ist, die nicht allein auf einer nationalen oder religiösen Tradition basiert. Unsere einzige Chance zu verstehen, wie das gelingen könnte, verdanken wir meiner Ansicht nach der Tradition der Romantik und des Deutschen Idealismus.

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