Luhmann Plauderei/Offtopic/etc.

Niklas Luhmann war ein deutscher Soziologe. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Vertreter der soziologischen Systemtheorie. Er zählt zu den Klassikern der Soziologie des 20.
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Jörn Budesheim
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So 12. Nov 2023, 15:55

Nauplios hat geschrieben :
So 12. Nov 2023, 14:04
Die Gefahr eines zu schnellen Verstehens verringert sich nicht dadurch, daß man das topic des Verstehens aus einem off heraus zu beobachten versucht.
Für mich ist es hier ein Off-Topic, weil ich hier unabhängig von der Sukzession der Vorlesungen schreiben kann, was mir gerade so einfällt. Außerdem versuche ich, die Inhalte "off the Jargon" zu erfassen, soweit es mir möglich ist. Und das dritte off ist, dass ich versuche lebensnahe Beispiele zu finden, wie z.B Katz und Maus ;)




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Jörn Budesheim
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So 12. Nov 2023, 17:44

Niklas Luhmann in "Erkenntnis als Konstruktion" hat geschrieben : Selbstisolierung eines erkennenden Systems...
Niklas Luhmann in "die Gesellschaft der Gesellschaft" hat geschrieben : Dass die Umwelt immer mitwirkt und ohne sie nichts, absolut gar nichts geschehen kann, ist selbstverständlich.
Anders als die erste Formulierung es nahegelegt, sind Systeme also für Luhmann keineswegs isoliert. Sie sind in einer Formulierung von Margot Berghaus gleichzeitig (umwelt-)offen und (operativ-) geschlossen. Weiter: "Systeme sind, was sie tun: sie operieren. Biologische, psychische und soziale Systeme operieren auf eine jeweils ganz bestimmte, charakteristische Weise: biologische Systeme leben, psychische führen Bewusstseinsprozesse durch und die charakteristische Operationsweise sozialer Systeme ist Kommunikation." Als Beispiel: Psychische Systeme führen kein Bewusstsein ein und kein Bewusstsein aus. Man kann nicht in den Kopf des anderen hineindenken ist, soweit ich mich korrekt entsinne, eine der typischen Formulierungen von Luhmann dafür. Ich meine, Nauplios hat gestern ein ähnliches Beispiel gebracht, ich finde es aber nicht.

Ob man das kauft und ob man das entsprechend für Leben und Kommunikation ebenso sehen kann, und was das bedeutet, will ich erstmal offen lassen.




Timberlake
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So 12. Nov 2023, 19:08

Um dazu einmal .. ein Begriff! .. und zwar die "Geschlossenheit der Operationen" von Luhmann auf zu greifen ...
Wikipedia hat geschrieben :
Geschlossenheit der Operationen

Luhmann versteht unter Operation die Reproduktion eines Elements eines autopoietischen Systems mit Hilfe der Elemente desselben Systems.[26] Ein System entsteht und erhält sich dadurch, dass Operationen aneinander anschließen.[27] Wenn organische Prozesse als Operationen aneinander anschließen, entsteht ein organisches System. Wenn Gedanken als Operationen aneinander anschließen, entsteht ein psychisches System (auch: „Bewusstseinssystem“). Wenn Kommunikationen als Operationen aneinander anschließen, entsteht ein soziales System (auch: „Kommunikationssystem“).

Ein System besteht so lange, wie Operationen jeweils nächste gleichartige Operation ermöglichen. Operationen müssen anschlussfähig sein. Wie eine Operation abläuft, hängt von der jeweils vorangegangenen Operation ab. Deshalb werden diese Systeme als operational geschlossen aufgefasst. So schließt z. B. im psychischen System stets Bewusstsein an Bewusstsein an: Bewusstsein ist der Operationsmodus psychischer Systeme. Systemfremde Operationen wie Kommunikationen können daran nicht anschließen. Entsprechend können Bewusstseinsinhalte auch nicht an organische Operationen angeschlossen werden oder umgekehrt. „So wenig wie ein Organismus jenseits seiner Haut weiterleben…“ oder „ein Auge Nervenkontakt mit dem, was es sieht, herstellen kann“, so wenig kann „ein psychisches System sein Bewußtsein operativ in die Welt hinein verlängern“.[28] Dieser Ausschluss gilt sogar für die Umwelt des eigenen Körpers. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass jedes dieser Systeme unabhängig voneinander existieren könnte. „Selbstreferentielle Geschlossenheit ist (…) nur in einer Umwelt, ist nur unter ökologischen Bedingungen möglich.“ Aufgabe der Systemtheorie ist es also, zu erklären wie es möglich ist, dass alle diese Systemtypen trotz irreduzibler Geschlossenheit zusammenhängen und in Kontakt stehen.
Wie hier ersichtlich , es geht Luhmann darum , dass Systeme .. in sich! .. operativ geschlossen sind. Das also als solches Operationen innerhalb eines Systems anschlussfähig sein müssen. Beispielsweise innerhalb des menschlichen Körpers. So muss zwischen Auge und Gehirn ein Nervenkontakt bestehen , damit das Auge mit dem Gehirn anschlussfähig ist.

Das hat mit dem, was hier für Widersprüche sorgt und zwar Operationen außerhalb eines Systems , beispielsweise das , was von außerhalb als Lichtsignal auf das Auge trifft , rein gar nichts zu tun!

Wenn es hier heißt , das stets Bewusstsein an Bewusstsein anschließt , dann ist damit demzufolge nicht gemeint , dass ein Bewusstsein von jemand anderen , von außerhalb an ein Bewusstsein anschließt , sondern das ein Bewusstsein innerhalb eines psychischen System an ein Bewusstsein anschließt. Wenn ich mir zum Zeitpunkt a bewusst bin , dann deshalb, weil ich anschlussfähig bin zum Zeitpunkt b , wo ich mir bewusst war. So einfach ist das.
Zuletzt geändert von Timberlake am So 12. Nov 2023, 19:41, insgesamt 5-mal geändert.




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Nauplios
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So 12. Nov 2023, 19:12

"Selbstisolierung eines erkennenden Systems" (Luhmann) meint die Geschlossenheit des Systems auf operativer Ebene. Es bedeutet nicht, daß es die Umwelt nicht mehr gibt. Die Operationen des Systems finden auf der Innenseite des Systems statt, die Grenze zwischen System und Umwelt wird von innen durch das System selbst gezogen. System und Umwelt sind keine Seinsbereiche. Ohne Umwelt könnte das System ja andernfalls gar keine Fremdreferenz aufbauen; es wäre gefangen in seiner Selbstreferenz. Es könnte nichts unterscheiden, nicht mal sich von der Umwelt. Die Umwelt des Systems ist die Voraussetzung dafür, daß es überhaupt zur Systembildung kommen kann. Die Umwelt wirkt immer mit, ohne sie geht nichts, insbesondere die Unterscheidung von System und Umwelt würde ohne sie nicht geschehen.

"Die Selbstreferenz, die der Operator in Gang setzt, besteht darin, daß sich das System in sich selbst von sich selbst unterscheidet. Die Selbstreferenz des Systems tritt als Oszillation zwischen der Selbstreferenz und der Fremdreferenz des Systems auf, wobei die Fremdreferenz als Fremdreferenz der Selbstreferenz aufzufassen ist." (Eberhard Blanke; Niklas Luhmann: ... stattdessen ...; S. 206 - Hervorhebung v. mir)




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Jörn Budesheim
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So 12. Nov 2023, 19:19

Glaubt ihr, dass es möglich ist, über die Systemtheorie nach Luhmannart ohne den entsprechenden Slang zu sprechen und sie an alltäglichen Beispielen anschaulich zu machen?




Timberlake
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So 12. Nov 2023, 19:27

.. genau das habe ich übriges , wie ich meine , in meinen Beitrag 70447 gemacht und zwar an Hand eines Beispiels , wie dem Auge beschrieben, was Luhmann mit der "Geschlossenheit der Operationen" meint. Nur dazu müsste man das auch zur Kenntnis nehmen.

Ich denke mal , es ist mal wieder höchste Zeit für mich zu "schweigen" .. und Tschüss .
Zuletzt geändert von Timberlake am So 12. Nov 2023, 19:36, insgesamt 4-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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So 12. Nov 2023, 19:31

Beiträge, in denen Wikipedia Zitate vorkommen, lese ich meistens nicht. Wikipedia lehne ich als Quelle nahezu vollkommen ab, zumindestens für philosophische Zusammenhänge.




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Jörn Budesheim
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So 12. Nov 2023, 19:47

Randbemerkung: Wir können zwar nicht in den Kopf des anderen hineindenken, das steht außer Frage, aber es ist doch denkbar, dass unser Bewusstsein allgemeine Strukturen aufweist, die wir alle gemeinsam haben, so dass wir gewissermaßen ein gemeinsames ideelles Bewusstseinsfeld teilen.




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Nauplios
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So 12. Nov 2023, 20:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Nov 2023, 19:47
Randbemerkung: Wir können zwar nicht in den Kopf des anderen hineindenken, das steht außer Frage, aber es ist doch denkbar, dass unser Bewusstsein allgemeine Strukturen aufweist, die wir alle gemeinsam haben, so dass wir gewissermaßen ein gemeinsames ideelles Bewusstseinsfeld teilen.
Nauplios hat geschrieben :
So 12. Nov 2023, 18:31

"Wir können sagen, daß ein Bewußtsein Sinn als Form benötigt, in dem es seine Operationen abwickeln kann." (Niklas Luhmann; Einführung in die Theorie der Gesellschaft; S. 43)




1+1=3
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Mo 13. Nov 2023, 00:17

Verstehe ich es richtig, dass Systeme Unterscheidungen treffen und damit werten (und damit "Sinn" und Bedeutung einführen!)?




Timberlake
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Mo 13. Nov 2023, 12:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Nov 2023, 19:47
Randbemerkung: Wir können zwar nicht in den Kopf des anderen hineindenken, das steht außer Frage,
Genau .. und genau deshalb , weil wir das nicht können, meint Luhmann , dass die Operationen in diesen Köpfen geschlossen sind.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Nov 2023, 19:47
... aber es ist doch denkbar, dass unser Bewusstsein allgemeine Strukturen aufweist, die wir alle gemeinsam haben, so dass wir gewissermaßen ein gemeinsames ideelles Bewusstseinsfeld teilen.
.. als solches .. . also der operativen Geschlossenheit! .. gänzlich unabhängig davon , ob unser Bewusstsein allgemeine Strukturen aufweist, die wir alle gemeinsam haben. Obgleich als Gesellschaft und nicht als Kopf .. als System! .. beschrieben, diesmal zu diesem Begriff mit Quellenangabe nicht aus Wikipedia zitiert ...
Luhmann Wiki hat geschrieben :
Begriff

Operative Geschlossenheit

"Beschreibt man die Gesellschaft als System, so folgt aus der allgemeinen Theorie autopoietischer Systeme, daß es sich um ein operativ geschlossenes System handeln muß. Auf der Ebene der eigenen Operationen gibt es keinen Durchgriff in die Umwelt, und ebensowenig können Umweltsysteme an den autopoietischen Prozessen eines operativ geschlossenen Systems mitwirken. [...] Operative Geschlossenheit hat zur Konsequenz, daß das System auf Selbstorganisation angewiesen ist. [...] Die eigenen Strukturen können nur durch eigene Operationen aufgebaut und geändert werden - also zum Beispiel Sprache nur durch Kommunikation und nicht unmittelbar durch Feuer, Erdbeben, Weltraumstrahlungen oder Wahrnehmungsleistungen des Einzelbewußtseins."[1]


„Operative Schließung ist gleichbedeutend mit autopoietischer Reproduktion, Systeme, die sich auf diesem Evolutionsniveau etablieren, können sich nur aus eigenen Produkten reproduzieren. Sie können keine Elemente, keine unverarbeiteten Partikel aus der Umwelt importieren.“ [2]

Quelle

1 Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft. 1.Aufl., Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1997, ISBN 3-518-58240-2, S.92f
2 Luhmann, Niklas: Das Erziehungssystem der Gesellschaft. 1.Aufl., Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2002, ISBN 3-518-29193-9, S.22f
  • (Wenn man nun mehr nicht auch das zu Kenntnis nimmt, dann muss man wohl davon ausgehen , dass man ein grundsätzliches Problem mit Begriffen hat.)




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Jörn Budesheim
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Mo 13. Nov 2023, 13:58

Das Ziel meiner Argumentation war zu zeigen, dass Systeme nicht geschlossen sind, wie es manche Formulierungen nahe gelegt haben. Solche Stellen sollte man nicht einfach überlesen, sondern klären. Systeme sind sowohl offen als auch geschlossen, aber natürlich in verschiedenen Hinsichten.




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Quk
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Mo 13. Nov 2023, 14:21

Ich bin der Ansicht, im ganzen Universum gibt es kein einziges geschlossenes System. Geschlossenheit ist ein verwaltungstechnisches Konstrukt, aber selbst in der Verwaltung, wenn man genau hinsieht, kann es keine Geschlossenheit geben. Freilich kann eine Hausmeisterin die Tür abschließen und sagen, dieses Haussystem sei jetzt zu. Dieses Zusein ist aber nur ein hausmeisterliches Konstrukt. Das Haus ist immer noch in der Welt und empfängt Wärme aus allen Richtungen und strahlt Wärme in alle Richtungen. Das meine ich jetzt nicht nur physikalisch, sondern auch als Metapher. In Gedanken kann man die Welt in Parzellen unterteilen. Trotzdem bleiben sie nebeneinander interaktiv. Beliebig viele, verwaltungstechnisch unterteilte Subsysteme bilden das große ganze System.




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Jörn Budesheim
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Mo 13. Nov 2023, 14:25

Quk hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2023, 14:21
Ich bin der Ansicht, im ganzen Universum gibt es kein einziges geschlossenes System.
Und das Universum selbst?




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Quk
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Mo 13. Nov 2023, 14:28

Das ist auch offen. Einflüsse können spontan entstehen aus dem Nichts. Die Offenheit, die ich meine, ist nicht nur raumzeit-dimensional.




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Jörn Budesheim
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Mo 13. Nov 2023, 14:39

Geschlossen bedeutet hier gerade nicht isoliert oder hermetisch abgeschlossen, auch wenn der Begriff "isoliert" verwendet wurde. Da der Begriff System aus der Biologie entlehnt ist, kann man sich das am ehesten bei Lebewesen vorstellen. Ich selbst bin als biologisches System sowohl geschlossen als auch offen. Ich frage mich gerade, ob der Begriff "integriert" hier passen würde. Ich denke, das kann man sich gut vorstellen, auch wenn man es vielleicht noch detaillierter beschreiben müsste. Die Betonung liegt, wenn ich das sage, auf "und" bzw. "sowohl als auch" :-)

Aber die Übertragung auf die Kommunikation ist, glaube ich, nicht so leicht vorstellbar, auch wenn die Idee zweifellos genial ist.




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Nauplios
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Mo 13. Nov 2023, 14:40

1+1=3 hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2023, 00:17
Verstehe ich es richtig, dass Systeme Unterscheidungen treffen und damit werten (und damit "Sinn" und Bedeutung einführen!)?

Vermutlich hat Deine Frage diesen Hintergrund, 1+1=3, daß zu den Unterscheidungen, die Systeme als beobachtende Systeme machen, u.a. auch die "Wertung" sinnvoll/sinnlos gehört. Dieses ist sinnvoll, jenes ist sinnlos. So "bewerten" wir alltagssprachlich beispielsweise ein bestimmtes Verhalten als sinnvoll, etwa um damit etwas zu bewirken, ein anderes Verhalten als sinnlos, weil dadurch sein Zweck verfehlt wird. Um die Gunst einer Frau zu erreichen, ist das Schenken von Blumen sinnvoll, das Schenken von Brennnesseln sinnlos.

Der Sinnbegriff der Systemtheorie ist sehr viel abstrakter und hängt nicht an Werten und hat auch keine Nähe zu sprachlichen "Bedeutungen".

"Sinn sagt, daß an allem, was aktuell bezeichnet wird, Verweisungen auf andere Möglichkeiten mitgemeint und miterfaßt sind." (Niklas Luhmann; Die Gesellschaft der Gesellschaft; S. 48)

Spricht man etwa über das Verhalten von Hunden, dann liegen Verweisungen auf Züchtung, Haltung, Training, Leinenzwang, Hundesteuer "in der Luft", Bikinis, Zölibat, Heiratsschwindler nicht. Selbstverständlich kann dann das aktuell Bezeichnete auch geändert werden und damit andere Verweisungen aktualisiert werden: "Sieh mal, da kommt Frau Meier. Ob sie ihren Mann wirklich vergiftet hat, weiß man nicht. Vor Gericht konnte man ihr jedenfalls nichts beweisen." Damit ist eine andere Verweisungsstruktur aufgebaut: Nachbarschaftstratsch, Rachsucht, Gerechtigkeit, Pflanzenschutzmittel usw.




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Quk
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Mo 13. Nov 2023, 15:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2023, 14:39
Ich selbst bin als biologisches System sowohl geschlossen als auch offen.
Das meine ich mit "Verwaltung". Biologische Einteilungen sind meines Erachtens nichts anderes als Verwaltungs-Akte. Ich meine, es ist immer wieder gut spürbar, dass Luhmann aus der Verwaltungswissenschaft kam. Die Wortwahl "geschlossen" finde ich schwierig, weil sie eine Aktion unterstellt anstatt bloß ein Kästchenrahmen oder Tabellenspalt. Ich denke, "Geschlossenheit" wird gerade erst dann sinnvoll, wenn es um das Blockieren eines Durchgangs geht. Wenn das nicht der Fall ist, halte ich das für eine schlechte Wortwahl.




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Jörn Budesheim
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Mo 13. Nov 2023, 15:18

Quk hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2023, 15:10
Blockieren eines Durchgangs
Den Schädel zum Beispiel kann man sich doch gut als Blockieren eines Durchgangs vorstellen, oder?

Die Haut auch, wobei bei ihr das Offene und das Geschlossene deutlicher zusammenspielen. Das kann man natürlich nicht 1:1 auf alle möglichen Systeme übertragen. Das ist sicher auch einer der Gründe, warum die Theorie so abstrakt ist, damit möglich viele Fälle damit erfasst werden können.




sybok
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Mo 13. Nov 2023, 15:36

Ich plane, sofern es keine Einwände gibt, hier im "Luhmann-Raum" einen Thread dazu zu eröffnen, aber ich brauche noch ein bisschen Zeit dafür, um das halbwegs zu strukturieren: Also zu Selbst- und Fremdreferenz, operative Geschlossenheit, System "ist" die Differenz, reentry, von Foerster, Spencer-Brown und diese ganze Thematik. Ich glaube ein separater Thread dazu ist mehr als gerechtfertigt, denn Luhmann sagt in "Einführung in die Systemtheorie": "Ich beginne mit dem nach meiner Einschätzung wichtigsten und abstraktesten Teil der Vorlesung: nämlich mit der Einführung eines differenztheoretischen, differentialistischen Ansatzes." (S.66) !
Offen und geschlossen könnte man dann auch dort noch genauer behandeln, das hängt ja alles miteinander zusammen.

Der Abschnitt "2.1 Theorie offener Systeme" zeichnet die Entwicklungsgeschichte nach, was ich sehr erhellend fand: Er macht 3 Strömungen aus, 1. geschlossene Systeme (das was man aus der Physik kennt), 2. offene Systeme aus der Biologie mit dem Interface-Modell und 3. Kybernetik, Systeme mit Rückkoppelungen. Von da aus scheint er dann zu seiner Theorie zu gelangen. Er sagt dann, dass man meinen könnte, dass "operative Geschlossenheit" auf die erste Strömung zurückfällt und erklärt das dann aber ziemlich gut, indem er kausale und operative Geschlossenheit bei geschlossenen Systemen unterscheidet und meint, dass "geschlossene Systeme" üblicherweise mit einem kausalen Abschluss identifiziert würden. Mir hat das glaube ich einige Klarheiten gebracht. Zum Beispiel meint er an einer Stelle, man könne operative Geschlossenheit in der Sprache von Heinz von Foerster auch als "nichttriviale Maschinen" bezeichnen ("triviale Maschinen" sind dann kausal geschlossene Systeme).




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