Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Di 28. Nov 2023, 21:36
Das verstehe ich nicht. Das Sein dieser Systeme besteht doch gerade darin, dass sie irgendeine Art und Weise funktionieren, eine Funktion inne haben, Referenzen ausbilden, Komplexität aufbauen beobachten etc.
"Als Ontologie wollen wir das Resultat einer Beobachtungsweise bezeichnen, die von der Unterscheidung Sein/Nichtsein ausgeht und alle anderen Unterscheidungen dieser Unterscheidung nachordnet." (Niklas Luhmann;
Die Gesellschaft der Gesellschaft; S. 895)
In der klassischen Ontologie ist die Bezeichnung für unveränderlich Seiendes Substanz. Aristoteles unterscheidet Substanz und Akzidens. Von der
ousia, also dem was ein Seiendes in seinem Sein ausmacht, unterscheidet er die Akzidentien. Das sind Zufälligkeiten wie Zeit- und Ortsbestimmungen, Quantität, Relation u.a. - Die
ousia ist dagegen das Unveränderliche, das unter diesen Akzidentien liegende Substrat, dem die Zufälligkeiten zwar anhaften, aber die nicht zu seinem Wesen gehören. In der Ontologie hat diese Unterscheidung von Substanz/Akzidens Nachfolgeunterscheidungen generiert, zum Beispiel die von Subjekt und Objekt. Das
subiectum ist auch das Zugrundeliegende, das
hypokéimenon. Nimmt man alle Akzidentien fort, bleibt die Substanz als das dann noch Vorhandene, als Seiendes übrig.
"Autopoietische Systeme sind substanzfreie Ortlosigkeiten, sie sind in gewisser Weise fungierende U-Topien, die weder Gewicht noch irgendein Maß und deshalb auch keinen Inhalt haben. Sie lassen sich nicht ohne Informationsverlust als Objekt oder Subjekt begreifen, als ‚Gegen- Ständigkeit‘ und ‚Zu-Grunde-Liegendes‘ oder gar als ‚zu Grunde liegende Gegen-Ständigkeit‘. Sie entziehen sich dem Seins-Schema. Selbst die Innen/Außen-Unterscheidung ist problematisch, insofern mit ihr Raum gedacht ist, in dem etwas stecken kann und anderes nicht. Man könnte allenfalls von einer Minimalontologie sprechen, die darin besteht, dass der Ausdruck ‚System‘ Ausdruck einer Beobachtung ist, die man sich kaum anders denn als wirkliche Operation eines wirklichen Systems vorstellen kann." (Peter Fuchs)
Autopoietische Systeme "entziehen sich dem Seinsschema". Oder wie Luhmann schreibt:
"Es ist eine Selbstillusionierung sinnkonstituierender Systeme, wenn sie meinen, zeitüberdauernde Identitäten habe es immer schon gegeben und werde es weiterhin geben, und man könne sich daher auf sie wie auf Vorhandenes beziehen. Alle Orientierung ist Konstruktion, ist von Moment zu Moment reaktualisierte Unterscheidung."
Die Minimalontologie der Systemtheorie ("Es gibt Systeme") besteht nicht darin, daß diese Systeme eine Substanz, ein Substrat, eine
ousia darstellen, die man ding-fest machen könnte, sondern darin, daß Unterscheidungen von Sein/Nichtsein oder Subjekt/Objekt Produkte von Systemoperationen sind. Die so operierenden Systeme "gibt es" und die Systemtheorie kann auch Beschreibungen ihrer Funktionsweise anfertigen, aber dennoch handelt es sich um "substanzfreie Ortlosigkeiten" (Peter Fuchs)
Zur Thematik von Substanz und Funktion s.a. Ernst Cassirer;
Substanzbegriff und Funktionsbegriff.