Hannah Arendt: Es gibt nur ein einziges Menschenrecht

Hannah Arendt war eine jüdische deutsch-amerikanische politische Philosophin, Theoretikerin und Publizistin.
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Dia_Logos
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So 1. Apr 2018, 19:20

Hannah Arendt: Es gibt nur ein einziges Menschenrecht

Die Menschenrechte, welche die Revolutionen des 18. Jahrhunderts feierlich zum Prinzip aller gesitteten Nationen proklamiert hatten, wurden erst nach dem ersten Weltkrieg eine Angelegenheit praktischer Politik. Das 19. Jahrhundert pflegte an sie zu appellieren in allen den Fällen, in denen das Individuum von der wachsenden Staatsmacht oder von der steigenden sozialen Ungerechtigkeit im Zeitalter der industriellen Revolution allzu offensichtlich bedroht war. Dadurch trat fast unmerklich die Idee der Menschenrechte selbst in einen neuen Bedeutungszusammenhang: sie wurden zu einer Art von zusätzlichem Gesetz, zu einem Ausnahmerecht für die Unterdrückten, auf die sich ihre Beschützer beriefen, als stellten sie ein Minimum an Recht dar für die Entrechteten.

http://www.hannaharendt.net/index.php/h ... ew/154/273
(alternativ: http://docplayer.org/41991677-Es-gibt-n ... recht.html)




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Alethos
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So 1. Apr 2018, 21:23

Wenn man diesen Text liest, so kommt man nicht umhin, an die Flüchtlingsmassen zu denken, die vor den Toren Europas festsitzen in Heimatlosigkeit, weil sie zuhause kein Zuhause mehr haben. Verletzen wir ein Menschenrecht, wenn wir diesen Individuen den Eintritt verwehren in unsere politischen Gemeinschaften? Mit Hannah Arendt gesprochen: "Ja!"



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Stefanie
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So 1. Apr 2018, 21:42

Der Punkt ist, dass die universalen Menschenrechte von staatlichen Institutionen geschützt werden und es auch eine staatliche Institution braucht, um den Anspruch auf Menschenrechte geltend zu machen. Menschen, die aus ihrem Herkunftsland geflüchtet sind, und in fremden Land untergekommen sind, haben das Problem, dass sie gegen ihr Herkunftsland keine Ansprüche geltend machen können und im neuen Land auch nicht. Dies vor dem Hintergrund, dass damals viele staatenlos waren.
Diese Situation bewirkt, dass Flüchtlinge in einem Leerraum waren und heute oft auch sind, in dem sie die ihnen auch zustehenden Menschrechte nicht geltend machen können, oder nur eingeschränkt.
Arendt postuliert hier ihren Satz, das Recht, Rechte zu haben.
Das ist entscheidend.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Stefanie
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So 1. Apr 2018, 21:49

Wenn ich das richtig gelesen habe, geht es nicht so sehr um die Frage, wie sind Menschenrechte herzuleiten, sondern wie sind sie zu gewährleisten, und was dazu gemacht werden muss, sagt Arendt in dem Text. Nach ihrer Ansicht.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Rosita
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Mo 2. Apr 2018, 00:28

Stefanie hat geschrieben :
So 1. Apr 2018, 21:42
Der Punkt ist, dass die universalen Menschenrechte von staatlichen Institutionen geschützt werden und es auch eine staatliche Institution braucht, um den Anspruch auf Menschenrechte geltend zu machen. Menschen, die aus ihrem Herkunftsland geflüchtet sind, und in fremden Land untergekommen sind, haben das Problem, dass sie gegen ihr Herkunftsland keine Ansprüche geltend machen können und im neuen Land auch nicht. Dies vor dem Hintergrund, dass damals viele staatenlos waren.
Diese Situation bewirkt, dass Flüchtlinge in einem Leerraum waren und heute oft auch sind, in dem sie die ihnen auch zustehenden Menschrechte nicht geltend machen können, oder nur eingeschränkt.
Arendt postuliert hier ihren Satz, das Recht, Rechte zu haben.
Das ist entscheidend.
Staatenlose Menschen bekamen früher einen Fridjof Nansen Pass.



Jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten!

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Stefanie
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Mo 2. Apr 2018, 17:11

Sie blieben aber staatenlos. Arendt meint insbesondere die displaced persons.
Beispielsweise jüdischen Flüchtlinge, die damals nach Palästina wollten, und sich dann in Lagern auf Zypern wiederfanden.

Der Text von Arendt entstand vor Gründung der EU und vor dem Hintergrund des zweiten Weltkrieges (und ihren eigenen Erfahrungen).

Das klingt erstmal gut, das Recht auf Rechte. Aber mir scheint, es gibt einen Haken an der Sache.
Wenn damit das Recht auf Staatsangehörigkeit und das Recht auf ein Mitgliedschaft in einer politischen Gemeinschaft gemeint ist, und man zugleich ihre Ausführungen zur Gleichheit und Differenzierungen liest, kann das bedeuten, dass es innerhalb der Gemeinschaft zu Differenzierungen kommen kann, die bestimmte Gruppen ungleich behandelt, mit der Folge, dass solange die Mitgliedschaft besteht, dies auch zulässig ist, denn es besteht ja theoretisch die Möglichkeit dagegen vorzugehen. Also Diskriminierungen sind möglich.
Oder habe ich das falsch interpretiert?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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