Re: Hannah Arendt im Gespräch mit Joachim C. Fest
Verfasst: Do 28. Jun 2018, 15:00
@T.I., ich bin mit meiner Antwort ins "freestyle" abgezogen.
Das neue Forum für Philosophie
https://dialogos-philosophie.de/
Ich zitiere die Stelle nur, weil sie mir gefällt. Und wichtig finde ich, daß Arendt sagt, dies sei eine Art des Denkens, zu der jeder Mensch fähig sei. Das trifft wohl zu und gilt deswegen für alle Zeiten und Umstände.H. Arendt hat geschrieben : Nun, mit sich selbst zusammenleben heißt natürlich mit sich selbst sprechen. Und dies Mit-sich-selbst-Sprechen ist ja im Grunde das Denken. Und zwar eine Art von Denken, das nicht technisch ist, dessen jeder Mensch fähig ist. Also die Voraussetzung des Satzes ist: Ich habe Umgang mit mir. Und: Es mag Situationen geben, in denen ich mit der Welt so uneins werde, dass ich nur noch auf den Umgang mit mir zurückfallen kann – und vielleicht noch mit einem Freund, also mit dem anderen Selbst, wie Aristoteles mal so schön gesagt hat: autos allos. Dieses, meiner Ansicht nach, ist die eigentliche Situation der Ohnmacht. Und diejenigen Menschen, die tatenlos aus dieser Sache herausgegangen sind, waren diejenigen, die sich zugestanden, dass sie ohnmächtig waren, und an diesem Satz, der der Satz des Denkenden in der Ohnmacht ist, festhielten.
In der Tat ist Hannah Arendt so etwas wie eine philosophische Pop-Ikone. Als ich in der Virtual Reading Group des Hannah Arendt Center hörte, dass nach Trumps Wahlsieg Arendts "Origins of Totalitarianism" auf einmal in den Bestsellerlisten war, hielt ich das zunächst für eine Art Selbstbeweihräucherung, bis der Deutschlandfunk und die New York Times dies auch meldeten. Vielleicht ist Arendt auch deswegen wieder so populär, weil sie sich ja nicht gern festlegen ließ und sich gerne zwischen alle Stühle setzte. Dies macht sie auf eine gewisse Art und Weise sympathisch.Tosa Inu hat geschrieben : ↑Do 28. Jun 2018, 10:56Ich weiß nicht, ob man sich zu schnell auf die Arendt Deutungen einlassen sollte. Sie ist mir auch plötzlich ein wenig zu sehr und schnell repopularisiert worden, mitunter aus durchaus dubiosen Kreisen, die gerne mal Verschwörungstheorien raushauen. Das kann man Arendt nicht anlasten, ich finde es nur auffällig.
Und steht dadurch auch ein wenig in der Gefahr, dass sie vereinnamt wird, aber das lässt sich wohl nie vermeiden.
Der Naturbegriff ist leider selbst fürchterlich unterbestimmt, aber ich ahne, was Du meinst. Leider wird in beiden Lagern übertrieben. Den Biologismus siieht man inzwischen offiziell kritisch (obwohl gerade wieder so eine kleine 'alles genetisch' Welle läuft), auf der anderen Seite wird die Ansicht über die kulturelle Dehnbarkeit der Natur und unserer Körperlichkeit auch gerne mal bis ins Unsinnige überzogen.Joachim hat geschrieben : ↑Fr 29. Jun 2018, 22:47Ich habe aber inzwischen den Eindruck, dass Arendt zwar politische Mechanismen brilliant analysiert, aber bei der Problemlösung ein wenig hinkt. Letzendlich existieren ja politische Mechanismen nicht einfach so, sondern sind von Menschen gemacht. Demnach wäre - meine Meinung - die menschliche Natur so etwas wie die eigentliche Ursache für viele Prolbeme - sei es der Totalitarismus oder auch die ökologische Krise. Hier scheint mir Hannah Arendt aber zu kurz zu greifen oder dies zu wenig zu thematisieren.
Ja, das wäre eine Option. Du könntest den Text auch einfach direkt einstellen. Ich hab das vor einem Jahr mit einem Vortragstext gemacht, den ich hier gepostet habe > https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... ?f=20&t=16 Aufgrund der Zeichenbegrenzung muss man längere Texte dann über mehrer Beiträge verteilen.
Dafür wäre mE. hauptsächlich die psychologische Disziplin zuständig. Zumindest um einen Natur-Rahmen abzustecken und natürlich in Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen wie Soziologie, historischer Anthropologie und Philosophie.Tosa Inu hat geschrieben : ↑Sa 30. Jun 2018, 08:28Der Naturbegriff ist leider selbst fürchterlich unterbestimmt, aber ich ahne, was Du meinst. Leider wird in beiden Lagern übertrieben. Den Biologismus sieht man inzwischen offiziell kritisch (obwohl gerade wieder so eine kleine 'alles genetisch' Welle läuft), auf der anderen Seite wird die Ansicht über die kulturelle Dehnbarkeit der Natur und unserer Körperlichkeit auch gerne mal bis ins Unsinnige überzogen.