Perlentaucher

Hannah Arendt war eine jüdische deutsch-amerikanische politische Philosophin, Theoretikerin und Publizistin.
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Stefanie
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Do 30. Aug 2018, 19:37

Perlentaucher:
Aus einem Essay über Walter Benjamin ( https://www.merkur-zeitschrift.de/hanna ... jamin-iii/ )
"Dies Denken, genährt aus dem Heute, arbeitet mit den »Denkbruchstücken«, die es der Vergangenheit entreißen und um sich versammeln kann. Dem Perlentaucher gleich, der sich auf den Grund des Meeres begibt, nicht um den Meeresboden auszuschachten und ans Tageslicht zu fördern, sondern um in der Tiefe das Reiche und Fremdartige, Perlen und Korallen, herauszubrechen und als Fragmente an die Oberfläche des Tages zu retten, taucht es in die Tiefen der Vergangenheit, aber nicht um sie so, wie sie war, zu beleben und zur Erneuerung abgelebter Zeiten beizutragen. Was dies Denken leitet, ist die Überzeugung, daß zwar das Lebendige dem Ruin der Zeit verfällt, daß aber der Verwesungsprozeß gleichzeitig ein Kristallisationsprozeß ist; daß in der »Meeres-Hut« – dem selbst nicht-historischen Element, dem alles geschichtlich Gewordene verfallen soll – neue kristallisierte Formen und Gestalten entstehen, die, gegen die Elemente gefeit, überdauern und nur auf den Perlentaucher warten, der sie an den Tag bringt: als »Denkbruchstücke«, als Fragmente oder auch als die immerwährenden »Urphänomene«."
Arendt war der Auffassung, dass das zwanzigste Jahrhundert in den Kategorien der abendländischen Tradition nicht mehr angemessen verstanden werden kann. Die Ereignisse des 20. Jahrhunderts haben dazu geführt, dass es nicht mehr möglich ist, den bisherigen Überlieferungszusammenhang zwischen Tradition, Vergangenheit und Gegenwart beizubehalten. Alls bisherigen Arten und Kategorien des Denkens und Urteils können nicht mehr so einfach übernommen werden - sie haben im gewissen Sinne versagt- und schon gar nicht auf die Gegenwart. Von dem "Altem" sind nur noch Bruchstücke vorhanden, die aber nicht mehr nur einfach weitergeführt und so zusammengeführt werden sollen, dass sie das Alte neu aufleben lassen, sondern sie müssen neu für die Gegenwart zusammengesetzt werden.
Ich werte dies mal einfach ausgedrückt so, dass, das was die Tradition an Guten hervorbrachte, so die Gegenwart zu transportieren, zu etwas Neuen, oder sogar zu stärken, damit eben nicht wieder das Denken und das Urteilen so versagt, wie im 20. Jahrhundert.


Leider weiß ich zu wenig über Benjamin, aber vielleicht jemand anderes?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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