ordo planetarum oder von der Verspätung der Wahrheit

In desem Forum kann die Philosophie des deutschen Philosophen Hans Blumenberg diskutiert werden.
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Nauplios
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Sa 17. Aug 2019, 20:07

Marcus Terentius Varro - ein Historiker des letzten vorchristlichen Jahrhunderts, freundschaftlich verbunden mit Cicero. Auf seine Schriften bezieht sich ausgiebig Augustinus in De civitate Dei. - Die Aufteilungen, wie Du sie anführst, sind richtig. Varro hat als "Polyhistor" auch einiges zur Landwirtschaft geschrieben, u.a. empfiehlt er, keine Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft von Sümpfen zu errichten; kleine unsichtbare Tierchen könnten sonst eingeatmet werden, die dann Krankheiten verursachen. Herbizide, Glyphosat? - Noch nie gehört. ;)

Und Dogma, Häresie, Parousie? - Auch noch nie gehört. Varro, ein Zeitgenosse Ciceros aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert ist ohne Frage in historischer Hinsicht eine bedeutsame Quelle (etwa für die Augustinus-Rezeption), aber auch in systematischer Hinsicht? - Sicher, man findet das Wort "theologia" als das Erzählen von Göttergeschichten schon vor Varro, etwa in Platons Staat; aber es handelt sich dabei eben um ein mythein, ein Erzählen von Göttergeschichten, die mal so, mal so erzählt wurden. Bei Epikur leben die Götter sogar in den Intermundien, lassen es sich dort gut gehen und kümmern sich nicht um die Sterblichen. Als Unsterbliche unterscheiden sie sich im Grunde von den Sterblichen dadurch, daß sie ein paar Tricks draufhaben, sich in Tiere verwandeln können, um schöne Königstöchter zu entführen u.ä. Ansonsten: Neid und Mißgunst. Wie bei uns. -

Wollen wir den christlichen Gott in eine Reihe stellen mit Poseidon, Ares, Hermes ... ? - Was ist mit der Wahrsagerin auf der Kirmes? ;)

"Der Glaube der Hellenen" - eine Arbeit von Wilomowitz-Moellendorff - ist ein anderer "Glaube" als der christliche, theologisch kartographierte und theologisch fundierte Glaube. Das Selbstverständnis der Theologie ist ja heute ein wissenschaftliches.

Theologie, Glaube, Gott ... setzt man bei einem vorchristlichen Historiker wie Varro an, kann es sich bei diesen Begriffen nur um Äquivokationen handeln. Man würde der Theologie nicht gerecht, wenn man sie als mythische Erzählung über Götter- oder Gottgeschichten nehmen würde. - Wohl hat Nietzsche "Dionysos und den Gekreuzigten" aufeinander bezogen - philosophisch zulässig, theologisch ein Unding.




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Nauplios
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Sa 17. Aug 2019, 20:24

epitox hat geschrieben :
Sa 17. Aug 2019, 18:33
Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Aug 2019, 12:23
Als Erlösergott tritt er in eschatologischen Konzepten eines "Dabei-seins" (parousia) auf, deren Verzögerung dann später zum Thema der Theologie wird, aber natürlich nie aufgegeben wird (s. Credo). Das Ausbleiben der Wiederkunft Christi führt im Spätmittelalter dann dazu, daß der Akzent der theologischen Betrachtung sich vom Erlösergott auf den Schöpfergott verlagert. Es treibt die Theologie die Frage um, in welchem Verhältnis Gott zu seiner Schöpfung steht: ist sie das Ergebnis einer kontinuierlichen Kreation?
Der Text ist für einen durchschnittlichen Leser völlig unverständlich und verwirrend! Was meinst du oder Blumenberg mit diesen Aussagen? Wie unterscheidet sich der Schöpfergott vom Erlösergott? Woher kommt der auf einmal? Sind sie gegenseitig austauschbar oder gar derselbe Gott? Was haben beide mit der Schöpfung zu tun? Was bedeutet eigentlich creatio prima oder creatio continua? Zwei Schöpfungen ein Name oder eine Schöpfung mit unterschiedlichen Bezeichnung oder etwas drittes? Was verstehst du unter der Parusie? Wie ist sie mit diesen Themen verbunden? Fragen über Fragen...
Da ich weiß, daß der durchschnittliche Leser hier im Forum auf ein überdurchschnittliches Vorverständnis zurückgreifen kann, speist sich meine Zuversicht aus der Überzeugung, daß diese Leser eh schon wissen, worauf ich hinauswill, es sich aber aus Rücksichtnahme auf meinen Altersstarrsinn nicht anmerken lassen. - ;)




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epitox
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So 18. Aug 2019, 11:03

Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Aug 2019, 20:07
... aber es handelt sich dabei eben um ein mythein, ein Erzählen von Göttergeschichten, die mal so, mal so erzählt wurden.
Nein es gibt zuerst kein ABER!
Der Schritt von der Physik zur Metaphysik, die Trennung von allumfassenden Natur und dem sie begründenden, ihr Ursprung gebenden Sein, wird hier weder bei Varro noch vom Volk noch von den Zuschauer im Theater vollzogen. Religion äußert sich im Leben des "gemeine Volkes" sowohl im politischer Kult als auch im Schauspiel. Gottesbegegnungen finden in der Ekstase der Feste und durch das Erleben der Natur statt. Die Spannungen, die sich durch die natürliche Theologie der Philosophen ergeben, werden nicht erkannt - können auch noch nicht erkannt werden. Erst das Christentum lässt dieses Religionssystem implodieren, indem es Religion, die Natur, den vernünftigen aber leidenden und erlösungsbedürftigen Menschen mit der Erzählung des sich in der Geschichte offenbarenden Gottes zusammenführt.




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Nauplios
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So 18. Aug 2019, 13:58

Wir kommen hier nicht weiter, Epitox. Ich denke, daß sich die Fragen nach dem "gemeinen Volk" und dem "vernünftigen, aber leidenden und erlösungsbedürftigen Menschen" wie überhaupt die Legitimität des philosophischen Blicks auf genuin theologische Fragestellungen, Begriffe und Autoren besser in einem eigenen Thread behandeln lassen. -




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