"Morgen früh, wenn Gott will, ...

In desem Forum kann die Philosophie des deutschen Philosophen Hans Blumenberg diskutiert werden.
Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23418
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 18. Sep 2019, 09:03

Nauplios hat geschrieben :
Mi 18. Sep 2019, 08:52
Nach meinem Eindruck spielen diese "zwei Methoden und Einstellungen", die Davidson erwähnt, in diesen Thread hinein und der Dissens, den Du erwähnt hast, hängt damit zusammen
Nach meinem Eindruck nicht. Es gibt in diesem Thread einfach niemanden, der die Position der "klassischen oder traditionellen" (oder wie auch immer du es nennen möchtest) analytischen Philosophie (über die Davidson und Titz in der Vergangenheitsform sprechen) einnimmt. Ich wüsste nicht wer, ich auf keinen Fall.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mi 18. Sep 2019, 09:08

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 17. Sep 2019, 18:24
Friederike hat geschrieben :
Di 17. Sep 2019, 17:16
@Jörn, es hat 3 Exegese-Versuche hinsichtlich des von Dir notierten "Anliegens" (was die Metaphorologie betrifft) gegeben.
Welche meinst du?
Ende S. 6, Anfang S. 7, mein Beitrag vom 8.9., 15.41 Uhr und zwei Beiträge von Nauplios, 12.9. - ich habe keine Beitragsnummern und muß deswegen so umständlich darauf verweisen.




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 2973
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12
Kontaktdaten:

Mi 18. Sep 2019, 09:24

20190918_090933.jpg
20190918_090933.jpg (3.16 MiB) 12848 mal betrachtet




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mi 18. Sep 2019, 09:26

Korrektur: Die beiden Beiträge von Nauplios datieren vom 12.9.!




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23418
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 18. Sep 2019, 12:27

Friederike hat geschrieben :
Mi 18. Sep 2019, 09:08
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 17. Sep 2019, 18:24
Friederike hat geschrieben :
Di 17. Sep 2019, 17:16
@Jörn, es hat 3 Exegese-Versuche hinsichtlich des von Dir notierten "Anliegens" (was die Metaphorologie betrifft) gegeben.
Welche meinst du?
Ende S. 6, Anfang S. 7, mein Beitrag vom 8.9., 15.41 Uhr und zwei Beiträge von Nauplios, 12.9. - ich habe keine Beitragsnummern und muß deswegen so umständlich darauf verweisen.
https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... 707#p33707
https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... 770#p33770
https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... 771#p33771

diese?




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mi 18. Sep 2019, 17:46





Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23418
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 18. Sep 2019, 18:28

Ich schätze am Freitag habe ich etwas Muße :)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23418
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 18. Sep 2019, 19:38

Vielleicht eine kleine Randbemerkung: Metapher, darüber haben wir sicherlich schon geredet, kommt von metaphorá für „Übertragung“. Wenn man also sagt, dass jemand, der eine Metapher nutzt, das was er sagt im übertragenen Sinn meint, sagt man bloß, dass derjenige, der eine Metapher nutzt, eine Metapher nutzt. Die Rede vom übertragenen Sinn erklärt also nichts, sondern wiederholt nur den Begriff.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23418
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 19. Sep 2019, 06:07

Friederike hat geschrieben :
Di 17. Sep 2019, 17:16
@Jörn, es hat 3 Exegese-Versuche hinsichtlich des von Dir notierten "Anliegens" (was die Metaphorologie betrifft) gegeben. Du hast, falls es mir nicht entgangen ist, darauf nicht geantwortet. Nein, es besteht natürlich keine Verpflichtung zu einer Antwort. Vielleicht hat es sich inzwischen ja auch erledigt ... aber da ich gerade am Sortieren bin, den Gesprächsverlauf, die Nicht-Dissense oder Dissense, möchte ich wenigstens nachgehakt haben.
Ich habe die Beiträge, die du da rausgesucht hast, jetzt noch einmal durchgelesen. Ich befürchte, wir kommen an dieser Stelle nicht weiter. Hermeneutik ist (vielleicht unter anderem) ein Versuch, das Verstehen zu verstehen. Und danach frage ich. Nicht in dieser Allgemeinheit, sondern in Bezug auf die Metapher. Ihr steht vor der Frage, wie man (Metaphern) überhaupt verstehen kann, wie der Ochs vorm Berg. Das heißt, ihr versteht die Frage nicht. Und ich für meinen Teil verstehe nicht, was es daran nicht zu verstehen gibt. Dass wir (irgendetwas) verstehen ist meines Erachtens nicht selbstverständlich. Und das gilt für die Metapher natürlich ebenso.

Auch die Behauptung, wir würden in einem sinnlosen (=nicht sinnhaftem) Universum leben, setzt die Antwort auf die diversen Fragen nach dem Verstehen bereits voraus. Denn Verstehen und Sinn, das hängt ja sicherlich zusammen...




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Do 19. Sep 2019, 09:05

Alethos hat geschrieben :
Di 17. Sep 2019, 21:02
Sie erfüllen für mich auch nicht die Funktion, das "Mängelwesen" Mensch 'überlebensfähig' zu machen, vielmehr drückt sich in seiner Fähigkeit zur Metaphorologisierung die Kunst aus, aus den Fesseln des engen Begriffs auszubrechen in das noch Fernere: [...]
Was macht den Menschen denn überlebensfähig? Die Fähigkeit zur Begriffsbildung ... ist es wohl nicht?

Das ist nicht polemisch gemeint @Alethos.


NS: Ich habe noch diese, etwas ältere Äußerung gefunden:
Alethos hat geschrieben : Metaphern sind eine Form der Orientierung in der Welt und im Miteinander, und eine erfolgreiche dann, wenn sie dem Umstand der Welt als Auslegungsfähiges Rechnung trägt. Und das tut sie, indem sie sich sprachlich so verfasst, dass sie über ihr reines Sprachesein auf das Ungefähre hinausweist, und einen Begriff für das Unbegriffliche bietet.
Aus meiner Sicht faßt Du hier die Metaphorisierung als "Überlebens"-Leistung gut zusammen.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Do 19. Sep 2019, 13:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 18. Sep 2019, 19:38
Vielleicht eine kleine Randbemerkung: Metapher, darüber haben wir sicherlich schon geredet, kommt von metaphorá für „Übertragung“. Wenn man also sagt, dass jemand, der eine Metapher nutzt, das was er sagt im übertragenen Sinn meint, sagt man bloß, dass derjenige, der eine Metapher nutzt, eine Metapher nutzt. Die Rede vom übertragenen Sinn erklärt also nichts, sondern wiederholt nur den Begriff.
Hm, was "übertragen" meint oder was man tut, wenn man "überträgt", das haben @Alethos + @Nauplios doch zum Beispiel in diesen beiden Beiträgen (11.9., 20.30 und 23. 45) im Kontext des Gespräches über etwas als etwas begreifen oder etwas durch etwas begreifen ausgeführt? Oder soll was anderes erklärt werden als "Übertragung"?




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Do 19. Sep 2019, 18:02

A.K. hat geschrieben : Dennoch lässt sich von Redewendungen auf kognitive Muster schließen. Besonders deutlich wird das am Beispiel der Orientierungsmetaphern. Diese basieren auf Positionen, Ausdehnungen und Richtungen im dreidimensionalen Raum, z.B. innen oder außen, tief oder oberflächlich, auf oder ab. Obgleich sie sich auf physikalische Größen beziehen, können Orientierungsmetaphern von Kultur zu Kultur variieren. So liegt im westlichen Kulturkreis die Zukunft vorn und die Vergangenheit hinten – anderswo ist es umgekehrt. Besonders häufig verwenden wir die vertikale Orientierung. Wir fallen in den Schlaf und wachen wieder auf (Bewusstsein). Die Krankheit streckt uns nieder, dann sind wir obenauf (Gesundheit). Wir erleben einen gesellschaftlichen Auf- oder Abstieg (Status), sind hohen Mutes oder in tiefer Depression (Gefühlszustand), es geht bergauf oder bergab (Entwicklung). Das animalische, dem wir uns transzendiert haben, nennen wir „die niederen
Instinkte“. Gott, wenn es ihn gibt, soll oben im Himmel sein. All diese Metaphern fügen sich zusammen zu der Grundannahme: oben ist gut, unten ist schlecht. So findet auch unser geopolitisch irrationales Streben nach nie endendem Wachstum eine mögliche Erklärung im vertikalen Denkmuster, denn hohe Mengen und Anzahlen erscheinen uns besser als niedrige. Die meisten unserer grundlegenden Konzepte, so Lakoff und Johnson, sind auf diese Weise durch eine Orientierungsmetapher oder mehrere geordnet. Eine Ursache für die weite Verbreitung von Orientierungsmetaphern ist ihre Nähe zur menschlichen Erfahrung. Wenn wir krank sind oder schlafen, legen wir uns nieder, wenn wir traurig sind, sinken wir zusammen und lassen die Mundwinkel sinken. Erfahrungen wie diese sind im Laufe der Evolution in grundlegende metaphorische Konzepte unseres Denkens eingeflossen. Daher ist unser denken, sprechen und handeln metaphorisch.
Markierung von mir. Die Allgegenwärtigkeit des Metaphorischen.

Quelle




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Do 19. Sep 2019, 23:41

Friederike hat geschrieben :
Do 19. Sep 2019, 09:05
Alethos hat geschrieben : Metaphern sind eine Form der Orientierung in der Welt und im Miteinander, und eine erfolgreiche dann, wenn sie dem Umstand der Welt als Auslegungsfähiges Rechnung trägt. Und das tut sie, indem sie sich sprachlich so verfasst, dass sie über ihr reines Sprachesein auf das Ungefähre hinausweist, und einen Begriff für das Unbegriffliche bietet.
Aus meiner Sicht faßt Du hier die Metaphorisierung als "Überlebens"-Leistung gut zusammen.
Das kommt ganz drauf an, was man mit Überlebensleistung meint. Wenn man 'Überleben' so auslegen wollte, dass damit ein "Zurechtkommen unter der Bedingung eines defizitären Grundmodus des Menschen in Umwelten" gemeint würde, so würde ich dem widersprechen. Denn dieser Vorstellung von 'In-der-Welt-Sein' würde zugrundeliegen ein meines Erachtens überholtes Konzept von Wahrheit als adæquatio rei et intellectibus , das den Menschen in seinem Subjektsein gegenüber dem Objektiven (den Umwelten) prinzipiell als fehleranfälliges Wesen beschreibt, das deshalb ein Mangelwesen sein muss: als ein Wesen, dem an Wahrheit prinzipiell zu mangeln droht.
In der Scholastik kam diese Vorstellung des Mängelwesens meines Erschtens zum höchsten Ausdruck durch die Vorstellung von Gott als der reinsten Wahrheit. Einem Gott (als dem höchsten Objektiven), dem man seine prinzipielle Fehlbarkeit eingestanden hatte durch Ursünde, musste man sich unterordnen oder untergehen. Der Mensch muss in dieser Optik als Wesen verstanden werden, das dem göttlichen Logos, welches ihm in Form des Wirklichen gegeben ist (des Realen, des Gegebenseins von Welt durch Gott), nacheifert, und er muss freilich demütig sein und sich dem Wort Gottes (dem Begriff) beugen. Er befindet sich in den engen Grenzen einer absoluten Wahrheit, und entweder überlebt er, wenn er gehorcht, oder er geht unter, wenn nicht.

Demgegenüber meint Blumenberg, so glaube ich, dass die Metaphorologie, mit Vico gesprochen, dem Menschen eine "Logik der Phantasie" anbietet, die ihm seine eigentliche Entgrenztheit (das Unbegreifliche, das Unbegriffliche) vor Augen führt und auffordert, das 'Heft in die Hand zu nehmen'.
H. Blumenberg in 'Paradigmen zu einer Metaphorologie' hat geschrieben : Was bleibt dem Menschen? Nicht die ›Klarheit‹ des Gegebenen, sondern die des von ihm selbst Erzeugten: die Welt seiner Bilder und Gebilde, seiner Konjekturen und Projektionen, seiner ›Phantasie‹ in dem neuen produktiven Sinne, den die Antike nicht gekannt hatte.
Eine solche Verfasstheit des Wirklichen im Uneigentlichen zeigt dem Menschen die Wirklichkeit durch andere Begriffe ihrer selbst. Die Metapher ist dann aber auch keine Krücke zur 'eigentlicheren Wirklichkeit' oder zu einem reineren Begriff, sie ist keine Zwischenstufe auf dem Weg von 'Mythos zum Logos', sondern Ausdruck von Wirklichkeit in der Fülle ihrer symbolischen Verfassungen. Das, was der Mensch verstehen kann, so interpretiere ich das Zitat, ist nicht allein von einem reinen, adäquaten Begriff her begreifen zu wollen, nach dessen Massgabe er scheitern muss, und dessen er ermangeln kann, sondern er erscheint als Autor von Wirklichkeitsbeschreibungen und findet sich dadurch wieder in einer Fülle von prinzipiell adäquaten Wirklichkeitsbegriffen, mit deren Hilfe er die Grenzen des eigentlich Begrifflichen durchbrechen und zum uneigentlich Begrifflichen, dem Unbegreiflichen, fortschreiten kann.
Er wird dank Metaphern zum Weltbeschreiber, zum Entdecker. In dieser autonomen Rolle hat er eine andere Funktion als zu überleben resp. sich gegen die Widrigkeiten des Begrenztseins, das ihn als Mangelwesen beschreibt, zu behaupten, er hat es nun zu tun mit einer unendlichen Fülle von Perspektiven, in die er ganz eingelassen ist als Zuschauer und Sprecher, als Hörer und Akteur zugleich. Er kann nun nicht mehr fehlgehen deshalb nur, weil es kein bestimmtes Ziel gibt, das er erreichen müsste und das er verfehlen kann. Er kann nur fehlgehen, wenn er meint, dass es dieses Eindeutige, Sichere gibt, das er aufsuchen müsste. Er ist dann kein Überlebenskünstler mehr, sondern der, der die Kunst des Lebens erkundet und erfindet.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23418
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 20. Sep 2019, 05:38

Auszüge aus dem Text von Blumenberg gibt es hier > https://www.jstor.org/stable/24355810




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 20. Sep 2019, 10:27

Alethos hat geschrieben :
Do 19. Sep 2019, 23:41
Das kommt ganz drauf an, was man mit Überlebensleistung meint. Wenn man 'Überleben' so auslegen wollte, dass damit ein "Zurechtkommen unter der Bedingung eines defizitären Grundmodus des Menschen in Umwelten" gemeint würde, so würde ich dem widersprechen. Denn dieser Vorstellung von 'In-der-Welt-Sein' würde zugrundeliegen ein meines Erachtens überholtes Konzept von Wahrheit als adæquatio rei et intellectibus , das den Menschen in seinem Subjektsein gegenüber dem Objektiven (den Umwelten) prinzipiell als fehleranfälliges Wesen beschreibt, das deshalb ein Mangelwesen sein muss: als ein Wesen, dem an Wahrheit prinzipiell zu mangeln droht.
In der Scholastik kam diese Vorstellung des Mängelwesens meines Erachtens zum höchsten Ausdruck durch die Vorstellung von Gott als der reinsten Wahrheit. Einem Gott (als dem höchsten Objektiven), dem man seine prinzipielle Fehlbarkeit eingestanden hatte durch Ursünde, musste man sich unterordnen oder untergehen. Der Mensch muss in dieser Optik als Wesen verstanden werden, das dem göttlichen Logos, welches ihm in Form des Wirklichen gegeben ist (des Realen, des Gegebenseins von Welt durch Gott), nacheifert, und er muss freilich demütig sein und sich dem Wort Gottes (dem Begriff) beugen. Er befindet sich in den engen Grenzen einer absoluten Wahrheit, und entweder überlebt er, wenn er gehorcht, oder er geht unter, wenn nicht.
"Überlebensleistung" hatte ich -eigentlich- genau so verstanden, wie Du es formulierst. Nur hatte ich dabei die biologische Grundausstattung des Menschen im Sinn. Ich weiß nicht, d.h. ich kann es Deiner Beschreibung des Konzeptes, das der Annahme eines defizitären Grundmodus zugrundeliegt, nicht zweifelsfrei entnehmen, ob Du ebenfalls die biologische Disposition gemeint hast.

Ungeachtet dessen finde ich es aber total spannend zu entdecken, daß eine solche Überzeugung, wie ich sie vertrete/habe, nicht voraussetzungslos ist. Deswegen setze ich also erst einmal hinter meine Annahme ein dickes Fragezeichen.

Ich würde zwar nicht, so wie Du das metaphysische Konzept darlegst, davon ausgehen, der Mensch leide an einem "Seins"-Mangel -das vollkommene "Sein" ist Gott-, und ich würde auch nicht von einem "Wesen" des Menschen ausgehen (ich habe verstanden, daß Du referierst), aber ich würde eine "Natur" des Menschen voraussetzen, und meiner Sichtweise würde ein naturwissenschaftliches Konzept zugrundeliegen.

Ich muß die Voraussetzungen, auf denen meine Auffassung beruht, näher bedenken (welche genau es sind) - im Augenblick bin ich nur freudig überrascht festzustellen, daß meine Annahme sich in einen Theorierahmen einordnet ... nichts ist selbstverständlich. 8-)




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 20. Sep 2019, 12:50

Alethos hat geschrieben :
Do 19. Sep 2019, 23:41
H. Blumenberg in 'Paradigmen zu einer Metaphorologie' hat geschrieben : Was bleibt dem Menschen? Nicht die ›Klarheit‹ des Gegebenen, sondern die des von ihm selbst Erzeugten: die Welt seiner Bilder und Gebilde, seiner Konjekturen und Projektionen, seiner ›Phantasie‹ in dem neuen produktiven Sinne, den die Antike nicht gekannt hatte.
Das, was der Mensch verstehen kann, so interpretiere ich das Zitat, ist nicht allein von einem reinen, adäquaten Begriff her begreifen zu wollen, nach dessen Massgabe er scheitern muss, und dessen er ermangeln kann, sondern er erscheint als Autor von Wirklichkeitsbeschreibungen und findet sich dadurch wieder in einer Fülle von prinzipiell adäquaten Wirklichkeitsbegriffen, mit deren Hilfe er die Grenzen des eigentlich Begrifflichen durchbrechen und zum uneigentlich Begrifflichen, dem Unbegreiflichen, fortschreiten kann. Er wird dank Metaphern zum Weltbeschreiber, zum Entdecker. In dieser autonomen Rolle hat er eine andere Funktion als zu überleben resp. sich gegen die Widrigkeiten des Begrenztseins, das ihn als Mangelwesen beschreibt, zu behaupten, er hat es nun zu tun mit einer unendlichen Fülle von Perspektiven, in die er ganz eingelassen ist als Zuschauer und Sprecher, als Hörer und Akteur zugleich. Er kann nun nicht mehr fehlgehen deshalb nur, weil es kein bestimmtes Ziel gibt, das er erreichen müsste und das er verfehlen kann. Er kann nur fehlgehen, wenn er meint, dass es dieses Eindeutige, Sichere gibt, das er aufsuchen müsste. Er ist dann kein Überlebenskünstler mehr, sondern der, der die Kunst des Lebens erkundet und erfindet.
Blumenberg beschreibt hier den neuzeitlichen Menschen, nehme ich an, auch wenn es vom Zitat her so scheint, als würde die "produktive" Phase der Antike nachfolgen (soweit ich weiß, übernimmt Blumenberg aber die geläufige Einteilung in Antike, Mittelalter und Neuzeit).

So wie Du es ausführst, wird, finde ich, gut der Hintergrund deutlich, der erforderlich dafür ist, damit die Frage, ob "alles sinnlos" oder ob "alles sinnvoll" sei, auftauchen bzw. gestellt werden kann.


Zu dem von mir unterstrichenen Satz fällt mir ein, daß A. Friedrich in dem Aufsatz "Meta-Metaphorologie" . Derrida erwähnt, der die Auffassung vertreten habe, metaphorische Rede als "Übertragung" anzusehen, beruhe auf einem metaphysischen Konzept, weil "Übertragung" von einem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen uneigentlichen Bedeutungszusammenhang die Theorie voraussetze, die "Dinge" könnten von einem Begriff richtig erfaßt werden, d.h. die Begriffe richteten sich nach den "Dingen".




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Fr 20. Sep 2019, 12:56

Ich werde am Wochenende antworten können: nach dem Hausputz und dem Wäschewaschen. Wenn es eine Metapher gibt, die diesen Haushaltskram erträglicher macht, so schenke man sie mir.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 20. Sep 2019, 17:30

Alethos hat geschrieben :
Fr 20. Sep 2019, 12:56
Ich werde am Wochenende antworten können: nach dem Hausputz und dem Wäschewaschen. Wenn es eine Metapher gibt, die diesen Haushaltskram erträglicher macht, so schenke man sie mir.
Welch ein Privileg, Du darfst aus Eurer Wohnung oder dem Haus ein kleines Schmuckkästchen machen. Wie in der Gen., aus dem Chaos die Ordnung hervorbringen. Bild Im übrigen dauerte "die Wäsche" bei meiner Großmutter noch mehrere Tage und es kamen eigens dafür 2 Anverwandte angereist.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 21. Sep 2019, 15:36

Friederike hat geschrieben :
Fr 20. Sep 2019, 10:27
"Überlebensleistung" hatte ich -eigentlich- genau so verstanden, wie Du es formulierst. Nur hatte ich dabei die biologische Grundausstattung des Menschen im Sinn. Ich weiß nicht, d.h. ich kann es Deiner Beschreibung des Konzeptes, das der Annahme eines defizitären Grundmodus zugrundeliegt, nicht zweifelsfrei entnehmen, ob Du ebenfalls die biologische Disposition gemeint hast.
Tatsächlich hatte ich (vielleicht in Unkenntnis der Blumenberg'schen Diktion) nicht die biologische Disposition vor Augen, sondern eine epistemologische.
Ich habe die 'Überlebensleistung' in einem übertragenen Sinn verstanden. Dieser Mangel, den ich meinte, ist also ein Mangel an Begriffen, sich in der Welt zu verorten.

Die Welt gedacht als "das Fallen von allem unter Begriffe", ist konzipiert als ein (für das Denken) nur dann überlebensfähiger Begriffsraum, wenn er Begriffe ausbildet, die in ihr 'überleben' können, weil sie mit ihrer Wirklichkeit übereinstimmen. Die Wirklichkeit der Welt korrespondiert mit der 'Atmosphäre ihrer Begriffe' und letztere ist nur dann ein wirtlicher Ort für das Denken, wenn seine Erkenntnis in ihr 'atmen' kann. Das Denken muss also Begriffe ausformulieren, die mit der Wirklichkeit übereinstimmen, will es Wahrheit produzieren, und dass es Wahrheit produziert, ist die einzige Möglichkeit für das langfristige Überleben des Denkens in Wirklichkeit, denn nur durch Wahrheit wird das Denken getragen von der Wirklichkeit, und andernfalls vernichtet werden durch sie.

Das ist einmal die Voraussetzung, von der ich bei 'Überlebensleistung' ausgegangen bin: Überleben des Denkens als des In-der-Welt-Seins von Menschen schlechthin.

Nun könnte man also denken, dass es empirische Begriffe gibt, die ganz konkret die Wirklichkeit beschreiben können, wie sie ist resp. könnte man meinen, dass es eine einzige Lage gäbe, in die Wirklichkeit geraten sein könnte. Aber ich meine vielmehr, dass die Wirklichkeit nicht nur eine Ausprägung hat und dass die (von uns beschriebenen) Dinge in der Welt nicht nur eine Draufsicht erlauben, sie erzwingt gar mehrere Draufsichten. Die Wirklichkeit zeigt sich vielmehr in einer Überlagerung von Perspektiven auf sie, nicht nur subjektive, aber auch, aber vor allem seinslogische, ontologische.

Was auch immer wir konkret in einer eigentlichen Reden von ihm beschreiben, das können wir auch anders ausdrücken, z.B. durch etwas anderes. Und dann sagen wir, dass wir das Eigentliche durch das Uneigentliche beschrieben haben, wir haben es in übertragenem Sinn durch etwas anderes ausgedrückt. Nun könnte man dies aber dem Mangel anlasten, dass wir für das Eigentliche keinen unfassenden Begriff hätten, der uns das Verstehen seiner ermöglichte. Dann aber wäre die Metapher eben nur Ausdruck eines Mangels an Begriffen. Sie wäre ein 'Remedium', nichts mehr, vielleicht ein Ornament.

Aber ich denke, sie ist nicht einfach eine figurative Rede vom eigentlich Wirklichen, und daher auch nicht ein zwecks Behelf über den Mangel hinweg genutzte Technik, sondern sie erwächst selbst aus der Fülle von Bedeutungen, die die eine Wirklichkeit selbst liefert. Ein wie auch immer beschriebener Sachverhalt bietet selbst alle möglichen Formen, ihn zu beschreiben, nicht aber durch etwas anderes beschreibt er sich, sondern als etwas anderes. Er ist schon das andere, durch das er sich beschreibt.

Das ist die Leistung der 'Logik der Fantasie', dass sie die Wirklichkeit darzustellen vermag in der Pluralität ihrer Bedeutungen. Bedeutungen, die uns gegeben sind durch das Wirkliche selbst und die Matapher figuriert hier nie als Stellvertreter für das Eigentliche, sondern das Eigentliche selbst ist verfasst durch das Begriffsjenseitige: das Unbegriffliche.
Wenn wir dies einsehen, dann verstehen wir die Welt als Gemengenlage von Bedeutungen, aber dann kann Wirklichkeit nicht ein eindeutig Dimensioniertes sein (eine durch eindeutige Begriffe beschreibbare) sein, sondern muss prinzipiell eine indefinit sinnhaft proportionierte sein: Etwas, das immer auch schon als das Andere Bedeutung erlangt. Das meinte ich mit "die Welt ist metaphorisch verfasst": Ein jedes in ihr ist zugleich sinnproportional als das Andere gefasst.

Beispiel: Das, was ich über die Menschheit mittels Begriffen aussagen kann,('Menschen zerstören die Umwelt', 'Menschen erfinden Medikamente' etc.), drückt mittels der Bedeutung dieser Begriffe eine Facette dessen aus, was Menschheit bedeutet. Aber diese Begriffe limitieren (durch die Begriffsgrenze) das, was Menschheit ferner und gleichzeitig bedeutet mittels anderer Begriffe ('Die Menschheit ist ein Parasit', 'Sie immunisiert sich' etc.)
Durch diese biologischen Begriffe wird wohl das eigentlich Andere (soziologische) gemeint (also die Menschheit und ihr konkretes Wirken), aber was Menschheit bedeutet lässt sich nun nicht allein durch diese ersteren Begriffe ausdrücken, weil deren Grenzen für die umfassendere Bedeutung zu eng gefasst sind.

Bei Metaphern haben wir es also mit einem besonderen Sinn für die erweiterte Bedeutungswirklichkeit zu tun: nicht mit einer figurativen Rede aus Mangel, sondern mit einer eidetischen Positionalität unseres In-der-Welt-Seins selbst. Das halte ich für eine Stärke, keinen Mangel.

Das hier beschriebene 'Überleben' (des Denkens) ist nur möglich durch die Kontingenz der Erfahrung seiner selbst, mithin der Freiheit des Denkens überhaupt. Überleben (im Denken) ist nur möglich, durch die Hinwendung zur Welt als beschreibbar durch sie selbst in der weitesten Fülle der dargebotenen Möglichkeiten. Und das sind unendlich viele, weshalb der Bedeutungsüberschuss das eigentliche Movens des überlebenden Menschen ist. Nur in der Kontingenz gibt es einen Weg voran für ihn, indem er seine Begriffe so auslegt, dass sie sich über die Welt 'besinnen'.
E. Husserl hat geschrieben : B e s i n n u n g besagt nichts anderes als Versuch der wirklichen Herstellung des Sinnes „selbst”, der in der bloßen Meinung ge­meinter, vorausgesetzter ist; oder den Versuch, den „inten­dierenden Sinn” , den im unklaren Abzielen „vage vorschwebenden” in den er­füllten Sinn, den klaren überzuführen, ihm also die Evidenz der klaren Möglichkeit zu verschaffen. Eben diese Möglichkeit ist Echtheit des Sinnes, also Ziel des besinnlichen Suchens und Findens. Besinnung, können wir auch sagen, ist, radikal ver­standen, ursprüngliche Sinnesauslegung, die Sinn im Modus unklarer Meinung in Sinn im Modus der Klarheitsfülle oder Wesensmöglichkeit überführt
Ich vermute, es wurde nichts klarer gemacht, aber dann nehme wenigstens meine Einladung an, mich über deinen naturalistischen Überlebensbegriff aufzuklären.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Sa 21. Sep 2019, 19:13

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Sep 2019, 15:36
Tatsächlich hatte ich (vielleicht in Unkenntnis der Blumenberg'schen Diktion) nicht die biologische Disposition vor Augen, sondern eine epistemologische. Ich habe die 'Überlebensleistung' in einem übertragenen Sinn verstanden. Dieser Mangel, den ich meinte, ist also ein Mangel an Begriffen, sich in der Welt zu verorten. Die Welt gedacht als "das Fallen von allem unter Begriffe", ist konzipiert als ein (für das Denken) nur dann überlebensfähiger Begriffsraum, wenn er Begriffe ausbildet, die in ihr 'überleben' können, weil sie mit ihrer Wirklichkeit übereinstimmen. Die Wirklichkeit der Welt korrespondiert mit der 'Atmosphäre ihrer Begriffe' und letztere ist nur dann ein wirtlicher Ort für das Denken, wenn seine Erkenntnis in ihr 'atmen' kann. Das Denken muss also Begriffe ausformulieren, die mit der Wirklichkeit übereinstimmen, will es Wahrheit produzieren, und dass es Wahrheit produziert, ist die einzige Möglichkeit für das langfristige Überleben des Denkens in Wirklichkeit, denn nur durch Wahrheit wird das Denken getragen von der Wirklichkeit, und andernfalls vernichtet werden durch sie. Das ist einmal die Voraussetzung, von der ich bei 'Überlebensleistung' ausgegangen bin: Überleben des Denkens als des In-der-Welt-Seins von Menschen schlechthin.
Das ist das antike und mittelalterliche Verständnis vom Menschen, das ich nur noch einmal mit meinen Worten knapp zusammenfassen möchte.

Gott hat die Welt und den Menschen geschaffen und deswegen kann die Wirklichkeit auch nur eine (die von Gott geschaffene) sein. Den Menschen zeichnet das Denken aus (Ebenbild Gottes), sodaß er die von Gott geschaffene Wirklichkeit, d.h. die Wahrheit erkennen kann; dies mittels der Begriffe, die mit der Wirklichkeit übereinstimmen müssen, um richtig/wahr zu sein.

Soweit meine Kenntnis reicht, hat sich unter den antiken und mittelalterlichen Autoren keiner Gedanken darüber gemacht, ob die Physis, die biologische Ausstattung des Menschen dazu taugt, in der Welt dauerhaft zu überleben. Warum das so ist, spekuliere ich freihand. Wenn der Mensch von Gott geschaffen ist, dann ist das Geschöpf selbstverständlich dazu befähigt worden, auf der Erde zu überleben zu können.

Bis hierhin erstmal @Alethos.




Antworten