Von der Warte des "endgültigen begrifflichen Zustandes" der Philosophie kann sich die Metapher nur als "Restbestand" auf dem Weg von "Mythos zum Logos" (S. 10) zeigen. Dann kann die Metapher keinen Mehrwert leisten mit Bezug auf Wahrheit, denn die Wahrheit bliebe dem Logos und seinen klarsten und vollständigen Begriffen vorbehalten. Wenn sich alle Wahrheit in reiner Begrifflichkeit, reinster Logizität vollkommen beschriebe, dann bliebe für die Metapher nur noch die 'Funktion einer Übergangsbedeutung'. Sie würde als prinzipiell defizient gelten müssen, als provisorisch: Sie würde sich nur in der Form des Überrests im Übergang vom Mythologischen zum Logischen zeigen können und würde im besten Fall als 'archäologisches Artefakt einer Begriffsgeschichte' eine Etappe, einen Zwischenschritt hin zu einem vollkommeneren Begriff anzeigen können.Nauplios hat geschrieben : ↑Sa 5. Okt 2019, 21:09
"Versuchen wir uns einmal vorzustellen ... " - Mit einem Gedankenexperiment beginnen die Paradigmen, indem ein "hypothetischer ˋEndzustand´ der Philosophie" entworfen wird als Folge und Abschluß des methodischen Programms, das Descartes im Discours de la Methode (1637) vorlegt. "Die erste (Vorschrift) besagt, niemals eine Sache als wahr anzuerkennen, von der ich nicht evidentermaßen erkenne, daß sie wahr ist: d.h. Übereilung und Vorurteile sorgfältig zu vermeiden und über nichts zu urteilen, was sich meinem Denken nicht so klar und deutlich darstellte, daß ich keinen Anlaß hätte, daran zu zweifeln." (Descartes; Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs; S. 31) -
Klar und deutlich - das bedeutet für die philosophische Terminologie, daß sie die "Präsenz und Präzision der Gegebenheit in definierten Begriffen auffängt". (S. 11) - Die philosophischen Begriffe müßten in diesem "Endzustand" der Philosophie also allesamt klar und deutlich definiert sein. "Alle Formen und Elemente übertragener Redeweise im weitesten Sinne erwiesen sich von hier aus als vorläufig und logisch überholbar; sie hätten nur funktionale Übergangsbedeutung ... " (S. 11)
Wenn die alten Griechen dachten, dass der "Logos prinzipiell dem Ganzen des Seienden gewachsen war", wenn für sie "Kosmos und Logos Korrelate waren" (S. 8), so kann man mit Recht diagnostizieren, dass sie diesen hypothetischen 'Reinzustand des Begrifflichen' für erreicht hielten. Für sie war demnach der Logos das dem Eigentlichen, das dem Wesentlichen Korrespondierende, die Rhetorik konnte so maximal nur ein Ornament der Rede sein, im besten Fall ein "technisches Rüstzeug der Wirkungsmittel". (S.9). Denn die Metapher kann auch hier keinen Mehrwert leisten, ausser vielleicht denjenigen, "Gefallen an der Wahrheit zu erwecken".
Nun zeigt aber bereits Vicos Idee der "Logik der Phantasie", dass dieses Klarheits- und Bestimmtheitsmaximum des Begrifflichen unerreichbar sein würde resp. erreichbar nur für das "Einsichtsverhältnis des Schöpfers". (S. 8) An die Stelle der 'Klarheit des dem Menschen Gegebenen' muss die 'Klarheit des von ihm Gemachten' treten. Denn wo dem Menschen keine göttliche Einsicht in der Form der adaequatio rei ad intellectum möglich ist, muss er, wo ihm keine Begriffe allein Aufschluss geben, über Umwege zur Erkenntnis der Dinge gelangen, d.h. er muss Erkenntnis des Wahren erlangen qua seiner Fähigkeit, das Gegebene durch das Andere zu denken, also in der Phantasie betrachten als übertragen auf das Andere. Hier bietet sich also der Gedanke an, die Metapher als "Grundbestand der philosophischen Sprache" zu denken (S.10), d.h. als philosophisches Werkzeug der Wahrheitserkenntnis durch Übertragung.
Metaphern sind Übertragungen, die sich nicht mehr ins Eigentliche zurückführen lassen, sie sind absolute Metaphern dann, wenn sie eine "nicht ablösbare Aussagefunktion" haben, d.h., wenn sie selbst ein eigentliches Gegebensein nicht insinuieren, sondern faktisch darstellen - ipso translatio. Sie sind dann aber nicht mit Blick auf das Erkennen des Eigentlichen Krücken und Hilfsmittel, sondern genuine Erkenntniswerkzeuge. Mit dem Nachweis absoluter Metaphern würde sich die "cartesische Teleologie der Logisierung" bereits gebrochen haben (S. 10), was bedeutet, dass die Vorstellung von der eigentlichen und uneigentlichen Rede, vom Begriff und vom Bild, vom Endzustand und vom Provisorium mindestens "fragwürdig" geworden ist.
Wenn wir gelten lassen, dass die Logik (das Begriffliche) uns nicht alles offenbaren und zuteil werden lassen kann, weil es auch eine Wirklichkeit der Übertragung gibt, also etwas wirklich darin ist, dass es übertragen ist, dann müssen wir uns veranlasst sehen, "das Verhältnis von Phantasie und Logos neu zu durchdenken". (S. 11)
Es scheint, als müsste das Verhältnis von Bild und Begriff, von Übertragung und das Gemeinte, durch die 'Klammer der Eigentlichkeit' gedacht werden. Da keines von beidem das Eigentlichere ist, also beides das Eigentliche ist, jeweils aber in einer anderen Form ausgedrückt, dann habe sie beide die 'Form der Reflexion' gemeinsam. Die absolute Metapher stellt als "Übertragung der Reflexion über einen Gegenstand der Anschauung auf einem ganz anderen Begriff" (Kant, zitiert in S. 12) die andere Seite der Eigentlichkeit dar. Die "Form der Reflexion" drückt die "Ähnlichkeit der Regel" aus über beide (notabene nicht ähnlichen) Sachverhalte und ihre Kausalität zu reflektieren.
Die Metapher geht also wie das Begriffliche auf die Wirklichkeit, auf die Eigentlichkeit, denn beide, Begriff und Metapher, haben zum Gegenstand die 'eigentliche Struktur der Reflexion' über zwei Sachverhalte, so unähnlich sich diese zwei auch seien. Sie sind als derselbe Sachverhalt zu denken durch die Regeln, mit denen über sie gedacht wird, und das ist ihre Eigentlichkeit. Vom Sachverhalt wird in beiden Fällen ihres Gegebenseins, als dieses Gemeinte oder als Übertragenes, abstrahiert, weil das Eigentliche, was sie in Analogie vereint, in den Regeln des über sie Nachdenkens codiert ist.