Allgemeiner Austausch und Smalltalk zu Blumenberg

In desem Forum kann die Philosophie des deutschen Philosophen Hans Blumenberg diskutiert werden.
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Alethos
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Do 9. Jul 2020, 10:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 06:13
Alethos hat geschrieben :
Mi 8. Jul 2020, 23:18
um Deutlichkeit geht es dem Begriff
Erst einmal: danke für deinen Beitrag, ich werde sicherlich später noch detaillierter darauf eingehen. Jetzt zu dem Zitat: das wird von Nauplios/Blumenberg zwar wieder und wieder behauptet, aber das kaufe ich nicht. Begriffe können ebenso gut das Undeutliche, das Andeutungsweise, das Vage, das Atmosphärische, das sich nur Andeutende, das Schemenhafte, das Nebulöse et cetera erfassen. (Z.b. mit diesen und anderen Ausdrücken.)

Zudem muss man sich ja vergegenwärtigen, dass Begriffe keine Einzelgänger sind, und auch in der Regel nicht als solche auftreten: Menschen können Gedichte schreiben! Begriffe erlauben uns, einfache und komplexe Gedanken zu erfassen, die wir ihrerseits (oft, aber nicht immer) mit Sätzen ausdrücken können, die wiederum auf unsere Begriffsdifferenzierung zurück wirken können, weil sie manchmal unter die Haut gehen.
Gedichte zeigen meines Erachtens ziemlich deutlich, dass Begriffe durch sich selbst einen Gedanken nicht erhellen oder auch Gefühle nicht in der Weise ausdrücken können, wie es die bildliche Rede tut. Deshalb greifen Gedichte mit Vorliebe auf dieses Mittel zurück, weil die reinen Begriffe es nicht leisten können, das auszudrücken, was in einem Gedicht Platz finden muss. Manchmal ist auch das Ungesagte und das Unsagbare Gegenstand eines Gedichts, das Unfassbare und deshalb notwendig Unbegriffliche, das thematisch werden will, und hierfür müssen Begriffe um ein Sensorium erweitert werden, das sie nur erhalten, wenn man sie überlagert (in Übertragung) anwendet.

Du sagst es ja selbst: "Begriffe sind keine Einzelgänger". Sie erhalten durch den Kon-Text, in welchem sie verwendet werden, einen anderen "Drall" - sie entwickeln auch eine gewisse Dynamik und diese lässt sich nicht an den Begriffen selbst ablesen, sondern an ihrer Relationalität, an ihrem Miteinander im Verbund von Begriffen. Sie strahlen sozusagen aufeinander ab und diese Kontextualität ist doch nichts, was sich auf einzelne Begriffe zurückführen lassen würde oder durch einen oder mehrere Begriffe ganz einfangen lassen würde?
Zuletzt geändert von Alethos am Do 9. Jul 2020, 10:56, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Do 9. Jul 2020, 10:54

Nauplios hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 08:09
in den angesprochenen Traditionen
"Begriff" ist allerdings kein Begriff auf den nur bestimmte Traditionen ein Vorrecht haben.




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Jörn Budesheim
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Do 9. Jul 2020, 10:56

Alethos hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 10:50
die bildliche Rede
Wenn ich sage: "Die Wiese ist grün", ist das bildliche Rede?




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Friederike
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Do 9. Jul 2020, 11:47

Obwohl es im hier, im derzeitigen Gesprächsverlauf nicht um Deine Überlegung geht, möchte ich trotzdem anmerken, daß ich nun endlich endlich begriffen habe, wie Deine Frage überhaupt gemeint ist.* Das untere Zitat ist eine mögliche Antwort-, falls ich es richtig sehe. Und die Antwort erhellt mir die Frage.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 8. Jul 2020, 18:20
Man kann sich auch fragen, wie es überhaupt möglich ist, dass wir Metaphern nutzen und verstehen. Wie kommt es dazu, dass sie etwas bedeuten? Eine Antwort ist, dass die Bedeutung in irgendeiner Form "übertragen" ist. Donald Davidson lehnt diese Interpretation ab. Nach seiner Ansicht bedeutet in "der Mensch ist des Menschen Wolf" Wolf einfach Wolf. Zumindest soweit ich mich erinnere, die Lektüre ist ziemlich lange her.
Jörn hat geschrieben : Obwohl ich nicht Davidson im Sinn hatte, habe ich die Anregung aufgenommen und das Buch gesucht :) Davidson schreibt am Ende des Aufsatzes, dass die Metapher dafür sorgt, dass wir ein Ding als etwas anderes sehen. Das ist die Als-Struktur, von der ich gesprochen habe, aber in einer verbesserten Version. Also nicht "etwas als etwas", sondern "etwas als etwas anderes". Das gefällt mir sogar noch besser.
*Du hattest die Frage - ich glaube, es ist im 1. Anlauf gewesen- mehrmals gestellt, ich hatte mehrfach nachgefragt, Du hattest wohl auch mehrfach geantwortet und am Ende war mir Deine Frage ebenso nebulös wie ganz am Anfang. Dies zur Erläuterung, warum ich an dieser Stelle meine Anmerkung dazu setze. Ein Unverständnis von vor Monaten hat sich geklärt.





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Alethos
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Do 9. Jul 2020, 11:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 06:40
Alethos hat geschrieben :
Mi 8. Jul 2020, 23:18
um Deutlichkeit geht es dem Begriff
Nehmen wir mal ein Beispiel: der Farb-Begriff "orange". Ein kompetenter Begriffsverwender weiß, dass dieser Begriff nicht deutlich ist, sondern seinen Platz in Übergängen hat! Zu dem Begriff selbst gehört es, dass orange einen unscharfer Raum zwischen gelb und rot meint. Es ist Teil der kompetenten Begriffsverwendung zu wissen, dass der Begriff eben gerade nicht deutlich ist. D
Bestimmt ist es so, dass Begriffe auch Gegenstände betreffen können, die nicht klare Konturen haben. Farben sind ein gutes Beispiel. Wir haben neulich auch über Wolken oder Sandhaufen nachgedacht - sogar über Blumen sind wir uns nicht einig, ob sie ein abgeschlossenes Ganzes im Sinne eines Begriffs meinen.

Mir ging es aber nicht so sehr um die Gegenstände selbst (die fliessende Übergänge haben und so gesehen wenig konturiert sein können), sondern um das "Gegenstandsumfeld", weniger als um den Gegenstand als solchen. Diese Gegenstandskontexte sind nicht immer begriffsimmanent, sie werden durch die Begriffe nicht automatisch beleuchtet. Wenn auch Begriffe Knotenpunkte in einem Netz darstellen, ist das Netz selbst ja nicht durch die Knotenpunkte zu verstehen, sondern diese bilden gemeinsam mit den Fäden, die zu Knoten verwoben sind, ein Gesamt. Dieses Gesamt ist, meines Erachtens, nicht durch die Begriffe als solche zu veranschaulichen, sondern muss durch eine alternative Begriffsverwendung ans Licht gebracht werden. Das Netz, das Begriffe bilden, ist mehr als die Summe der Begriffe, aus denen es gemacht ist und dieses Mehr wiederum hat keinen eigenen Begriff, es ist unbegrifflich, aber wird durch metaphorische Begriffsverwendung ins Begriffliche übersetzt.



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Nauplios
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Do 9. Jul 2020, 12:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 10:54
Nauplios hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 08:09
in den angesprochenen Traditionen
"Begriff" ist allerdings kein Begriff auf den nur bestimmte Traditionen ein Vorrecht haben.
Doch. Denn dieses Vorrecht ergibt sich daraus, daß du schreibst: " ... das wird von Nauplios/Blumenberg zwar wieder und wieder behauptet ..." Wo behauptet Blumenberg das? - In den Paradigmen. Die Paradigmen bilden den Zusammenhang, sie bilden den Kontext, in dem der Satz vom "hypothetischen Endzustand" der Philosophie und der damit verbundenen cartesianischen Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe eingebettet ist.

Vom Zusammenhang, in dem Begriffe platziert sind, schreibst du im selben Atemzug:

"Es gehört gewissermaßen zum Leistungsstärke der Begriffe, dass sie nicht deutlich sein müssen (aber, je nach den Umständen sein können) und ihre Deutlichkeit, wenn sie gefragt ist, erst aus den diversen Kombinationen von verschiedenen Begriffen in ihrem jeweiligen Zusammenhang gewinnen können, aber nicht müssen."

und:

"Wenn man sich ein Netz vorstellt, dann gibt es darin vielleicht Knotenpunkte, aber diese wiederum sind nur aus dem Gesamt des Netzes heraus zu verstehen."

Von just jenem "Gesamt", vom "jeweiligen Zusammenhang" wollen wir doch bei Blumenberg nicht absehen, nicht wahr. Seine These von der Deutlichkeit der Begriffe findet sich exakt in einem solchen Zusammenhang. Er stellt ihn sogar expressis verbis her, indem er den cartesianischen Gedanken clare et distincte als Folie nimmt, um darauf die Sache der Metapher abzubilden. Die Knotenpunkte eines Netzes "lassen sich nur aus dem Gesamt des Netzes heraus verstehen". - Richtig. Damit deine Forderung nach dem Zusammenhang, nach dem Gesamt, nach dem Netz, nach dem, was Alethos soeben den Kon-Text nennt zur Geltung kommt, hat die cartesianische Tradition in diesem Fall jedes Vorrecht auf ihr Postulat der Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe. -
Im Übrigen: wie oben gezeigt, ist es auch die kritische Philosophie Kants, welche die Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe fordert. Husserl habe ich erwähnt. Leibniz hat die Formel clare et distincte noch mal unter Berufung auf Descartes präzisiert. Den Logischen Empirismus Carnaps müssen wir in dieser Angelegenheit wohl kaum befragen. Und die Analytische Philosophie sieht die philosophischen Probleme sogar als solche der Ungenauigkeit der Sprache an. In ihr ist die Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe gleichsam in der Präambel verankert. - Auch die postanalytische Philosophie macht sich nicht für die Dunkelheit der philosophischen Begriffe stark. Mir würde auf Anhieb nur die Dekonstruktion als fröhliche Wissenschaft einfallen, die in ihren Textpraktiken mit der Assoziation, dem poetischen Ausdruck ... sympatisiert.

Die Dunkelheit der Metapher / die Deutlichkeit des Begriffs - das gilt nicht nur für marginalisierte "bestimmte Traditionen". Das Muster hat eine Reichweite über Jahrhunderte und ist kein Popanz, bei dem "Nauplios/Blumenberg" Geburtshelfer waren. -




Nauplios
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Do 9. Jul 2020, 12:40

Alethos hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 11:52

Mir ging es aber nicht so sehr um die Gegenstände selbst (die fliessende Übergänge haben und so gesehen wenig konturiert sein können), sondern um das "Gegenstandsumfeld", weniger als um den Gegenstand als solchen. Diese Gegenstandskontexte sind nicht immer begriffsimmanent, sie werden durch die Begriffe nicht automatisch beleuchtet.
"beleuchtet" - An dieser Stelle kann man es aus der Luft greifen, in der es liegt: das Sein des Seienden. ;) Aber das will ich Deinen Ausführungen, die ich für zutreffend halte - über den "Preis" verhandeln wir später - nicht antun. Nur der Hinweis auf das Format der Hintergrundmetaphorik sei gegeben. Genau das, was Du beschreibst, leistet sie nämlich. (Daumen hoch) -




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Friederike
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Do 9. Jul 2020, 12:46

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 8. Jul 2020, 18:20
[...] Aber meine Frage ist eine ganz andere. Ich frage ganz explizit, das habe ich ja wiederholt gesagt, nach der Theorie der Unbegrifflichkeit, natürlich im Zusammenhang mit Metaphern. Ganz unabhängig davon, ob man glaubt, dass Wolf in dem vorhergehenden Beispiel in einer übertragenen Bedeutung verwendet oder wortwörtlich verwendet wird, man wird doch aufgefordert, den Begriff in eine Als-Struktur (in einem weiten Sinn) "einzufügen". Und wie auch immer man zu der ersten Frage steht, ist das meines Erachtens ein Indiz dafür, dass wir den begrifflichen Zusammenhang niemals verlassen. Und deswegen halte ich es für ganz und gar unplausibel, in diesem Zusammenhang von einer Theorie der Unbegrifflichkeit zu sprechen.
Selbst wenn ich das zugestehen würde, so bleibt doch zu fragen, was aus dieser Feststellung eigentlich folgt. Daß der Titel nicht richtig gewählt wurde?! Das kann's nicht sein. Ich meine, dies ändert doch nichts daran, daß die Metapher jahrhundertelang ein kärgliches Dasein als rhetorisches Stilmittel gefristet hat, das erst durch die "Paradigmen" in den Status einer erkenntnisgewinnbringenden Sprachform versetzt worden ist. Ich kann nicht sehen, inwiefern die Auffassung, auch der metaphorischen Rede sei begriffliche Struktur eigen, etwas an der Funktion der Metapher als Erkenntnisinstrument verändert.




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Alethos
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Do 9. Jul 2020, 13:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 10:56
Alethos hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 10:50
die bildliche Rede
Wenn ich sage: "Die Wiese ist grün", ist das bildliche Rede?
Es ist eine Rede vom Bild, das die grüne Wiese abgibt, aber es ist nicht eine bildliche Rede im hier besprochenen Sinn. Wenn du sagen würdest: "Die Wiese - der grüne Ozean", dann hätten wir es wohl mit einem Fall bildlicher Rede zu tun. Und ich meine, dass dieses Beispiel es eigentlich zeigt: Die Wiese, als Ozean verstanden, beschreibt mehr als die eigentlichen Begriffe von >Wiese< und >Grün<, weil das Zusammenspiel beider Begriffe etwas durchscheinen lässt, was in den einzelnen Begriffen nicht impliziert ist.
Die Begriffsgrenzen (Definitionen) zweier Begriffe verschmelzen zu einer neuen und werden durch Begriffsüberlagerung durchlässig gemacht für ein Mehr - besser: ein Anderes an Bedeutung, das in den Grenzen der einzelnen Begriffe keinen Platz hat.

Metaphorologie ist so gesehen die Lehre der Offenheit von Definitionen für eine Wirklichkeit, die sich nicht kategorisch zeigt.



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Jörn Budesheim
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Do 9. Jul 2020, 18:06

Ich sehe nicht die Analogie zwischen dem Elefanten-Beispiel und meinem Farb-Beispiel.




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Friederike
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Do 9. Jul 2020, 18:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 10:56
Alethos hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 10:50
die bildliche Rede
Wenn ich sage: "Die Wiese ist grün", ist das bildliche Rede?
@Alethos, ich meine die folgende Frage ernst, auch wenn sie sich komisch anhört.
"Die Wiese lebt" und "die Wiese lacht" - meinst Du, es seien metaphorische Redeweisen oder nicht?




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Alethos
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Do 9. Jul 2020, 18:15

Orange ist in allen seinen Farbtönen Orange. Ein Elefant ist immer ein Elefant, auch wenn er mal einen viel grösseren Rüssel hat als der andere oder einen kleineren Bauch.

Die fliessenden Orangetöne sind nicht das, was belegen würde, dass es bei Begriffen nicht um Deutlichkeit geht und es ist auch nicht das, was mit "Unbegrifflichkeit" gemeint ist, wo es um etwas geht, das eben nicht in reiner (teeminologischer) Begriffsform zu haben ist.



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Nauplios
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Do 9. Jul 2020, 18:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 18:06
Ich sehe nicht die Analogie zwischen dem Elefanten-Beispiel und meinem Farb-Beispiel.
Sich an der Behebung von Sehschwächen nicht zu beteiligen, ist manchmal eine gratia elevans et medicinalis. :lol:




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Jörn Budesheim
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Do 9. Jul 2020, 19:18

Alethos hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 18:15
was mit "Unbegrifflichkeit" gemeint ist
Was ist denn deiner Ansicht nach damit gemeint? Bis jetzt habe ich gelernt, dass es Blumberg um narrative Strukturen geht, warum er aber narrative Strukturen der Unbegrifflichkeit zuschlägt, wurde nicht erläutert.
Nauplios hat geschrieben : Im FAZ-Fragebogen hat Blumenberg mal auf die Frage, was für ihn das Glück sei, geantwortet: "Sagen zu können, was ich sehe". Die Klasse des Unsagbaren ist der direkte Bezug auf Wittgenstein: "Denn alles, was der Fall ist, hat einen eindeutigen Grad der sprachlichen Verfügbarkeit, deren Umfang sich allerdings nicht mit dem deckt, was erfahren werden kann.
In meinem Begriffsverständnis von Begriff ist Sprache gar nicht automatisch mitgemeint und auf keinen Fall die Voraussetzungen für das Vorliegen von Begriffen. Nach dem analytischen oder vielleicht besser gesagt postanalytischen Philosophen John McDowell sind auch schon Wahrnehmungen begrifflich strukturiert. Das halte ich für absolut plausibel. Dort hinten liegt ein gelber Schwamm, den ich zum Malen brauche. Eine solche Gelbwahrnehmung, verbuche ich unter visuellem Begriff. Direkt darunter liegt nämlich ein gelbes Reklam-Heftchen von Odo Marquard. Das heißt, wir haben es hier bereits mit der Struktur zu tun, die Frege oben erläutert hat: () ist gelb, das kann man auch eine visuelle Beschreibung nennen.




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Jörn Budesheim
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Do 9. Jul 2020, 19:42

Alethos hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 18:15
Orange ist in allen seinen Farbtönen Orange.
Tautologien können niemals für irgendetwas ein Argument sein. Dass alle Elefanten unter dem Begriff Elefant fallen und alle Orangetöne ebenso ist keine große Überraschung.

Aber egal: Der Begriff orange ist vage, denn von vielen Farbtönen kann nicht genau gesagt werden, ob sie noch gelb oder schon orange sind. Die Zuschreibung ist also nicht eindeutig.

Das kann im übrigen auch problemlos bei dem Begriff Elefant der Fall sein. Tierarten ändern sich nämlich über die Zeit. Auch bei Elefanten wird es wohl eine solche evolutionäre Entwicklung gegeben haben, so dass nicht ohne weiteres klar ist, wann man noch von einem Vorläufer der heutigen Elefant sprechen kann oder schon von der modernen "Version".

Mein Beispiel hat also überhaupt nichts mit dem Elefanten Beispiel von Naiplios zu tun!




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Alethos
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Do 9. Jul 2020, 20:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 19:18
Alethos hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 18:15
was mit "Unbegrifflichkeit" gemeint ist
Was ist denn deiner Ansicht nach damit gemeint? Bis jetzt habe ich gelernt, dass es Blumberg um narrative Strukturen geht, warum er aber narrative Strukturen der Unbegrifflichkeit zuschlägt, wurde nicht erläutert.
Du bringst mich in die Verlegenheit, eingestehen zu müssen, dass ich es nicht besser erläutern kann. Tut mir leid. :roll:



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Jörn Budesheim
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Do 9. Jul 2020, 20:24

Alethos hat geschrieben :
Do 9. Jul 2020, 10:50
Deshalb greifen Gedichte mit Vorliebe auf dieses Mittel zurück, weil die reinen Begriffe es nicht leisten können, das auszudrücken, was in einem Gedicht Platz finden muss.
Bei "() ist ein gelb", fehlt noch was, nämlich das, was gelb ist, z.b. das Reclam Heftchen. Deswegen ist es etwas seltsam, wenn wir jetzt anfangen die (ungesättigten) Begriffe mit Sätzen, Geschichten oder Gedichten zu vergleichen.

Wie auch immer: Das Wort Wolf kann ich als Begriff einsetzen, indem ich sage: "Das da ist ein Wolf." z.b., wenn ich jemanden erklären will, was das deutsche Wort Wolf bedeutet. Wenn jedoch in einem anderen Fall "das da" eine Person ist, dann habe ich den Begriff ggf. metaphorisch eingesetzt. Jetzt haben wir ein und denselben Satz in zwei Kontexten, einmal bezeichne ich damit einen Wolf ein anderes Mal eine Person.

Wieso ist der eine Satz, wenn er metaphorisch verwendet wird, auf dem Weg in die Unbegrifflichkeit, während der selbe Satz es nicht ist, wenn ich damit auf einen Wolf zeige. Das verstehe ich nicht, und dafür hätte ich gerne eine Erklärung. Und zwar eine Erklärung, die nicht erklärt, dass es einen Unterschied zwischen metaphorischer Verwendung und nicht metaphorischer Verwendung gibt (das ist geschenkt) sondern eine Erklärung, die erklärt, warum man hier sinnvollerweise von Unbegrifflichkeit sprechen sollte.




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Do 9. Jul 2020, 20:34

Siehst du einen Unterschied zwischen: "Die Wiese ist gross und grün" und "Die Wiese ist ein grüner Ozean."? Und zwar meine ich nicht einen Unterschied betreffend die metaphorische oder eigentliche Begriffsverwendung, sondern betreffend Bedeutungsumfang.



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Jörn Budesheim
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Do 9. Jul 2020, 20:55

Worauf willst du hinaus?

Ich rede durchaus gerne auch mal blümerant und übrigens schreibe ich auch Gedichte. Solche Sachen sind mir also nicht fremd, wenn du das meinst.

Fremd ist mir allerdings die schlechte Meinung, die ihr mittlerweile alle von Begriffen zu haben scheint.




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Alethos
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Do 9. Jul 2020, 21:38

Wie kommst du denn bloss auf die Idee, dass jemand eine schlechte Meinung von Begriffen hat? Ohne Begriffe wäre keine Wirklichkeit denkbar und liesse sich auch keine Metaphorologie betreiben. Es gibt keinen Antagonismus zwischen Begrifflichkeit und Unbegrifflichkeit.

Dass du Gedichte schreibst, weiss ich, und dass du Künstler bist, weiss ich ebenso, deshalb verstehe ich auch nicht ganz, weshalb du so skeptisch gegenüber der in der Metaphorik betriebenen Entgrenzung von Definitionen zugunsten einer Vieldeutigkeit eingestellt bist. Kunst operiert ebenso mit Bedeutungen, die sich unter anderem auch nicht auf Begriffe bringen lassen. Vieles, was in Kunst durchscheint, hat gar keinen Begriff.



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