Allgemeiner Austausch und Smalltalk zu Blumenberg

In desem Forum kann die Philosophie des deutschen Philosophen Hans Blumenberg diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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So 5. Jul 2020, 16:23

Friederike hat geschrieben :
So 5. Jul 2020, 16:06
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 5. Jul 2020, 15:33
Kannst du mich aufklären?

Du bist doch der Ansicht, dass Sein eine Metapher ist? Oder? Wenn das so ist, dann entsteht die Frage, inwiefern Sein ein Bild sein soll?
Liest Du meine Äußerung von heute, 14.38 Uhr, bitte! Ich denke mir so, dann müßte eigentlich klar sein, daß ich nicht behauptet habe, der Begriff "Sein" allgemein (und unabhängig von Heidegger) sei eine (nicht absolute) Metapher.
Friederike hat geschrieben :
Fr 26. Jun 2020, 15:45
offtopic: Vielleicht gehört (das) "Sein" zu den absoluten Metaphern. Definiere "Sein"!
Du bist also nicht der Ansicht, dass Sein eine Metapher ist?




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Friederike
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So 5. Jul 2020, 16:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 5. Jul 2020, 16:23
Friederike hat geschrieben :
So 5. Jul 2020, 16:06
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 5. Jul 2020, 15:33
Kannst du mich aufklären?

Du bist doch der Ansicht, dass Sein eine Metapher ist? Oder? Wenn das so ist, dann entsteht die Frage, inwiefern Sein ein Bild sein soll?
Liest Du meine Äußerung von heute, 14.38 Uhr, bitte! Ich denke mir so, dann müßte eigentlich klar sein, daß ich nicht behauptet habe, der Begriff "Sein" allgemein (und unabhängig von Heidegger) sei eine (nicht absolute) Metapher.
Friederike hat geschrieben :
Fr 26. Jun 2020, 15:45
offtopic: Vielleicht gehört (das) "Sein" zu den absoluten Metaphern. Definiere "Sein"!
Du bist also nicht der Ansicht, dass Sein eine Metapher ist?
Ja. So ist es. Denn ich unterscheide "Metapher" von "absoluter Metapher" -




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Jörn Budesheim
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So 5. Jul 2020, 17:05

Und absolute Metaphern sind gar keine Metaphern? Wie auch immer: die Frage stellt sich dennoch:
Das Heidegger-Handbuch hat geschrieben : Wo die Begriffe nicht mehr greifen, springen die Bilder ein
Wetz hat geschrieben : Allgemein versteht Blumenberg unter Metaphorologie eine Lehre von den Bildern, die sich der Mensch für sein Dasein und die Welt schafft
Wenn Sein eine absolute Metapher ist, mit welchem Bild haben wir es tun?




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Friederike
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So 5. Jul 2020, 18:08

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 5. Jul 2020, 17:05
Wenn Sein eine absolute Metapher ist, mit welchem Bild haben wir es tun?
Das Folgende ist die Antwort, von der ich gemeint hatte, sie "überzeuge mich" (und es geht hier um Heidegger):
Nauplios hat geschrieben : Nun sind ja die Lichtung und das Licht bei Heidegger - der selbst nie metaphorisch schreiben und verstanden werden wollte - Topoi, die weithin leuchten. ;) "Im Lichte des Seins [erscheint] das Seiende als das Seiende, das es ist". Das Sein wird metaphorisiert als etwas, das Licht ausstrahlt. Weil es dieses Licht ausstrahlt, kann dann das Seiende als das, was es ist, erscheinen. Ohne das "Licht des Seins" läge das Seiende im Dunkeln. Das "Licht des Seins" leuchtet ... na, ich hätt' jetzt beinahe geschrieben lichtet. :) In die "Lichtung des Seins" kommen dann herein Gott, Götter, Geschichte, Natur ... Eine Lichtung ist eigentlich eine baumfreie Stelle in einem Wald. Aus diesem Bedeutungszusammenhang wird die Lichtung dann übertragen (metapherein) in den Bedeutungszusammenhang von Sein und Seiendem. Das Seiende tritt gleichsam wie ein scheues Wild aus dem dunklen Wald heraus in die Lichtung des Seins; es erscheint auf der Lichtung, erscheint im Lichte des Seins. IM Lichte des Seins heißt dann, daß wir nicht das Licht sehen, sondern das, was im Lichte erscheint, das Seiende. Wir sehen das Seiende, weil es das Licht reflektiert. - So wird das Sein bei Heidegger zu einer (absoluten) Metapher. Es gibt also so eine Art Wurzelwerk des Seinsbegriffs. Seine Metaphorizität ist dem Begriff des Seins nicht auf den ersten Blick anzumerken. Im Untergrund, im Hintergrund laufen diese Bilder vom Licht mit, sind Leitvorstellung und Orientierung des Begriffs.
Die absolute Metapher ist etwas anderes als eine Metapher in dem von Dir heute erwähnten Sinn:
Jörn hat geschrieben : Ich habe dementsprechend nach dem Bild gefragt. Ein Beispiel für eine Metapher ist: das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss. Die Metapher ist hier das Bild vom langen, ruhigen Fluss. Ein anderes Beispiel: wenn man von der nackten Wahrheit spricht, dann wird als Bild Nacktheit aufgerufen. wenn man sagt, dass der Mensch des Menschen Wolf ist, ist das Bild, was man verwendet eben der Wolf.
Bei der absoluten Metapher verschwindet das Bild. Das ist jetzt die zweite Umrundung. Wir sind wieder da, wo wir gestern, glaube ich, begonnen haben.




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Jörn Budesheim
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So 5. Jul 2020, 18:41

Friederike hat geschrieben : Bei der absoluten Metapher verschwindet das Bild.
Absolut sind nach Blumenberg Metaphern, „wenn sie sich gegenüber dem terminologischen Anspruch als resistent erweisen, nicht in Begrifflichkeit aufgelöst werden können.“ (Paradigmen)

Franz Josef Wetz schreibt: [Blumenberg führt] "den Terminus absolute Metapher zur Kennzeichnung jener sprachlichen Bilder ein, die semantische Gehalte umfassen, welche sich der Ausdruckskraft der begrifflichen und objektivierenden Sprache von Philosophie und Wissenschaft entziehen. Ihm zufolge gibt es eine Dimension des unbegrifflich Metaphorischen, die sich nicht ins begrifflich Logische übersetzen lässt." (Unterstreichung von mir)

(An der Stelle müsste mal auch endlich mal klären, was das "begrifflich Logische" meint. Das ist meines Erachtens komplett unklar!)
"Im Lichte des Seins [erscheint] das Seiende als das Seiende, das es ist"
In diesem Fall ist jedoch nicht das Sein das Bedeutung stiftende Bild. Sondern das "Verhältnis" von Seienden und Sein wird mithilfe der Lichtmetapher verbildlicht. Ich hatte bisher auch immer gedacht, dass der darin schließlich "Witz" der Metaphern besteht, dass sie nämlich Anschaulichkeit liefern, wo sie fehlt. Deswegen überrascht es mich jetzt, wenn ich höre, dass bei absoluten Metaphern das Bild verschwindet?!




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Friederike
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So 5. Jul 2020, 19:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 5. Jul 2020, 18:41
[...] Deswegen überrascht es mich jetzt, wenn ich höre, dass bei absoluten Metaphern das Bild verschwindet?!
Ich korrigiere mich und setze "Bild" ins Plural; die Bilder, weil es eher Metaphern- bzw. Bildkomplexe sind. Alles Weitere muß ich auf morgen verschieben.




Nauplios
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So 5. Jul 2020, 19:11

Friederike hat geschrieben :
So 5. Jul 2020, 18:08

Bei der absoluten Metapher verschwindet das Bild. Das ist jetzt die zweite Umrundung. Wir sind wieder da, wo wir gestern, glaube ich, begonnen haben.
Wenn wir uns darauf verständigen, daß das Bild bei der absoluten Metapher in den Hintergrund tritt ("Hintergrundmetaphorik")... von mir aus auch in den Hintergrund verschwindet ... könnte das in einen wohltuenden Verzicht auf eine dritte Umrundung münden. ;)




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Jörn Budesheim
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So 5. Jul 2020, 19:23

Sebastian Tränkle hat geschrieben : "Mit dem Begriff der »Hintergrundmetaphorik« bietet Blumenberg eine Konzeption auf, die erlaubt, einzelne in einem Text oder einer Rede auftretende Metaphern als Indizes zu deuten: Sie verweisen auf ein dem jeweiligen Gebrauch zu Grunde liegendes metaphorisches Assoziationssystem. Um ein berühmtes Beispiel von Immanuel Kant aufzugreifen: Die metaphorische Darstellung eines autoritär regierten Staates als Handmühle indiziert eine mechanische, die Darstellung eines verfassungsmäßig regierten Staates als Organismus eine organische Hintergrundmetaphorik. Solche ebenso geschichtlich variierenden wie transhistorisch wirksamen Metaphernkomplexe bilden laut Blumenberg die »Substruktur« oder die »Sinnhorizonte« auch des begrifflichen Denkens: Dessen grundsätzliche Ausrichtung ist regelrecht daran »abgelesen«, was auch dort gilt, wo sich in Aussagenzusammenhängen gar keine Metaphorik manifestiert."
Wenn man an dieser Stelle entsprechend nach dem Bild der Metapher fragt, dann lautet die Antwort, einfach gesagt: "ein Organismus". Es ist ja nicht so, dass es gar kein Bild gibt, sondern es wirkt gewissermaßen unauffällig, aber dennoch bedeutungsleitend aus dem Hintergrund heraus. Hintergrundmetaphorik heißt doch wohl nicht, dass es kein Bild gibt. Für die Frage, welches Bild das Sein liefert/ist, ändert das also gar nichts. Denn egal, ob das metaphorische Bild offensichtlich oder hintergründig wirkt, es ist ein Bild.




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Jörn Budesheim
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Mo 6. Jul 2020, 06:31

Sebastian Tränkle hat geschrieben : Die metaphorische Darstellung eines autoritär regierten Staates als Handmühle indiziert eine mechanische, die Darstellung eines verfassungsmäßig regierten Staates als Organismus eine organische Hintergrundmetaphorik.
Wir haben es laut Sebastian Tränkle mit Metaphernkomplexen, metaphorischen Assoziationssystemen zu tun. Mit der Handmühle assoziiert man vielleicht, dass die Dinge den Menschen einfach mit Gewalt abgepresst werden, während ein Organismus einen "natürlichen" und zweckmäßigen Zusammenhang vorstellt. Wir haben es also hier mit semantischen Strukturen zu tun. Daraus ergibt sich jedoch: wenn wir es mit semantische Strukturen zu tun haben, haben wir es auch mit Logik zu tun. Zudem ist es doch so, dass sich Metaphern in unser Rede offenbar heimisch fühlen, wie können sie dann in einem "Gegensatz" zu logisch begrifflichen Strukturen stehen? Wie erklärt man sich dann, dass es angeblich eine Dimension des unbegrifflich Metaphorischen geben soll, die sich nicht ins begrifflich Logische übersetzen lässt?




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Friederike
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Mo 6. Jul 2020, 12:14

Absolute Metaphern sind diejenigen Begriffe, die sich gegenüber dem "terminologischen Anspruch als resistent erweisen, nicht in Begrifflichkeit aufgelöst werden können". So Blumenberg, wiederholte Male hier zitiert.

Das sind nach meinem Verständnis die Begriffe, die Kemmerling "Grundbegriffe" nennt:
Jörn hat geschrieben : Grundbegriffe sind “nicht durch explizite Definitionen auf grundlegendere Begriffe zurückführbar. Wodurch sind sie bestimmt? Die beste Antwort, die ich kenne, besagt: durch die Verbindungen, in denen sie zu anderen Begriffen, insbesondere zu anderen Grundbegriffen, stehen.”
Die Nicht-Rückführbarkeit ins begrifflich-logische bezieht sich, so denke ich, ausschließlich auf den Sonderfall der absoluten Metapher.

Alle nicht absoluten Metaphern, also der Normalfall einer Metapher, die "einfache" Metapher, wie ich sie nenne, sind von der Blumenberg'schen Definition (oben) nicht berührt. Einfache Metaphern, Metaphernkomplexe, Hintergrundmetaphorik, wie immer man es ausdrückt, können grundsätzlich durchaus durch andere Begriffe ersetzt werden oder in Begrifflichkeit aufgelöst werden.

Ich hoffe, ich hab's verstanden.




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Jörn Budesheim
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Mo 6. Jul 2020, 13:04

Friederike hat geschrieben :
Mo 6. Jul 2020, 12:14
Absolute Metaphern sind diejenigen Begriffe, die sich gegenüber dem "terminologischen Anspruch als resistent erweisen, nicht in Begrifflichkeit aufgelöst werden können". So Blumenberg, wiederholte Male hier zitiert.

Das sind nach meinem Verständnis die Begriffe, die Kemmerling "Grundbegriffe" nennt:
Das sind nach meinem Verständnis zwei verschiedene Dinge. Anderenfalls wäre jede notwendige Metapher ein Grundbegriff. Und schließlich soll die Metapher gar kein Begriff sein und sich auch nicht auf Begriffe zurückführen lassen.

Notwendige Metapher: lässt sich nicht in Begriffe auflösen.
Grundbegriff: Lässt sich nicht auf andere Begriffe zurückführen.

Das sind zwar ähnliche Verhältnisse, aber sie sind nicht gleich.




Nauplios
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Mo 6. Jul 2020, 16:26

Friederike hat geschrieben :
Mo 6. Jul 2020, 12:14
Absolute Metaphern sind diejenigen Begriffe, die sich gegenüber dem "terminologischen Anspruch als resistent erweisen, nicht in Begrifflichkeit aufgelöst werden können". So Blumenberg, wiederholte Male hier zitiert.

Die Nicht-Rückführbarkeit ins begrifflich-logische bezieht sich, so denke ich, ausschließlich auf den Sonderfall der absoluten Metapher.

Alle nicht absoluten Metaphern, also der Normalfall einer Metapher, die "einfache" Metapher, wie ich sie nenne, sind von der Blumenberg'schen Definition (oben) nicht berührt. Einfache Metaphern, Metaphernkomplexe, Hintergrundmetaphorik, wie immer man es ausdrückt, können grundsätzlich durchaus durch andere Begriffe ersetzt werden oder in Begrifflichkeit aufgelöst werden.

Ich hoffe, ich hab's verstanden.
Ja, so verstehe ich es auch. Absolute Metaphern ("Grundbestände") können nicht in Begrifflichkeit aufgelöst werden, können nichts Eigentliche, in "Logizität" überführt werden. Die von Dir so genannten "einfachen" Metaphern ("Restbestände") sind durch Begrifflichkeit ersetzbar. - Dabei geht es grundsätzlich nicht darum, der Metapher das Wort zu reden. Die Metaphernlehre Blumenbergs ist keine Anleitung zum Metapherngebrauch, die Paradigmen kein Florilegium besonders schöner Stellen.

Da wir hier fast nur die Paradigmen im Blick haben, welche die anthropologische Dimension der Metaphorologie nur andeuten, verengt sich naturgemäß auch unsere Diskussion auf einen "schmalen Spezialfall von Unbegrifflichkeit" (Blumenberg). Andere, weniger schmale Fälle von Unbegrifflichkeit sind beispielsweise der Mythos und die Anekdote. Diese recht "breiten" Fälle lassen die anthropologischen Intentionen Blumenbergs, die sich mit den großen Werken der 70er/80er Jahre immer mehr abzeichnen, sehr viel deutlicher erkennen. -

Was nun das Verhältnis von Begriff und Metapher angeht, so ist die Heimat des Begriffs die Logik, die der Metapher die Rhetorik. Grammatik, Logik und Rhetorik bilden das Trivium der sieben freien Künste. Wenn von Überführung in die "Logizität" u.ä. die Rede ist, dann ist genau dies gemeint, daß ja der Begriff zur Logik gehört, die Metapher zur Rhetorik. Was nicht gemeint ist: daß mit dem Auftritt der Metapher alle Logik zum Teufel geht und die Metapher damit jeden Unsinn und jeden Widersinn legitimiert. Ganz im Gegenteil.

Begriff/Logik
Metapher/Rhetorik

Näheres dazu bei Gottfried Gabriel: Präzision und Prägnanz. Logische, rhetorische, ästhetische und literarische Erkenntnisformen , insbesondere das zweite Kapitel: "Logik der Begriffe und Rhetorik der Metaphern, ein Widerstreit?" (S. 36ff)

Darin heißt es (vielleicht hilft das bei der Frage nach Kemmerlings Grundbegriffen etwas weiter):

"Als Beispiel für den Erkenntniswert kategorialer Metaphern sei die chemische Metapher der 'Ungesättigtheit' angeführt. Sie dient dem Logiker (!) Gottlob Frege, der ansonsten mit Blick auf die Geltung des tertium non datur für seine Forderung nach 'scharfer Begrenzung der Begriffe' bekannt ist, zur Erläuterung des kategorialen Begriffs der Funktion. Der Begriff der Funktion ist nach Frege logisch einfach, also definitorisch nicht auf andere Begriffe zurückführbar, so daß wir mit unseren Begriffen an ein Ende kommen. Zur Erläuterung müsse man daher - so Frege - auf 'bildliche Ausdrücke' zurückgreifen. Dabei geht es nicht um eine ergänzende Veranschaulichung bereits bestehender Begrifflichkeiten, sondern die Metapher tritt an die Stelle fehlender Begrifflichkeit. An ihrem Ur-Grunde, beim logisch Einfachen angelangt, kann also selbst eine so strenge Wissenschaft wie die Logik nicht auf rhetorische Elemente des Unbegrifflichen verzichten." (S. 44) -

Gottfried Gabriel hatte von 1995 bis 2009 den Lehrstuhl für Logik und Wissenschaftstheorie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena inne. 




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Jörn Budesheim
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Mo 6. Jul 2020, 20:17

Nauplios hat geschrieben :
Mo 6. Jul 2020, 16:26
Ja, so verstehe ich es auch.
Friederike hat geschrieben : Absolute Metaphern sind diejenigen Begriffe, die sich gegenüber dem "terminologischen Anspruch als resistent erweisen, nicht in Begrifflichkeit aufgelöst werden können". So Blumenberg, wiederholte Male hier zitiert.

Das sind nach meinem Verständnis die Begriffe, die Kemmerling "Grundbegriffe" nennt: ...
Friederike hat geschrieben : Bei der absoluten Metapher verschwindet das Bild.
Der Preis der Zustimmung ist jedoch, dass du alles weggelassen hast, was strittig war. Außerdem steht immer noch die Frage im Raum, wie der Begriff "Sein" eine absolute Metapher sein kann, wenn ihm das Bildhafte fehlt? Bzw, wenn es ihm nicht fehlt, worin es besteht.




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Friederike
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Di 7. Jul 2020, 12:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 6. Jul 2020, 20:17
[...] Außerdem steht immer noch die Frage im Raum, wie der Begriff "Sein" eine absolute Metapher sein kann, wenn ihm das Bildhafte fehlt? Bzw, wenn es ihm nicht fehlt, worin es besteht.
"Lichtung", "Licht" "konstituieren den Gegenstand" "Sein" bei Heidegger. Die Lichtmetaphorik wird zum oder im Begriff verdichtet. So vielleicht? Würde diese Formulierung Deine Zustimmung finden? Man sieht der absoluten Metapher, dem Wort, das absolute Metapher sein kann, nicht prima facie an, daß es Metapher ist (siehe auch "Wahrheit"). Wenn Du die absolute Metapher, auf die Blumenberg sicher das Patent hat, :lol: für einen Widerspruch in sich hältst, weil eigentlich gar nichts durch Übertragung veranschaulicht wird, dann sage es doch einfach. Man muß sich den Begriff ja nicht zu eigen machen.




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Jörn Budesheim
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Di 7. Jul 2020, 15:12

Friederike hat geschrieben :
Di 7. Jul 2020, 12:18
Würde diese Formulierung Deine Zustimmung finden?
Nein :-) Meine Ansicht ist: "Sein" ist einfach keine Metapher. Das scheint mir sogar ziemlich offensichtlich der Fall zu sein. Wahrheit ist eben sowenig eine Metapher. Die "Nackte Wahrheit" - das ist ganz offensichtliche eine Metapher.




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Di 7. Jul 2020, 17:13

Nauplios hat geschrieben :
Mo 6. Jul 2020, 16:26
[...] Da wir hier fast nur die Paradigmen im Blick haben, welche die anthropologische Dimension der Metaphorologie nur andeuten, verengt sich naturgemäß auch unsere Diskussion auf einen "schmalen Spezialfall von Unbegrifflichkeit" (Blumenberg). Andere, weniger schmale Fälle von Unbegrifflichkeit sind beispielsweise der Mythos und die Anekdote. Diese recht "breiten" Fälle lassen die anthropologischen Intentionen Blumenbergs, die sich mit den großen Werken der 70er/80er Jahre immer mehr abzeichnen, sehr viel deutlicher erkennen. - [...]
Mythos und Anekdote würde ich als "Genres" bezeichnen, von denen ich meine, es müsse ihnen auf jeden Fall die Poesie, genauer noch das Gedicht hinzugefügt werden (literarische Erzählungen sowieso). Nur das Gedicht scheint mir die Gattung, die mehr noch als alle anderen Schreib-"Gestalten" den Raum für Bilder und das "Nicht-Mitteilbare", die Mehrdeutigkeit, mithin die Unbegrifflichkeit öffnet. Ich hoffe sehr, Du wirst irgendwann mehr darüber sagen. Soweit ich es überblicke, hat Blumenberg sich mit dem "Spezialfall" der Lyrik wenig befaßt, mit der Prosaliteratur hingegen sehr ausgiebig. Ich meine gar nicht einmal die ausdrückliche Thematisierung wie in "Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans", sondern vor allem den Rückgriff auf erzählende Literatur in der Bearbeitung anderer Themen, als Text-Quellen, die er ebenso benutzt hat wie philosophische Schriften. Mich interessiert an der Unbegrifflichkeit u.a. der Aspekt ihrer Entstehung aus der Begrifflichkeit (ein Begriff markiert einen Raum, er setzt eine Wirklichkeit, womit gleichzeitig die Räume entstehen, die der Begriff nicht ist; man könnte wohl auch sagen, die Räume des Möglichen.




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Friederike hat geschrieben :
Di 7. Jul 2020, 17:13
Mich interessiert an der Unbegrifflichkeit
Mich würde zuvor ja interessieren, was damit überhaupt gemeint ist.




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Di 7. Jul 2020, 20:33

Nach einem ganz allgemeinen Verständnis erfassen wir mit einem Begriff "etwas als etwas". Das berühmte hermeneutische "als". Wir verstehen/erkennen das da "als" Buch. Diese Struktur ändert sich bei der Metapher ja nicht komplett! Wir verstehen nach wie vor "etwas als etwas", z.b. die Wahrheit als Licht, das Leben als Reise, den Menschen als Wolf. Das ist eine durch und durch begriffliche Struktur.




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Friederike hat geschrieben :
Di 7. Jul 2020, 17:13

Mythos und Anekdote würde ich als "Genres" bezeichnen, von denen ich meine, es müsse ihnen auf jeden Fall die Poesie, genauer noch das Gedicht hinzugefügt werden (literarische Erzählungen sowieso). Nur das Gedicht scheint mir die Gattung, die mehr noch als alle anderen Schreib-"Gestalten" den Raum für Bilder und das "Nicht-Mitteilbare", die Mehrdeutigkeit, mithin die Unbegrifflichkeit öffnet. Ich hoffe sehr, Du wirst irgendwann mehr darüber sagen.
Ich schaue in den nächsten Tagen mal, ob ich eine kleine Zusammenstellung aus dem Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit bzw. der aus dem Nachlaß herausgegebenen Theorie der Unbegrifflichkeit selbst machen kann, Friederike. Es gibt bestimmt auch im Netz dazu einiges. Auf die Schnelle gefunden: Unbegrifflichkeit. Ein Paradigma der Moderne :

https://books.google.de/books?id=sNAFOc ... ne&f=false




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Jörn Budesheim
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Mi 8. Jul 2020, 09:23

Wenn Argumente einfach übersprungen werden, dann sollten wir den Laden hier schließen. Das ist mein Ernst!




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